Studies in the Scriptures

Tabernacle Shadows

 The PhotoDrama of Creation

 

 

SCHRIFTSTUDIEN 

BAND 4 - DER KRIEG VON HARMAGEDON

 

 Studie 10

Vorschläge zur Abhilfe.

Verbot alkoholischer Getränke und Frauenstimmrecht. Freisilber und Sperrzoll. Kommunismus. Anarchie. Sozialismus oder Kollektivismus. - Beispiele von zwei sozialistischen Gemeinwesen. Ausbildung der Arbeiter als ein Heilmittel. Die sog. „einzige Steuer“ oder „Freiland.“ Andere Hoffnungen und Befürchtungen. Die einzige Hoffnung, die „glückselige Hoffnung.“ Was hat ein Kind Gottes zu tun? In der Welt, aber nicht von der Welt.

„Ist kein Balsam in Gilead, oder kein Arzt daselbst?“ „Wir haben Babel heilen wollen, aber es ist nicht genesen. Verlasset es und lasst uns ein jeder in sein Land ziehen; denn sein Gericht reicht bis an den Himmel.“ - Jer. 8:22; 51:7-9

Zahlreich und sehr verschiedenartig sind die Abhilfemittel, welche für die Erleichterung der seufzenden Schöpfung, in ihrer zugestandenermaßen schweren Lage, in Vorschlag gebracht werden, und alle, denen der Jammer derselben ans Herz greift, müssen die Anstrengungen achten, welche die verschiedenen Heilkünstler, nachdem sie das Vorhandensein des Übels erkannt haben, machen, um dem Kranken ihre Mittel anzupreisen. Diese Versuche, ein Mittel zu finden und anzuwenden, sind aller Ehre wert, und jedes fühlende Herz weiß sie wohl zu würdigen. Aber kühles Urteil und Erleuchtung durch das göttliche Wort belehren uns, dass keines der in Vorschlag gebrachten Mittel dem Übel abzuhelfen vermag. Es bedarf hierzu der Gegenwart des großen Arztes mit seinen Arzneien, Instrumenten und Verbänden; nur die wirksame und fortgesetzte Anwendung dieser wird die Krankheit - Verderbtheit und Selbstsucht - heilen. Dennoch wollen wir in dieser Studie diesen Vorschlägen unsere Aufmerksamkeit widmen, damit wir erkennen, wie einige derselben dem weisen Vorsatz Gottes scheinbar nahe kommen, während sie jedoch in Wirklichkeit weit hinter demselben zurückbleiben. Wir wollen diese Betrachtung nicht zum Zwecke unnutzer Diskussionen anstellen, sondern damit alle umso deutlicher die einzige Richtung erkennen, aus der uns Hilfe kommen kann.

Verbot alkoholischer Getränke und Frauenstimmrecht

werden meist gleichzeitig in Vorschlag gebracht, weil zugegeben wird, dass das erstere ohne Teilnahme der Frauen an der Abstimmung nicht erlassen werden kann. Die Befürworter dieses Heilmittels zeigen an Hand statistischer Tafeln, dass ein großer Teil des Elends und der Armut in der Namenchristenheit auf den Handel mit geistigen Getränken zurückzuführen ist, und meinen, wenn derselbe verboten würde, so wäre Friede und Wohlfahrt die Regel und nicht die Ausnahme.

Nun ist nicht zu leugnen, dass Trunksucht eine der schlimmsten Früchte der Zivilisation ist, ja, dass sie sich rasch unter halbzivilisierten und wilden Völkern ausbreitet. Könnte sie verhindert werden, wir wären herzlich froh. Wir geben sogar zu, dass ihr Verschwinden einem großen Teil des Elends unserer Tage vorbeugen und die Verschwendung von Hunderten von Millionen jährlich verhüten würde. Aber gegen die Selbstsucht und das Gesetz von Nachfrage und Angebot, welches den Massen das Blut auspresst, ist das Alkoholverbot machtlos.

Es sind nicht die ganz Armen, welche ihr Geld in Alkohol verschleudern, sondern die Reichen! Sie in erster Linie, und dann der sogenannte Mittelstand. Das Alkoholverbot wäre für die ganz Armen keine Erleichterung, sondern eine Erschwerung ihrer Lage. Tausende von Farmern, die jetzt ihre Produkte an Brennereien und Brauereien liefern, fänden dafür keinen Platz mehr, müssten andere Gewächse pflanzen und würden dadurch die Überproduktion vermehren und die Preise herabdrücken. Die Tausenden von Brennern, Flaschenfabrikanten, Glasbläsern, Wirten usw., welche jetzt vom Getränkehandel leben, würden verdienstlos auf den Arbeitsmarkt geworfen, wo sie durch Vermehrung des Angebots auf die Löhne drücken würden. Die vielen Millionen im Getränkehandel angelegten Kapitalien würden frei und in anderen Branchen den Konkurrenzkampf verschärfen.

Das alles sollte uns indes nicht abhalten, das Alkoholverbot zu wünschen, wenn sich eine Mehrheit dafür finden sollte. Das ist aber mit Ausnahme einzelner Ortschaften nicht denkbar. Die Mehrheit besteht aus Sklaven der Trunksucht und solchen, die daran ein finanzielles Interesse haben, direkt oder indirekt. Das Alkoholverbot wird kaum erlassen werden vor der Aufrichtung des Reiches Gottes. Sollte es aber durchgeführt werden, so würde es die soziale Krankheit doch nicht heilen können.

Freisilber und Sperrzoll

Wir geben ohne weiteres zu, dass die Abschaffung der Silberwährung durch die Namenchristenheit ein Meisterstreich der selbstischen Geschicklichkeit der Geldverleiher war, dazu bestimmt, die Vorräte vollwertigen Geldes zu verringern, um dadurch dasselbe umso preiswürdiger zu machen und den Zinsfuß auf der Höhe zu halten zu einer Zeit, da das gesteigerte Angebot die Preise aller anderen Waren und die Arbeitslöhne herabdrückte. Viele Bankiers und Gelddarleiher sind wohl dem Gesetz nach ehrliche Leute, aber der Maßstab für diese Ehrlichkeit ist zu kurz. Da heißt es einfach: Wir sehen für uns und lassen die anderen für sich sehen! Wir wollen die Armen und weniger Schlauen dadurch täuschen, dass wir Gold „ehrliches Geld“ und Silber „unehrliches Geld“ nennen. Viele unter den Armen wollen ehrlich sein und werden es daher mit dem „ehrlichen“ Geld halten, welches freilich für die „Erntearbeiter“ ein großer Schaden ist. Da wir uns des Ansehens und Zutrauens erfreuen, werden sie alles für Unrecht halten, was unseren Ansichten entgegen ist. Sie werden vergessen, dass zu allen Zeiten das Silber den Maßstab für die Bewertung der Ware abgegeben hat, und dass das Gold früher Ware war wie die Edelsteine, bis es schließlich neben dem Silber gemünzt wurde zur Vermehrung der Tauschmittel, bei dem fortgesetzten Ansteigen des Geschäftsverkehrs der Welt. Der Zinsfuß zeigt überall eine fallende Tendenz in den Mittelpunkten, wo sich das Geld anhäuft. Wie tief würde dieser Fall, wenn das reichlich vorhandene Silbergeld wieder vollwertig erklärt würde. Was uns noch fehlt, ist, dass auch die Banknoten verschwinden.

Unter der Herrschaft des Gesetzes von Nachfrage und Angebot hat jeder Geldbedürftige ein Interesse daran, dass reichlich Geld, Silber, Gold und Papier vorhanden ist; jeder Bankier und Gelddarleiher dagegen hat das Bestreben, das Papiergeld abzuschaffen und das Silber in Misskredit zu bringen. Denn je seltener das vollwertige Geld wird, um so begehrter wird es. So kommt es, dass dieses seinen Wert behält, während Arbeit und Ware im Preise sinken.

Die Weissagungen scheinen dahin zu deuten, dass das Silbergeld in der zivilisierten Welt nie mehr als vollwertig anerkannt wird. Würde dieses aber doch noch einmal geschehen, so wäre der Nutzen auch nur vorübergehend. Dieses würde den Silberländern Japan, China, Indien und Mexiko die Konkurrenz mit den Goldländern erschweren und den Farmern einige Erleichterungen bringen, aber kaum für länger als 5-10 Jahre. Gott scheint den bösen Tag nicht weiter hinausschieben zu wollen, und so wird die Selbstsucht der Menschen weiter herrschen und die Katastrophe beschleunigen, wie geschrieben steht: „Die Weisheit der Weisen wird zunichte werden, und der Verstand seiner Verständigen sich verbergen,“ und „ihr Silber und ihr Gold wird sie nicht erretten können am Tage des Grimmes Jehovas.“ - Zeph. 1:18; Hes. 7:19; Jes. 14:4-7; 29:14

Sperrzölle vermöchten, wenn mit Verstand angewendet, so dass sie der Entstehung der Monopole vorbeugen und alle natürlichen Hilfsmittel des Landes entwickeln, das Sinken der Arbeitslöhne etwas aufzuhalten, aber nicht ganz zu hindern. Sie sind eine schiefe Ebene, auf der es langsam, aber doch sicher abwärts geht bis zum völligen Sturz in den Abgrund. Die Konkurrenz würde in kurzer Zeit die Preise wieder ausgleichen.

Freisilber und Sperrzölle sind also keine Heilmittel, sondern nur Linderungsmittel!

Der Kommunismus

ist eine Organisation der Gesellschaft, bei welcher die Güter der Gesamtheit gehören, im Interesse der Allgemeinheit verwaltet werden, und der dabei erzielte Nutzen für die allgemeine Wohlfahrt verwendet wird, wobei jedem zuteil wird, was er bedarf. Rev. J. Cook sagt von demselben: „Der Kommunismus bedeutet die Abschaffung des Erbrechts, der Familie, der Nationalitäten, der Religion und des Eigentums.“

Gewisse Züge am Kommunismus könnten wir empfehlen (etwa den Sozialismus), aber als Ganzes ist er undurchführbar. Er setzt vollkommene Menschen voraus, die nicht selbstische Herzen haben. Er würde alle zu Faulenzern machen, so dass die Menschheit schnell in Barbarei zurückfallen und dem Ruin entgegentreiben würde.

Auf den Einwand, der Kommunismus werde in der Bibel gelehrt (Apg. 2:44-47) und sei daher das wahre Heilmittel, haben wir seiner Zeit im „Wachtturm“ eingehend beantwortet. Wir wiederholen hier den Artikel:

„Sie hatten alles gemein.“

„Alle aber, welche glaubten, waren beisammen und hatten alles gemein; und sie verkauften die Güter und die Habe, und sie verteilten sie an alle, je nachdem einer irgend Bedürfnis hatte. Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk.“ - Apg. 2:44-47

Dies war der eigene Antrieb in der ersten Kirche; die Selbstsucht räumte der Liebe und dem allgemeinen Interesse das Feld. Gesegnete Erfahrung! Zweifellos kommt ein ähnlicher Antrieb mehr oder weniger in der gleichen Weise über jedes wahrhaft bekehrte Herz. Als wir zu einer Erkenntnis der Liebe und Gnade Gottes gelangten, als wir uns dem Herrn und seinem Dienst völlig weihten und erkannten, was er uns zu geben hatte, nicht nur hinsichtlich des gegenwärtigen Lebens, sondern auch des zukünftigen, empfanden wir eine überströmende Freude, welche in allen Mitpilgern nach dem himmlischen Kanaan einen Bruder oder eine Schwester fand, von welchem wir vertrauten, dass sie mit dem Herrn verwandt und im Besitz seines Geistes waren; und wir waren geneigt, mit ihnen allen so zu handeln, wie wir mit dem Herrn gehandelt hätten, und alles mit ihnen zu teilen, wie wir alles mit unserem Herrn geteilt hätten. Und in vielen Fällen wurden wir durch einen rauen Anstoß zu der Erkenntnis aufgeweckt, dass weder wir noch andere dem Fleische nach vollkommen sind, und dass wir alle „den Schatz in irdenen Gefäßen“ menschlicher Unvollkommenheiten tragen, ungeachtet dessen, wie viel wir vom Geist des Herrn besitzen mögen.

Dann erkannten wir nicht nur, dass wir mit den Schwächen anderer rechnen müssten, sondern auch, dass wir beständig über die eigenen zu wachen haben. Wir erkannten, dass wohl alle einen Anteil haben an dem Fall Adams, dass aber nicht alle in gleicher Weise oder in demselben Verhältnis gefallen sind. Alle sind aus dem Ebenbild Gottes und von dem Geist der Liebe gefallen zu dem Ebenbild Satans und seinem Geist der Selbstsucht hin, und wie sich die Liebe in verschiedener Weise äußert, so auch die Selbstsucht. Infolgedessen wirkte die Selbstsucht bei dem einen Behaglichkeit, Trägheit und Faulheit, bei dem anderen aber Energie, Arbeit um die Vergnügungen dieses Lebens, Selbstbefriedigung usw.

Unter den Selbstsüchtigen suchen manche Selbstbefriedigung im Ansammeln von Vermögen, andere im Streben nach Ehre bei den Menschen, andere in der Kleidung, andere in Reisen, andere in Ausschweifungen und in der niedrigsten und gemeinsten Form der Selbstsucht. Jeder, der zu dem neuen Leben in Christo gezeugt wurde, mit dem Geist der Liebe, findet, dass innerlich und äußerlich ein Kampf einsetzt, denn der neue Geist kämpft mit jeder Form der Selbstsucht und des Gesunkenseins, die uns früher beherrschte. „Die neue Gesinnung Christi“ macht sich selbst geltend mit ihren Grundsätzen der Gerechtigkeit und Liebe, sie erinnert den Willen daran, dass er einem Bund zu dem Wechsel zugestimmt hat. Die Gelüste des Fleisches (die selbstsüchtigen Neigungen, was immer auch ihr Antrieb sein mag), argumentieren, unterstützt durch den äußeren Einfluss der Freunde, dass radikale Maßregeln nicht unternommen zu werden brauchten, dass ein solches Vorgehen töricht, unsinnig und unmöglich sei. Das Fleisch besteht darauf, dass der alte Weg nicht geändert werden kann, will aber leichte Verbesserungen zugestehen und nichts mehr so extrem tun wie früher.

Die Mehrzahl des Volkes Gottes scheint auf eine solche Teilhaberschaft einzugehen, die in Wirklichkeit die fortdauernde Herrschaft der Selbstsucht bedeutet. Andere aber bestehen darauf, dass die Gesinnung Christi die Herrschaft haben soll. Der einsetzende Kampf ist ein harter (Gal. 5:16, 17), der neue Wille sollte jedoch siegen, und das Ich mit seiner Selbstsucht und seinen gefallenen Wünschen sollte für tot gerechnet sein. - Kol. 2:20; 3:3; Röm. 6:2-8

Wird aber auf diese Weise der Kampf für immer beendet? Nein –

„Denk’ nie, der Sieg sei dein,
Noch ruh, zufrieden schon,
Dein Kampf wird nicht vollendet sein,
Bis du erlangst die Kron'.

Ja, wir müssen täglich den Kampf erneuern, und wir müssen göttliche Hilfe erflehen und erhalten, damit wir unseren Lauf mit Freuden vollenden. Wir müssen unser Ich nicht nur überwinden, sondern wir müssen es auch unten halten, wie der Apostel sagt. (1. Kor. 9:27) Diese unsere Erfahrung, dass wir beständig auf der Hut sein und in uns den Geist der Liebe fördern müssen, ist auch die Erfahrung derjenigen, die in gleicher Weise „Christum angezogen“ und seinen Willen zu dem ihrigen gemacht haben. Darum treffen die Worte des Apostels zu: „Darum kennen wir nun niemand (der in Christo ist) nach dem Fleische.“ Wir kennen diejenigen, welche in Christo sind, nach ihrer neuen Gesinnung, nicht nach ihrem gefallenen Fleisch. Wenn wir sehen, wie sie bisweilen oder in einem gewissen Grad Fehltritte begehen, und wenn wir dennoch bemerken, dass die neue Gesinnung um die Herrschaft ringt, so sind wir mit Recht geneigt, sie zu lieben wegen ihrer Bemühungen, nicht aber, sie wegen ihrer Fehltritte zu schelten, „indem wir auf uns selbst acht haben, damit nicht auch wir versucht werden“ (von unserer selbstsüchtigen Natur, die Forderungen des vollkommenen Gesetzes der Liebe zu übertreten).

Darum raten uns das gesunde Urteilsvermögen, die Erfahrung und die Bibel, dass wir bei der „gegenwärtigen Not“, da ein jeder alles zu tun hat, was er vermag, um den eigenen Leib unten zu halten und den Geist der Liebe herrschen zu lassen, sie Sache nicht durch das Vornehmen kommunistischer Experimente zu erschweren; jeder möge vielmehr tunlichst gerade Bahn machen für seine Füße, damit das, was an unserem Fleische lahm ist, nicht vom Wege abgewandt, sondern vielmehr geheilt werde.

