Studies in the Scriptures

Tabernacle Shadows

 The PhotoDrama of Creation

 

 

SCHRIFTSTUDIEN 

BAND 4 - DER KRIEG VON HARMAGEDON

 

 Studie 6

Die kirchliche Verwirrung Babylons vor dem höchsten Gerichtshof.

Die wahre Kirche, dem Herrn bekannt, hat keinen Teil an den Gerichten Babylons.Die religiöse Situation der Christenheit bietet der politischen Lage gegenüber keinen hoffnungsvollen Unterschied.Die große Verwirrung.Die Verantwortlichkeit, die Verteidigung zu führen, liegt der Geistlichkeit ob.Der Geist der großen Reformation tot.Priester und Volk in derselben Lage.Erhobene Anklagen.Die Verteidigung.Ein „Bund“ vorgeschlagen.Das erstrebte Ziel.Angewandte Mittel.Der allgemeine Geist des Kompromisses.Das Gericht, das über die religiösen Institutionen ergeht. 

„Er spricht zu ihm: Aus deinem Mund werde ich dich richten, du böser Knecht.“ - Luk. 19:22

Wenn wir in diesem Kapitel das Gericht über die „Kirche“, das heißt die große Namenkirche betrachten, so dürfen wir dabei nicht außer acht lassen, dass es außerdem eine wahre Kirche Christi gibt, auserwählt und köstlich, die Gott geweiht ist und an seine Wahrheit glaubt inmitten eines bösartigen und verkehrten Geschlechtes. Die Welt kennt dieselbe als Korporation nicht, die einzelnen aber, die ihr angehören, kennt der Herr, der nicht nach dem Urteil, was vor Augen ist oder vom Ohr vernommen wird, sondern Gedanken und Absichten des Herzens sieht und beurteilt. So sehr sie auch zerstreut leben mögen, sei es ganz allein, sei es mit anderen mitten im Scheinweizen, Gottes Auge findet sie stets. Sie wohnen unter dem Schirm des Höchsten (sind geheiligt und gänzlich Gott geweiht) und weilen im Schatten des Allmächtigen, während die Gerichte des Herrn über alle Namenkirchen gehen, die sich mit Unrecht „christliche“ nennen. (Psalm 91:1,14-16) Sie haben keinen Anteil an dem Gericht, das Babylon trifft, sondern werden zuvor erleuchtet und von ihr abgetrennt. (Offb. 18:4) Von dieser Klasse handeln die Psalmen 91 und 46, und für ihre Segnung und Erquickung sind sie geschrieben. Mitten aus der Schar der formellen und unaufrichtigen Bekenner findet des Herrn wachsames Auge seine wahren Jünger heraus, führt sie auf grüne Auen und zu frischen Wassern und erquickt ihre Herzen durch seine Wahrheit und seine Liebe. Der Herr kennt sie als die Seinen (2. Tim. 2:19), sie sind in seinen Augen die wahre Kirche, das Zion, das sich der Herr selbst auserwählt (Psalm 132:13-16), und von dem geschrieben steht: „Zion hört es und freut sich, die Töchter Judas frohlocken wegen deiner Gerichte, O Herr!“ (Psalm 97:8) Der Herr wird sie sicher führen wie ein Hirte seine Herde. Von dieser Kirche unterscheidet sich die Namenkirche, welche allein der Welt bekannt ist, und von welcher die Propheten unter verschiedenen symbolischen Namen sagen, sie sei von der Gnade abgefallen und werde in der Zeit der Ernte des Evangeliums-Zeitalters ins Gericht kommen.

Wie die bürgerliche Gewalt in der Namenchristenheit in Verlegenheit und die Völker dem Verzweifeln nahe sind, so erscheinen auch die religiösen Verhältnisse keineswegs mehr als friedlicher und sicherer Zufluchtsort: denn das Kirchentum von heutzutage ist in seinem eigenen Netze gefangen. Die große Namenkirche, das Kirchenchristentum, hat der Welt Wind säen helfen und wird daher mit ihr Sturm ernten. Die große Namenkirche hat lange genug Menschensatzungen zu ihrer Lehre gemacht, und das Wort Gottes als einzige Richtschnur für den Glauben und gottgefälligen Wandel zum großen Teil nicht mehr anerkennend, keck untereinander unvereinbare und Gott missfallende Lehren verbreitet und selbst den Rest Wahrheit, der ihr verblieb, treulos verwaltet. Sie hat Christi Geist nicht gepflegt noch gezeigt, sondern frank und frei sich vom Weltgeist durchdringen lassen. Sie hat die Umzäunung der Schafhürden niedergerissen, die Böcke zum Eindringen aufgefordert und selbst die Wölfe ermutigt, einzudringen und ihr böses Werk zu vollbringen. Sie hat es gern gesehen, dass der Teufel Scheinweizen unter den Weizen streute, und freut sich heute über die Frucht dieser Saat, das blühende Scheinweizenfeld. Aus den wenigen noch übrigen Weizenähren macht sie sich nichts, und jedenfalls ist ihr nicht daran gelegen, dass der Scheinweizen den Weizen nicht hindere. Der Weizen gilt nichts mehr auf dem „christlichen“ Markt, und das demütige, gläubige Kind Gottes wird, wie sein Herr, von der Welt verachtet und verschmäht und selbst im Hause derer, die es als Freunde anzusehen bereit war, verletzt. Der Schein der Gottseligkeit ist an die Stelle des Wesens derselben, und prunkvoller Gottesdienst an die Stelle der Anbetung im Geist getreten.

Lange Zeit schon lösen einander widersprechende Lehren die Kirche in zahlreiche einander bekämpfende Richtungen und Sekten auf, deren jede den Anspruch erhebt, die wahre, vom Herrn und den Aposteln gegründete Kirche zu sein, und ihr Streit hat der Welt so verkehrte Begriffe von den Eigenschaften und den Absichten unseres himmlischen Vaters gegeben, dass viele vernünftige Leute sich mit Ekel abwenden, ihren Schöpfer verachten oder gar seine Existenz zu leugnen suchen. Die römische Kirche, die das Dogma der Unfehlbarkeit angenommen hat, erklärt es als Absicht Gottes, alle Andersgläubigen im Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, in alle Ewigkeit zu quälen. Für andere kennt sie eine zeitlich beschränkte Qual, das sogenannte Fegfeuer, von dem sie die Seele loslösen kann, gestützt auf Bußübungen, Gebete, Fasten, Wachskerzen, Weihrauch und gutbezahlte Seelenmessen. Sie leugnet mithin die Wirksamkeit von Christi Sühn- und Opfertod und übergibt die Verfügung über die ewige Bestimmung des Menschen spekulativen Priestern, welche den Himmel nach Belieben für einen Mitmenschen auf- oder zuschließen können. Sie begnügt sich mit der Form der Gottseligkeit und lehnt deren belebende Kraft ab; sie fördert den Bilderkultus, statt in den Herzen ein erhabenes Bild des unsichtbaren Gottes und seines lieben Sohnes, unseres Herrn und Heilandes aufzurichten. Sie überträgt einer menschlich organisierten Priesterschaft die Führung in der Kirche und setzt sich damit in direkten Widerspruch zu Matth. 23:8, 9: „Ihr sollte euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister, Christus, ihr alle aber seid Brüder. Und ihr sollt niemand Vater heißen auf Erden; denn einer ist euer Vater: der im Himmel ist.“ In Wahrheit, das Papsttum ist die vollendetste Nachbildung der wahren Christenheit und verlangt dabei keck, als wahre Kirche zu gelten. (siehe Band 2, Kapitel 9 und Band 3, Kapitel 3) Die Reformation warf einige der Irrlehren des Papsttums um und führte viele aus dem Schoß der römischen Kirche weg. Die Reformatoren machten auf das Wort Gottes aufmerksam und legten das Recht des einzelnen dar, es zu lesen und auszulegen, und erkannten damit notwendigerweise die Berechtigung eines jeden Kindes Gottes an, auch ohne Ermächtigung der Bischöfe und Päpste zu predigen, welche ohne jedes Recht als Nachfolger der zwölf Apostel gelten wollen und deren Autorität beanspruchen. Aber schon bald darauf durchseuchte der Geist dieser Welt das gute Werk des Protestes gegen die ungerechte, antichristliche römische Kirche, indem die Protestanten neue Kirchen gründeten, welche neben den Wahrheiten, zu denen sie leiteten, auch viele alte Irrlehren weiter überlieferten und neue hinzufügten. Indes behielt jede ein Körnchen Wahrheit. Das Resultat war eine Mischung von widerspruchsvollen Glaubensbekenntnissen, die ebenso untereinander wie mit der Vernunft und dem Worte Gottes unvereinbar waren. Sobald der Forschungseifer der Reformationszeit erkaltete, bemächtigte sich dieser protestantischen Kirchen eine Verknöcherung, und in diesem Zustand sind sie geblieben bis auf den heutigen Tag. Die systematische Theologie, wie sie das nennen, dieses Gebäude von Irrlehren, ist mit Aufwand von viel Zeit und Gelehrsamkeit aufgebaut worden. Die Gelehrten haben dicke Bände darüber geschrieben und deren Studium statt desjenigen des Wortes Gottes empfohlen. Daher sind Predigerschulen gegründet und reich ausgestattet worden, von denen junge Männer, nachdem sie die Irrlehren in sich aufgenommen hatten, ausgingen, dieselben auch den Völkern beizubringen; diese waren gewohnt, sie als berufene Diener am Worte Gottes, als Nachfolger der Apostel zu betrachten, und nahmen ihr Wort an, ohne wie die Leute in Beröa (Apg. 17:11) in den Tagen des Apostel Paulus, in der Schrift nachzuforschen, ob sich das alles so verhielte.