Das gesunde Urteilsvermögen sagt uns, dass, wenn die Heiligen mit göttlicher Hilfe einen beständigen Kampf haben, um die Selbstsucht unten zu halten gegenüber der Liebe, eine gemischte Kolonie oder Kommune ganz gewiss nicht darin erfolgreich sein kann, sich selbst zu beherrschen durch ein Gesetz, welches dem Geiste der großen Mehrzahl der Bewohner völlig fremd ist. Es würde auch unmöglich sein, eine Kommune von ausschließlich Heiligen zu gründen, denn nur „der Herr kennt, die sein sind.“ Wenn nun tatsächlich eine solche Gemeinde Heiliger zusammengebracht werden könnte und mit dem Gemeinbesitz Gedeihen hätte, so würden alle Arten schlechter Menschen suchen, sich ihre Besitzungen anzueignen oder einen Anteil an ihnen zu haben. Selbst wenn diese Menschen dann mit Erfolg ausgeschlossen werden könnten, so würden sie allerlei Übles wider die Gemeinde reden, und so könnte das Unternehmen auch dann keinen wirklichen Erfolg haben.

Einige Heilige sind wie Kinder dieser Welt so tief in selbstsüchtige Lässigkeit hineingeraten, so dass ihnen durch nichts als die bittere Notwendigkeit geholfen werden könnte, „im Fleiße nicht säumig (zu sein, sondern) inbrünstig im Geiste, dem Herrn dienend.“ Andere wiederum sind so selbstsüchtig hochmütig, dass sie der Stöße und Schläge von Misserfolgen bedürfen, damit ihre Herzen schmelzen und liebreich werden, oder auch nur gerecht gegen andere. Beide Klassen würden bei den Kommunen die Zucht nicht finden, derer sie bedürfen.

Wären solche Kommunen der Herrschaft der Mehrheit überlassen, so würden sie auch bald auf den Boden der Mehrheit herabsinken; denn wenn die fortschrittliche, tätige Minderheit finden würde, dass durch Energie und Fleiß kein Erfolg zu erzielen ist über Unachtsamkeit und Müßiggang, so würde sie ebenfalls sorglos und faul werden. Wenn sie durch Organisationen von starkem Willen auf väterlichem Grundsatz geleitet würden, wie von Vertrauensleuten und Verwaltern, so würden die Erfolge in finanzieller Hinsicht wohl besser sein, die Massen würden aber, nachdem sie ihrer Verantwortung enthoben wären, zu Werkzeugen und Sklaven der Vertrauensleute herabsinken. So erscheint dem gesunden Urteilsvermögen der Individualismus mit seiner persönlichen Verantwortlichkeit als das beste Erziehungsmittel für intelligente Wesen, wenn es auch oftmals vielen, und bisweilen allen, das Leben sauer macht.

Wäre das Tausendjährige Reich auf Erden aufgerichtet, und hätten die für diese Zeit verheißenen göttlichen Regenten ihre Herrschaft angetreten, so würden sie gemäß unfehlbarer göttlicher Weisheit ihre volle Macht ausüben, nicht durch den Beifall der Mehrheit, sondern durch Gerechtigkeit, wie mit eiserner Rute regierend, dann könnte der Kommunismus gedeihen. Er wird dann wohl die beste Gesellschaftsform sein, die sicher der König der Kön. zu seiner Methode macht. Aber auf dieses warten wir. Uns fehlt die Weisheit und Macht einer so theokratischen Regierung, und darum beten wir: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Wenn einst dieses Reich Christi alle, die es wollen, zurückgebracht hat und alle Widerstrebenden vernichtet haben wird, dann, wenn die Liebe Gesetz auf Erden ist, wie jetzt im Himmel, dürften die Menschen die Gaben der Erde gemeinsam genießen wie die Engel die Güter des Himmels.

Vereinzelte Versuche, die in der Union mit kommunistischer Organisation gemacht worden sind, hatten keinen oder nur einen vorübergehenden Erfolg, was Weltweise nicht hindert, in der gleichen Richtung weiter zu suchen, auf eigene Weisheit bauend, indes Christen gemäß göttlicher Weisheit in anderer Richtung tätig sind, dem Gebote des Herrn gehorchend: „Gehet aus und verkündigt die frohe Botschaft!“

Die Bibel lehrt den Kommunismus auch nicht, soweit er über die Familie hinausgehen will. Es ist ja richtig, dass Gott die kommunistische Organisation der ersten Kirche zuließ, aber wohl, damit wir daran das Unweise der Methode erkennen möchten und damit nicht einige den Schluss daraus ziehen, die Apostel hätten aus Mangel an Weisheit oder Tatkraft nicht andere kommunistische Gemeinden gegründet.

Nicht ein Wort des Herrn oder der Apostel kann für den Kommunismus ins Feld geführt werden. Auch herrschte beim Kommunismus der ersten Gemeinde kein Zwang, wie die Geschichte von Ananias und Sapphira zeigt, über welche die Strafe erging, nicht wegen Vorenthaltung von Geld, sondern wegen ihrer Lüge, ihres Versuches, an Hab und Gut der anderen Anteil zu haben, ohne das ihrige ganz herzugeben.

Tatsächlich war die kommunistische Gemeinde in Jerusalem auch ohne Zwang ein Fehlgriff. „Es entstand ein Murren ..., weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen wurden.“ War auch die erste Kirche unter der Aufsicht der Apostel frei von Unkraut (Scheinweizen), so trugen doch alle ihre Glieder den neuen Geist, den Sinn Christi, in irdenen Gefäßen, die nicht lange miteinander auskommen konnten.

So überließen denn auch die Apostel die Besorgung der Geschäfte der Gemeinde bald anderen, um sich mehr der Verkündigung der guten Botschaft zu widmen. Merke dabei, dass Paulus hervorhebt, er habe den ganzen Ratschluss Gottes ausgelegt, dass er aber nirgends den Kommunismus vorschreibt. Mithin ist dieser kein Teil des Ratschlusses Gottes für dieses Zeitalter. Paulus hat vielmehr Vorschriften gegeben, die sich mit dem Kommunismus nicht vertragen, so zum Beispiel: dass jeder für das Seine sorge; dass die Christen jeweils am ersten Tag der Woche etwas für des Herrn Werk beiseite legen sollten im Verhältnis zum Segen, den der Herr auf ihre Arbeit gelegt hat; dass die Knechte ihren Herren gehorsam sein sollen, und zwar mit umso größerer Bereitwilligkeit, wenn der Herr selber ein Bruder in Christo ist; wie die Herren ihre Knechte behandeln sollen, sich dabei erinnernd, dass sie ihrem Herrn, Christo, darüber Rechenschaft geben müssen. (1. Tim. 5:8; 6:1; 1. Kor. 16:2; Eph. 6:5-9) Auch unser Herr selber hat keine kommunistische Gemeinschaft gegründet, noch dazu aufgefordert. Er hat vielmehr im Gleichnis gelehrt, dass nicht alle gleichviel besitzen, dass sich aber alle als Verwalter betrachten und ihre Sachen individuell besorgen und dafür verantwortlich sein sollen. (Matth. 25:14-28; Luk. 19:12-24; Jak. 4:13, 15) Sterbend empfahl Jesus seine Mutter seinem Jünger Johannes an, „und von der Stunde an nahm sie der Jünger in sein Haus.“ Dieser hatte mithin, so gut als Maria, Martha und Lazarus, ein Haus. Hätte der Herr eine Gemeinschaft gegründet, er würde wohl dieser seine Mutter empfohlen haben, und nicht dem Jünger Johannes.

Wie gezeigt wurde, ist die Bildung einer Gemeinschaft von Gläubigen dem Zweck des Evangeliums-Zeitalters zuwider. Das gegenwärtige Zeitalter ist bestimmt für die Verkündigung der guten Botschaft von Christo und für die Herauswahl eines Volkes für seinen Namen. Darum soll jeder Gläubige eine brennende Leuchte vor den Menschen, vor der Welt im allgemeinen, sein, nicht nur vor seinen Mitgläubigen. Darum ließ auch der Herr, nachdem er die Bildung der ersten Gemeinschaft zugelassen hatte, deren Mitglieder durch eine große Verfolgung zerstreuen (Apg. 8:1,4; 11:19) durch ganz Judäa und Samaria, und überall verkündeten sie nun die gute Botschaft. Das ist noch heute die Aufgabe des Volkes Gottes, als Lichter zu scheinen mitten in der Welt und nicht, sich in Klöstern und Gemeinschaften ein- und abzuschließen. Das verheißene Paradies kommt nicht durch solche Gemeinschaften. Solche zu bilden, ist nur ein Teil des Geistes unserer Zeit überhaupt, vor dem uns die Schrift zuvor gewarnt hat. So lesen wir in Psalm 37:7: „Vertraue still dem Jehova und harre auf ihn“; und in Lukas (21:36): „Wachet nun, zu aller Zeit betend, auf dass ihr würdig geachtet werdet, diesem allem zu entfliehen, was geschehen soll, und vor dem Sohne des Menschen zu stehen.“

Anarchie ein Heilmuttel?

Die Anarchisten fordern die Freiheit der Gesetzlosigkeit. Sie sind, wie es scheint, zu der Überzeugung gelangt, dass alle Versuche, die menschliche Gesellschaft zu organisieren, fehlgeschlagen haben, und sie wollen daher die Organisation der Gesellschaft zerstören, weiter nichts; an das Aufbauen denken sie gar nicht, das ist ein Ding für sich. In London wurde anlässlich einer Maifeier eine 16 Seiten starke Flugschrift verteilt, in welcher es unter anderem hieß:

„Der Glaube, dass es eine Autorität geben müsse, vor der man sich zu beugen hat, ist die Wurzel unseres Elends. Darum auf zum Kampf auf Leben und Tod gegen alle Autorität, die des Staates, die der Religion, einer Frucht jahrhundertslanger Unwissenheit und des Aberglaubens, die des Gesetzes! Fort mit dem Patriotismus, mit der Kriecherei vor Reichen und Mächtigen, mit einem Wort - Kampf gegen den ganzen Humbug, der dazu bestimmt ist, den Arbeitern zu imponieren und sie zu Sklaven zu machen. Die Arbeiter müssen natürlich die Autorität vernichten; die, welche aus derselben Nutzen ziehen, werden es ja nicht tun.

„Wir glauben nicht, dass der Staat je eine wohltätige Einrichtung sein wird. Ebenso gut könnte ein Wolf ein Lamm werden. Wir glauben nicht an die sozialistischen Träume von zentralisierter Produktion und Konsumtion; das wäre nichts als eine neue, verschlechterte Auflage des Staates, wie er jetzt ist, mit gesteigerter Autorität, eine wahre Ungeheuerlichkeit von Tyrannei und Sklaverei. Wir wollen gleiche Freiheit für alle. Die Fähigkeiten und Neigungen aller sind verschieden. Jeder weiß am besten selber, was er kann, und wessen er bedarf. Gesetze und Verordnungen sind Fesseln und erzwungene Arbeit ist nie eine Freude. Im Anarchistenstaat wird jeder tun, was ihm am besten gefällt, und seine Bedürfnisse aus den gemeinsamen Vorräten befriedigen.“

Man sollte glauben, dass selbst der Einfältigste und Unerfahrenste solche Vorsätze als direkten Unsinn erkennen könnte, die nichts sind als ein Zähnefletschen der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Aber die durch die Selbstsucht geschaffenen Zustände stoßen Tausende in diese Hoffnungslosigkeit und äußerste Verzweiflung hinein!

Sozialismus oder Kollektivismus

bezweckt den Betrieb aller Industrie durch den Staat und eine annähernd gleichmäßige Verteilung des Ertrages des Bodens und der Arbeit nach dem Motto: „Jedem gemäß seinem Tun.“ Folgende interessante Statistiken entnehmen wir dem Artikel

„Sozialer Aufbau“

von dem Rechtsgelehrten E. D. Babbit, New Jersey:

„Achtundsechzig Staaten sind Selbstbesitzer ihrer Telegraphenanlagen. Vierundfünfzig Staaten sind ganz oder teilweise Eigentümer ihrer Bahnen, während es neunzehn, darunter die Vereinigten Staaten, nicht sind.

„In Australien kann man 1.000 Meilen (1. Klasse) durch das Land reisen für 5,50 Dollar, oder sechs Meilen für 2 Cent, und die Eisenbahnbeamten erhalten dort für eine achtstündige Arbeitszeit mehr Lohn als die Beamten bei zehnstündiger Arbeitszeit in den Vereinigten Staaten. Verarmt dadurch das Land? In Victoria, wo diese Fahrpreise und Löhne eingeführt sind, war der Reingewinn im Jahre 1894 groß genug, um dadurch die Bundessteuern zu bezahlen.

„In Ungarn sind die Eisenbahnen Staatseigentum. Man kann dort sechs Meilen reisen für 4 Pfennige, und seitdem die Regierung die Eisenbahnen angekauft hat, haben sich die Löhne verdoppelt.

„In Belgien sind die Fahr- und Frachtpreise auf die Hälfte herabgesetzt, die Löhne aber verdoppelt worden. Trotzdem bringen die Eisenbahnen dem Staat jährlich 16 Millionen Mark ein.

„In Deutschland kann man auf der Staatseisenbahn vier Meilen für vier Pfennig reisen, während die Löhne der Angestellten um 120 Prozent höher sind als früher. Hat sich ein solches System schädlich gezeigt? Nein. Während der letzten zehn Jahre haben die Reingewinne um 41 Prozent zugenommen. Im letzten Jahr (1894) brachten die Eisenbahnen dem deutschen Staat einen Reingewinn von 100 Millionen Mark.

„Man hat schätzungsweise gesagt, dass durch Verstaatlichung der Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten Milliarden von Dollars dem Volke gespart und die Löhne der Angestellten verbessert würden. Anstatt 700.000 müssten dann wenigstens zwei Millionen angestellt werden.

„Berlin, Deutschland, wird die sauberste, bestgepflasterte und bestverwaltete Stadt der Welt genannt. Dort sind die Gaswerke, die Elektrizitätswerke, die Wasserwerke, die Straßen-, Untergrund- und Hochbahnen, die Telefonanlagen und selbst die Feuerversicherung städtisch. Auf diese Weise erzielt die Stadt abzüglich aller Unkosten einen Reingewinn von fünf Millionen Mark. In Berlin kann jeder Einwohner jeden Tag, so oft er will, fünf Meilen fahren, was ihm das ganz Jahr nur 18,- Mark kostet, wohingegen zwei Fahrten täglich auf der Hochbahn in New York im Jahr 146,- Mark (36,50 Dollar) kosten würden.

„Herr F.G.R. Gordon hat in dem „Twentieth Century“ Statistiken veröffentlicht über die Lichtverhältnisse in verschiedenen Städten Amerikas, und er stellt fest, dass der Jahrespreis für Bogenlicht durchschnittlich 208,50 Mark (52,12 1/2 Dollar) beträgt, wenn die Anlagen städtisch verwaltet werden. Der durchschnittliche Preis, der an Privatgesellschaften gezahlt wird durch verschiedene Städte, beträgt 420,52 Mark (105,13 Dollar), oder etwas mehr als das Doppelte von dem, was er betragen würde, wenn die Städte selbst die Anlagen betreiben würden.

„Der durchschnittliche Preis eines Telegramms betrug in Amerika im Jahr 1891 1,30 Mark (32 1/2 Cent). In Deutschland, wo die Telegraphenanlagen staatlich sind, werden Nachrichten, die zehn Worte umfassen, für 25 Pfennig nach allen Teilen des Landes gesandt. Den größeren Entfernungen und den höheren Löhnen in Amerika entsprechend, müssten wahrscheinlich 25 bis 90 Pfennig, je nach der Entfernung, bezahlt werden. Wie vorteilhaft es ist, dass die Stadtverwaltungen selbst für Gas, Wasser, Kohle und Straßenbahnen sorgen, haben Birmingham, Glasgow und andere britische Städte gezeigt.“

Alles das ist gut und schön, antworten wir. Gleichwohl wird kein vernünftiger Mensch behaupten wollen, dass sich die Armen in Europa des Millenniums-Segens erfreuen mit ihren sozialistischen Theorien. Kein Mensch, der über den Gegenstand unterrichtet ist, wird behaupten, dass die europäischen Arbeiter es gleich angenehm haben, wie die Arbeiter in den Vereinigten Staaten im allgemeinen. Amerika ist noch immer das Paradies der Arbeiter, und es werden jetzt Gesetze erlassen, die verhindern sollen, dass noch Tausende hinzukommen, um an diesem Paradies einen Anteil zu haben.

Während wir uns aber freuen, dass der Zustand der Armen in Europa gebessert worden ist, wollen wir nicht vergessen, dass die Nationalisierungsbewegung in allen Ländern, ausgenommen Großbritannien, nicht aus der größeren Weisheit seitens des Volkes resultiert, auch nicht aus dem Wohlwollen oder der Gleichgültigkeit der Reichen, sondern aus einer anderen Ursache, die sich in den Vereinigten Staaten nicht wirksam erweist - sie wird von den Regierungen selbst unternommen. Sie haben von diesen Anlagen Besitz ergriffen, um zu vermeiden, dass sie bankrott machen. Sie haben ungeheuere Ausgaben bei der Unterhaltung von Armeen, Flotten, Festungen usw. und brauchen eine Quelle, aus welcher sie Einnahmen schöpfen können. Die billigen Fahrpreise haben den Zweck, das Volk bei guter Laune zu erhalten und auch Geschäfte zu machen, denn wenn die Fahrpreise nicht niedrig wären, so könnten die Vielen, welche nur geringe Löhne haben, nicht reisen. Die Eisenbahnwagen vierter Klasse in Deutschland waren früher ganz einfach und ohne Sitzgelegenheit.

Angesichts dieser Tatsachen wollen wir uns nicht der Täuschung hingeben, dass solche Maßnahmen das Arbeiter-Problem zu lösen oder den Zustand auch nur für mehr als sechs Jahre zu bessern vermöchten.

Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Sozialismus während der kommenden zehn Jahre großen Fortschritt machen wird. Oft wird er aber nicht weise und mäßig sein. Der Erfolg wird manche seiner Verteidiger berauschen, während sein Fehlschlag andere zur Verzweiflung bringen wird, und als Folge wird die Ungeduld Unheil bewirken. Der Kapitalismus und der Monarchismus sehen in dem Sozialismus einen Feind, und sie brandmarken die Bewegung in der öffentlichen Meinung. Obgleich die Namenkirche voll ist von Scheinweizen, so ist sie doch ein wichtiger Faktor in dem Falle, denn sie beherrscht und überwacht die mittleren Klassen, in deren Hand sich der Ausgleich der Macht zwischen den oberen und den unteren Klassen befindet. Diesen mittleren Klassen ist der Sozialismus bisher falsch dargestellt worden, da die Freunde desselben noch dazu im allgemeinen Ungläubige waren. Die Herrscher, die Kapitalisten und die Geistlichen werden mit wenigen Ausnahmen die ersten Extreme des Sozialismus benutzen, um den Sozialismus anzugreifen und zu brandmarken.

Wir können uns nur freuen, wenn wir sehen, wie die Grundsätze der Gleichheit belebt werden, wenn auch nur vorübergehend und teilweise. Alle, deren Interessen dabei in Frage kommen, sollten weitherzig sein und einen Teil ihrer persönlichen Vorteile dem Allgemeinwohl opfern.

Wie bereits angedeutet, wird die Bewegung durch die vereinte Macht von Kirche, Staat und Kapital unterdrückt werden und späterhin zu dem großen Ausbruch der Anarchie führen, in welcher, wie die Heilige Schrift uns sagt, alle gegenwärtigen Einrichtungen erschüttert werden; „es wird eine Zeit der Drangsal sein, dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht.“

Selbst wenn der Sozialismus freie Bahn finden würde, so würde die Erleichterung, welche er bieten könnte, nur vorübergehend sein, solange die Selbstsucht in den Herzen der Menschheit herrscht. Er würde die Intelligenteren nicht verhindern, den Rahm von der Milch abzuschöpfen. Solange das Volk einen Grundsatz anerkennt und verehrt, wird es sich demselben anpassen, darum könnte der Sozialismus wohl in seinem Anfangsstadium verhältnismäßig rein sein, und seine Vertreter und Beamten könnten zuerst treue Diener der Allgemeinheit sein. Wenn der Sozialismus aber erst volkstümlich sein würde, so würden sich diejenigen, die sich ihm jetzt widersetzen, mit der neuen Ordnung abfinden, ans Ruder zu gelangen suchen und wie ehedem die Gesamtheit zu ihren eigenen Zwecken ausnützen. Kommunisten und Nationalisten sehen, dass die Selbstsucht Gerechtigkeit und Wahrheit so lange verdrehen und entstellen wird, als Unterschiede hinsichtlich der Vergütungen gemacht werden, und dass sie, um den Stolz und die Ehre zu befriedigen, alle Schranken gegen die Armut, welche Menschen errichten können, zu übersteigen sucht. Um diesen Übelständen abzuhelfen, schreiten sie zu ihren undurchführbaren Forderungen; diese sind undurchführbar, weil die Menschen Sünder sind und nicht Heilige, selbstsüchtig, aber nicht liebevoll.

Herbert Spencer, der berühmte englische Philosoph und Wirtschaftspolitiker, schrieb, als er hörte, dass der italienische Sozialdemokrat Ferri seine Theorien teile: „Die Behauptung, dass irgendeine meiner Ansichten den Sozialismus begünstigen soll, ärgert mich. Ich glaube, dass das Aufkommen des Sozialismus das größte Unheil ist, das die Welt jemals sah.“

Wir geben nachfolgenden Auszug aus dem „Literary Digest“ wieder, welcher zeigt, dass die sozialistischen Grundsätze nicht von Bestand sein können, wenn sie nicht durch irgendeine Art von Macht aufrecht erhalten werden; so stark ist die Selbstsucht der Menschen.

 „Zwei sozialistische Gemeinwesen“

„Zwei praktische Versuche des Sozialismus lenken die Aufmerksamkeit der Erforscher sozialer Wirtschaftspolitik im Ausland auf sich. In beiden Fällen benehmen sich die Gründer der sozialistischen Gemeinwesen ziemlich gut, eine der beiden ist sogar ziemlich gedeihlich. Der Versuch, den sozialistischen Theorien zu entsprechen, hat sich aber in beiden Fällen als unmöglich erwiesen. Die ursprünglichen Kommunisten sind zu Methoden zurückgekehrt, die sich kaum von den bürgerlichen der Umgebung unterscheiden. Vor etwas mehr als zwei Jahren wanderte eine Gesellschaft australischer Arbeiter nach Paraguay aus, wo sie Land erwarben, welches sich für Farmer eignet, die keine großen landwirtschaftlichen Maschinen zur Verfügung haben. Sie waren des Lebens der Lohnsklaverei, welches in seiner harten Arbeit nur durch die Not des unfreiwilligen Müßigganges abgewechselt wurde, müde. Sie nannten ihre Niederlassung Neu-Australien und hofften, sie zu einem Utopien für Arbeiter machen zu können. Das britische Auswärtige Amt brachte im letzten amtlichen Bericht eine kurze Beschreibung dieser Bewegung, die viele veranlasst hatte, Australien, das Eldorado der Arbeiter, mit Südamerika zu vertauschen. Wir entnehmen dem Berichte folgendes:

„Das Ziel der Kolonie wurde in der Verfassung niedergelegt, von der ein Artikel folgendermaßen lautete: „Wir suchen ein Gemeinwesen zu gründen, in dem alle Arbeit zum Nutzen eines jeden Mitgliedes verrichtet werden soll, und in welchem es unmöglich sein soll, dass einer den anderen tyrannisiert. Es wird die Pflicht eines jeden einzelnen sein, das Wohl des Gemeinwesens stets als höchstes Ziel zu betrachten, so einen Grad von Bequemlichkeit, Glück und Bildung sichernd, der unmöglich ist in einer Gesellschaft, in der niemand sicher ist, dass er nicht verhungert.“

„Dieses Ideal wurde nicht verwirklicht. Fünfundachtzig der Kolonisten wurden bald der Einschränkungen überdrüssig, welche ihnen durch die Mehrheit auferlegt wurden, und sie weigerten sich zu gehorchen. Aus Australien neu Ankommende füllten die Lücke aus, welche durch die Absonderung der fünfundachtzig entstanden war. Die neu Angekommenen aber waren bald unzufrieden mit dem Führer der Bewegung und wählten einen neuen, einen eigenen, so dass aus der einen Kolonie drei Parteien entstanden waren. Die gleiche Verteilung des Ertrages der Arbeit machte einige der Arbeiter unzufrieden, welche im Gegensatz zu der sozialistischen Regel einen Anteil verlangten, der der von ihnen verrichteten Arbeit entsprach. Die strikte Durchführung der Statuten wurde weiterhin die Ursache von Unzufriedenheit, besonders dadurch, weil bei Übertretung der Ausschluss ohne Rückvergütung des zugesteuerten Kapitals angedroht war. Die Kolonie war im Begriffe zusammenzubrechen, als es dem ursprünglichen Führer gelang, sich von der Regierung von Paraguay zum Statthalter machen zu lassen und sich mit einer Polizeimacht zu umgeben, welche nun statt des sozialistischen Statuts für Ordnung sorgte. Jetzt besteht nun Hoffnung, dass die Kolonie gedeihen wird, die sozialistischen Grundsätze sind aber aufgegeben worden.“

Die Erfahrungen, welche die Bergarbeiter von Monthieux bei St. Etienne machten, sind etwas anders. In ihrem Falle war es das Aufblühen, welches die sozialistischen Theorien beiseite setzte. Die Berliner „Gewerbezeitung“ beschreibt ihre Geschichte wie folgt:

„In Monthieux bei St. Etienne ist eine Grube, welche von der Gesellschaft, die sie einige Jahre innegehabt hatte, aufgegeben wurde, worauf die Bergleute entlassen wurden. Da letztere keine Aussicht hatten, in der Nachbarschaft Arbeit zu finden, baten die Bergleute die Gesellschaft, sie möchte ihnen die Grube übergeben, und da die Gesellschaft glaubte, die Grube würde sich ja doch nicht bezahlt machen, willigte sie ein. Die Bergleute hatten keine Maschinen, sie arbeiteten aber mit einem guten Willen, und es gelang ihnen, neue Adern zu entdecken. Sie machten fast übermenschliche Anstrengungen, und es gelang ihnen, genug zu sparen, so dass sie Maschinen kaufen konnten. Die aufgegebene Grube wurde nun zu einer Quelle großen Reichtums für die neuen Besitzer. Die früheren Besitzer bemühten sich nunmehr, die Grube wieder in Besitz zu nehmen, sie verloren aber ihren Prozess, und die Zeitungen der Arbeiter versäumten natürlich nicht, den Geiz der Kapitalisten dem Edelmut der Arbeiter gegenüberzustellen, welche den Ertrag ihrer Arbeit gleichmäßig untereinander verteilten. Die Minen von Monthieux wurden als Beispiel des Triumphes des Kollektivismus über die Ausbeutung durch Privatkapital gepriesen.

„Inzwischen vergrößerten die Bergleute ihren Wirkungskreis, so dass sie die Arbeit nicht mehr ohne andere Hilfe verrichten konnten. Andere Bergleute wurden herbeigerufen, und sie taten ihr Bestes, um das Werk zu fördern. Die Bergleute aber, welche die Grube lohnend gemacht hatten, weigerten sich nun, auch den Neueingetretenen gleichen Anteil zu bewilligen. Sie wussten, dass der Schatz, der unter ihren Füßen lag, durch fast übermenschliche Anstrengungen ihrerseits entdeckt worden war, sie hatten sozusagen aus Nichts ein Etwas gemacht, warum sollten sie denn nun die Früchte ihrer Arbeit mit anderen teilen, die zwar immer gearbeitet hatten, aber nicht bei ihnen? Warum sollten sie denn neuen Kameraden von der Ernte geben, welche sie nicht gepflanzt hatten? Die neuen Bergleute sollten gut bezahlt werden, besser als in anderen Gruben, aber sie sollten nicht Miteigentümer werden. Und als die Neugekommenen eine Störung verursachten, holten die „kapitalistischen“ Arbeiter die Polizei und ließen sie aus ihrem Beratungszimmer hinauswerfen.“

Der Nationalismus als Heilmittel

Der Nationalismus ist eine Theorie, die vor kurzer Zeit neben dem Sozialismus aufgekommen ist. Er verlangt, dass die gesamte Industrie durch die Nation betrieben werden soll, auf der Grundlage gemeinsamen Arbeitszwanges und einer allgemeinen Garantie des Unterhalts. Alle Arbeiter sollen gleichviel arbeiten und gleichviel verdienen.

Der Nationalismus behauptet:

„Die Verbindungen, Trusts und Syndikate, über welche sich das Volk jetzt so beschwert, beweisen die Durchführbarkeit unserer Grundsätze. Wir wollen ihren Grundsatz nur ein wenig erweitern und veranlassen, dass alle Industriezweige zum Gemeinwohl von der Nation - dem organisierten Volk - der organisierten Einheit des gesamten Volkes - betrieben werden.

„Das gegenwärtige industrielle System beweist selbst, dass es unrecht ist, durch das vielseitige Unrecht, welches es bewirkt; es beweist selbst, dass es absurd ist, wegen der Vergeudung von Energie und Materie, welche es zugestandenermaßen im Gefolge hat. Gegen dieses System erheben wir Protest; für die Abschaffung der Sklaverei, die es bewirkt hat, setzen wir unsere besten Kräfte ein.“

Einige der Punkte, welche bei beiden zu rühmen sind, haben wir schon bei der Behandlung von Sozialismus und Kollektivismus betrachtet. Als Ganzes ist der Nationalismus jedoch völlig undurchführbar. Wir haben gegen dieses System im allgemeinen dieselben Einwände zu machen wie gegen den Kommunismus. Obgleich der Nationalismus nicht wie der Kommunismus die Vernichtung des Geschlechts in direkter Weise bedroht, so würde seine Neigung doch sicherlich nach derselben Richtung gehen. Unter seinen Verteidigern gibt es viele weitherzige, menschenfreundliche Seelen, von denen manche ohne Hoffnung auf persönlichen Vorteil mitgeholfen haben, Kolonien zu gründen, die als Beispiel der Grundsätze des Nationalismus dienen sollten. Manche derselben sind als vollständige Fehlschläge zu bezeichnen gewesen, und selbst diejenigen, welche Erfolge zu verzeichnen hatten, mussten der Außenwelt gegenüber ihre nationalistischen Grundsätze verleugnen, und, wie zu erwarten war, haben sie alle beträchtliche innere Reibungen gehabt. Wenn die Heiligen Gottes mit „einem Herrn, einem Glauben und einer Taufe“ finden, dass es schwer ist, die „Einheit des Geistes in dem Bande der Liebe“ zu bewahren, und wenn sie der Ermahnung bedürfen, einander zu tragen in Liebe, wie könnte man da erwarten, dass gemischte Gesellschaften, die kein solches Band zu besitzen behaupten, Erfolg darin haben, den selbstsüchtigen Geist der Welt, des Fleisches und des Teufels zu überwinden?

In den Vereinigten Staaten haben sich einige Kolonien, welche auf nationalistischer Grundlage aufgebaut worden sind, in den letzten Jahren als Fehlschläge erwiesen. Eine der Kolonien, welche sich letzthin so zeigte, war die Altruria-Kolonie in Kalifornien, die Rev. E. V. Payne mit dem Grundsatz „Einer für alle, alle für einen,“ gegründet hatte. Sie hatte insofern große Vorteile vor anderen Kolonien, dass sie nur aus ausgewählten Mitgliedern, nicht aus allen Hinzudrängenden, gebildet wurde. Der Gründer legt die Ursachen, weshalb sich die Kolonie auflöste, in dem „Examiner“ San Francisco, vom 10. Dezember 1896, dar. Er sagt:

„Die Altruria-Kolonie war nicht von Anfang an ein Fehlschlag; - wir zeigten, dass Vertrauen, guter Wille und Aufrichtigkeit, die eine Zeitlang herrschten, ein glückliches Gemeinschaftsleben bewirken und andererseits, dass Argwohn, Neid und selbstsüchtige Beweggründe die menschliche Natur verteuflischen und das Leben unerträglich machen. - Wir hörten auf, einander zu vertrauen und einander so zu betrachten, wie zu Anfang, wir verfielen vielmehr wieder auf die Methoden, die in der Welt üblich sind.“

Was manche Menschen durch Erfahrung lernen, erkennen andere durch ihre Folgerungen, die sich auf eine Kenntnis der menschlichen Natur stützen. Jeder, der eine Lektion darüber lernen möchte, wie fruchtlos derartige Hoffnungen sind, solange die Selbstsucht die Herzen der Menschen beherrscht, kann auf billige Weise Erfahrungen machen, indem er sich für eine Woche in eine zweit- oder drittklassige Pension einmietet.

Allgemeinbildung der Arbeiter als Heilmittel

Im „Forum“ erschien kürzlich ein Artikel, in welchem sich Henry Holt zu zeigen bemühte, dass es notwendig sei, die Arbeiter in einem Dutzend verschiedener Handwerksberufe auszubilden. Dies möchte wohl für einzelne eine Zeitlang von Hilfe sein, es ist aber offenbar, dass auf eine solche Weise das Problem nicht gelöst werden kann. Es ist schlimm genug, dass Weber und Schuhmacher müßig sein müssen, während Pflasterer und Maurer arbeiten können. Welches würde aber die Folge sein, wenn auch erstere pflastern und mauern könnten? Der Wettbewerb in allen Zweigen würde vergrößert werden. Herr Holt verfährt aber richtig mit zwei umfassenden Wahrheiten, hinsichtlich deren Bildung notwendig ist. Er sagt:

„Die einfachere der beiden Wahrheiten ist die unvermeidliche, wenn auch grausame, ich meine die natürliche Auswahl. Ich sage nicht, dass sie gerecht sei. Die Natur weiß nichts über Gerechtigkeit. Ihre Maschinerie arbeitet in unerbittlicher Weise in der Richtung harter Verhältnisse. Es ist wahr, sie hat in uns die Intelligenz entwickelt, so dass wir in bescheidenem Maße ihren Lauf beeinflussen können, und beim Gebrauch dieser Intelligenz entwickelt sich in uns der Sinn für Gerechtigkeit. Wir können sie aber nur in den ihr passenden Kanälen leiten, sonst würden sie überflutet werden. Nun gibt es keinen Lauf, der deutlicher bezeichnet wäre, als die natürliche Auswahl, und in der Ausübung unserer geringen Freiheiten und unserer Stimmrechte sind wir niemals so weise, als wenn wir auf dieselbe stoßen. Wir sind aber weit eher geneigt, einen Aufwiegler vorzuziehen, weil wir dann zu leiden haben. Der Sozialismus beabsichtigt, die Gefahr dieses Leidens auf das Gebiet der Produktion zu übertragen. Die Führer in der Industrie werden jetzt durch die natürliche Auswahl gewählt, mit höchstens geringen Ausnahmen durch Erbschaft, welche Ausnahmen sich aber schnell wieder selbst heilen; wenn der Sohn nicht Befähigung ererbt, wird er bald nicht mehr überleben. Bei zunehmender Freiheit des Wettbewerbs und beim Zunehmen der Gelegenheiten für einen intelligenten Menschen, der kein Kapital besitzt, solches zu leihen, ist es aber eine Tatsache, dass die Industrie jetzt durch die natürliche Auswahl geleitet wird. An Stelle dessen sucht die Sozialdemokratie die künstliche Auswahl einzuführen, und zwar durch öffentliche Abstimmung. Eine allgemeine Erkenntnis der Überlegenheit des natürlichen Weges würde diese Torheit heilen.