Jetzt aber ist die Ernte dieser Aussaat gekommen, der Tag der Rechenschaft vorhanden, und beschämt und verwirrt steht die ganze Namenkirche, welche Namen sie auch führen möge, und besonders die Geistlichkeit da, die an diesem Tage des Gerichts in Gegenwart vieler Ankläger und Zeugen sich und die Namenkirche zu verteidigen hat, und von der man erwartet, dass sie womöglich ein Mittel finde, das, was sie die wahre Kirche nennt, vor gänzlicher Vernichtung zu bewahren. Bei ihrer gegenwärtigen Verwirrung freilich und beseelt von dem durch den Selbsterhaltungstrieb erzeugten Bestreben sich zusammenzuschließen, haben sie aufgehört, ihre spezielle Richtung als die allein wahre Kirche zu betrachten, und reden nun von verschiedenen Zweigen der einen Kirche, trotz der sich widersprechenden Lehren, die nicht alle gleichzeitig wahr sein können. In dieser schweren Stunde vermisst man mit Schmerzen den heilsamen Geist der „großen Reformation“. Der Protestantismus ist kein Protest mehr gegen den Geist des Antichristen, gegen Welt, Fleisch und Teufel; seine dem Worte Gottes, der Vernunft und unter sich selbst widerstreitenden Lehren sucht er vor öffentlicher Untersuchung zu schützen. Seine dickleibigen theologischen Werke verzehrt das Feuer des über die Namenchristenheit ergehenden Gerichtes. Seine hervorragendsten theologischen Fakultäten sind Treibhäuser des Unglaubens und verbreiten diesen überall wie eine Seuche. Seine „großen Männer“, seine Bischöfe, seine Doktoren und Professoren der Theologie, seine bedeutendsten und einflussreichsten Geistlichen in den großen Städten führen die anvertrauten Herden zu einem verkappten Unglauben. Sie suchen die Autorität und Inspiration der Heiligen Schrift zu untergraben und zu zerstören, den darin geoffenbarten Heilsplan durch die menschliche Evolutionstheorie zu ersetzen. Sie suchen sich der Kirche Roms zu nähern und sie nachzuahmen, sie buhlen um ihre Gunst, preisen ihre Gebräuche, schließen die Augen vor ihren Untaten und werden dadurch ihre Verbündeten im Geiste. Sie stellen sich auch immer mehr in allem der Welt gleich, indem sie deren Gepränge, das sie zu verschmähen behaupten, mehr und mehr nachahmen. Man denke nur an die luxuriösen Kirchenbauten, an die Ausstattung der „Gotteshäuser“, die daraus sich ergebende schwere Verschuldung und das beständige Kollektieren, um dieser zu entrinnen. In der Methodistenkirche in der Lindell Avenue in New York zum Beispiel ist ein Basrelief von 46 Fuß Breite und 50 Fuß Höhe angebracht worden, welches die Erhebung der heiligen Jungfrau auf den Thron darstellt. Die Figuren sind alle lebensgroß. Zu oberst im Spitzbogen steht Maria aufrecht, das Jesuskind im Arm, links und rechts verkünden Seraphim mit der Posaune ihre Erhebung auf den Thron, und Scharen von Engeln mit ausgestreckten Flügeln beten sie an. Unten steht zu beiden Seiten ein Engel, eine Buchrolle tragend, auf der links geschrieben steht: „Friede auf Erden!“, und rechts: „An den Menschen ein Wohlgefallen!“ Wie ist da nicht nur das Gepränge, sondern selbst der Bilderdienst der römischen Kirche eingedrungen! Dazu kommt, dass in einzelnen Kirchen Billardsäle reserviert worden sind, dass einzelne Pfarrer den Ausschank leichter Weine in der Kirche empfohlen, die Abhaltung theatralischer Aufführungen oder gesellschaftlicher Spiele in den Kirchen gestattet haben. In vielen dieser Dinge sind die Kirchengenossen willige Werkzeuge der Geistlichkeit geworden, und diese hat sich als Gegenleistung offen und frei dem Geschmack und den Wünschen weltlicher und einflussreicher Kirchengenossen angepasst. Die Leute haben auf ihr Recht, selber zu urteilen, verzichtet und ihre Pflichten vernachlässigt; sie haben aufgehört, in der Schrift die Wahrheit zu suchen und über Gottes Gebot nachzudenken, um zu finden, was Rechtschaffenheit ist. Sie sind gleichgültig, weltlich, lieben das Vergnügen mehr denn Gott; sie sind vom Gott dieser Welt geblendet und stets bereit, Lehren anzunehmen, welche sie in ihrer Weltlust und ihrem Ehrgeiz nicht hindern, und die Geistlichkeit züchtet diesen Geist und passt sich ihm an, da sie dabei ihren momentanen Vorteil findet. Denn sollten diese „Kirchen“ untergehen, so wäre es um die Ämter und Würden und Gehälter der sich selbst erhöhenden Geistlichen geschehen. Sie sind daher jetzt ebenso besorgt um den Fortbestand der Namenchristenheit, als es die Pharisäer und Schriftgelehrten und Gesetzesausleger zur Zeit Jesu um die Erhaltung der jüdischen Religion waren, und zwar ganz aus denselben Gründen. (Joh. 11:47, 48, 53; Apg. 4:15-18) Wegen ihrer Vorurteile und ihres weltlichen Ehrgeizes sind die Namenchristen dem Lichte der neuen jetzt aufgehenden Wahrheit gegenüber ebenso blind, wie die Juden zur Zeit der ersten Gegenwart unseres Herrn es dem Lichte der damals aufgehenden Wahrheit des Evangeliums gegenüber waren.

Die schwersten Anklagen gegen die Namenkirche sind die Gefühle der erwachenden Welt und der erwachenden Christen, mögen dieselben in oder außerhalb der „christlichen“ Welt leben. Plötzlich, namentlich seit dem Jahre 1890, ist die Kirche der Bekenner der Kritik stark ausgesetzt, und mit Forscherblicken schaut die ganze Welt auf sie. Diese Kritik kann von niemand überhört werden, sie liegt geradezu in der Luft; man vernimmt sie im Privatgespräch, auf der Straße, auf der Eisenbahn, in den Werkstätten und Kaufläden; sie flutet durch die Tagespresse und ist beständig ein Gegenstand der Besprechung in den leitenden Blättern weltlichen oder religiösen Charakters. Die leitenden Männer in der Kirche sehen wohl ein, dass diese Kritik für sie und ihre Einrichtungen nichts Gutes bedeuten kann, dass man ihr schnell und weise (wie sie das verstehen) begegnen müsse, wenn man ihre Kirchen vor dem Zusammenbruch, der ihnen droht, bewahren wolle.

Die erste Anklage, welche gegen die Namenkirche erhoben wird, ist die, dass sie inkonsequent sei. Selbst die Welt sieht den himmelweiten Unterschied, der zwischen der Bibel, der angegebenen Richtschnur für die Lehren der Namenkirche, und den Glaubenssätzen dieser letzteren besteht, die einander widersprechen und in mancher Hinsicht durchaus verwerflich sind. Die gotteslästerliche Lehre von der ewigen Qual wird mit Hohn zurückgewiesen und vermag nicht mehr wie ehedem durch das Mittel der Furcht die Menschen der Kirche zuzutreiben. Vor gar nicht langer Zeit erging über die Presbyterianerkirche und andere kalvinistische Religionsgemeinschaften und ihre überlieferten Glaubensartikel ein Sturm der Kritik, der sie aufs schwerste erschütterte. Jedermann erinnert sich der langen Verhandlungen und der verzweifelten Anstrengungen, die die Geistlichkeit machte, ihre Lehre zu verfechten. Dies ist eine schwere, schwere Aufgabe, und die Geistlichen wären sie gern los, aber sie kommen daran nicht vorbei, sondern müssen sich ihrer nach besten Kräften entledigen. Was sie dabei im allgemeinen empfinden, zeigt ein Ausspruch von Rev. de Witt Talmage, welcher bei der Diskussion dieser Frage einmal sagte:

Ich wollte, dieser Streit über das Glaubensbekenntnis wäre nie heraufbeschworen und der Kirche aufgedrängt worden; so aber, wie die Dinge nun liegen, sage ich: Fort mit dem Streitgegenstand und einen neuen Glauben her!“ Bei anderer Gelegenheit sagte derselbe Geistliche: „Ich erkläre ein für allemal all diesen Streit in der ganzen Christenheit als Teufelswerk. Es ist ein Versuch des Teufels, die Kirche zu sprengen, und wenn ihm nicht gewehrt wird, so wird die Bibel schließlich so verachtet werden wie ein alter Kalender, der über das Wetter längst vergangener Tage und den besten Moment, Rüben zu pflanzen, Auskunft gibt. Welche Stellung sollen wir in diesen Streitereien einnehmen? Beiseite stehen! Derweil diese religiösen Meutereien draußen tosen, zu Hause bleiben und seine Geschäfte verrichten! Kann man von einem 5-6 Fuß großen Menschen erwarten, dass er durch einen Ozean von 1.000 Fuß Tiefe wate? Die jungen Leute, die jetzt ins Amt treten, geraten in den dicksten Nebel, der je eine Küste bedeckt. Die Fragen, über die sich die Gelehrten jetzt herumstreiten, werden erst nach dem Tag des Gerichts gelöst werden.“

Mit dieser Äußerung trifft de Witt Talmage den Nagel auf den Kopf. Ja der Tag nach dem Tage des Gerichts wird alle diese verwirrenden Fragen lösen und Wahrheit und Gerechtigkeit auf Erden zur Herrschaft bringen!

Die Schwierigkeit der Aufgabe der Geistlichkeit in diesen Streitfragen und die Furcht vor dem schließlichen Ausgang fand einen nicht minder deutlichen Ausdruck in einer Resolution, welche eine Versammlung von Presbyterianern in Chicago fasste:

Wir sehen mit Bekümmernis die Streitfragen, welche jetzt unsere liebe Kirche entzweien, ihren Ruf, ihren Einfluss und ihren Nutzen schwer schädigen und beeinträchtigen und geeignet sind, mit der Zeit nicht nur das Werk unserer eigenen Kirche, sondern unsere ganze Christenheit zu vernichten. Wir möchten daher hiermit unsere Brüder aufs dringendste ersuchen, dass sie einerseits bei der Prüfung neuer Glaubenssätze nicht voreilig ihren Einfluss im Sinne der Unterdrückung ehrlichen und ehrerbietigen Forschens nach Wahrheit geltend machen, dass sie aber andererseits sich selbst der Weiterverbreitung noch unbewährter Lehren enthalten möchten. Namentlich sind Fragen zweifelhaften Wertes, besonders wenn sie geeignet sind, den Glauben der Ungebildeten an die Heilige Schrift zu erschüttern, beiseite zu lassen. Waffenruhe und Feuereinstellen ist es, was unsere Kirche jetzt am meisten bedarf, und was ihre Interessen und ihr Werk am besten fördert.“

In einem Bericht über die erwähnte Versammlung bemerkte das „Presbyterianer Banner“:

In einem Kranken- oder Irrenhause mag eine Störung, ein Alarm dem einen oder anderen einen tödlichen Schreck verursachen. In einer Anstalt dieser Art leistete sich eine Zeitlang ein älterer Mann das Vergnügen, die aufgehende Sonne täglich mit Trommelwirbel zu begrüßen. Schließlich ward er ersucht, sein Instrument nur in einiger Entfernung der Anstalt zu schlagen. Dies zeigt so recht, warum ernsthafte Pastoren böse werden, wenn ihre Kirche gestört wird. Die Kirche ist gleich einem Spital, in dem sündenkranke Menschen untergebracht sind, die, bildlich gesprochen, fieberleidend, aussätzig, lahm, schwer verwundet und halbtot sind. Eine Störung, wie sie in den gegenwärtigen Streitereien ob den von einigen Predigerschulen ausgehenden Lehren liegt, mag einige Seelen vernichten, die jetzt schon eine Krisis durchmachen müssen. Wird Prof. Briggs nun wohl leise auftreten und seine Trommel weglegen?“

Die zweite Anklage liegt im Mangel an Frömmigkeit und Gottseligkeit. Die Namenkirche erhebt zwar Anspruch auf diese Eigenschaften, aber nur wenige wahrhaft fromme Seelen finden sich in ihrem Schoße. Scheinwesen und Heuchelei herrschen vor; Hochmut und Geldstolz lassen deutlich merken, dass der Arme in den Gotteshäusern nicht willkommen ist. Die Massen haben das gefühlt und in ihre Bibel geschaut, um zu suchen, ob das wohl der Geist des großen Gründers der Kirche sei. Dann fanden sie, dass einer der Beweise für seine göttliche Sendung gerade der Umstand war, dass den Armen das Evangelium gepredigt werde, und dass er zu seinen Jüngern sagte: „Arme habt ihr allezeit bei euch“, sowie, dass seine Jünger keinerlei Bevorzugung für die Leute mit Fingerringen, schönen Kleidern usw. zeigen sollten. Sie haben die goldene Regel gefunden und das Benehmen der Kirche als ganzes und das ihrer Glieder persönlich danach geprüft. Im Lichte der Bibel mussten sie es sofort herausfinden, dass die Kirche von der Gnade gefallen sei. Dieser Schluss drängt sich so mächtig auf, dass selbst die Verteidiger der Kirche beschämt dastehen.