„Die andere Wahrheit, welche schwer verständlich dargelegt werden kann, von der man sich aber doch einen Begriff bilden kann, ist die bedeutsamere. Sie ist schwierig, weniger, weil sie etwas vorherige Bildung voraussetzt, als vielmehr, weil sie seit Jahrtausenden durch Dogmen bekämpft wurde und noch immer bekämpft wird. Den meisten, die dieses lesen, wird dies als seltsam erscheinen, wenn ich diese Wahrheit in den gebräuchlichen Ausdruck kleide: Die allumfassende Herrschaft des Gesetzes. Dennoch ist es wahr, dass viele Menschen, welche denken, dass sie daran glauben, täglich bitten, dass ihnen eine Ausnahme bewilligt werden möchte. Die Menschen im allgemeinen - und die Gesetzgeber im allgemeinen - würden in Sachen der Physiologie nach einem Doktor oder in Sachen der Maschinerie nach einem Ingenieur, in Sachen der Chemie nach einem Chemiker senden, und man würde der Meinung dieser Leute in kindlichem Glauben folgen; in Sachen der Wirtschaftspolitik will man aber keine andere Anschauung gelten lassen als die eigene. Man ahnt im allgemeinen nicht, dass solche Angelegenheiten Gesetzen unterworfen sind, genau wie die physikalischen, dass zum Auffinden dieser Gesetze oder zum Erlernen der schon gefundenen ebenso gut ein besonderes Studium notwendig ist, und dass es eben solches Unheil bringt, wenn man ihnen in Unwissenheit entgegengesetzt vorgeht, als in Eigensinn.

„Der Arbeiter bedarf daher nicht nur der Bildung durch Gewerbeschule und der Belehrung über gewisse wirtschaftliche Tatsachen, sondern auch derjenigen Art von Belehrung in Wissenschaft und Geschichte, welche ihm einen Begriff über das natürliche Gesetz verleiht. Auf der so geschaffenen Grundlage könnte eine Vorstellung über das Herrschen dieses Gesetzes in der materiellen und sozialen Welt verschafft werden, sowie auch eine gewisse Erkenntnis dessen, dass das menschliche Gesetz fruchtlos ist, oder noch schlimmer, wenn es nicht durch sorgfältiges Studium und vorsichtige Versuche dem natürlichen Gesetze angepasst ist. Dann würde man auch glauben, dass kein menschliches Gesetz den Ungeeigneten überleben lassen kann, außer durch Aufwand von Seten eines anderen, und dass sie einzige Möglichkeit, ihn überleben zu lassen, darin liegt, ihn geeignet zu machen.“

Ja, es ist wahr, dass diese beiden Gesetze in unserem gegenwärtigen sozialen System herrschen, und es sollte jeder lernen, dass es außerhalb des Bereiches der menschlichen Macht liegt, diese Gesetze der Natur zu ändern, und dass die Menschen daher nichts weiter tun können, als ein wenig daran herumzuflicken und vorübergehende Verbesserungen zu schaffen. Die neuen und ersehnenswerten Gesetze, die für eine vollkommene und ideale Gesellschaftsordnung notwendig sind, werden zu ihrer Einführung übernatürlicher Macht bedürfen. Darum lasst uns in Gottseligkeit und in Genügsamkeit warten auf das Reich Gottes und zu beten fortfahren: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“

Die sogenannte „einzige Steuer“ oder „Freiland“

Henry George entwarf einen Plan von nicht zu verkennendem Wert, zweifellos darum, weil er die Wirkungen des Kommunismus, des Sozialismus und des Nationalismus voraussah. Sein Vorschlag ist bekannt als „die einzige Steuer“ oder als „Freiland.“ Man kann sagen, dass er in gewisser Hinsicht das Gegenteil des Sozialismus darstellt. In vielen bedeutsamen Zügen ist er dem Individualismus gleich. Er überlässt die Quellen dem einzelnen gemäß seinem Charakter, seinen Anstrengungen und seiner Umgebung, ausgenommen insofern, als er jedem ein unveräußerliches Recht auf Anteil an den allgemeinen Segnungen des Schöpfers - Luft, Wasser und Land - vorbehält. Er beabsichtigt wenig direkte Änderungen des gegenwärtigen sozialen Systems. Mit der Behauptung, dass die gegenwärtige Ungleichheit des Vermögens, soweit sie schädlich wirkt, völlig das Ergebnis des Privatbesitzes von Land ist, schlägt diese Theorie vor, das gesamte Land wieder zum Eigentum des ganzen Geschlechtes Adams zu machen; auf diese Weise würden sich die Missstände des gegenwärtigen sozialen Systems bald selbst ausgleichen. Sie schlägt vor, die Wiederverteilung des Landes unter das menschliche Geschlecht nicht vorzunehmen durch Aufteilung dem Verhältnis nach, sondern indem man alles als einen großen Staat betrachtet. Jeder erhielte dann von dem, was er jetzt besitzt, einen so großen Teil als Lehen, als er wünschen mag, und er müsste eine dem Wert seines Anteils entsprechende Steuer entrichten. Ein unbebauter Bauplatz würde gleich behandelt wie ein unbebauter, ein unbebautes Feld wie ein solches, welches produziert. Die auf diese Weise erhobene Steuer wäre zum Allgemeinwohl zu verwenden - für Schulen, Straßen, Verkehrsanstalten und für die Bestreitung der Verwaltungskosten, daher der Name „einzige Steuer.“

Die Wirkung eines solchen Systems würde die sofortige Öffnung weiter Landstrecken, die jetzt zum Zweck der Spekulation brach liegen, bewirken, und gerecht wäre die Steuer insofern, als der Wert des Bodens nach seiner Ertragsfähigkeit und nach den vorhandenen Verkehrsmitteln betreffs Verwertung des Ertrages bestimmt würde. Vieh, Hausrat, Verdienst usw. würden steuerfrei. Länder, die armen Boden oder schwierigere Transportgelegenheiten besitzen, wären bei der Steuer niedriger einzusetzen als solche mit besserem Boden und besseren Transportverhältnissen. Städtische Grundstücke würden nach ihrem Wert eingeschätzt werden, wobei die Lage und die Umgebung in Betracht käme.

Ein solches Gesetz, welches zehn Jahre nach Erlassung in Kraft treten müsste, würde zur unmittelbaren Folge haben, dass der Wert von Besitzungen herabgesetzt würde, und es würde sich an Millionen von Morgen Landes wirksam erweisen, und Tausende von städtischen Grundstücken würden sich jedem eröffnen, der davon Gebrauch machen und die festgesetzten Steuern bezahlen könnte.

Als Papst Leo XIII. einen Hirtenbrief an Arbeiter veröffentlichte, nahm Herr Henry George die Gelegenheit wahr, eine Broschüre zu schreiben mit dem Titel: „Ein offener Brief an Papst Leo XIII.“ Da dieselbe einige gute Gedanken enthält, die in den Rahmen unserer Betrachtungen passen, und da sie außerdem eine Darlegung des eben behandelten Gegenstandes ist, bringen wir folgende Auszüge daraus:

Auszug aus einem offenen Brief von Henry George an Papst Leo XIII., in Erwiderung auf den von letzterem über die beunruhigende Arbeiterfrage geschriebenen Hirtenbrief

„Es scheint uns, dass Eure Heiligkeit verfehlen, die wahre Bedeutung zu erkennen, bei der Andeutung, dass Christus, indem er der Sohn eines Zimmermannes wurde und selbst als Zimmermann arbeitete, nur gezeigt haben soll, „dass es keine Schande ist, das Brot durch Arbeit zu verdienen.“ Wenn man dies sagt, so klingt das fast ebenso, als wenn man sagt, dass er, indem er die Menschen nicht bestahl, zeigte, dass es keine Schande ist, ehrlich zu sein! Wenn Sie bedenken, wie richtig die Einteilung aller Menschen in drei Klassen, nämlich Arbeiter, Bettler und Diebe ist, so werden Sie sehen, dass es für Christum moralisch unmöglich war, während seines Aufenthaltes auf Erden etwas anderes zu sein als ein Arbeiter, musste er doch, der gekommen war, um das Gesetz zu erfüllen, dem göttlichen Gesetz der Arbeit durch Wort und Tat gehorchen.

„Wie vollständig und schön illustrierte doch das Leben Christi auf Erden dieses Gesetz. In das irdische Leben in der Schwachheit der Kindheit eintretend, wie es allen, welche in dasselbe eintreten, bestimmt ist, nahm er an, was in der natürlichen Ordnung in liebevoller Weise als Nahrung dargereicht wurde, und was durch Arbeit erlangt wird, die jede Generation ihren direkten Nachkommen schuldig ist. Zum Mannesalter herangereift, erwarb er sich seinen Unterhalt selbst durch die gewöhnliche Arbeit, durch welche die meisten Menschen ihn erwerben. Dann stieg er zu der höheren - der höchsten - Stufe der Arbeit hinan, er erwarb sich seinen Unterhalt durch das Lehren moralischer und geistiger Wahrheiten. Er empfing seinen materiellen Lohn in Form der Liebesopfer dankbarer Zuhörer, und er wies auch die kostbare Narde nicht zurück, mit der Maria seine Füße salbte. Als er seine Jünger wählte, ging er daher auch nicht zu Landbesitzern oder anderen Monopolisten, die von der Arbeit anderer leben, sondern zu gewöhnlichen, arbeitenden Menschen. Und als er sie zu einer höheren Arbeit berief und sie aussandte, damit sie moralische und geistige Wahrheiten verkündigen sollten, sagte er ihnen, sie möchten ohne Herablassung einerseits und ohne eine Empfindung von Erniedrigung andererseits nehmen, was man ihnen in Liebe für eine solche Arbeit geben würde, indem er sagte: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“, so zeigend, woran wir auch festhalten, dass Arbeit nicht nur aus Arbeiten mit der Hand besteht, sondern dass vielmehr jeder ein Arbeiter ist, der dazu beiträgt, die materielle, intellektuelle, moralische und geistige Fülle des Lebens zu vermehren. (Anmerkung: Man sollte auch nicht vergessen, dass der Forscher, der Philosoph, der Lehrer, der Künstler, der Dichter und der Priester, obgleich sie nicht direkt bei der Produktion von Gütern beschäftigt sind, nicht nur beteiligt sind an der Herstellung von Nützlichem und Befriedigendem, wozu die Produktion von Gütern nur ein Mittel ist, sie vermögen vielmehr durch Erwerben von Kenntnissen und durch Verbreitung derselben, durch Anregung der geistigen Kräfte und durch Hebung der Moral, die Fähigkeit, Güter zu produzieren, zu vermehren. Denn der Mensch lebt nicht von Brot allein. Jeder, der durch Anstrengung von Geist oder Körper den Reichtum vermehrt, die menschliche Erkenntnis erweitert oder das menschliche Leben erhebt und ihm eine größere Fülle verleiht, ist im umfassenden Sinne ein „Produzent“, ein „Arbeiter“, und er verdient auf ehrliche Weise ehrlichen Lohn. Diejenigen aber, die, ohne die Menschheit reicher, weiser, besser und glücklicher zu machen, von der Arbeit anderer leben, sind in Wirklichkeit Bettler und Diebe, gleich, welchen Ehrentitel sie tragen, oder wie rüstig die Priester des Mammon ihre Weihrauchfässer vor ihnen schwingen mögen.)

„Bei der Behauptung, dass Arbeiter, besonders gewöhnliche Handarbeiter, natürlicherweise arm sind, lassen Sie außer acht, dass der Arbeiter den Reichtum hervorbringt, und schreiben Sie dem natürlichen Gesetz des Schöpfers eine Ungerechtigkeit zu, die die Folge der gottlosen Vergewaltigung seiner wohlwollenden Absicht ist. Bei den rohesten Handwerks-Verhältnissen ist es allen gesunden Menschen möglich, einen Lebensunterhalt zu verdienen. Bei der Anwendung arbeitsparender Maschinen sollten sie noch weit mehr verdienen können. Wenn Sie also sagen, dass Armut keine Schande ist, so bringen Sie eine unvernünftige Folgerung. Armut sollte eine Schande sein, denn bei einem Zustand von sozialer Gerechtigkeit, bei welchem unvermeidliches Missgeschick unmöglich sein müsste, sollte sie Achtlosigkeit oder Faulheit bedeuten.

„Die Sympathie Eurer Heiligkeit scheint ausschließlich für die Armen zu sein, für die Arbeiter. Sollte dies so sein? Sind nicht auch reiche Müßiggänger zu bedauern? Dem Evangelium gemäß sollten die Reichen wirklich vielmehr bedauert werden als die Armen. Und allen Menschen, die an ein zukünftiges Leben glauben, muss die Lage eines jeden, der seine geliebkosten Millionen zurücklassen muss, bedauernswert erscheinen. Wie bedauernswert sind aber doch schon in diesem Leben die Reichen! Das Übel liegt nicht in dem Reichtum selbst, in seiner Herrschaft über materielle Dinge; es liegt darin, Reichtum zu besitzen, während andere von der Armut ertränkt werden, emporgezogen zu werden über die Berührung mit dem Menschenleben, mit seiner Arbeit und seinem Kampf, mit seinen Hoffnungen und Befürchtungen und vor allem mit seiner Liebe, die das Leben versüßt, und über das freundliche Mitgefühl und die edelmütigen Handlungen, die den Glauben an den Menschen und das Vertrauen auf Gott stärken. Denken Sie daran, wie die Reichen stets die niedrigere Seite des Menschen sehen, wie sie von Schmeichlern umgeben werden, wie sie bereitwillige Werkzeuge finden, nicht nur zur Befriedigung von lasterhaften Neigungen, sondern auch zu deren Anregung und Anreizung, wie sie beständig auf der Hut sein müssen, um nicht beschwindelt zu werden, wie oft sie einen niedrigen Beweggrund argwöhnen müssen hinter einer freundlichen Tat oder einem freundlichen Wort; wie sie umlagert werden von unverschämten Bettlern und Betrügern, wenn sie versuchen, edelmütig zu sein, wie oft die familiären Zuneigungen in ihnen abgetötet werden, und wie oft man ihrem Tode mit schlecht verhehlter Freude der Erwartung auf den Besitz ihres Vermögens entgegensieht. Das Schlimmste bei der Armut ist nicht der Mangel, sondern das Verkümmern und Verzerren der höheren Eigenschaften. So, wenn auch auf andere Weise, bewirkt unverdienter Reichtum ebenfalls Verkümmerung und Verzerrung des Edelsten im Menschen.

„Ein Missachten der göttlichen Gebote kann nicht ungestraft bleiben. Wenn es Gottes Wille ist, dass der Mensch sein Brot durch Arbeit verdient, so wird der reiche Nichtstuer leiden müssen. Und so ist es auch. Wie leer ist doch das Leben derer, die um des Vergnügens willen leben! Welch ekelhafte Laster werden doch in einer Klasse großgezogen, die, von Armut umgeben, mit Reichtum übersättigt ist! Welch schreckliche Strafe ist doch die Langeweile, von der die Armen so wenig wissen, dass sie sie nicht kennen, welch Pessimismus bemächtigt sich doch der wohlhabenden Klassen! Er schließt Gott aus, verachtet den Menschen, verurteilt das Dasein in sich selbst als ein Übel, fürchtet den Tod, sehnt sich aber dennoch nach einer Vernichtung!

„Als Christus dem reichen Jüngling sagte, er solle alles verkaufen, was er hatte, und es den Armen geben, dachte er nicht an die Armen, sondern an den jungen Mann. Ich zweifle nicht daran, dass es unter den Reichen, und besonders unter denen, die den Reichtum selbst erwarben, viele gibt, die bisweilen klar empfinden, wie töricht der Besitz des Reichtums ist, und die um ihrer Kinder willen vor der Gefahr und der Versuchung des Reichtums bangen. Die Macht einer langen Gewohnheit aber, Anreizung durch den Stolz, der Reiz, das zu erlangen und zu behalten, was für sie zum Zahlpfennig im Kartenspiel geworden ist, und die wirkliche Schwierigkeit, auf die sie stoßen, wenn sie einen guten Gebrauch von ihrem Reichtum machen wollen, alles das bindet sie mit einer Last zusammen, wie einen Esel mit seinem Pack, bis sie in den Abgrund stolpern, der dieses Leben abschließt.