Die dritte Anklage besteht im Hinweis darauf, dass die „Kirche“ das, was sie als ihre Aufgabe bezeichnet, die Gewinnung der Welt für Christum, nicht zu vollbringen vermocht hat. Es ist rein unerfindlich, wie die Welt entdeckt haben sollte, dass das (angebliche) Werk der Kirche demnächst seiner Vollendung um einen großen Schritt näher gebracht werde, und dennoch geht heute, am Ende des Evangeliums-Zeitalters diese Erwartung durch die Welt, genau wie man am Ende des jüdischen Zeitalters großen Änderungen entgegensah. (Luk. 3:15) Die Menschen merken, dass wir in einer Übergangszeit leben, und der Anbruch des 20. Jahrhunderts gilt vielfach als der Moment großer, revolutionärer Änderungen. Dieser Unruhe gab Prof. Henry Grady in einer Ansprache, die er vor den Hochschulgesellschaften in Charlottesville hielt, kräftigen Ausdruck:

Wir stehen“, sagte er, „gegenwärtig im Tagesanbruch. Die Fixsterne schwinden allmählich am Firmament. Ungewisses Zwielicht umfließt uns. Seltsame Bilder haben wir aus der Nacht mitgebracht. Die wohlbegründeten Wege sind verschwunden, neue Straßen verwirren uns, weites, offenes Feld breitet sich vor unseren Blicken aus, soweit wir sehen können. Unruhig gehen wir in der Dämmerung hin und her; die Verwirrung ruft den Zweifel hervor, und selbst auf den üblichen Pfaden werden die wandernden Scharen angehalten, und aus dunklen Ecken rufen die Schildwachen: „Wer da?“ In dieser Morgendämmerung sind furchtbare Kräfte an der Arbeit. Nichts mehr ist fest, nichts mehr gilt als unumstößlich. Die Wunder der Gegenwart stoßen die einfachen Wahrheiten der Vergangenheit um. Die Kirche sieht sich von außen belagert, von innen verraten. In Hofräumen raucht bereits die Fackel der Empörer und erhebt sich der Galgen der Anarchisten. Die Regierung ist das Kampfobjekt der Partei, die Beute der Sieger, die ihre Machtstellung sich zunutze machen. Der Handel wehrt sich verzweifelnd gegen die Monopole und die Fesseln, die ihm angelegt werden sollen. Die Städte schwellen an, das offene Land entvölkert sich. Pracht wohnt in den Palästen und Schmutz in den Hütten. Die allgemeine Brüderlichkeit schwindet, und die Menschheit zerfällt in Klassen. Im Dickicht zischt die Schlange des Nihilismus, und längs der Landstraße tost das Meer der unzufriedenen Volksmassen.“

Die Kirche kann nicht leugnen, dass der Tag des Endes, der Tag der Abrechnung, nun da ist. Ob sie die Zeit im Lichte der Weissagung erkennt oder nicht, tut wenig zur Sache; die Tatsache des Gerichts drängt sich ihr auf, und dieses wird noch vor Ende der Erntezeit vollzogen sein. Die Kirche merkt, dass aller Welt Augen auf sie gerichtet sind, dass alle Welt es herausgefunden hat, dass sie ihre angebliche Aufgabe, die Welt zu bekehren, nicht gelöst hat, obschon die Zeit vorhanden wäre, wo sie dieselbe ganz oder doch zum größten Teil gelöst haben sollte, dass sie von der Welt sich nur durch das Bekenntnis unterscheidet. Die falsche Auffassung, die sie von ihrer Aufgabe hat, beruht auf Missverständnis; sie hat den Zweck des Evangeliums-Zeitalters aus den Augen verloren, der darin besteht, dass das Evangelium vom Reiche Gottes in der ganzen Welt verkündigt werde zu einem Zeugnis für alle Völker, und darin, zu helfen, dass die „kleine Herde“ berufen und vorbereitet werden könne, mit dem Herrn das Tausendjährige Reich zu bilden, in welchem gesegnet werden sollen alle Geschlechter auf Erden. (Matth. 24:14; Apg. 15:14-17) Sie sieht sich vor die Tatsache gestellt, dass sie heute, nach Ablauf von 18 Jahrhunderten, weiter von dem Ziele, das sie sich gesteckt hat, entfernt ist als am Ende des ersten Jahrhunderts. Darum entschuldigt und verteidigt sie sich jetzt; sie überzählt, was sie geleistet hat, rechnet die Summe noch einmal zusammen, stellt „Tatsachen“ fest und gefällt sich selbst in der Ankündigung großer Taten, die in kurzer Zeit ihr Werk zur Vollendung führen werden, denn der Geist der kritischen Forschung unterwirft sie einem Kreuzverhör und zwingt sie angesichts ihrer zahlreichen Ankläger, sich zu rechtfertigen, was sie freilich umsonst versucht.

Sie ist in großer Verlegenheit, wie sie der Beschuldigung, dass ihre Lehre mit der Bibel nicht übereinstimme, begegnen soll; denn sie kann nicht leugnen, dass es untereinander sich widersprechende Glaubenssätze gibt. Sie nimmt ihre Zuflucht zu verschiedenen Methoden der Erklärung, die für denkende Leute ebenso viele Beweise ihrer großen Verlegenheit sind. Jede Richtung hält ängstlich an den überlieferten Glaubenssätzen fest, weil diese allein die einzelnen Kirchen zusammenhalten; die Aufhebung dieser Glaubenssätze würde daher die sofortige Auflösung der Religionsgemeinschaften zur Folge haben. Doch reden die Geistlichen so wenig als möglich darüber, weil sie sich innerlich dieser Sätze schämen, da nun das durchdringende Licht dieses Tages des Gerichts darauf fällt. Die einen gehen dabei so weit, dass sie auf die Gefahr, benachteiligt zu werden, alle Sätze ohne Ausnahme verwerfen; andere halten es für klüger und richtiger, die Sätze allmählich fahren zu lassen und durch neue zu ersetzen, sie zu verbessern, zu revidieren usw. Jedermann weiß, welch eine Diskussion sich bei der Durchsicht des presbyterianischen Glaubensbekenntnisses erhob. Ebenso bekannt sind die Versuche der sogenannten höheren Kritik, der Heiligen Schrift die Autorität und göttliche Eingebung zu nehmen, und an ihre Stelle die Inspiration des 19. Jahrhunderts zu setzen, oder die sogenannte Evolutionstheorie, welche den von der Bibel berichteten Fall Adams leugnet und daher den göttlichen Plan zum Loskauf von diesem Fall auf den Kopf stellt. Eine dritte zahlreiche Klasse von Geistlichen empfiehlt eine eklektische oder Kompromiss-Theologie, die dank ihrem geringen Umfange und ihrer Weitherzigkeit, allen Einwendungen von Christen und Heiden ausweichen könnte und womöglich alle sozusagen unter einen Hut bringen sollte. Viele machen viel Aufhebens von großen Dingen, die mit Hilfe neuer kürzlich in Tätigkeit gesetzter Kräfte verrichtet werden sollen, in deren Zentrum die Vereinigung aller christlichen Namenkirchen steht; wenn diese erreicht sei, was, wie sie sagen, nicht mehr lange auf sich warten lasse, so werde die Belehrung der Welt zum Christentum, so meinen sie, alsbald folgen.

Der Beschuldigung, es an Frömmigkeit und gottseligem Wandel fehlen zu lassen, begegnet die Namenkirche ebenfalls mit Prahlereien, indem sie sich „mancher herrlichen Werke“ rühmt, die oft an den Matth. 7:22, 23 verzeichneten Tadel des Herrn erinnern. Allein mit dieser Ruhmredigkeit ist Babylon nicht geholfen; denn sie dient zu handgreiflich zur Verhüllung der Tatsache, dass es der Kirche am Geist des göttlichen Gebotes der Liebe fehlt, sie macht mithin nur die kläglichen Zustände in der gefallenen Kirche ersichtlicher. Wäre dieses große kirchliche System wirklich die wahre Kirche, wie wäre da der Fehlschlag der Absicht Gottes, sich ein Volk nach seinem Namen zu erwählen, offenbar!

Allein die maßgebenden Persönlichkeiten in der Kirche geben sich darüber absolut keinen Illusionen hin, dass ihre Rechtfertigungsversuche, ihre Versprechungen und ihre Ruhmredigkeit sie so lange nicht schützt, wie ihre Zersplitterung andauert. Auflösung und Untergang drohen der Kirche - sie sehen es wohl - binnen kurzer Zeit, falls sie ihre verschiedenen Abteilungen nicht vereinigen kann, um der Welt gegenüber mehr zu gelten und ihren Einfluss auf die Welt zu kräftigen. Darum hört man oft von einer Union aller Christen reden, und was etwa in dieser Richtung geschieht, wird sofort als Wachstum im Geiste der Liebe und der Nachfolge Christi ausposaunt. Aber der Geist der Liebe und die Nachfolge Christi haben mit dieser Bewegung sehr wenig zu schaffen; die Furcht ist es, die ihr gerufen hat, die Furcht vor dem geweissagten Sturme der Entrüstung und des Zornes, der nahe bevorsteht und dem keine „Kirche“ allein zu begegnen sich getraut. Daher die auf Zusammenschluss gerichteten Bestrebungen! Wie aber die widerspruchsvollen Lehren vereinigen? Der eine schlägt vor, zunächst nur den Zusammenschluss derjenigen zu versuchen, deren Lehren am wenigsten voneinander abweichen, etwa der verschiedenen Zweige von Presbyterianern, Baptisten, Methodisten, Katholiken usw., und damit von da aus den weiteren Zusammenschluss dieser zu suchen. Der andere will für die Idee des Zusammenschlusses bei den Massen Propaganda machen, Gleichgültigkeit der Lehre gegenüber verbreiten und das Hauptgewicht auf gemeinsame Betreibung „christlicher“ Werke legen, an denen sich alle sittlich denkenden Menschen beteiligen sollten.

Es sind meist junge Männer, welche das letztere ernstlich empfehlen. Überhaupt ist in der Jungmannschaft die Neigung für einen solchen Zusammenschluss größer, weil sie manche heiße Schlacht der Vergangenheit nicht miterlebt hat und für sie viele strittige Lehren, wie die, welche die Vorherbestimmung, die freie Gnade usw. betreffen, nicht mehr in Betracht kommen. Aus ihren Kinderjahren bringen sie nur die unter dem Einfluss Roms und der Finsternis der Vergangenheit entstandene Lehre von der ewigen Verdammnis mit, welche alle die treffen soll, die im gegenwärtigen Zeitalter das Evangelium nicht hören oder nicht annehmen, sowie vom Zweck des Evangeliums, die Welt im gegenwärtigen Zeitalter zu bekehren und vor der ewigen Qual zu bewahren. Das bezwecken die christlichen Jünglings- und Jungfrauenvereine, die Gesellschaften für Verbreitung des Christentums, für Hebung der Sittlichkeit, die „Königstöchter“, die Heilsarmee usw. Diese Vereine und Gesellschaften haben allerdings Eifer für Gott, aber nicht nach Erkenntnis; ihr großer Fehler liegt darin, dass sie ihre eigenen Pläne verfolgen, welche, so wohlwollend und so weise dieselben in den Augen der Menschen auch sein mögen, notwendigerweise fehlschlagen müssen, da sie der göttlichen Weisheit ermangeln und dem göttlichen Plane nicht entsprechen, der allein mit Erfolg gekrönt werden wird. Es wäre für die wahren Christen unter ihnen von großem Segen, wenn sie den göttlichen Plan erkennen könnten, der jetzt auf die Auswahl der kleinen Herde der Heiligen und alsdann auf die Hebung (Segnung) der Welt durch diese vollzählige erhöhte und als Christi Miterben tausend Jahre herrschende kleine Schar abzielt. Könnten sie dies erkennen, so würde oder müsste es die Aufrichtigen unter ihnen heiligen; in der Minderzahl würden sie freilich bleiben, denn die Mehrzahl derer, die solche Vereine bilden, tun dies aus verschiedenen Gründen, die mit der vollständigen Hingabe an Gott und dem Dienst an seinem Werk „bis in den Tod“ nichts gemein haben.

Für die jungen Leute, welche die Kirchengeschichte, und was sie lehrt, und die Verschiedenheit der Lehren nicht kennen, hat die Idee des Zusammenschlusses etwas Bestechendes. Sie meinen, die Lehre sei an den Zwistigkeiten der Vergangenheit schuld, und wollen daher den Zusammenschluss ohne Lehre versuchen. Aber sie übersehen, dass in der Vergangenheit alle Christen diesen Zusammenschluss erstrebten, genau wie gewisse Leute heutzutage, aber sie erstrebten den Zusammenschluss auf der Grundlage der Wahrheit; einen anderen Zusammenschluss wollten sie nicht. Ihr Verhalten wurde bestimmt durch die Vorschriften: „Kämpfet um den einmal den Heiligen überlieferten Glauben“, und „habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, strafet sie vielmehr“. (Judas 3; Eph. 5:11) Viele übersehen eben heutzutage, dass es gewisse Lehren gibt, die für den wahren Zusammenschluss unter wahren Christen -- einen gottwohlgefälligen Zusammenschluss - unentbehrlich sind, dass der Irrtum der Vergangenheit in der vorurteilsvollen Bevorzugung menschlicher Glaubenssätze lag, welche deren Erprobung und Verbesserung an der Hand des Wortes Gottes unmöglich machte. Daher ist der in Vorschlag gebrachte und erstrebte Zusammenschluss, insofern er die Lehre der Bibel verwirft, und umso fester an den menschlichen Lehren von der ewigen Qual, von der Unsterblichkeit usw. festhält und insofern er menschliches Urteil zur Richtschnur für sein Verhalten und seine Ziele nimmt, ein sehr gefährliches Ding. Er wird zu Irrlehren führen, weil er die Lehre Christi und die Weisheit von oben verwirft und sich statt dessen auf die Weisheit derer stützt, die ihn zu bewerkstelligen suchen, welche aber eitel Torheit ist, wenn sie mit göttlichen Methoden im Widerspruch steht. „Die Weisheit ihrer Weisen wird vergehen.“ - Jes. 29:14

Andere Vorschläge gehen von fortschrittlichen (?) Geistlichen und Laien aus. Sie bezwecken, Charakter und Aufgabe der Kirche für die nächste Zukunft den Anschauungen der Welt noch näher zu bringen, als sie es schon sind. Damit soll die unwiedergeborene Welt in die Kirche hineingezogen und zu großen finanziellen Opfern ihr gegenüber angeregt werden; dazu bedarf es der Beschaffung von Unterhaltungen und Vergnügungen. Wie viel wahre Christen haben diese Bestrebungen nicht schon abgestoßen, ob dieselben in ihrer Stadt oder anderswo sich geltend machten! Ein besonders frappantes Beispiel vom Abfall bietet die Methodistenkirche, deren Geschichte von einem Geistlichen derselben in einem Methodistenblatte Nordamerikas „Nordwestern Christian Advocate“ bis auf ihren gegenwärtigen Zustand verfolgt worden ist. Der Geistliche schreibt unter anderem:

Die Lehre von der „Wiedergeburt“, auf welche die Methodisten großes Gewicht legten, wirkte wie eine neue, unerhörte Botschaft und trug Frucht, auf welche selbst Weltleute und Irreligiöse mit Zustimmung blickten. Denn diese forderte nicht nur eine Änderung des Herzens, sondern auch eine solche des täglichen Lebens, damit ein Methodist schon an seinem Verhalten leicht von einem Weltkind unterschieden werden könne. Ferner trug zu der Entwicklung der Methodistenkirche der Umstand bei, dass ihre Gottesdienste keinerlei Formenkenntnisse von den Zuhörern verlangten, dass das gewöhnliche Volk dabei willkommen geheißen ward, welchem damit gedient war, seine Gebete zum Allmächtigen richten zu können, ohne dass ein anderer als Mittler diente. Das entsprach seinem Verlangen nach Selbstachtung und Freiheit. Ein weiterer Grund für das Gedeihen der Methodisten lag darin, dass sie die Geißel, die der Herr aus Stricken gefertigt hatte, zu gebrauchen und das Heiligtum von Unwürdigen zu säubern verstanden. Diese Säuberungen reinigten jeweils gleichsam wie ein Gewitter die Atmosphäre und machten es selbst dem Spötter ersichtlich, dass Zugehörigkeit zur Kirche etwas bedeute. Ebenso trug der Charakter der Geistlichen jener Zeit viel zur Ausbreitung der Methodisten bei. Der Einfluss von Männern, die vom Gedanken durchdrungen waren, dass sie hier keine bleibende Stätte haben, die fürs Greisenalter nichts zurücklegten, die auf schriftliche Anstellungs- und Besoldungsverträge verzichteten, wonach die Menschen am meisten gelüstet, musste sich überall als ein großer erweisen. Endlich machten die Lieder, in welchen die Kirchenmitglieder die Hauptwahrheiten sangen, einen tiefen und bleibenden Eindruck auf die Zuhörer.

„Allein dieses alles sind nun veraltete Mittel. An der Vorbedingung der Wiedergeburt wird tatsächlich nicht mehr festgehalten, weil man gesehen hat, dass sie viele gute Leute vom Anschluss an die Kirche abschreckte, und dass manche ihre Christenpflicht auch sonst tun. Die Geistlichkeit, wenigstens die der großen Gemeinden, ist zu gut erzogen, um auf der Heiligkeit, wie sie unsere Väter verstanden, zu beharren, und verkündet jene weitherzige Heiligkeit, die vom Mitmenschen nichts Schlechtes denkt, auch wenn er nicht geheiligt ist. Mit der früheren, engherzigen Auffassung wäre des Verbleibens der Geistlichen in leitenden Kreisen nicht mehr. Die Einfachheit und Schlichtheit des Gottesdienstes haben in den kunstsinnigen Kreisen städtischer Gemeinden einem wohleinstudierten, vornehmen Ritual Platz gemacht. Die Vortrefflichkeit dieses Wechsels anfechten, hieße den Vorrang, den die Kultur vor der Unkultur hat, in Zweifel ziehen. Die Säuberung der vergangenen Zeiten war sicher am Platze, solange die Kirche gleichsam in einem Versuchsstadium sich befand. Damals war übrigens wenig zu verlieren. Jetzt aber weigern sich kluge Männer, das Wohlergehen einer an Gütern und Einfluss reichen Kirche durch bigotte Anwendung des Gesetzes aufs Spiel zu setzen, die die Reichen und Gebildeten stoßen könnte. Die Leute mögen unbeugsam sein, das Evangelium ist es nicht. Die Kirche ist da, die Menschen zu retten, nicht sie auszustoßen oder sie zu entmutigen. So haben unsere modernen, weitherzigen Anschauungen die engherzige, selbstgerechte Auffassung verdrängt, dass wir besser seien als andere Leute und diese von unserer Kirche fernhalten müssten. Die Geistlichkeit unserer Tage endlich, die auf höherer Kulturstufe steht, befolgt mehr als je in der Vergangenheit das Gebot des Meisters: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Welcher Geistliche wäre heutzutage noch so närrisch, wie es die Prediger der ersten Zeit waren, dem reichsten Kirchenangehörigen, Der auf einem großen Fuße, zu sagen, er solle alles für Gott und das Wohl der Menschheit verkaufen, sein Kreuz aufnehmen und Christo nachfolgen? Er könnte betrübt hinweggehen - der Geistliche, meine ich.

„Freilich darf bei dieser vom Gesetz der Evolution und des Fortschrittes geleiteten Entwicklung der Dinge nichts zu schnell oder zu umstürzlerisch vorgenommen werden. Das sind Klippen, welche die modernen Methodistenprediger meist glücklich zu vermeiden wissen. An die Stelle des ungeschlachten Predigers, welcher den Gott der Liebe beschuldigte, zornmütig zu sein, ist der feine, elegante Kanzelredner getreten, dessen Gedanken, Empfindungen und Gefühle erhaben sind und niemand stoßen.

„Die Bestimmung, dass ein Geistlicher eine Stelle nicht länger als fünf Jahre bekleiden dürfe, muss fallen. Zur Zeit der Gründung der Kirche durfte er es sogar nur ein halbes Jahr; allmählich aber ward seine Amtsdauer 1, 2, 3 und schließlich 5 Jahre verlängert. Heute haben die gebildeten Kreise unserer Kirche eingesehen, dass, wenn diese den Vergleich mit anderen Kirchen vertragen soll, ihre Geistlichen dauernd angestellt werden müssen, damit die guten Kanzelredner einen Mittelpunkt für gesellschaftliche und literarische Kreise bilden können. Heutzutage ist es - das erkennt niemand besser als die Geistlichkeit selber - mit dem Halten langatmiger Versammlungen, mit dem Evangelisten-Sein, nicht getan. Früher suchten die Gemeinden vorab große Erweckungsprediger, und an den Jahreskonferenzen mussten die Prediger angeben können, wie viele Bekehrungen sie im Berichtsjahr erwirkten. Jetzt lässt sich Hirt und Herde von weniger seltsamen Anschauungen leiten. Die größeren Gemeinden wünschen Geistliche, welche den ästhetischen Bedürfnissen der Gebildeten genügen, die Angriffe des modernen Zweiflers abwehren können, und an den Jahreskonferenzen fragt man nur nach dem Ertrage der Missionskollekte. Der moderne Methodistenprediger versteht sich ganz besonders auf das Kollektieren und wirkt dadurch viel mächtiger auf die Herren als durch Ermahnung und Weckruf, wie es früher üblich war.

„Diese Träger des christlichen Gedankens haben eine große, wichtige Entdeckung gemacht, nämlich dass das Evangelium es stets vermeiden solle, die Gebildeten zu stoßen. Einer Kirche, die sich ihrer Zeit so trefflich anzupassen versteht, gehört die Zukunft, und werden die Massen zuströmen. Wie herrlich passt auf sie das Wort, das die Engel verkündeten: „Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen!“

Rev. Chas. A. Crane.

So voll Lobes über den jetzigen Zustand der Methodistenkirche ist der wider seinen Willen in Ruhestand versetzte Bischof R. S. Foster nicht, doch bestätigt er voll und ganz, nur mit anderen, vielleicht etwas zu bitteren Worten, was sein Kollege Crane so herrlich gefunden hat, wie folgt:

Die Kirche Gottes“, schreibt er in der „Posaune des Evangeliums“, „buhlt heutzutage um die Gunst der Welt. Ihre Glieder selber bestreben sich, sie auf das den Gottlosen geläufige Niveau herabzudrücken. Bälle und Theater, die Künste leichtgeschürzter Musen, gesellschaftliche Üppigkeit, mit ihrer Förderung leichter Sitten, sind in das Allerheiligste der Kirche eingedrungen, und dann wollen Christen diese Früchte weltlicher Gesinnung durch Fasten, Kirchenfeste und Ausschmückung der Gotteshäuser wieder gutmachen! Das ist des Satans alte List; an dem ist schon die jüdische, dann die römische Kirche zugrunde gegangen, und die protestantische ist nahe daran. Gefahr droht uns, soweit ich sehe, davon, dass wir uns dieser Welt gleichstellen, die Armen vergessen, von der Gottseligkeit nichts als die leere Form bewahren, die Kirchenzucht missachten, Mietlinge zu Seelsorgern machen, das Evangelium fälschen, und aus dem allen eine ansehnliche Kirche aufbauen. Wer hätte das vor 100 Jahren von der Methodistenkirche gedacht? Und doch ist es buchstäblich so. Kleiden sich nicht Methodisten im Widerspruch mit Gottes Wort und der Kirchenzucht ebenso modisch wie alle anderen Menschen? Tragen nicht die Damen, ja selbst Frauen und Töchter der Geistlichen, Gold und Perlen und sonstigen kostbaren Schmuck? Würden nicht diejenigen, welche sich mit der einfachen Kleidung der Gründer der Kirche begnügten, heute als Fanatiker verschrieen, sogar in Methodistenkreisen? Kann man in unseren Großstädten das Publikum, das unsere Gottesdienste besucht, an der Kleidung von Ball- und Theaterbesuchern unterscheiden? Selbst die Musik ist verweltlicht, indem sie von elegant gekleideten Choristen und Choristinnen, die sich oft zu keiner Religion bekennen oder gar Spötter und Gottesleugner sind, wie eine künstlerische Formalität besorgt wird, die mit der Anbetung im Geiste gerade soviel zu tun hat wie eine Oper oder sonst ein Theaterstück. Solches Formenwesen tötet aber das Geistesleben. Ehedem musste jeder Methodist bezeugen, dass er die Religion aus Erfahrung kenne; jetzt wird es nicht mehr verlangt, es kommt äußerst selten vor; namentlich entziehen sich Kirchenvorsteher dieser Verpflichtung. Ehedem ergriff in den Gebetsversammlungen fast jeder Methodist das Wort zum Zeugnisablegen, Beten und Ermahnen; heute bekommet man jeweils nur wenige zu hören. Ehedem vernahm man laute Lobpreisungen; heute gelten solche Ausbrüche heiliger Begeisterung und Freude als Fanatismus. Weltliche Gesellschaften, Feste, Konzerte und dergleichen mehr sind an die Stelle der religiösen Zusammenkünfte, der Erweckungs- und Gebetsversammlungen früherer Zeiten getreten. Ja wahrlich, die Kirchenzucht der Methodisten ist zu einem leeren Worte geworden! Sie untersagt, Gold oder Perlen oder sonst kostbaren Schmuck zu tragen, aber keiner denkt daran, diejenigen Kirchengenossen zu strafen, die sich um das Verbot nicht kümmern. Sie verbietet die Lektüre von Büchern oder das Mitmachen der Zerstreuungen, die die Gottseligkeit nicht fördern; doch die Kirche hat sich selbst in den Feststrudel geworfen, in dem das innere Leben der Jungen wie der Alten zugrunde geht. Die ersten Methodistenprediger suchten Christo Opfer zu bringen und für ihn zu leiden; sie strebten nicht nach wohlbezahlten und behaglichen Stellen, sondern nach Entsagung; sie prahlten nicht mit großen Besoldungen, feiner Erscheinung und gewählter Zuhörerschaft; dagegen rühmten sie sich, wenn sie Seelen für Jesum gewonnen hatten. Das ist jetzt alles anders. Der Prediger ist zum Mietling geworden, ein Prediger ohne Saft und Kraft, der seiner Zeit Rechnung trägt, keinen Glauben, keine Beharrlichkeit, kein heiliges Feuer kennt. Der Methodismus verkündigte einst die Hauptwahrheiten; jetzt ergehen sich seine Lehrer in Allgemeinheit und volkstümlichen Ansprachen. Selten hört man von der herrlichen Lehre der Heiligung.“