„Menschen, die immer sicher sind, die Nahrungsmittel zu erhalten, die sie bedürfen, essen nur das, was ihnen der Appetit vorschreibt. Bei den zerstreuten Stämmen aber, die an den Grenzen des bewohnbaren Erdballes wohnen, ist das Leben entweder eine Hungersnot oder ein Fest. Nachdem sie einige Tage lang gehungert haben, treibt sie die Furcht, erlangte Beute zu verlieren, dazu, dieselbe zu verschlingen, gleich einer Anakonda (Anmerkung: Eine Art Riesenschlange), die bei ihrem Suchen nach Wild Erfolg gehabt hat. Was dem Reichtum einen Fluch auflädt, ist die Ursache, aus welcher die Menschen danach streben, ihn zu erlangen, durch welche er bei den Menschen so beneidenswert und bewundernswert gemacht wird - die Furcht vor Entbehrung. Ebenso, wie ungebührlicher Reichtum im Zusammenhang mit ungebührlicher Armut ist, so ist die seelenzerstörende Eigenschaft des Reichtums nur ein Gegenstück der erniedrigenden Entbehrung. Das wahre Übel liegt in der Ungerechtigkeit, aus welcher unnatürlicher Reichtum und unnatürlicher Mangel gleicherweise entstehen.

„Diese Ungerechtigkeit kann man aber schwerlich einzelnen Personen oder Klassen zur Last legen. Das Vorhandensein von Landeigentum ist ein großes, soziales Unrecht, an welchem die Gesellschaft im großen und ganzen leiden muss, und dessen Opfer die ganz Reichen ebenso wie die ganz Armen sind, wenn auch bei entgegengesetzten Extremen. Angesichts dieser Tatsache erscheint es uns wie eine Vergewaltigung der christlichen Barmherzigkeit, wenn man sagt, die Reichen seien persönlich für die Leiden der Armen verantwortlich. Während man solches behauptet, besteht man dennoch darauf, dass die Ursache dieser ungeheuren Reichtümer und jener entartenden Armut unangetastet bleibt. Hier ist ein Mensch mit einem entstellenden und gefährlichen Auswuchs. Ein Arzt würde letzteren in freundlicher, sanfter, aber bestimmter Weise entfernen. Ein anderer Arzt aber besteht darauf, dass er nicht entfernt wird, zu gleicher Zeit setzt er den Bedauernswerten aber dem Hass und dem Spott aus. Was ist Recht?

„Indem wir suchen, dem Menschen seine gleichen und natürlichen Rechte wiederherzustellen, suchen wir nicht den Vorteil irgendeiner einzelnen Klasse, sondern aller, denn wir sehen und wissen aus Glauben, dass Ungerechtigkeit niemand Vorteil einbringt, und Gerechtigkeit allen zum Nutzen sein muss.

„Wir suchen auch nicht, irgendeine „fruchtlose und lächerliche Gleichheit“ herzustellen. Die Gleichheit, die wir zustande zu bringen suchen, ist nicht eine Gleichheit des Vermögens, sondern der natürlichen Gelegenheiten ...

„Indem wir das, was wir deutlich als Werke erkennen, die der göttlichen Ordnung gemäß für die Gesellschaft bestimmt sind, zum Gebrauche durch die Gesellschaft heranziehen, wollen wir nicht die geringsten Steuern von den Besitzern von Reichtümern erheben, so reich sie auch sein mögen. Wir verurteilen dergleichen Steuern nicht nur als eine Vergewaltigung des Eigentumsrechtes, wir sehen auch, dass es durch die wunderbare Anwendung der wirtschaftlichen Gesetze des Schöpfers unmöglich ist, dass jemand Reichtum erlangen kann, ohne zu gleicher Zeit den Reichtum der Welt zu vermehren ...

„Eure Heiligkeit geben in dem Hirtenbrief hiervon ein Beispiel. Sie leugnen, dass eine Gleichheit des Rechts für die materielle Stufe des Lebens besteht, und dennoch sind Sie sich dessen bewusst, dass ein Recht zu leben besteht. Sie behaupten, dass der Arbeiter das Recht auf Beschäftigung und auf einen gewissen, unbestimmten Lohn habe. Es besteht kein solches Recht. Es hat niemand das Recht, von einem anderen Beschäftigung zu verlangen oder andere Löhne zu fordern, als der andere zu zahlen bereit ist, oder irgendwie den anderen zu zwingen, höhere Löhne zu zahlen wider seinen Willen. Man könnte ein solches Vorgehen nicht besser rechtfertigen, als wenn der Arbeitgeber verlangen würde, man solle die Arbeiter zwingen, Arbeit zu verrichten, die sie nicht verrichten wollen und niedrigere Löhne anzunehmen, als sie annehmen wollen. Jede scheinbare Rechtfertigung entspringt einem vorhergehenden Unrecht, der Verneinung der Rechte der Arbeiter ...

„Christus rechtfertigte David, der, als er vom Hunger gedrängt wurde, etwas beging, was unter gewöhnlichen Umständen Entweihung gewesen wäre, er nahm die Schaubrote aus dem Tempel. Damit wollte er aber bei Leibe nicht sagen, dass der Tempelraub ein geeigneter Weg sei, auf welchem man sich Lebensmittel verschaffen kann.

„In Ihrem Hirtenbrief empfehlen Sie aber die Anwendung von Grundsätzen im gewöhnlichen Leben, die der Sittenlehre gemäß nur in außerordentlichen Fällen geduldet werden dürfen. Sie werden zu der Aufstellung von Behauptungen über falsche Rechte gezwungen, weil Sie die wahren leugnen. Das natürliche Recht, welches jeder Mensch besitzt, besteht nicht darin, dass er von einem anderen Beschäftigung und Lohn fordern kann, sondern darin, dass er in jenem unerschöpflichen Vorratshaus arbeiten kann, welches der Schöpfer in dem Boden für alle Menschen vorgesehen hat. Wenn diese Vorratshäuser offen wären, wie wir sie durch die einzige Steuer öffnen könnten, so würde die natürliche Nachfrage nach Arbeit Schritt halten mit dem Vorhandensein derselben. Derjenige, welcher Arbeit verkauft, würde wie derjenige, welcher sie kauft, ein freier Austauscher werden, zum gegenseitigen Vorteil, und alle Ursachen zu Streitigkeiten zwischen Arbeiter und Arbeitgeber würden verschwunden sein. Wenn dann alle die Freiheit besäßen, für sich selbst zu arbeiten, so würde schon diese Gelegenheit aller Sklaverei ein Ende machen, und da niemand für den anderen um weniger arbeiten würde, als er durch selbständiges Arbeiten verdienen könnte, so würden auf diese Weise die Löhne zu ihrem vollen Wert aufsteigen, und die Beziehungen zwischen Arbeiter und Arbeitgeber würden durch das gegenseitige Interesse und die gegenseitige Angemessenheit reguliert werden. Dies ist der einzige Weg, auf welchem eine Regelung zu erzielen ist.

„Eure Heiligkeit scheinen zu behaupten, dass es einen gewissen gerechten Lohnsatz geben müsse, den der Arbeitgeber zu geben und der Arbeitnehmer zu nehmen habe, und Sie scheinen zu glauben, dass der Streit beendet sein würde, wenn dieser Lohnsatz festgestellt werden könnte. Augenscheinlich denken Sie sich diesen Lohn so, dass er dem Arbeiter einen bescheidenen Lebensunterhalt gewährt, und dass von ihm bei strenger Sparsamkeit ein wenig zur Seite gelegt werden kann.

„Wie kann aber ein gerechter Lohn festgesetzt werden, wenn bei dem „Feilschen auf dem Markte“ nicht einmal der gerechte Preis des Kornes und der Schweine festgesetzt werden kann? Und wenn die Löhne durch Schiedsspruch festgesetzt würden, würde man da nicht dem natürlichen Gesetz vorgreifen? Warum soll der Käufer von Arbeit vor dem Käufer von Waren dazu angehalten werden, höhere Preise zu bezahlen, als er auf dem freien Markt zu bezahlen brauchte? Warum sollten die Verkäufer von Arbeit nicht weniger zufrieden sein, als sie auf dem freien Markt erhalten könnten? Warum sollte der Arbeiter mit einer geringeren Kost zufrieden sein, wenn die Welt so reich ist? Warum sollte er zufrieden sein mit einem Leben von ununterbrochener Arbeit und Einschränkung, wenn die Welt solchen Überfluss besitzt? Warum sollte er nicht auch wünschen, die höheren Instinkte, den feineren Geschmack zu befriedigen? Warum sollte er immer zufrieden sein, im Zwischendeck zu reisen, wenn es andere bequemer finden, eine Kabine zu mieten?

„Sicherlich wird er es auch nicht. Das Gärungsmittel unserer Zeit kommt nicht nur daher, dass der Arbeiter es für härter findet, nicht auf derselben Stufe der Bequemlichkeit zu leben. Es kommt auch, und vielleicht in viel größerem Maße, daher, dass mit dem Wachstum der allgemeinen Bequemlichkeit seine Wünsche größer geworden sind. Dieses Wachstum muss noch zunehmen, denn Arbeiter sind Menschen, und der Mensch ist ein unbefriedigtes Tier.

„Er ist kein Ochse, von dem man sagen kann: soviel Gras, soviel Korn, soviel Wasser und ein wenig Salz, so wird er zufrieden sein. Im Gegenteil, je mehr der Mensch erhält, umso mehr verlangt er. Wenn er genügend Nahrung hat, dann verlangt er bessere Nahrung. Wenn er eine Unterkunft bekommt, dann verlangt er bald eine bequemere und geschmackvollere. Wenn seine fleischlichen Bedürfnisse befriedigt sind, dann erwachsen geistige.

„Diese ruhelose Unzufriedenheit entspringt der Natur des Menschen - jener edleren Natur, welche so hoch über derjenigen des Tieres steht, und welche zeigt, dass er in Wahrheit in dem Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Man soll nicht über sie streiten, denn sie ist die Triebfeder allen Fortschrittes. Sie errichtete die Petrikirche, sie machte auf der matten leblosen Leinenwand das engelähnliche Antlitz der Madonna glühen, sie wog Sonnen und zerlegte Sterne, und sie schlug eine Seite nach der anderen auf von den wunderbaren Werken der schöpferischen Intelligenz; sie überbrückte den atlantischen Ozean, sie ließ den Blitz unsere Botschaft in die entferntesten Länder tragen, sie öffnete uns Möglichkeiten, denen gegenüber alles, was unsere Zivilisation bis jetzt vollbracht hat, gering zu sein scheint. Sie kann auch nicht unterdrückt werden, es sei denn durch erniedrigte Menschen, durch Herabdrückung von Europa auf das Niveau Asiens.

„Wenn daher die Löhne nicht bestimmt werden können, indem alle Beschränkungen der Arbeit aufgehoben werden, und wenn nicht allen Arbeitern Zutritt gewährt wird zu den natürlichen Gelegenheiten unter gleichen Bedingungen, so wird es unmöglich sein, irgendeine Norm für Löhne aufzustellen, die als gerecht betrachtet würde und die die Arbeiter verhindern würde, nach mehr zu streben. Wenn man die Lage der Arbeiter ein wenig verbessern würde, so würde man alles andere eher erreichen, als sie zufrieden zu machen, man würde sie nur noch unzufriedener machen.

„Sie appellieren auch nicht an die Gerechtigkeit, wenn Sie die Arbeitgeber auffordern, ihren Arbeitern mehr zu zahlen, als sie zu zahlen gezwungen wären, mehr als das, womit sich andere begnügen würden. Sie appellieren dann an die Mildtätigkeit. Was der reiche Arbeitgeber dann mehr geben würde, wäre nicht wirklicher Lohn, sondern nur ein Almosen.

„Bei der Behandlung der praktischen Maßnahmen zum Zwecke der Verbesserung der Lage der Arbeiter, welche Sie anregen, habe ich das, worauf Sie soviel Gewicht legen, Mildtätigkeit, gar nicht erwähnt. Als Heilmittel gegen die Armut haben solche Empfehlungen praktisch keinen Wert. Wenn es möglich wäre, durch Almosen die Armut abzuschaffen, dann würde es in der Christenheit keine Armut mehr geben.

„Die Mildtätigkeit ist in der Tat eine edle und herrliche Tugend, bei Gott wie bei den Menschen angenehm. Sie muss sich aber auf Gerechtigkeit gründen, sie kann letztere nicht verdrängen.

„Das Unrecht bei den Arbeitsverhältnissen in der christlichen Welt ist, dass der Arbeiter beraubt wird. Solange Sie das Fortbestehen dieses Beraubens rechtfertigen, ist es eitel, zur Mildtätigkeit zu ermahnen. Wenn Sie dies tun, wenn Sie die Mildtätigkeit als einen Ersatz für Gerechtigkeit anpreisen, so ähnelt dies in Wirklichkeit dem Vorgehen jener Ketzer, welche Ihre Vorgänger verdammten, weil sie lehrten, das Evangelium habe das Gesetz ersetzt, und die Liebe Gottes entbindet den Menschen von moralischen Verpflichtungen.

„Wo Ungerechtigkeit besteht, kann die Mildtätigkeit höchstens die Wirkungen der Ungerechtigkeit in etwa lindern. Sie kann sie nicht heilen. Selbst das wenige, das sie zur Linderung tun kann, ist nicht ohne Übel. Denn das, was man als das Obenaufgelegte bezeichnen könnte, wie hier die zweite Tugend, bewirkt Übles, wenn die Grundlage der ersten Tugenden fehlt. So ist zum Beispiel Nüchternheit eine Tugend, und auch Fleiß ist eine Tugend. Ein nüchterner und fleißiger Dieb ist aber umso gefährlicher. So ist auch Geduld eine Tugend. Geduld bei Unrecht bedeutet aber Verzeihung von Unrecht. Es ist eine Tugend, wenn jemand nach Erkenntnis strebt und die geistigen Fähigkeiten des Menschen zu heben sucht. Durch zunehmende Intelligenz wird der Verbrecher aber besser befähigt, Verbrechen zu begehen. Wenn wir an Teufel denken, so wissen wir, dass dies intelligente Wesen sind.

„Falsche Mildtätigkeit, die die Gerechtigkeit außer acht lässt und verleugnet, muss daher Böses bewirken. Auf der einen Seite erniedrigt sie den Empfänger, indem sie die Würde des Menschen verletzt, die, wie Sie selbst sagen, „Gott selbst mit Achtung behandelt“, und sie verwandelt den Menschen, der, um sich selbst unterhalten und ein sich selbst achtender Bürger werden zu können, nur der Wiedererstattung dessen bedarf, was der Schöpfer ihm gegeben hat, in einen Bettler und Almosenempfänger. Auf der anderen Seite beschwichtigt sie das Gewissen derer, die von dem Berauben ihrer Mitmenschen leben, und sie begünstigt die moralische Täuschung und den geistigen Hochmut, an den Jesus sicher dachte, als er sagte, dass ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr gehen könne, als ein Reicher in das Reich der Himmel. Denn sie führt die Reichen, die ihr Geld und ihren Einfluss benutzen, um die Ungerechtigkeit zu unterstützen, dazu, dass sie denken, sie täten etwas mehr als ihre Pflicht ihren Mitmenschen gegenüber und verdienten, dass sie Gott sehr angenehm seien, wenn sie Almosen geben, und sie schreiben in unbestimmtem Maße ihrer eigenen Güte zu, was wirklich der Güte Gottes entspringt. Denken Sie daran: Wer ist der alleinige Versorger? Wer ist der, dem, wie Sie sagen, der Mensch ein nie versagendes Vorratshaus verdankt, das „in der unerschöpflichen Fruchtbarkeit des Bodens zu finden ist?“ Ist es nicht Gott? Wenn daher die Menschen, der Güter Gottes beraubt, von der Freigebigkeit ihrer Mitgeschöpfe abhängig gemacht werden, werden dann diese Geschöpfe nicht sozusagen an die Stelle Gottes gesetzt, um zu geben, was, wie Sie sagen, Gott zu verdanken ist?

„Das Schlimmste dabei aber ist, dass es den bekennenden Lehrern der christlichen Religion aller Abzweigungen und Gemeinschaften dadurch möglich gemacht wird, dem Mammon zu folgen, während sie sich selbst einreden, sie dienen Gott ...

„Nein, da der Glaube ohne Werke tot ist, da der Mensch Gott gegenüber nicht seine Pflicht erfüllen kann, wenn er den Mitmenschen die Rechte, welche Gott ihnen gab, verleugnet, so kann die Mildtätigkeit nichts tun, ohne von der Gerechtigkeit unterstützt zu werden, um das Problem der gegenwärtigen Arbeitsverhältnisse zu lösen. Wenn auch die Reichen „alle ihre Güter den Armen geben würden, und wenn sie ihren Leib hingeben würden, dass er verbrannt werde“, so würde die Armut dennoch nicht aufhören, wenn das Landeigentum bestehen bleiben würde.