Doch kommen wir auf die Zusammenschlussbestrebungen zurück. Wir haben oben erwähnt, dass die Jugend für diesen Gedanken leicht zu entflammen ist, und dass man es bei ihr zur Vermeidung der Bekenntnisstreitigkeiten mit einer Religion ohne feste Lehre versucht. Aber auch die Erwachsenen sucht man für den Zusammenschluss zu begeistern. In dieser Richtung bewegen sich die Pläne und Anstrengungen der maßgebenden Persönlichkeiten in allen Kirchen. Ein Versuch ist gemacht worden in dem großen Chicagoer Religionsparlament im Jahre 1893. Die Tonangeber machten damals kein Hehl aus ihrer wahren Absicht; aber die große Mehrheit ihrer Kirchengenossen machte mit, anscheinend ohne dabei zu bemerken, dass, was man von ihnen verlangte, nichts weniger war als ein Kompromiss des Christentums mit allem möglichen Unchristlichen. Da beabsichtigt wird, 1913 ein weiteres, womöglich noch umfassenderes Religionsparlament abzuhalten, werden alle, welche Gott treu bleiben wollen, wohl daran tun, sich die ausdrücklichen An- und Absichten der Förderer dieser Kongresse zu merken. Wir führen deshalb hier an, was ein San Franziskoer Journal über eine Rede des Hauptförderers der Idee, Rev. Barrows, Dr. Theol., berichtet:

Die Vereinigung der Religionen“, sagt er ungefähr, „wird auf zwei Wegen zustande kommen. Entweder es schließen sich zunächst die einander in der Lehre ähnlichen Richtungen, wie zum Beispiel die verschiedenen Zweige von Presbyterianern und Methodisten, alsdann alle protestantischen Kirchen zusammen. Ist das geschehen, so werden sie sehen, dass keine Grundprinzipien sie von den Katholiken scheiden und sich daher auch mit diesen verbrüdern. Alsdann wird aber die Vereinigung derselben mit verschiedenen anderen Religionen (Buddhismus, Brahaminismus, Islam, Lehre des Konfucius usw.) nur noch eine Frage der Zeit sein. Oder aber: Die Religionen und Kirchen können gleichsam einen rein brüderlichen Bund auf Grundlage einer gemeinsamen Sittenlehre eingehen, wie dies von Mr. Steard (dem Herausgeber der „Review of Reviews“) angeregt wird. Die verschiedenen religiösen Systeme haben gemeinsame Interessen und gemeinsame Pflichten ihren Anhängern gegenüber; warum sollten sie sich nicht zur Förderung derselben verbünden? Ich halte den Zusammenschluss auf ersterem Wege für das wahrscheinlichere. Doch, wie dem auch sei, die Idee der Religionskongresse macht Fortschritte. Rev. T. C. Seward rühmt bereits eine starke numerische Zunahme der „Bruderschaft für vereinigtes Christentum“ in New York und in Chicago hat C. C. Bonney eine große und unternehmungslustige „Gesellschaft für die Förderung der Religionsvereinheitlichung“ ins Leben gerufen.“

Das Religionsparlament in Chicago

In seinem Bericht über die erste Sitzung des Religionsparlamentes 1893 sagte der „Chicago Herald“:

Seit der Sprachenwirre zu Babel haben nie mehr so viele Religionen so vieler Glaubensbekenntnisses Seite an Seite, Hand in Hand, ja fast Herz an Herz gestanden, wie gestern Abend in dem großen Amphitheater. Nie seit Beginn der niedergeschriebenen Geschichte sind die verschiedenen Rassen der Menschheit so durch der Liebe goldene Ketten verbunden gewesen. Die Nationen der Erde, die Glaubensbekenntnisse der Christenheit, Buddhisten und Baptisten, Mohammedaner und Methodisten, Katholiken und Konfuzianische, Brahmanen und Unitarier, Hindus und Bischöfliche, Presbyterianer und Pantheisten, Monotheisten und Polytheisten, alle Denkarten und Menschenzustände darstellend, sind letzthin zusammengekommen, verbunden durch Sympathie, Humanität und Hochachtung.“

Wie auffällig ist es doch, dass der Geist selbst eines solchen Lobredners des großen Kongresses zu der denkwürdigen Sprachwirre zu Babel zurückgeführt wurde! Sah er in dem Kongress nicht in der Tat instinktiv ein bemerkenswertes Gegenbild? In einem Brief, der in Sachen der Vorbereitung dieses Kongresses geschrieben war, sagt der oben erwähnte Dr. Theol. Barrows:

Die althergebrachte Idee, dass die Religion, der ich angehöre, die einzig wahre sei, kann nicht weiter bestehen. Man kann aus allen Religionen etwas lernen, und kein Mann ist derjenigen würdig, der er angehört, wenn er nicht jedem Gleich- oder Andersgläubigen die Bruderhand zu reichen bereit ist. Es hat jemand gesagt, der Augenblick für das Erscheinen der besten Religion sei gekommen. Die Zeit, sich seiner speziellen Religion zu rühmen, ist vorbei. An unserem Kongress werden Prinzen und Geistesfürsten des Orient in freundschaftlicher Beziehung zum Erzbischof, zum Rabbi, zum abendländischen Geistlichen treten. Ihr Zusammensein am Kongress wird hoffentlich dazu beitragen, die Schranken niederzureißen, welche die Glaubensbekenntnisse errichtet haben.“

Ein anderer Geistlicher, Rev. Chalmers, preist das Religionsparlament als Vorläufer einer Weltreligion, für die er sogar sein uniertes Christentum preiszugeben bereit ist. Er freut sich darüber, dass Jesus in die Gesellschaft von Konfucius und Zoroaster gebracht werden soll; er hält den Versuch für eine große Keckheit, fügt aber bei, Chicago pflege sich jeweils Großes zuzutrauen.

Es wäre in der Tat verwunderlich, wenn der Weltgeist sich plötzlich in Übereinstimmung mit dem Geist Gottes befinden sollte, wenn sich diejenigen, die ein so entgegengesetzter Geist erfüllt, ins Auge sehen sollten. Das wird aber nicht der Fall sein. Es bleibt wahr, dass der Geist dieser Welt Feindschaft gegen Gott bedeutet (Jak. 4:4), dass seine Lehren und Lehrsysteme eitel und verkehrt sind, dass es nur eine Wahrheit gibt, nämlich die, welche uns von den von Gottes Geist eingegebenen Schriften der Propheten und Apostel geoffenbart ist.

Nach der Meinung des einberufenen Präsidenten, Mr. Bonney, sollte das Religionsparlament durch Zusammenkunft von Anhängern der verschiedensten Religionen die Ziele und Grundlagen ausfindig machen, die allen gemeinsam wären, und gleichzeitig eine Rundschau der wunderbaren religiösen Fortschritte sein, die im 19. Jahrhundert verwirklicht worden wären. Ja, ja, diese Rundschau! Sie entspricht dem Drange, der die Kirche anklagenden Welt gegenüber möglichst gute Figur machen zu können, die Hoffnung zu erwecken, eben jetzt sei die „Kirche“, nach allem anscheinenden Misserfolg der Namenchristenheit, am Vorabend eines großen Sieges, bald, sehr bald werde die Aufgabe, die sie sich angemaßt, die Welt zu bekehren, erfüllt sein. Wie will sie nur diesen Sieg erfechten? Nicht durch den Geist der Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern mittels eines heuchlerischen, auf Täuschung beruhenden Kompromisses. Dem vorgesteckten Ziele, mit allen Religionen sich zu verbrüdern, werden die größten Opfer gebracht; ja, um die Heiden nicht zu stoßen, verwirft man gar den Namen „christliche“ Union, strebt nach Vereinigung der Religionen und ist zufrieden, den Herrn Jesus aus seiner überlegenen Stellung herabzuholen und ihn mit Konfuzius und Zoroaster auf ein und dieselbe Linie zu stellen. Die Protestanten voller Zweifel und Verlegenheit, ohne Festigkeit und daher zu allen Kompromissen geneigt, die Katholiken und die übrigen Religionen voller Ruhmredigkeit, voll Zuversicht: das sind die Hauptcharakterzüge des Religionsparlaments. Auf protestantische Anregung hin zusammengetreten, ward es durch ein Gebet eines Katholiken, des Kardinals Gibbons, eröffnet, durch das Gebet eines Katholiken, des Bischofs Keane, geschlossen; ja, selbst ein Shinto-Priester rief den Segen seiner acht Millionen Götter auf das Parlament herab! Der Ruf, den Rev. Barrows an die Vertreter der heidnischen Religionen erließ, als er zum Religionsparlament einlud, ist wie der Ruf des Mazedoniers, den Paulus im Traum vernahm: „Kommet herüber und helft uns!“ Dass ein solcher Ruf von der Presbyterianerkirche ausgehen musste, die wenige Jahre zuvor auf eine Feuerprobe gestellt worden war, zeigt, bis zu welchem Grade die Verwirrung und Unsicherheit in ihr Platz gegriffen hat, und mit ihr in der ganzen Namenchristenheit! Darum hörte diese so bereitwillig auf den Ruf zum Religionsparlament und tagte 17 Tage lang mit Vertretern der verschiedensten heidnischen Religionen, die von christlichen Rednern wiederholt als die „Weisen aus dem Morgenlande“ bezeichnet wurden.

Am letzten Sitzungstage lautete die Tagesordnung: „Die Religionsfreiheit der ganzen Menschenfamilie. Besprechung der Elemente der vollkommenen Religion, wie sie sich aus der Vergleichung der verschiedenen Glaubensformen ergeben haben. Ausblick auf die Hauptzüge der letzten Religion und den Mittelpunkt der bevorstehenden Religionseinheit für das ganze Menschengeschlecht.“ Man sollte es fürwahr nicht für möglich halten, dass christliche (?) Geistliche sich unfähig erklären anzugeben, was der Mittelpunkt der Religionseinheit sein müsse, worin die Hauptzüge der vollkommenen Religion bestehen sollen. Liegt ihnen denn soviel an einer Welt-Religion, dass sie bereit sind, die christliche Lehre, ja, sogar den Christennamen zu opfern, um jener Platz zu machen? „Aus deinem Munde will ich dich richten, du böser und fauler Knecht!“ sagt der Herr.

Die vorangegangenen Sitzungen waren eben jener Vergleichung der verschiedenen Religionen gewidmet gewesen, um so die Elemente der vollkommenen Religion ausfindig zu machen. Das Vorhaben war ein gewagtes; es hat aber dazu gedient, jedem wahren Kind Gottes über mehrere Tatsachen die Augen zu öffnen, nämlich 1. darüber, dass die Namenkirche ihre Hoffnung, sie werde am gegenwärtigen Tage des Gerichtes, da der Herr mit seinem Volke (das heißt mit dem geistigen Namen-Israel) rechten will (Micha 6:1, 2), bestehen, aufgegeben hat; 2. darüber, dass sie ob ihres Rückschrittes, ihres Mangels an Glauben, Eifer und Gottseligkeit keine Reue empfindet, dass sie sich keineswegs um die Wiedergewinnung der Gunst Gottes bemüht, sondern vielmehr die Heidenwelt zu Hilfe ruft, um mit ihr dem Urteil des Herrn über ihre Menschensatzungen und ihre Trübung des wahren Bildes Christi zu widerstehen; 3. dass sie bereit ist, Christum und sein Evangelium fahren zu lassen, um die Freundschaft der Welt und die „Vorteile“ zu gewinnen, welche sie von der Gunst der Mächtigen und Einflussreichen erwartet; 4. dass ihre Verblendung derart ist, dass sie Wahres vom Falschen, den Geist der Wahrheit vom Geist der Welt nicht mehr zu unterscheiden vermag; 5. dass sie die Lehren Christi bereits aus den Augen verloren hat. Sicherlich wird ihr von da, wo sie so eifrig sucht, vorübergehend Hilfe zuteil werden, aber nur zum Zweck, die ganze Welt beim bevorstehenden Sturz Babylons miteinzubegreifend, damit die Könige und Kaufleute der ganzen Erde trauern und heulen müssen über sie. - Offb. 18:9,11, 17-19

Bei der Betrachtung des Religionsparlamentes wollen wir unsere Aufmerksamkeit folgenden 7 Punkten zuwenden: 1. dem Geist der Unsicherheit und des Nachgebens in der ganzen „Christenheit“, mit Ausnahme der römisch- und der griechisch-katholischen Kirche; 2. der zuversichtlichen Haltung des Katholizismus und aller nichtchristlichen Religionen; 3. den deutlichen, von den Weisen unter den Heiden wahrgenommenen Unterschieden zwischen dem Bibelchristentum und dem Christentum, welches von den Missionaren gepredigt wird, die ihre widerspruchsvollen Lehren mit der Bibel zugleich in die Fremde tragen; 4. der Wertschätzung des Missionswerkes durch die Heiden und die Aussichten desselben; 5. dem Einfluss der Bibel auf viele Heiden trotz der irrigen Auslegungen derer, die sie ihnen brachten; 6. der Wirkung des Religionsparlamentes auf die Gegenwart und Zukunft; 7. wie sich dieses Parlament im Lichte der Weissagung darstellt.