„Setzen wir den Fall, ein Reicher sei heute aufrichtig bestrebt, seinen Reichtum der Verbesserung der allgemeinen Lage zu widmen. Was könnte er tun?

„Seinen Reichtum denen geben, die desselben bedürfen? Er mag manchen helfen, die es verdient haben, er wird aber die allgemeine Lage nicht verbessern. Dem Guten, was er tun mag, wird die Gefahr gegenüberstehen, dass er Schaden anrichten könnte.

„Soll er Kirchen bauen? Unter dem Schatten der Kirche fault die Armut und wird das Laster, welches durch sie geboren wurde, großgezogen.

„Soll er Schulen oder Universitäten bauen? Dies kann weiter nichts bewirken, als dass die Menschen erkennen, wie ungerecht der Privatbesitz von Land ist, vermehrte Bildung wird für bloße Arbeiter nichts verbessern, denn mit der Verbreitung der Bildung wird der Lohn für dieselbe sinken.

„Soll er Krankenhäuser einrichten? Warum denn, es scheint dem Arbeiter, dass zu viele nach Arbeit suchen, und die Errettung und Verlängerung von Menschenleben würde die Not nur noch ärger machen.

„Vorbildliche Mietshäuser bauen? Wenn er die häuslichen Bequemlichkeiten nicht verbilligen würde, würde er die Klasse, der er helfen möchte, nur noch weiter treiben, und wenn er die häuslichen Bequemlichkeiten verbilligen würde, würde er bewirken, dass mehr Arbeiter nach Arbeit suchen, und die Löhne niedriger werden.

„Soll er Laboratorien, wissenschaftliche Schulen, Stätten für physikalische Experimente schaffen? Dann würde er nur Anregung geben zu Erfindungen und Entdeckungen, die Kräfte, welche bei dem gegenwärtigen Gesellschaftssystem die Arbeiter wie zwischen zwei Mühlsteinen zermalmen.

„Die Auswanderung von Orten, wo die Löhne niedriger sind, nach solchen, wo sie etwas höher sind, fördern? Wenn er dies tun wird, dann werden diejenigen, denen er zuerst half, auszuwandern, ihn bald bitten, er möchte veranlassen, dass die weitere Zuwanderung aufhört, da dieselbe ihre Löhne herabsetzt.

„Das Land, welches er selbst besitzen mag, abgeben oder es zu niedrigeren Preisen als den allgemein üblichen vermieten? Er wird dadurch nur neue Grundbesitzer oder Grundanteilbesitzer in das Dasein rufen, er wird aber die allgemeine Lage nicht verbessern können.

„Oder soll er wie jene Bürger, die in der klassischen Zeit soviel Gemeinsinn zeigten und große Summen ausgaben zur Verschönerung ihrer Heimat, die Stadt seiner Geburt verschönern? Möge er enge und krumme Straßen breit und gerade machen, möge er Parkanlagen und Springbrunnen schaffen, möge er Straßenbahnen und Eisenbahnen anlegen, oder möge er sonst wie die von ihm erwählte Stadt schön machen, was wird das Ergebnis sein? Wird nicht der Wert des Bodens steigen? Wird nicht die Folge seines Gutestunwollens eine Erhöhung der Pacht und eine Bereicherung der Landeigentümer sein? Ja, sogar die Ankündigung, dass er im Begriffe ist, so etwas zu unternehmen, wird veranlassen, dass die Spekulation aufblüht, und der Wert des Landes sprunghaft in die Höhe geht.

„Was kann der Reiche tun, um die Lage der Arbeiter zu verbessern?

„Er kann weiter gar nichts tun, als zu suchen, das große grundsätzliche Unrecht, welches den Menschen seiner Geburtsrechte beraubt, durch Einsetzung seiner Macht abzuschaffen. Die Gerechtigkeit Gottes lacht aller Versuche, die der Mensch unternimmt, um etwas an ihre Stelle zu stellen.“

*  *  *

„Während die Gewerbeverbände den Gedanken von dem gegenseitigen Interesse in gewissem Maße fördern und oft dazu beitragen, dass der Mut und die politische Bildung gehoben werden, und während sie den Arbeitern auch eine gewisse Verbesserung ihrer Lage bewirkt haben, so beachten sie die Ursachen, die im allgemeinen die Lage der Arbeiter bestimmen, nicht, und sie suchen immer nur, einem kleinen Teil empor zuhelfen durch Mittel, die für die übrigen keinen Wert haben. Da sie nach der Beschränkung des Wettbewerbes streben, der Beschränkung des Rechtes zu arbeiten, so ähneln ihre Methoden denjenigen einer Armee, die, wenn auch in einer gerechten Sache, die Freiheit umstößt und für Missbrauch verantwortlich ist, und ihre Waffen, die Streiks, wirken in ihrer Art vernichtend sowohl für Kämpfende als auch für Nichtkämpfende, da der Streik eine Art passiven Krieg darstellt. Die Anwendung des Verbandsgrundsatzes auf jeden Gewerbezweig, wie dieselbe von manchen erträumt wird, würde die Einjochung der Menschen in ein Kastensystem bedeuten.

„Oder auch was so gemäßigte Maßregeln anbetrifft, wie die Beschränkung der Arbeitszeit und der Arbeit von Frauen und Kindern, so sind die Verbände darin insofern oberflächlich, weil sie nicht weiter blicken, als darauf, dass die Männer, Frauen und Kinder zu lange arbeiten und vorschlagen, die Überstunden gewaltsam zu verhindern, während sie die Ursache vollständig unbeachtet lassen, den Stachel der Armut, der die menschlichen Wesen dazu zwingt. Die Methoden, durch welche diese Beschränkungen erzwungen werden müssten, würden die Beamten vermehren, sich in die persönliche Freiheit eingreifen, Bestechungen begünstigen und zu Missbrauch führen.

„Die Sozialdemokratie, die wir ehren, weil sie eine Überzeugung besitzt, würde diese Fehler aber erst zum vollen Ausdruck bringen. Sie eilt zu Schlüssen, ohne sich zu bemühen, die Ursachen zu entdecken. Sie erkennt nicht, dass die Unterdrückung nicht aus dem Kapital resultiert, sondern aus dem Unrecht, mit dem der Arbeiter des Kapitals beraubt wird, indem man ihm keinen Anteil am Boden gewährt, wodurch ein nachgeahmtes Kapital geschaffen wird, das in Wirklichkeit ein kapitalisiertes Monopol ist. Sie verfehlt zu erkennen, dass es dem Kapital unmöglich wäre zu unterdrücken, wenn der Arbeiter freien Zugang hätte zu den Naturstoffen, dass das Lohnsystem der gegenseitigen Angemessenheit entspringt, bei der die eine Partei einen bestimmten Erfolg einem nicht bestimmten vorzieht, und dass das, was als das „eiserne Gesetz der Löhne“ bekannt ist, nicht das natürliche ist, sondern nur dasjenige des unnatürlichen Systems, bei welchem die Menschen hilflos gemacht werden, indem sie der zum Leben und zur Arbeit notwendigen Stoffe beraubt worden sind. Sie irrt sich, indem sie das für den Notstand des Wettbewerbes hält, was in Wirklichkeit eine Beschränkung des Wettbewerbes ist, jener einseitige Wettbewerb, zu welchem die Menschen gezwungen werden, wenn sie des Bodens beraubt sind. Die Methoden der Sozialdemokratie, die Organisation der Arbeiter in industriellen Armeen, die Leitung und Beherrschung aller Produktion durch staatliche oder halbstaatliche Büros würden, wenn sie voll ausgeführt würden, ägyptischen Despotismus bedeuten.

„Wir unterscheiden uns von der Sozialdemokratie hinsichtlich der Diagnose des Übels und hinsichtlich der Heilmittel für dasselbe. Wir fürchten das Kapital nicht, da wir es als die natürliche Dienerin der Arbeit betrachten. Wir betrachten die Zinsen an und für sich als natürlich und gerecht, wir würden der Anhäufung der Reichtümer keine Beschränkung auferlegen, wir wollen den Reichen auch keine Lasten auferlegen, die nicht auch den Armen auferlegt würden, wir sehen den Wettbewerb nicht als ein Übel an, wir betrachten den unbeschränkten Wettbewerb als für die Gesundheit des wirtschaftlichen und sozialen Organismus ebenso notwendig wie den freien Kreislauf des Blutes für die Gesundheit des leiblichen Organismus und als das Mittel, durch welches volles Zusammenarbeiten gesichert wird. Wir wollen nur für das Gemeinwesen das in Anspruch nehmen, was dem Gemeinwesen gehört, den Wert, der dem Boden eigen ist durch das Wachstum des Gemeinwesens; wir lassen dem Einzelnen alles das als geheiligtes Besitztum, was dem Einzelnen gehört. Da wir notwendige Monopole dem Staate zuerkennen, wollen wir alle Beschränkungen und Verbote abschaffen, ausgenommen diejenigen, welche das Interesse der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, Sittlichkeit und Bequemlichkeit erfordern.

„Der Hauptunterschied, der zwischen der Sozialdemokratie und uns besteht, ist der, auf den wir besonders aufmerksam machen: Der Sozialismus schreibt die Ursache jeden Übels unserer Zivilisation der Ungleichheit und Disharmonie der natürlichen Verhältnisse zu, die seiner Auffassung gemäß künstlich verbessert werden müssen. Der Staat müsse vermittelst der Intelligenz die wirtschaftlichen Beziehungen des Menschen ordnen; er müsse gewissermaßen eine große Maschine bauen, deren komplizierte Teile zusammen unter der Leitung der menschlichen Intelligenz arbeiten müssen. Dies ist der Grund, warum der Sozialismus zum Atheismus neigt. Da er verfehlt, die Ordnung der natürlichen Gesetze wahrzunehmen, verfehlt er, Gott zu erkennen.

„Wir Vertreter der einzigen Steuer dagegen sehen in den sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen nicht eine Maschine, die der Konstruktion bedarf, sondern einen Organismus, dessen Wachstum wir nur zu dulden haben. Wir erblicken in den natürlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gesetzen eine eben solche Harmonie, wie in dem Bau des menschlichen Körpers, und diese kann ebenso wenig durch menschliche Intelligenz geordnet und geleitet werden, wie die menschliche Intelligenz imstande wäre, die Lebenstätigkeiten des eigenen Körpers zu ordnen und zu leiten. Wir erblicken in diesen sozialen und wirtschaftlichen Gesetzen eine so enge Verwandtschaft mit dem moralischen Gesetz, dass wir sie unbedingt demselben Schöpfer zuschreiben müssen. Dies zeigt uns auch, dass das moralische Gesetz des Menschen der sichere Führer ist, wo seine Intelligenz irregehen würde. So ist unserer Auffassung nach nur das notwendig, dass man gerecht handelt und Freiheit gibt, um die Übelstände unserer Zeit zu beseitigen. Das ist der Grund, weshalb unser Glaube der einzige Glaube an Gott ist, der fest und ehrfurchtsvoll sein kann, und der das oberste Gesetz des Schöpfers anerkennt, dem die Menschen folgen müssen, wenn sie Wohlfahrt erlangen und der Vernichtung entgehen wollen. Darum dient uns die Wirtschaftspolitik dazu, die Tiefen der Weisheit zu zeigen, die in den einfachen Wahrheiten liegen, die das gewöhnliche Volk von den Lippen dessen vernahm, von dem es sich verwundernd sagte: „Ist dieser nicht des Zimmermanns Sohn?“

„In dem, was wir vorschlagen - das Sicherstellen gleicher Gelegenheiten zur Ausübung der Kräfte und die Entfernung aller gesetzlichen Beschränkungen der rechtmäßigen Ausübung dieser Kräfte - sehen wir eine solche Übereinstimmung zwischen dem menschlichen Gesetz und dem moralischen Gesetz, dass wir das volle Vertrauen haben, dass es hinreicht, alle Übelstände, die Sie so klar darlegen, zu beseitigen, und wir halten es auch für das einzig mögliche Mittel.

„Es gibt nämlich auch kein anderes Mittel. Die Organisation des Menschen ist so, seine Beziehungen zur Welt, in die er gesetzt worden ist, sind derart - das heißt, die unwandelbaren Gesetze Gottes sind so - dass es über den Bereich des menschlichen Scharfsinnes hinausgeht, einen Weg zu finden, durch welchen die Missstände, welche aus der Ungerechtigkeit geboren sind, die die Mitmenschen ihrer Geburtsrechte beraubt, anders beseitigt werden können, als durch gerechtes Handeln, durch Erschließung aller Güter, die Gott zum Nutzen aller vorgesehen hat.

„Bedeutet es nicht eine Scheidung der Menschen in einen reichen und einen armen, in einen bevorzugten und in einen hilflosen Teil, wenn einigen Menschen der Boden zum Besitztum gegeben wird, während man anderen alle Rechte verneint, da doch der Mensch vom Boden allein leben kann, und der Boden der Speicher ist, dem aller Stoff und alle Kraft des menschlichen Lebens entnommen wird, und auf dem der Mensch bei allem, was er hervorbringt, zurückgreifen muss? Bedeutet es nicht, dass diejenigen, welche kein Recht auf den Gebrauch des Bodens haben, nur leben können, indem sie ihre Arbeitskraft denen verkaufen, die das Land besitzen? Muss nicht das, was der Sozialismus das „eiserne Gesetz der Löhne“ nennt, und was die Wirtschaftspolitik als „Sinken der Löhne auf ein Minimum“ bezeichnet, den Arbeitern, die selbst nicht die Macht besitzen, ihre Arbeit auszunützen, alle Vorteile entziehen, so dass sie die gegenwärtige ungerechte Teilung des Bodens nicht ändern können? Da sie nicht imstande sind, selbständig zu arbeiten, müssen sie entweder als Arbeitsverkäufer oder als Landpächter miteinander, um die Erlaubnis zu arbeiten, in Wettbewerb treten. Dieser Wettbewerb miteinander von Seiten der Menschen, die von Gottes unerschöpflichem Vorratshaus ausgeschlossen sind, hat keine andere Grenze, als die des Verhungerns, und er muss die Löhne schließlich auf den niedrigsten Boden herabdrücken, auf welchem die Menschen das Leben eben noch erhalten und die Produktion fortführen können.

„Das bedeutet noch nicht, dass alle Löhne auf diese Stufe erniedrigt werden, sondern vielmehr, dass die Löhne der Arbeiter, die nur gewöhnliche Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen, dort ankommen müssen. Die Vergütungen besonderer Klassen, die durch besondere Kenntnisse und Fertigkeiten vor dem Wettbewerb geschützt sind, mögen höhere bleiben. Dort, wo zum Beispiel wenige lesen und schreiben können, werden diese Fähigkeiten höher bezahlt. Da die Ausbreitung der Bildung aber diese Fähigkeiten allgemein macht, geht dieser Vorteil bald verloren. So werden die Löhne höher gehalten bei einem Beruf, zu dessen Ausfüllung eine besondere Befähigung, die erst durch Übung erreicht werden kann, erforderlich ist. Sobald aber der Fortschritt der Erfindung diese besondere Fähigkeit unnötig macht, werden auch diese Löhne sinken. So können Fleiß, Achtsamkeit und Sparsamkeit dem gewöhnlichen Arbeiter nur solange eine Stellung, die ihm etwas mehr einbringt als den Lebensunterhalt, zu halten ermöglichen, als diese Eigenschaften hervorragend sind. Sobald sie allgemein zu werden beginnen, muss das Gesetz des Wettbewerbes den Verdienst auf die gewöhnliche Stufe herabsetzen, welche, da der Boden monopolisiert ist und die Arbeiter hilflos sind, nur die nächste Station vor dem Aufhören des Lebens sein kann.

„Mit anderen Worten: Da der Boden für Arbeit und Leben eine Notwendigkeit ist, ist es den Bodenbesitzern möglich, alles von den Arbeitern als Pacht zu erheben, was nicht notwendig ist zum Lebensunterhalt der Arbeiter. So würden sie die Macht haben, nur so vielen einen Lebensunterhalt zu gewähren, als sie und ihre Angehörigen brauchen.

„Wo der private Bodenbesitz die Gesellschaft in eine Boden besitzende Klasse und in eine keinen Boden besitzende Klasse geteilt hat, kann daher keine Erfindung oder Verbesserung gemacht werden, sei es in wirtschaftlicher, sozialer oder moralischer Hinsicht, die die Armut verhindern oder die allgemeine Lage der Arbeiter bessern könnte, solange sie nicht das Besitztum des Bodens betrifft. Denn was man auch unternehmen mag, um das zu vermehren, was der Arbeiter hervorbringen kann, oder um das zu verringern, was erforderlich ist, um den Arbeiter zu unterhalten - sobald es allgemein wird, würde die Folge nur sein, dass das Einkommen der Bodenbesitzer noch größer würde, ohne irgendeinen Nutzen für die Arbeiter selbst. In keinem Fall können die, welche nur die Kraft besitzen zu arbeiten, nicht aber die Mittel, mehr verdienen als zum Lebensunterhalt notwendig ist.

„Wie dies zutrifft, können wir an den heutigen Tatsachen ersehen. In unserer Zeit haben die Erfindungen und Entdeckungen die erzeugende Kraft der Arbeit ungeheuer vergrößert und zu gleicher Zeit die Kosten vieler Dinge, deren der Arbeiter bedarf, gewaltig herabgesetzt. Haben diese Verbesserungen irgendwo den Verdienst der Arbeiter erhöht? Ist der Nutzen nicht zur Hauptsache den Grundbesitzern in die Tasche geflossen, indem der Wert des Landes vervielfältigt wurde?

„Ich sage zur Hauptsache, denn ein Teil ist auch durch das Aufstellen ungeheurer Armeen und durch sonstige Kriegsvorbereitungen verschlungen worden, durch das Bezahlen der Zinsen auf öffentliche Schulden und, gewöhnlich unter dem Deckmantel als Zinsen für falsch dargestelltes Kapital, durch andere Monopolisten als die des Bodens. Die Beseitigung solcher Verschwendungen würde aber nicht den Arbeitern zum Nutzen sein, sie würde nur den Bodenbesitzern weitere Vorteile verschaffen. Wenn die stehenden Heere mit allem, was dazu gehört, wenn alle anderen Monopole als die des Bodens abgeschafft würden, wenn die Regierungen ein Muster von Sparsamkeit würden, wenn das Nutzenziehen von Spekulanten, Vermittlern und aller Arten von Händlern hinweg getan und jeder so ehrlich würde, dass Polizisten, Gerichtshöfe, Gefängnisse entbehrlich seien, so würde das Resultat wieder kein anderes sein, als das, welches sich aus der Vermehrung der erzeugenden Kraft ergäbe.

„Würde ferner dieser Segen nicht viele, die jetzt ihren Unterhalt verdienen können, zum Verhungern bringen? Ist es nicht wahr, wenn das, worum alle Christen beten sollten, vollbracht wäre - die Entlassung aller großen Heere Europas - man das Schlimmste befürchten müsste, weil dann so viele neue Arbeitskräfte auf den Markt geworfen würden?

„Man wird sich diesen und ähnliche Widersprüche unserer in jeder Hinsicht verwirrten Zeit leicht erklären können. Die Wirkung aller Erfindungen und Verbesserungen, die die erzeugende Kraft vermehren, ist, dass gewisse Arbeiten entbehrlich werden, so dass wir von arbeitsparenden Erfindungen oder Verbesserungen reden. In einem natürlichen Gesellschaftsstaat nun, in welchem die Rechte aller Menschen auf die Benutzung der Erde anerkannt werden, können die arbeitsparenden Erfindungen bis zum höchsten Maße steigen, ohne dass die Nachfrage nach Arbeitern verringert würde, denn in einem solchen natürlichen Staat liegt die Nachfrage nach Menschen in deren eigenem Genießen des Lebens und in den starken Trieben, die der Schöpfer dem menschlichen Herzen eingepflanzt hat. In dem unnatürlichen Staat aber, in dem die Menschenmassen von allem beraubt sind, außer von der Kraft zu arbeiten, wenn andere ihnen nur Gelegenheit dazu geben, wird die Nachfrage nach Menschen nur zu einer Nachfrage nach ihren Diensten seitens derer, die jene Gelegenheiten innehalten, und der Mensch selbst wird zu einer bloßen Ware. Obgleich die natürliche Wirkung arbeitsparender Verbesserungen eine Vermehrung des Gewinnes ist, so ist doch ihre Wirkung in dem unnatürlichen Zustand, der durch den privaten Bodenbesitz hervorgerufen wird, die, dass selbst bei solchen moralischen Verbesserungen wie der Entlassung von Armeen durch Verringerung der Nachfrage die Löhne herabgesetzt werden, und die Arbeiter gezwungen werden, zu verhungern oder Almosen zu erbitten. Wenn die arbeitsparenden Erfindungen und Verbesserungen soweit geführt werden könnten, dass die Notwendigkeit der Arbeit gänzlich abgeschafft werden würde, was würde dann die Folge sein? Würden dann die Eigentümer des Bodens nicht allen Reichtum, den das Land hervorzubringen vermag, erlangen können und gar nicht mehr der Arbeiter bedürfen, so dass letztere entweder verhungern oder als Ruhegehaltsempfänger von der Gnade der Landeigentümer leben müssten?

„Solange der Boden noch Privateigentum bleiben wird, solange gewisse Menschen als Besitzer der Erde behandelt werden, und die anderen nur leben können, weil sie von ersteren geduldet werden, kann die menschliche Weisheit nichts ersinnen, wodurch die Missstände der gegenwärtigen Lage vermieden werden könnten.“

Die Freiland-Theorie ist entschieden gerecht und weitherzig, und wir sähen sie gern jetzt verwirklicht, wenn wir auch persönlich keinen Profit davon hätten. Sie würde zweifellos eine vorübergehende Erleichterung zur Folge haben, obgleich die Enteignung der Werte des Landes nicht weniger Erregung bringen würde, als die Absichten des Sozialismus, wenn nicht, wie oben angedeutet, es allmählich vor sich ginge durch vorherige Ankündigung. In Verbindung mit sozialistischen Maßnahmen würde sie denselben mehr Bestand verleihen, weil die Verteilung des Bodens unter alle gesunden, fleißigen Leute vor dem Hunger schützen würde, da dieselben sich in Ermangelung anderen Verdienstes immer genug pflanzen könnten, um sich zu nähren. Während sie, wie Herr George so schön nachwies, mit dem göttlichen Gesetz übereinstimmt, würde sie doch nicht alle Übelstände beseitigen. Die seufzende Schöpfung würde zu seufzen fortfahren, bis Gerechtigkeit und Wahrheit auf Erden aufgerichtet und alle Herzen in Übereinstimmung damit gebracht wären, denn die Selbstsucht würde es auch unter solchen Umständen verstehen, den Rahm oben abzuschöpfen und den anderen nur die Magermilch, das kaum Ausreichende, zu überlassen.

Als Beweis dafür, dass die „einzige Steuer“ allein den Forderungen der gegenwärtigen sozialen und finanziellen Schwierigkeiten nicht zu begegnen vermag, führen wir ein Beispiel an, bei dem sie sich als Fehlschlag erwiesen hat. Indien hatte zum Beispiel viele Jahrhunderte lang die einzige Steuer. Man hielt dort den Boden als Gemeinbesitz und bearbeitete ihn unter Aufsicht des Dorfes. Die Folge davon ist, dass zwei Drittel der Bevölkerung Landwirtschaft betreiben, ein größerer Prozentsatz als wir ihn bei irgendeinem anderen Volk in der Welt finden. Erst in den letzten Jahren ist von den Engländern privater Bodenbesitz eingeführt worden, und auch dieses nur in gewissen Grenzen. Man kann wohl sagen, dass die Inder zufrieden sind und Behaglichkeit besitzen, dies aber gewiss nicht, weil sie reich und mit Luxusgegenständen versehen wären. Die modernen Maschinen bringen schnell Umwälzungen in ihre Verhältnisse und setzen ihre mageren Löhne noch weiter herab, und sie werden gezwungen, sich mit noch weniger zu begnügen oder zu verhungern. Wir haben schon angeführt, dass sie sich nur selten satt essen können, was uns von glaubwürdiger Seite bezeugt worden war.

Wenn wir zugeben, dass die einzige Steuer oder das Freiland sich nur vorüber gehend wirksam erweisen könnte, so ist dies auch alles, was wir uns davon versprechen könnten. Wenn die Selbstsucht in der einen Richtung in ihrer Wirksamkeit gehindert wird, so findet sie schnell eine andere. Nur „neue Herzen“, der „rechte Sinn“, kann der Menschheit helfen, und solches wird auch die Freiland-Theorie oder irgendeine andere nicht zustande bringen.

Nehmen wir einmal für einen Augenblick an, das Volk wäre im Besitz des Landes; es würde einer Kapitalistengruppe ein Leichtes sein, sich zu weigern, die Produkte der Landwirte zu einem anderen als dem von ihr bestimmten Preis zu kaufen und gleichzeitig die Preise der Artikel in die Höhe zu treiben, die den Landpächtern unentbehrlich wären.

Was könnte die einzige Steuer gegen den Geist der Selbstsucht vollbringen? Sie wäre machtlos!

Nehmen wir einmal an, die einzige Steuer würde morgen eingeführt; nehmen wir einmal an, bebaute Länder würden von aller Steuer befreit, jedes Bauerngut wäre versehen mit einem Haus, mit Pferd, Kuh, Pflug und anderen notwendigen Dingen. Nehmen wir an, dies bedeute die Verdoppelung der gegenwärtigen Ernte. Es würde ein Überfluss von Getreide und Gemüse hervorgebracht, von dem die Gesunden und Fleißigen essen könnten. Der große Rest würde aber so niedrig im Preis stehen, dass es sich nur unter besonders günstigen Umständen lohnen würde, ihn zum Markt zu führen. In dem letzten Jahr war dies schon der Fall, obgleich das Freilandsystem nicht eingeführt war. Kartoffeln und Kohl ließ man in Mengen verfaulen, da sich das Einernten nicht lohnte. Während des ersten Jahres wäre es möglich, dass die früheren Farmer aus den Städten auf das Land zurückströmen würden. Dadurch würde der Arbeitsmarkt in den Städten befreit werden, und die Löhne würden demzufolge bei denen steigen, die in den Städten zurückbleiben würden. Dies würde aber höchstens ein Jahr dauern. Wenn die Farmer zur Erkenntnis kämen, dass sie aus ihrem Korn und ihren Kartoffeln keine Kleider und Schuhe und andere Bedarfsartikel machen können, entweder direkt oder durch Austausch, so würden sie die Landwirtschaft wieder aufgeben und in die Städte zurückströmen, wo sie das zum Ankauf von Nahrung und Kleidung Nötige zu verdienen hoffen, und die Folge wäre das Fallen der Löhne.

Nein, das Freiland-System wäre ein Mittel, um das Verhungern zu verhindern, es ist auch ein richtiger Zustand angesichts der Tatsache, dass unser reicher Schöpfer den Boden Adam und seinem Geschlecht gab; es würde uns aus unseren gegenwärtigen Schwierigkeiten ziemlich heraushelfen, wenn die Welt jedes 50.zigste Jahr ein Jubeljahr der Wiederherstellung des Landes und der Tilgung der Schulden hätte, wie es bei den Juden der Fall war. Solche Dinge würden aber nur ein Linderungsmittel sein, wie es bei den Juden und auch bei den Indern war. Das einzige wirkliche Heilmittel wird das gegenbildliche Jubeljahr sein, welches durch den zukünftigen König der Erde, Immanuel, aufgerichtet werden wird.

 Andere Hoffnungen und Befürchtungen

Nach diesem kurzen Überblick der verschiedenen Vorschläge, von denen keiner zum Ziele führen kann, müssen wir uns mit jenen beschäftigen, welche in guter Treue glauben, die „Kirchen“ vermöchten, wenn sie über die Lage ganz aufgeklärt wären, die drohende Krisis aufzuhalten, die Gesellschaft gleichsam zu revolutionieren und auf besserer Grundlage neu aufzubauen. Sie könnten, meinen jene guten Leute, die Welt für Christum erobern, und selber ein Reich Gottes auf Erden aufrichten, darin Liebe und Treue gegen Gott und den Nächsten Gesetz wären. Einige halten sogar dafür, dass dieses, der Geist Christi in den „Kirchen“, dessen zweite Gegenwart wäre.

Das sind aber trügerische Hoffnungen. Jene sagen: „300 Millionen „Christen“, welch eine Macht!“ Wir sagen: „Welch eine Schwäche!“ Ja, wenn diese dreihundert Millionen lauter Heilige wären voller Nächstenliebe, dann könnten sie etwas ausrichten. Aber „Scheinweizen“ und „Spreu“ herrschen vor, und die „Weizen“-Klasse ist wenig zahlreich. Der große Hirte hat selber erklärt, dass seine Herde nur klein sei, ihrem Meister gleich ohne Ansehen und Einfluss, nur wenige Weise nach dem Fleische, nur wenige Mächtige, Vornehme zählend. (1. Kor. 1:26) „Höret, meine geliebten Brüder: Hat nicht Gott die Armen hinsichtlich der Welt auserwählt, reich zu sein im Glauben, und zu Erben des Reiches, welches er denen verheißen hat, die ihn lieben?“ - Jak. 2:5

Nein, nein! Der Geist Christi in den Gliedern der kleinen Herde genügt nicht, ihnen das Reich zugeben. Die Kirche hat jederzeit einzelne Glieder gehabt, welche diesen Geist hatten, wie es denn unser Herr erklärt hat, bevor er die Erde verließ, er werde mit uns sein bis an das Ende des Zeitalters. Aber er hat gleichzeitig verheißen, dass, wie er (persönlich) von der Erde schied am Ende des jüdischen Zeitalters, so werde er (persönlich) wiederkommen am Ende des gegenwärtigen Zeitalters. Er hat uns versichert, dass während seiner Abwesenheit alle, die ihm treu sein würden, Verfolgung leiden, dass seine Miterben am Reiche Gottes Gewalt leiden werden, bis er wiederkomme und sie zu sich nehme. Dann werde er ihre Treue im Leiden durch große Ehre, großen Ruhm und Unsterblichkeit, durch einen Anteil an seinem Reiche und seiner Macht, die Welt zu segnen mit der Herrschaft der Gerechtigkeit und Wahrheit, belohnen, und die Übeltäter, die gegen besseres Wissen Böses tun, aus der Mitte der Frommen ausrotten. Nach diesem seufzte, auf dieses harrte nicht allein die seufzende Schöpfung, sondern auch wir, die wir die Erstlingsfrüchte des Geistes haben (Röm. 8:23), wartend auf die Zeit und die Art der Aufrichtung des Reiches des Vaters. Die Schrift hat uns gezeigt, dass die Zeit dieser Segnungen nun herbeigekommen ist, dass sie eingeleitet wird durch eine schwere Drangsal (der Welt zur Strafe), der die Heiligen, die kleine Herde, entrinnen werden durch Verwandlung und Erhöhung zu Miterben des Königreiches.

Aber damit nicht etwa jemand sagen könnte, mit Geld und Bildung hätten die „Kirchen“ die Welt zu erobern vermocht, hat Gott ihnen beides reichlich verliehen. Diese Hilfsmittel haben gerade das Gegenteil bewirkt. Sie haben die „Kirchen“ hochmütig und abtrünnig gemacht. „Wenn der Sohn des Menschen kommt, wird er den Glauben finden auf Erden?“

Die einzige, die gute Hoffnung

„Erwartend die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christ.“ „Welche (Hoffnung) wir als einen sicheren und festen Anker der Seele haben.“ „Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern und hoffet völlig auf die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi.“ - Titus 2:13; Hebr. 6:19; 1. Petr. 1:13

Bei der Betrachtung der verwickelten Verhältnisse, die uns das Gesetz von Nachfrage und Angebot gebracht hat, bei denen die Menschheit in zwei Klassen, Arme und Reiche, zerfällt, waren wir bestrebt, nie hart zu urteilen, weil wir glauben, dass die gegenwärtigen Verhältnisse eine Folge der Selbstsucht sind, und diese uns von Adam überkommen ist, seien wir nun reich oder arm. Diese Selbstsucht ist einer kleinen Zahl (vorab Armer) gründlich verhasst, die Christum gefunden haben und unter seiner Leitung stehen und gern alle Selbstsucht aufgäben, aber es nicht können. Solange die Menschen so sind, wie jetzt, könnte selbst ein von ihnen erlassenes Gesetz, welches die Selbstsucht verhinderte, sich geltend zu machen, keinen Segen stiften, es würde die Menschen gleichgültig machen, und Barbarei träte bald an die Stelle der Kultur.

Darum ist die einzige Hoffnung für die Welt das Reich unseres Herrn Jesus Christus, das Tausendjährige Reich. Dieses Heilmittel hat Gott schon lange verheißen für die von ihm zuvor bestimmte Zeit, die nun vor der Tür ist. Wieder einmal wird die Verlegenheit des Menschen Gottes Gelegenheit sein. „Das Ersehnte aller Nationen wird kommen“, nachdem menschliche Intelligenz sich beim erfolglosen Suchen nach Erleichterung erschöpft haben wird. Es scheint die Methode Gottes zu sein, die Erfahrung zur Lehrmeisterin der Menschheit zu machen. So lehrte der Herr die Juden (direkt und alle Menschen indirekt) durch ihren Bund des Gesetzes, dass des Gesetzes Werke kein (gefallenes) Fleisch gerecht machen kann vor Gott. So verwies der Herr seine Jünger auf den neuen Bund der Gnade in Christo. - Haggai 2:8; Röm. 3:20

Die große Drangsal des „Tages der Vergeltung“, mit der das gegenwärtige Zeitalter abschließt und das Tausendjährige Reich beginnen muss, wird nicht allein eine gerechte Vergeltung für den mit Vorzügen getriebenen Missbrauch sein, sondern zugleich den Hochmut der Menschen demütigen, sie geistlich arm und fähig machen, die großen Segnungen zu empfangen, die er über alles Fleisch ausgießen wird. (Joel 2:28) Er verwundet also, um zu heilen.