Das Religionsparlament ist aus der Initiative von Christen, protestantischen Christen, hervorgegangen. Es tagte in einem dem Bekenntnis nach protestantischen Lande. Es stand unter der Leitung protestantischer Christen. Diese sind mithin für alles verantwortlich, was sich am Parlament ereignete. Entsprechend dem an Kompromisssucht und Glaubenslosigkeit krankenden Protestantismus zeigte denn auch das Parlament sich bereit, Christum und sein Wort preiszugeben, um die Freundschaft des Widerchristlichen und Heidnischen zu gewinnen. Es zeichnete, wie schon erwähnt, die römische Kirche dadurch aus, dass es Vertretern derselben die Ehre des Eröffnungs- wie des Schlussgebetes überließ. Während die heidnischen Vertreter ihren Glauben in wohldurchdachten Vorträgen klarlegten, fehlte eine systematische Darlegung der christlichen Religion durchaus, wiewohl es an „christlichen“ Rednern nicht gebrach. Wie befremdlich, dass eine solche Gelegenheit, das Evangelium von Christo hervorragenden, gebildeten und einflussreichen Heiden zu verkünden, von einer Versammlung von Geistlichen verpasst werden konnte! Schämen sich etwa die Vertreter von Christi Evangelium dieses Evangeliums? (Röm. 1:16) Die römischen Katholiken freilich kamen nicht weniger als sechszehnmal zum Wort! Ja, selbst Redner, die sich zum christlichen Glauben bekannten, waren ernstlich bemüht, dessen Fundamentalsätze in Zweifel zu ziehen; sie berichteten den Vertretern des Heidentums von ihren Zweifeln an der Untrüglichkeit der Heiligen Schrift, die Erzählungen der Bibel müssten mit Vorbehalt aufgenommen, und ihre Lehren müssten durch menschliche Philosophie ergänzt und nur insofern als gültig angesehen werden, als sie mit diesen letzteren in Einklang ständen. Anhänger der Orthodoxie verwarfen die Lehre von der Erlösung, welche doch die einzige Grundlage des christlichen Glaubens ist, andere leugneten den Fall des Menschen und bekannten sich als Anhänger der Evolutionstheorie, nach welcher der Mensch niemals vollkommen erschaffen, mithin niemals gefallen sei, keines Erlösers bedürfe und sich aus einem niedrigen Zustand, der mit dem Bilde Gottes keine Ähnlichkeit hat, allmählich emporgearbeitet habe und sich noch jetzt im Entwicklungsprozess befinde, dessen Prinzip das Weiterexistieren des Stärksten sei. Dieses, das heißt das gerade Gegenteil von der biblischen Lehre von der Erlösung und Wiederherstellung, fand im Kongress den größten Beifall!

Wir geben nun im folgenden einige kürzere oder längere Auszüge aus den am Kongress gehaltenen Reden und beginnen dabei mit denen, welche die Haltlosigkeit der Protestanten angesichts der Vertreter Roms und der Heidenwelt deutlich hervortreten lassen.

Da war zunächst Dr. Chas. A. Briggs, Professor der Theologie, an einer Presbyterianer-Predigerschule, den Präsident Dr. Barrows der Versammlung als einen Mann vorstellte, dessen „Gelehrsamkeit, Mut und Überzeugungstreue ihm einen hervorragenden Platz in der allgemeinen Kirche“ verschafft. Er sagte:

Alles, was wir für die Bibel geltend machen können, ist göttliche Eingebung und Untrüglichkeit, soweit es sich um die Mitteilung religiöser Lehren handelt. Gott ist wahrhaftig; er kann nicht lügen; er kann seine Geschöpfe nicht irreleiten oder täuschen. Aber wenn der unendliche Gott zum beschränkten Menschen spricht, muss er dann Worte sprechen, die kein Irrtum sind? (Welche Frage! Wenn Gott nicht die Wahrheit spricht, so ist er nicht wahrhaftig.) Kommt doch dabei nicht nur Gottes Reden, sondern noch des Menschen Hören und das Mittel in Frage, durch das Gott mit dem Menschen verkehrt! Man muss zuvor den Beweis erbringen, dass der Mensch fähig war, das Wort zu vernehmen, ehe wir sicher sein können, dass er dasselbe richtig weiter vermittelt hat. (Der Herr Professor sollte bedenken, dass Gott wohl imstande war, zur Entgegennahme seiner Worte und Weitervermittlung derselben geeignete Werkzeuge auszuwählen, und dass er diese Auswahl auch wirklich getroffen hat, wird jedem aufrichtigen Bibelforscher klar. Ein Argument wie dieses war geradezu eine Beleidigung einer geistig so hoch stehenden Zuhörerschaft.) Die göttliche Eingebung der Schrift bedingt noch nicht die Untrüglichkeit jedes Details.“

Rev. Theodor Munger aus New Haven seinerseits meinte:

Christus ist mehr als der auf Golgatha hingerichtete Jude. Christus ist die unter dem Einfluss göttlicher Gnade sich empor ringende Menschheit, und jedes Buch, dem die Eingebung diese Tatsache (nämlich, dass nicht Jesus, sondern die empor gerungene Menschheit als ganzes der Gesalbte des Herrn sei) zugrunde liegt, ist ein Teil der christlichen Literatur.“ Er zitierte dann Dante, Shakespeare, Goethe, Shelley, Matthew Arnold, Emerson und andere und fügte schließlich bei: „Die Literatur mit den wenigen Ausnahmen, denen man die Inspiration absprechen muss, fußt fest auf der Menschlichkeit als auf einer sittlichen Grundlage mit sittlichem Endzweck. Das ist das Wesen des Christentums. Eine Theologie, welche auf einem übernatürlichen Gott beharrt, der außerhalb der Welt thront und von dort aus ihre Geschicke lenkt, kann die Zustimmung jener Geister nicht haben, die in der Literatur ihren Ausdruck gefunden hat; der Dichter, das Genie, der weitherzige und alles umfassende Denker bedarf ihrer nicht; sie stehen zu nahe bei Gott, um durch solche Wiedergabe seiner Wahrheit getäuscht zu werden.“

Rev. Dr. Rexford, ein Universalist, sagte:

Ich wollte, wir würden alle zugeben, dass eine aufrichtige Gottesverehrung, wo auf der Welt sie auch stattfindet, eine wahre Gottesverehrung sei. Der ungeschriebene Glaubenssatz, der heute hier dominiert, ist, behaupte ich, dass jedweder Gottesverehrer in aller Welt, der sich vor dem Besten, den er kennt, beugt, und in Übereinstimmung mit dem reinsten Licht, das ihm scheint, wandelt, Zugang zu den höchsten Segnungen des Himmels hat.“

Mit diesem Wort traf der Redner den Grundton der heutzutage vorherrschenden Religionsauffassung. Aber redete Pauls auf dem Areopag auch so zu den Verehrern des unbekannten Gottes? (Apg. 17:23-31) Nahm Elias die Baalspriester auch in dieser Weise in Schutz? (1. Kön. 18:21, 22) Paulus erklärte vielmehr, dass der einzige Weg zu Gott der Glaube an Christi Opfertod für unsere Sünden sei, und Petrus sagt von Christo: „Es ist kein anderer Name unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in welchem wir errettet werden müssen.“ - Apg. 4:12

Rev. Lyman Abbot, aus Brooklyn, nahm die göttliche Eingebung, welche uns durch Christum und die zwölf Apostel das Neue Testament brachte, „auf dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk geschickt“ (2. Tim. 3:17) für die ganze Namenchristenheit in Anspruch.

Wir glauben nicht“, sagte er, „dass Gott allein in Palästina gesprochen, und auch in diesem kleinen Stücklein Erde nur zu ganz vereinzelten. Wir glauben nicht, dass er einzig in der christlichen Welt vernommen ward, indes er überall sonst stumm blieb. Nein, wir glauben, dass Gott zu allen Zeiten geredet habe.“

Aber wie spricht er zu den Baalspriestern? Er hat sich nicht offenbart, es sei denn seinem erwählten Volk, Israel nach dem Fleisch im jüdischen, Israel nach dem Geist im Evangeliums-Zeitalter. „Euch allein habe ich erkannt unter allen Geschlechtern der Erde.“ - Amos 3:2; dazu 1. Kor. 2:6-10

Es tut einem angesichts solcher Aussprüche förmlich wohl, auch solchen zu begegnen, in welchen der moralische Mut zutage trat, trotz stillschweigender oder lauter Opposition den einst den Heiligen übergebenen Glauben zu verkündigen, wenn auch diese Redner nicht ganz miteinander übereinstimmten und einige Verlegenheit zeigten, da sie eben den göttlichen Plan der Zeitalter nicht kannten noch die bedeutsamen Beziehungen der christlichen Grundlehren zu dem ganzen bewunderungswürdigen System göttlicher Wahrheit. Da ist zunächst Rev. Joseph Cook aus Boston zu erwähnen, der, weil die Lehre von Christi sühnendem Opfertod totgeschwiegen oder gar als des erleuchteten 19. Jahrhunderts unwürdig verworfen ward, kräftig betonte, dass die christliche Religion die einzig wahre sei, und dass nur solche, die sie annehmen, auf ein glückliches Leben nach dem Tode rechnen können. Dann zitierte er ein Beispiel aus Shakespeare:

„Da haben Sie“, sagte er, „Lady Macbeth. Welche Religion kann Lady Macbeths blutige Hand reinwaschen? Dies frage ich die Kontinente und die Inseln der Ozeane! Es sei denn, es sei Ihnen mit ihrem Religionsparlament gar nicht ernst. Ich frage den Islam: Kannst du Lady Macbeths blutige Hand reinwaschen? Ich frage Buddha und Konfucius: Könnt ihr es?“

Dieses freie Wort hat Mr. Cook die herbste Kritik zugezogen. Ein Geistlicher aus Chicago, Rev. Jones, tadelte es in öffentlichem Vortrage, dass sein Kollege aus Boston den am Religionskongress vertretenen Andersgläubigen ein solches Paroli geboten habe, und er verstieg sich dabei zu folgenden Sätzen:

Um die Unsittlichkeit der Lehre von Christi stellvertretendem Sühnopfer besser zu begreifen, jener Lehre, die nur auf den Satz abstellt: „Siehe auf Jesum und du wirst gerettet werden“, wollen wir die Tat Lady Macbeths fest ins Auge fassen, jener Mörderin, die durch einen Blick aufs Kreuz sich Straflosigkeit sicherte. Der Verfechter dieser Behauptung schleuderte allen Anwesenden die Ungeheuerlichkeit ins Angesicht, dass nur der Wiedergeborene, der der Frucht von Christi Opfertod, der Vergebung der Sünden, teilhaftig geworden sei, das Himmelreich ererben könne. Alles, was ich dazu zu sagen habe, ist: Ich bin froh, dass ich solches nicht glaube. Ich fordere alle, denen an Sittlichkeit gelegen ist, alle Freunde der Gerechtigkeit, alle diejenigen, welche an einen unendlichen, gerechten Gott glauben, auf, diese Lehre zu verwerfen. Eine solche Art der Errettung ist nicht nur vernunft-, sondern auch sittlichkeitswidrig. Sie ist jedenfalls für die gegenwärtige Welt eine grobe Täuschung. Ich kehre Golgatha den Rücken, wenn ich dort nur lernen soll, dass Prinz Sidartha auf ewig von einem Himmel ausgeschlossen bleibt, der Lady Macbeth oder irgend andere Mörder auf ewig aufgenommen hat.“

Ein anderer Zeuge war Prof. W. C. Wilkinson von der Universität Chicago, welcher bei Behandlung des Gegenstandes: „Das Verhalten des Christentums gegen andere Religionen“ die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes richtete. Er stellte fest, dass das Christentum sich den anderen Religionen gegenüber feindselig verhalten müsse, dass diese notgedrungen falsch, wenn jenes wahr sei, dass der Herr allein uns erretten könne, was er in verschiedenen Wendungen selber betont habe:

„Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ - „Ich bin das Brot des Lebens.“ - „Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke.“ - „Ich bin das Licht der Welt.“ - „Ich bin die Tür zum Schafstall.“ - „Alle, die vor mir gekommen, sind Diebe und Räuber.“ - „Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingehet, der wird errettet.“

„Man mag auch antworten“, fuhr Wilkinson alsdann fort, „dass Christus auch gesagt habe, er werde, nachdem er erhöht worden sei, alle zu sich ziehen, und dass dieses Wort beweise, dass viele Seelen, die anderen Religionen angehören, nachdem sie wissentlich und unwissentlich zu Jesu hingezogen seien, gerettet werden, trotz der Ungunst ihrer religiösen Verhältnisse. Das gebe ich zu. Ich bin froh, dass dies auch die Lehre Christi zu sein scheint. Ich bitte jedoch, sich wohl daran erinnern zu wollen, dass wir keineswegs von der Ausbreitung der Wohltat sprechen, die ausschließlich in der Macht Jesu, zu erretten, liegt, sondern vielmehr davon, ob das Christentum irgendeiner nichtchristlichen Religion als solcher das Vermögen zuerkenne, Seelen zu erretten, mit anderen Worten, ob Jesus seine rettende Macht, bis zu einem gewissen Grade, mehr oder weniger, auch durch Religionen ausübe, die nicht die seinigen sind. Ist in der Bibel, im Alten oder Neuen Testament, eine Andeutung, auch nur der Schatten einer Andeutung dafür, dass wir jene Frage bejahend beantworten sollen, so möge man sie mir zeigen; ich habe keine gefunden! Dagegen habe ich Winke für das Gegenteil, und zwar sehr deutliche, in Menge gefunden! Es liegt mir freilich ferne, die Verdienste solcher schmälern zu wollen, die ohne Hilfe des geschichtlichen Christentums des Alten und Neuen Testaments sich auf große, sittliche Höhe empor gerungen haben. Aber wir sprechen hier nicht von Personen, sondern von dem Verhalten des Christentums gegen nichtchristliche Religionen.

„Nebst den Äußerungen Jesu sind auch diejenigen heranzuziehen, welche von jenen Männern stammen, denen er, laut Neuem Testament, die gleiche Autorität wie sich selbst zuerkannte. Da lesen wir beispielsweise: „Halten von sich, sie seien weise, sind aber zu Narren geworden und haben die Ehre Gottes preisgegeben und Bilder angebetet von Menschen, Vögeln, vierfüßigen und kriechenden Tieren.“ Mit dieser Reihenfolge deutet die Heilige Schrift gleichsam das allmähliche Tiefersinken der Heidenreligionen an, mit denen die wahre Religion in Berührung kam. Die Folgen dieser Degeneration des angeborenen Instinkts, der zur Anbetung treibt, des einst reinen Gottesbegriffes, schildert Paulus (im 1. Kapitel des Römerbriefes) mit den Worten: „Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihres Herzens Gelüste, in Unreinigkeit zu schänden ihre eigenen Leiber an sich selbst, denn sie haben Gottes Wahrheit verwandelt in die Lüge und dem Geschöpf lieber gedient denn dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit.“ Ich will nicht weiter zitieren. Was nun kommt, von dem weiß man zur Genüge, dass es der alten Heidenwelt mit Recht vorgeworfen wird. Keine Spur von Zuerkennung mildernder Umstände für wenigstens teilweise Gutes oder doch nicht so Schlechtes in den verurteilten Religionen! Überall scharf geladen, genau präzisierte Anklage! Keine Spur, dass jene in gewissen Fällen als wahre und annehmbare Gottesverehrung gelten könne, die nur durch falsche Formen verunstaltet wäre! Keine Möglichkeit des Wahrnehmens einer Unterscheidung seitens der Götzenanbeter zwischen dem Bild, das sie verehren, und dem wahren Gott, von dem ersteres nur ein Symbol sein soll. Kein Vorzugsrecht für solche erleuchteten Seelen, die eine reinere Religion in Mysterien, welche für die große Masse unzugänglich bleiben, suchen und zu finden wähnen! Nein, vor dem Richterstuhl des Christentums gibt es kein Entrinnen für die widerchristlichen Religionen, die mit ihm in Berührung kommen. Vielmehr trifft sein Spruch ohne Unterschied wie ein Blitz alle, die auf der Verehrung anderer Götter beharrt haben. Nirgends findet sich die erleichternde Zusicherung oder auch die Hoffnung, dass ein gütiger Gott die Verehrung, die scheinbar einem anderen gezollt wird, als ihm dargebracht anerkennen sollte. Ein solcher Gedanke ist jedenfalls nicht schriftgemäß, er ist vielmehr schriftwidrig, daher widerchristlich. So freisinnig ist denn das Christentum doch nicht. Mit Bezug auf die Vorzugsrechte Gottes ist das Christentum vielmehr, das muss frank und frei zugegeben werden, eine engherzige, strenge, eifersüchtige Religion. Dem sterbenden Sokrates mag sein Auftrag, dem Aeskulap als Opfer einen Hahn darzubringen, vergeben worden sein; aber dass Gott diesen götzendienerischen Akt als eine Gottesverehrung angesehen habe, dafür gibt uns die christliche, die biblische Lehre, auch nicht den geringsten Anhaltspunkt.

„Petrus sagt, Gott sieht nicht die Person an, sondern in jedem Volk nimmt er an, wer ihn fürchtet und Gutes tut. Das ist also das Kennzeichen derer, die Gott gefallen. Nun ist aber klar, dass „Gott fürchten“ in christlicher Auffassung nicht bedeuten kann, einen anderen anbeten. Je mehr sich jemand von der Volksreligion, die in seiner Umgebung die herrschende ist, los macht und sich nicht dank, sondern trotz derselben zur Anbetung des wahren Gottes empor ringt, um so mehr wird er Gott gefallen. Kann von einer dieser Volksreligionen gesagt werden, sie sei eine wahre, wenn auch unvollkommene Religion? Das Christentum sagt: Nein! Das Christentum lässt zwar für einige derer, die nie von Christo gehört haben, Hoffnung zu, und es ist das eine für Christen unschätzbare Verheißung. Doch ist diese Verheißung nicht auf jene Volksreligionen gegründet. Die Bibel stellt diese nirgends als teilweise erfolgreiches Tasten nach Gott dar; sie sind vielmehr als abwärts, nicht aufwärts führend bezeichnet. Sie versperren den Zugang zu Gott, sie helfen ihn nicht finden. Wenn ihre Anhänger sich daran klammern, so gleichen sie Ertrinkenden, die im Wasser sich an Wurzeln oder auf dem Grunde liegenden Steinen festhalten. Die in der falschen Religion liegende Wahrheit mag freilich helfen, dann ist es aber eben diese Wahrheit, und nicht jene falsche Religion. Aber nach christlicher Lehre ist alle falsche Religion bestrebt, die in ihr liegende Wahrheit zu vernichten, wie dies im ersten Kapitel des Römerbriefes dargestellt ist. Strebten jene Religionen aufwärts, so hätten sie immer besser werden müssen; wenn sie aber, wie Paulus uns belehrt, immer schlechter wurden, so liegt das eben daran, dass sie abwärts strebten.

„Das Christentum verhält sich also anderen Religionen gegenüber ausgesprochen unversöhnlich, auf immer feindlich, den Menschen aber, auch den Anhängern falscher Religionen, bietet es Gnade, Vergebung und Frieden an, sofern sie es annehmen wollen. Darüber freilich, wie viele es sein werden, die es annehmen, gibt uns das Christentum keinen Bescheid.“

Den christlichen Standpunkt vertrat ferner Rev. J. Devine aus New York bei seinem Vortrag, über „die Botschaft des Christentums an andere Religionen“, wobei er die Lehre von der Versöhnung durch das kostbare Blut Christi wie folgt klar darstellte:

Wir kommen nun zu einem anderen Fundamentalsatz des Christentums, zur geheimnisvollen Lehre der Versöhnung. Die Sünde ist eine nicht wegzudisputierende Tatsache. Ihre Existenz wird allseitig zugegeben. Ihr Vorhandensein ist zu handgreiflich. Sie ist aber eine Scheidewand zwischen Gott und Mensch. Die Heiligkeit Gottes und die Sünde mit ihrem abscheulichen, trotzigen, herunterbringenden und hoffnungslosen Wesen sind absolut unvereinbar. Gott kann sie nicht dulden, sie nicht gutheißen, ihr in seiner Gegenwart keinen Platz einräumen. Er kann nicht mit ihr verhandeln, er muss sie strafen. Er kann nicht über sie hinwegsehen, er muss ihr den Garaus machen; er kann ihr keine Existenzberechtigung zuerkennen, er muss das verdammende Urteil über sie verhängen, das sie verdient. Versöhnung heißt Gottes wunderbare Art, seine Stellung der Sünde gegenüber ein für allemal vor aller Welt zu wahren, indem er freiwillig, sich selbst opfernd, die Strafe dafür auf sich nahm. Dies tat er in der Person Jesu Christi. Christi Geburt, Leben, Tod und Auferstehung sind unumstößliche geschichtliche Tatsachen, und der sittliche Wert sowie die sühnende Kraft seines vollkommenen Gehorsams und seines Opfertodes ist ein geheimnisvolles Element von unschätzbarem Wert in der Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Gott und dem Sünder. Christus ist von Gott als Bürge anerkannt. Das Verdienst, das er sich durch den vollkommenen Gehorsam erworben hat, die hohe Würde, zu der er durch seinen Opfertod gelangt ist, werden beide dem angerechnet, der da glaubt. Der demütige, reuige, seine Unwürdigkeit erkennende Sünder darf Christum als seinen Erlöser, Mittler, Heiland betrachten und einfältig an ihn glauben, auf seine Verheißungen trauen, da diese auf Christi Versöhnungswerk abstellen, und erhält dafür von Gott, als Gabe seiner unendlichen Liebe, alles, was Christus durch sein Mittlerwerk erworben hat. Auf diese Weise bleibt Gott selber gerecht und vollzieht dabei doch die Rechtfertigung des Sünders. Hier haben wir wiederum ein erhabenes Geheimnis seiner Weisheit vor uns.

„Das ist die Quintessenz des Evangeliums. Da ist lauter geheimnisvolle Liebe; da ist ein unaussprechlicher Drang, den Schaden der Menschheit zu heilen; das bringt Leben in das ganze System von Gottes Herrschaft. Wie es wirkt, das entzieht sich freilich der menschlichen Forschung; aber gleichwohl bleibt es das Lebensblut für die Geschichte und gibt dem Christentum Lebenskraft. Eben weil das Christentum die Sünde zu beseitigen vermag, gibt es eine vollständige und endgültige Lösung des Problems. Das Christentum muss im Namen Gottes reden; ihm verdankt es seine Existenz, und seine geheimnisvolle Macht und sein Ansehen beruhen darauf, dass es ihn erkennen lehrt. Es wäre Anmaßung seinerseits, wollte es auf eigene Verantwortung oder im Namen der Vernunft sprechen. Es hat keine Evolutionslehre vorzulegen; es hat vielmehr eine befreiende Botschaft Gottes zu verkünden. Es ist keine Philosophie, sondern eine Religion; es ist nicht erdgeboren, sondern gottentsprungen. Es stammt nicht von Menschen, sondern von Gott; es lebt von seiner Macht, von seiner Liebe; es ist erfüllt von seiner Güte, es strahlt von seinem Lichte, es verkündet seine Wahrheit; es ist voll von seiner Kraft, seiner Weisheit, begabt mit dem Vermögen, geistigen Schaden zu heilen, und zwar mit oberster Autorität.