Nun mögen einige, die den Plan Gottes nicht verstehen, vielleicht fragen: „Wie kann das Reich Gottes aufgerichtet werden, wenn alle diese menschlichen Methoden fehlschlagen? Was bringt denn die Bibel anderes in Vorschlag? Und wenn das Wort Gottes auf diese letztere Frage antwortet, warum können die Menschen nicht selber diese Methode anwenden und so die Drangsal vermeiden?“

Wir erwidern: Das Reich Gottes wird nicht aufgerichtet mittels Volksabstimmung oder durch Beschluss von Behörden. Zur rechten Zeit wird der, dem die Herrschaft gebührt, der sich den Anspruch darauf durch sein eigenes kostbares Blut erworben hat, das Reich an sich nehmen. Er wird seine große Gewalt und Herrschermacht an sich ziehen. Dabei wird Gewalt gebraucht werden; er wird sie (die Nationen) beherrschen nach eisernem Maßstab, und wie Töpfergefäße sollen sie in Stücke zerschmettert werden. (Offb. 2:27) Er wird „die Nationen versammeln und die Königreiche zusammenbringen, um seinen Grimm über sie auszugießen, denn durch das Feuer seines Eifers wird die ganze Erde verzehrt werden: und dann (nachdem sie gedemütigt und bereit sind, seinen Rat zu hören und zu beachten) wird er die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.“ - Zeph. 3:8, 9

Nicht bei seiner Aufrichtung allein, sondern während seiner ganzen tausendjährigen Dauer wird das Reich Gottes eine Macht sein, der die Menschen nicht widerstehen können. Denn sein Zweck ist gerade die Überwältigung der Feinde der Gerechtigkeit. „Er muss herrschen, bis er alle seine Feinde unter seine Füße gelegt hat.“ „Seine Feinde sollen Staub lecken.“ „Jede Seele, die irgend auf diesen Propheten (den verherrlichten Christus - das Gegenbild von Mose) nicht hören (ihm nicht gehorchen) wird, soll (wird) aus dem Volk ausgerottet werden“ - in dem zweiten Tod. - 1. Kor. 15:25; Psalm 72:9; Apg. 3:23

Der Satan wird während dieser Zeit gebunden sein, und seine Macht zu täuschen und zu verführen zurückgedämmt sein, so dass das Böse den Menschen nicht länger gut, und das Gute nicht länger unerwünscht, böse, erscheinen wird; die Wahrheit wird den Menschen nicht länger als Lüge und Irrtum nicht länger als Wahrheit erscheinen. - Offb. 20:2; Hebr. 8:11; Jeremia 31:34; Jes. 35:8

Aber nicht nur Gewalt und Macht wird dieses Reich sein; nein, es wird auch allen Bewohnern der Erde Gnade und Frieden bringen. „Denn wenn deine (Jehovas) Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises.“ (Jes. 26:9) Die von der Sünde geblendeten Augen sollen sehend werden. Die Welt wird Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in einem ganz anderen Lichte gewahren als jetzt, in siebenfachem Lichte. (Jes. 30:26; 29:18-20) Die äußeren Versuchungen, wie sie jetzt noch vorherrschen, werden fast ganz verschwinden. Böses wird nicht zugelassen noch erlaubt sein, sondern sichere Strafe wird die Übeltäter treffen, eine Strafe, zugemessen mit absolut sicherer Gerechtigkeit von den erhöhten, dazu bestellten Richtern jener Zeit, die mit den Schwachen Mitleid haben werden. - 1. Kor. 6:2; Psalm 96:13; Apg. 17:31

Die Richter werden nicht nur danach richten, was sie mit Ohren hören und mit Augen sehen, sondern nach strikter Gerechtigkeit. (Jes. 11:3) Fehlgriffe werden sie nicht tun; keine böse Tat wird ihrer Vergeltung entgehen; selbst die Versuche, Verbrechen zu begehen, werden unter solchen Umständen bald aufhören. Jedes Knie wird sich beugen (vor der alsdann herrschenden Macht), und jede Zunge wird bekennen (dass die Verfügungen dieser Macht gerecht sind). (Phil. 2:10,11) Dann wird, bei vielen wohl nur allmählich, die neue Ordnung der Dinge die Herzen und Gemüter der Menschen erweichen, und was zuerst erzwungener Gehorsam war, wird alsdann Gehorsam aus Liebe, aus Wertschätzung der Gerechtigkeit werden; und diejenigen, welche diesen Gehorsam nicht lernen, sondern fortfahren, nur dem Zwang zu gehorchen, werden zur bestimmten Zeit vom zweiten Tode dahingerafft. - Apg. 3:23; Offb. 20:7-9

Dem Gebot der Liebe wird auf diese Weise Achtung verschafft, nicht durch Zustimmung der Mehrheit, sondern gerade gegen den Willen der Mehrheit. Die Menschheit wird auf ihre republikanischen Ideen verzichten und tausend Jahre unter einer selbstherrlichen Regierung leben müssen. Eine solche müsste uns Furcht einflößen, wenn ihr Träger sündhaft oder der Aufgabe nicht gewachsen wäre; aber Gott verheißt uns ja, dass der Gewalthaber jenes Zeitalters der Fürst des Friedens sein wird, unser Herr Jesus Christus, dem die Wohlfahrt der Menschheit so am Herzen lag, dass er sein Leben hingab, damit er sie vom Tode zurückkaufen, aus ihrer Sündhaftigkeit herausheben und alle zu vollkommenen, Gott wohlgefälligen Wesen machen könne - alle, welche seine Gnade durch Unterwerfung unter den Neuen Bund annehmen.

Gleich zu Beginn des tausendjährigen Reiches wird es allen klar werden, dass dieser Gang der Dinge, den Gott bestimmt hat, die einzige Methode ist, durch welche die sündenkranke, selbstsüchtige Welt geheilt werden kann. Ja, jetzt schon sehen viele ein, dass die Welt einer gleichzeitig starken und gerechten Regierung bedarf, dass die einzigen Menschen, denen man ohne Gefahr volle Freiheit verleihen darf, die wahrhaft Bekehrten sind, die einen erneuerten Willen, ein neues Herz, den Geist Christi haben.

Was hat ein Kind Gottes zu tun?

Nun möchten wohl einige fragen, was wir aber, die wir diese Dinge in ihrem wahren Licht sehen, tun sollen? Sollen wir, falls wir brachliegendes Land besitzen, dasselbe weggeben oder sonst fahren lassen? Nein! Das würde nichts Gutes stiften, es sei denn, man schenke es einem armen Nachbarn, der es gerade gebrauchen könnte, und auch dann muss man gewärtigen, dass, wenn er es nicht zu seinem Nutzen verwendet hätte, er die Schuld für seinen Misserfolg auf den Geber des Landes werfen würde.

Sollen wir als Farmer oder Kaufleute unser Geschäft nach den Grundsätzen führen, welche im tausendjährigen Reich gelten werden? Nein, das würde uns nur finanziellen Ruin bringen, der unsere Gläubiger schädigen, unsere Angehörigen in Not bringen und unsere Angestellten brotlos machen würde.

Wir sind der Meinung, dass alles, was gegenwärtig in dieser Richtung getan werden kann, darin besteht, unsere Mäßigung jedermann sehen zu lassen, niemanden zu bedrücken, angemessene Löhne oder Gewinnanteile auszuzahlen, Unredlichkeit in jeder Form zu vermeiden, „vorsorglich (zu sein) für das, was ehrbar ist vor allen Menschen“, ein Beispiel von Gottseligkeit verbunden mit Genügsamkeit zu geben, durch Wort und Beispiel vor jeder Gewalttätigkeit oder Unzufriedenheit zu warnen, und die Mühseligen und Beladenen zu Christo und seinem Wort der Gnade zu führen - durch Glauben und volle Weihung. Wer durch Gottes Güte Verwalter von mehr oder weniger Reichtum ist, hüte sich davor, aus diesem Besitz einen Götzen zu machen, auch gehe sein Bestreben nicht in erster Linie darauf aus, ihn zu vermehren für seine Erben, sondern er verwende ihn im Dienste Gottes und unter seiner Leitung, eingedenk dessen, dass er ihn nicht für alle Zeit behalten kann und kein Recht hat, ihn für sich allein zu gebrauchen, sondern dass Gott ihm denselben anvertraut hat, damit er ihn freudig gebrauche in seinem Dienst, zur Ehre unseres himmlischen Königs.

Wir haben überdies diese Frage schon einmal im „Wachtturm“ besprochen, anlässlich einer an uns ergangenen brieflichen Anfrage. Wir geben im Folgenden Frage und Antwort hier wieder.

In der Welt, aber nicht von der Welt

„Lieber Bruder! - In unserer Zusammenkunft vom letzten Sonntag besprachen wir Röm. 12:1 und kamen dabei auf die Frage zu sprechen, wie dem Herrn Geweihte ihre Zeit verwenden sollen. Ich habe einen Spezereihandel und muss, wie die Dinge im Handel gegenwärtig liegen, beständig über mein Geschäft wachen. Ist es nun meinerseits recht, solche Anstrengungen zu machen, um mir eine Kundschaft zu bilden und zu erhalten? Ich versende jede Woche Preislisten und offeriere dabei manchmal einige Artikel unter ihrem Preis und lasse auch in abträglicheren Artikeln manches mitlaufen, nicht weil ich persönlich daran Freude habe, sondern weil meine Konkurrenten ebenso handeln und ich, da ich nicht reich bin, mein Geschäft in Gang erhalten muss, um meinen Lebensunterhalt zu finden. Ich muss dies tun, wiewohl es die Schwächeren unter meinen Konkurrenten schädigt. Ich weiß, dass sich unter denselben Witwen befinden, die mit einem kleinen Spezereihandel ihr ehrliches Auskommen zu finden trachten; um gegen dieselben mitzutun, muss ich alle meine besseren Gefühle in den Wind schlagen. Das ist ein betrübendes Eingeständnis für jemand, der mit dem Herrn an der Erlösung der Menschheit aus dem Joch der Selbstsucht arbeiten möchte, an jener Erlösung, die in einer so nahe bevorstehenden Zeit fällig ist. Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie meine Handlungsweise rechtfertigen, aber Ihre Ansicht möchte ich kennen hinsichtlich der Pflichten und des Verhaltens von wahren Kindern Gottes, die Geschäftsleute und in der Lage großer Fische sind, die kleinere auffressen.

Ihr in Christo verbundener...

Antwort: Die Lage, von der Sie sprechen, ist diejenige des Geschäfts überhaupt, und wird es immer mehr in der ganzen Welt. Sie ist ein Teil der Drangsal unserer Zeit. Die Regierung der Maschinentätigkeit und die Zunahme der Bevölkerung drückt die Löhne und macht die Arbeitsgelegenheiten unsicher. Immer mehr Menschen treiben daher Handel, und Konkurrenz und kleiner Profit sind zwar ein Vorteil für die Armen, bringen aber den kleinen Geschäftsmann um sein Auskommen, der teurer verkaufen muss, um zu bestehen. Darum verschwinden auch die kleinen Geschäfte und Fabriken immer mehr und machen den großen Platz, die schneller, besser und billiger bedienen können. Das ist für die Großzahl der Menschen eine Erleichterung, wenn auch dabei mancher geistig, körperlich oder finanziell Schwächere zu Schaden kommt, weil er sich den Verhältnissen nicht anpassen kann. Diese Schwächeren sollten sich der Erleichterung freuen, die der Allgemeinheit erwächst, auch wenn es sie selbst schädigt. Sie sollten mit den Fröhlichen fröhlich sein und geduldig auf das Reich Gottes warten, welches die Segnungen Gottes allen, nicht nur einer Großzahl zuteil werden lassen wird. So selbstlos können es freilich nur die ansehen, die die „neue Natur“ haben. Die gegenwärtigen Konkurrenzverhältnisse sind daher nicht nur ein Übel, sondern gleichzeitig eine Belehrung der Welt, dazu bestimmt, diese vorzubereiten auf das tausendjährige Reich, in welchem die Geschäfte der Welt im Interesse nicht des Einzelnen, sondern der Gesamtheit besorgt werden.

Zuweilen freilich wird der selbstische Konkurrenzkampf edlen, hochherzigen Menschen, seien sie nun Christen oder nicht, sehr beschwerlich und widerlich. Es freut uns, dass Sie zu diesen gehören. Unserer Ansicht nach sollten Sie daher zunächst sich nach einer weniger von Konkurrenz belasteten Branche umsehen. Können Sie aber einen Wechsel nicht vollziehen, so harren Sie aus und suchen nach besten Kräften die widerstreitenden Interessen Ihrer Kunden, Ihrer Konkurrenten und Ihrer selbst zu vereinigen. Wirft Ihr Geschäft genügend ab, so suchen Sie es auf der Höhe zu halten, aber führen Sie es nicht mit der Absicht, reich zu werden, „denn die da reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick.“ (1. Tim. 6:9) Vermeiden Sie den Konkurrenten gegenüber alle unredlichen Mittel und den Neid, den Kunden gegenüber jede unberechtigte Anpreisung einer Ware. Gerechtigkeit und Redlichkeit muss um jeden Preis festgehalten werden, dazu üben Sie soviel Mäßigung, wie die Nächstenliebe verlangt und die Umstände gestatten.

Wir vergessen keineswegs das Gebot: „Du sollst nicht der Menge folgen, die Böses tut“ (2. Mose 23:2), und raten keineswegs zu irgendwelchem Kompromiss mit dem Unrecht. Wir verstehen Ihre Frage nicht so, ob Sie Unrecht tun dürfen, sondern ob die Liebe Ihnen gestattet, alles zu tun, wogegen Gerechtigkeit und Brauch nichts einzuwenden haben. Weltliche Herzen haben solche Kümmernisse nicht; es ist Ihre neue Natur, deren Gesetz die Liebe ist, der Ihres Konkurrenten Wohlergehen lieber sähe als seine Not, und die allen Menschen bei jeder Gelegenheit Gutes tun möchte, besonders den Hausgenossen des Glaubens. Pflegen Sie diese neue Natur, indem Sie dem Gebot der Liebe gehorchen, wo es nur irgend angeht. „Wenn möglich, soviel an euch ist, lebet mit allen Menschen in Frieden“, indem euer Verkehr mit ihnen durch Gerechtigkeitssinn und Nächstenliebe geregelt wird. Wessen Herz voll Liebe ist, der plant nichts Böses gegen seinen Konkurrenten, sucht nicht seine eigene Wohlfahrt allein und freut sich nicht am Misserfolg seines Konkurrenten.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass die ganze Welt auf der Grundlage der Selbstsucht handelt und wandelt, mit der die Liebe unvereinbar ist. Einige bleiben dabei doch wenigstens innerhalb der von der Gerechtigkeit gezogenen Grenzen, andere gehen über diese hinweg und schrecken vor Unrecht und Unredlichkeit nicht zurück. Die „Neue Schöpfung“ darf nie unter die Richtlinie der Redlichkeit und Gerechtigkeit herab gehen und muss stets bestrebt sein, die der Nächstenliebe zu erreichen. Die Konkurrenzverhältnisse sind schuld an dem Konflikt der Interessen der Käufer einer- und der Verkäufer andererseits. Darum kann keine Macht etwas ändern als das verheißene tausendjährige Reich, welches dem Gebot der Nächstenliebe Achtung verschaffen und alle diejenigen von den Fesseln und Verlockungen der Selbstsucht frei machen wird, welche, nachdem sie die bessere Methode kennen gelernt haben die Hilfe annehmen werden, die in Bereitschaft sein wird.

*  *  *

Nachdem wir an Hand des Vorhergehenden erkannt haben, dass unter der gegenwärtigen gesellschaftlichen Ordnung entweder die ungeheure Mehrzahl der Menschen in sklavische Abhängigkeit von Reichtum und höherer Intelligenz herabsinken, oder aber die Anarchie diesen gesellschaftlichen Zuständen durch Zerstörung ein Ende machen muss; nachdem wir erkannten, dass die Schrift dieses Letztere vorausgesagt, was eine fürchterliche Vergeltung für alle und eine eindringliche Belehrung in der Richtung sein wird, dass Selbstsucht eine Torheit, Liebe aber göttliche Weisheit ist, wollen wir an die Betrachtung der Schriftstellen gehen, welche uns über den Fall „Babylons“, der „Namenchristenheit“, in der großen Drangsal, mit der das gegenwärtige Zeitalter abschließen muss, Auskunft geben. Wir haben gesehen, wie die Namenchristenheit es unterlassen hat, den Geist der Lehre Christi anzunehmen; wir haben gesehen, wie die aus der Erweiterung der Kenntnisse ge­schöpfte Freiheit vom Geist des Bösen, von der Selbstsucht, beseelt ist. Wir sehen an den vorausgeworfenen Schatten die schreckliche Katastrophe heraufziehen.

Wir sehen in der Zulassung derselben ein gerechtes Gericht, gegründet auf dem göttlichen Gesetz der Vergeltung. So sehr wir daher die damit verbundenen Schrecknisse bedauern, rufen wir doch, wissend, dass Gottes Gnadenabsichten durch diese Schrecknisse ausführbar werden, aus: „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger! gerecht und wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen.“ - Offb. 15:3

 

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