„Es hat ein Werk unter den Menschen zu verrichten, wo und wann immer es dieselben findet, ein Werk, das so großartig ist wie die Schöpfung, so wunderbar wie die Existenz von Geistern, so geheimnisvoll wie die Ewigkeit. Sein Brennpunkt ist die Person seines erhabenen Offenbarers und Verkündigers, auf den bis zu seinem Kommen alle Lichtstrahlen deuteten, und von dem seit seiner Menschwerdung aller Glanz eines hellen Tages ausging. Sein Wesen ist Aufrichtigkeit, hohe Würde, Milde und Selbstlosigkeit. Sein Zweck ist vorab zu segnen, nicht zur Vergleichung herauszufordern. Geachtet zu sein, ist ihm weniger wichtig, als die Menschen seiner Wohltaten teilhaftig zu machen; seinen Weg zum Herzen zu finden, geht ihm über die größte Ehre bei den Menschen. Es sucht seinen Nebenbuhler nicht in ungünstiges Licht zu stellen oder zu demütigen, sondern durch Liebe über ihn zu siegen, ihn durch die ihm (dem Christus) eigene Vorzüglichkeit anzuziehen und kraft der ihm eigenen unvergleichlichen Überlegenheit zu verdrängen. Es ist sein unbestreitbares Recht zu herrschen, darum ist ihm die Eifersüchtelei völlig fremd, ebenso harte Worte, hochmütiges Herabsehen auf andere, Gewalttätigkeit, Rechthaberei, Täuschung, Betrug. Es stützt sich einzig und allein auf seinen Wert und beansprucht nichts, als was mit seinem Recht, gehört und geachtet zu werden, vereinbar ist. Seine wunderbare Übereinstimmung mit Recht und Wahrheit verschafft ihm seine Ausnahmestellung. Es war ein Werk der Ermutigung für den schwachen Glauben, eine Nahebringung des Göttlichen zur gefallenen Natur. Wunder lassen sowohl auf Gnade als auch auf Macht schließen. Wenn wir an die unbegrenzte Macht Gottes denken und daran, dass es derselben ein kleines gewesen wäre, mit Zeichen und Wundern Eindruck zu machen, so werden wir uns so recht der Zurückhaltung dieser Macht bewusst, die das Theatralische stets vermeidet. Das Wunderbare in der Geschichte des Christentums ist die Spärlichkeit, mit welcher die Christenheit von ihren Mitteln Gebrauch machte. Es ist eine recht harte Glaubensprobe, den Mangel an Energie, die geringe Kraftentfaltung bei den Fortschritten unserer heiligen Religion zu sehen. (So muss es jedem vorkommen, der den göttlichen Plan der Zeitalter noch nicht versteht.) Ohne Zweifel hat Gott seine Gründe dafür, aber unterdessen können wir nicht anders als feststellen, dass dem Christentum eine geheimnisvolle Reserve, eine wunderbare Geduld, eine absichtliche Zurückhaltung innewohnt. Es ruft nicht, noch erhebt es seine Stimme, noch lässt es diese auf der Gasse vernehmen. Jahrhunderte kommen und gehen, und das Christentum berührt nur Teile der Erde, aber was es berührt, das gestaltet es um. Es scheint materielle Erfolge zu verschmähen und trachtet nur nach Siegen, welche es durch Berührung mit der einzelnen Seele erringt. Sein Verhalten anderen Religionen gegenüber war stets eigenartig reserviert, und seine Fortschritte drängten es nie aus seiner stillen Würde, welche zum majestätischen Wesen Gottes, seines Urhebers, so vortrefflich passt.

„So haben wir denn recht, wenn wir behaupten, dass das Christentum frei ist von Eifersucht, hocherhaben über marktschreierisches Wesen, dass es keinen Bund mit der weltlichen Macht, keinen äußerlichen Glanz sucht, dass ihm mehr an einem Platz in einem demütigen Herzen als an einem Sitz auf Königsthronen liegt, dass es vorab die sittliche Umgestaltung des Charakters anstrebt, um das geistige Leben des Menschen zu beeinflussen. So spricht es denn zu anderen Religionen mit unumwundener Freimütigkeit und Klarheit, sich nur stützend auf sein unbestreitbares Recht, gehört zu werden. Es nimmt die Aufrichtigkeit der persönlichen Überzeugung und den sittlichen Kampf vieler denkender Seelen ernst, die, wie die alten Athener, in Unwissenheit und Unkenntnis ehren und anbeten (Apg. 17:23); es warnt, redet zu, befiehlt, wie es sein Recht ist; es spricht, wie einst Paulus dem zivilisierten Heidentum gegenüber auf dem Areopag, von dem Tage, an welchem die Welt gerichtet werden muss; es wiederholt immer wieder seine Aufforderung zur Buße, es fordert Unterwerfung unter seine sittliche Richtschnur, Demut, Geradheit, Ehrerbietigkeit. Alles dies tut es mit prächtig ruhiger Beharrlichkeit. Oft unterstützt es seinen Ruf mit Gründen, mit sanftmütiger Eindringlichkeit, aber stets ist diese in Übereinstimmung mit dem erhabenen Willen, dem das Christentum seine Entstehung verdankt, und in dessen Namen es immer spricht. Es verkündigt seine Botschaft mit fester Zuversicht und meisterhafter Ruhe. Es kümmert sich nicht um die Anerkennung seiner Vorzüglichkeit oder andere Äußerlichkeiten, um den Schutz mächtiger Menschen, um die Bevorzugung, deren sich etwa andere erfreuen. Es spricht immer im Bewusstsein seiner einfachen, natürlichen, unvergleichlichen, unermesslichen Überlegenheit, welche den Nebenbuhler sofort entwaffnet und schließlich die Bewunderung erwirbt und von Bosheit und Falschheit freie Herzen unterwirft.“

Ein weiterer mutiger Zeuge für die christliche Religion war der deutsche Graf Bernstorff. Er sagte:

Ich gehe von der Voraussetzung aus, dass niemand hier ist, der es mit seiner Religion nicht ernst meint. (Der Verlauf des Religionsparlaments hat ihn wohl eines besseren belehrt.) So erkläre ich denn auch persönlich, dass ich hier bin als ein einzelner evangelischer Christ, und dass ich meinen Fuß nie in diesen Saal gesetzt hätte, wenn ich denken müsste, das bedeute eine Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Religionen, und dass es nur darauf ankomme, aufrichtig zu sein. So etwas könnte ich nie zugeben. Ich halte nur die Bibel für wahr und nur den Protestantismus für die wahre Religion. Ich wünsche durchaus keinen Kompromiss desselben mit anderen Religionen. Wir können nicht leugnen, dass wir, die wir in diesem Saale beisammen sitzen, durch Grundfragen voneinander geschieden sind. Wir erkennen die Unüberbrückbarkeit der Kluft an, die uns trennt, aber jeder von uns denkt, dass er ein Recht habe auf seinen Glauben. Jeder, der hierher gekommen ist, hat Anspruch darauf, seinen Glauben zu verfechten. So stehe ich denn vor Ihnen wie Paulus vor König Agrippa und dem römischen Statthalter, indem ich Ihnen nur zurufen kann: „Ich wollte, dass alle, die mich heute hören, würden wie ich bin!“ Ich kann nicht beifügen: „diese Ketten ausgenommen“. Nein, Gott sei’s gedankt, ich bin ein freier Mann, ausgenommen meine Fehler und Mängel, welche daran schuld sind, dass ich meinen Glauben nicht so fest umfange, als ich es wohl möchte.

„Aber wozu kommen wir denn zusammen, wenn wir uns nicht dulden können? Wohlan, das Wort „Duldung“ wird verschiedentlich gebraucht. Die Worte Friedrichs des Großen: „In meinem Land kann jeder nach seiner Facon selig werden“ zeugen von einer vorzüglichen staatsmännischen Anschauung, die viel Blutvergießen und viele Greuel hätte vermeiden lassen. Aber als Ausdruck der religiösen Gleichgültigkeit des vorigen Jahrhunderts, des Hofes Friedrichs des Großen mit seinem Voltaire, ist der Ausspruch entschieden verwerflich. Paulus verwirft im Galaterbrief jede andere Lehre, und wenn sie von einem Engel des Himmels verkündigt würde. Wir Christen sind Diener des Allerhöchsten und unseres lebendigen Herrn und Heilandes. Wir haben kein Recht, die uns anvertraute Wahrheit preiszugeben, es damit leicht zu nehmen oder sie unseren Mitmenschen vorzuenthalten.

„Wir kommen also zusammen, jeder in der Hoffnung, die anderen für seinen Glauben zu gewinnen. Wird dann dieses Friedensparlament nicht ein Kriegsparlament werden? Wird es nicht die Kluft, die uns scheidet, erweitern? Ich denke nicht, wenn wir uns nur geistiger Waffen in diesem Wettkampf bedienen; denn ein ehrlicher Kampf entfremdet die Kämpfer einander nicht, sondern bringt sie oft einander näher. Mehr braucht dies Parlament nicht auszurichten, um sich einen Platz in der Geschichte zu erwerben, als den Grundsatz der Religionsfreiheit hochzuhalten. In jedem Herzen dämmert ein Licht, und das 19. Jahrhundert hat diesen Grundsatz wesentlich gefördert, doch steht zu befürchten, dass das 20. Jahrhundert anbreche, bevor die Religionsfreiheit allgemein anerkannt ist.“

Endlich führen wir noch das mutige Zeugnis von Mr. Grant aus Canada an:

Wir sollten, so scheint mir“, sagte er, „unsere Verhandlungen nicht im Gefühl, Großes zu verrichten, beginnen, sondern im Gefühl und Eingeständnis unserer Sünden und Schwachheiten. Warum sind die Erdbewohner der Wahrheit noch nicht untertan? An uns liegt es! Würde nicht der Apostel Paulus, wenn er das 19. Jahrhundert gesehen hätte, wieder ausrufen: „Den ganzen Tag strecke ich meine Hände aus nach einem ungehorsamen und ... Geschlecht!“ Würde er uns nicht vorwerfen, wir seien stolz auf unsere christliche Religion, während wir derselben gestatten sollten, uns demütig zu machen? Wir rühmen uns, sie zu besitzen, während sie uns besitzen sollte? Wir hätten sie von der Moral getrennt, während sie dieselbe durchdringt, ergänzt und höher hebt? Wir hätten dadurch ihren Glanz verhüllt und ihren Einfluss geschwächt? Wenn es anders werden soll, so müssen wir das einsehen, uns demütigen, anderen Sinnes werden und es mit amerikanischer Zuversicht besser zu machen versuchen!“

Hätten doch diese Gefühle ein Echo gefunden im Religionsparlament! Aber weit entfernt davon herrschte das Rühmen vor von den wunderbaren religiösen Fortschritten unseres Jahrhunderts, und Graf Bernstorffs Befürchtung, dass es sich bei dem Parlament um feige Preisgabe der christlichen Religion handle, erwies sich als nur zu begründet, und die japanischen Buddhisten, die am Parlament teilnahmen, trugen den Eindruck davon, die Völker des Westens hätten ihren Glauben an das Christentum verloren und seien bereit, dasselbe gegen den Buddhismus umzutauschen. Nirgends würde, rühmten sie in einer großen Buddhistenversammlung, der Buddhismus freudigere Aufnahme finden als in den Vereinigten Staaten. „Wie konnten nur amerikanische Christen den unwiederbringlichen Fehler begehen, dieses Parlament zu veranstalten und damit der Sache des Christentums in Japan einen so schweren Stoß versetzen!“ klagte im Anschluss an diese Versammlung ein japanischer Christ.

Die Geschichte lehrt uns den wahren antichristlichen Charakter der Kirche Roms erkennen, der jetzt noch für alle, die offene Augen haben, wahrnehmbar ist. Jedermann kann wissen, dass die griechische Kirche die Stundisten-Verfolgungen in Russland hingenommen, ja gebilligt und wahrscheinlich veranlasst hat, weil sie alle hasst, die von ihrem Aberglauben lassen und Gott aus seinem Worte kennen lernen. Diese Verfolgungen werden von der Polizei besorgt, die dabei die größten Grausamkeiten und Schändlichkeiten begeht, gegen welche der Pope nichts einwendet, nachdem er geradezu dazu aufgefordert hat. Gleichwohl sucht die protestantische Namenchristenheit Annäherung wie an die römische, so auch an die griechische Kirche!

 Noch schlimmer steht es mit den
heidnischen Religionen und ihrer finsteren Macht,

mit denen die Namenchristenheit sich verbrüdern möchte. Diese am Religionsparlament so deutlich zutage tretende Tendenz veranlasste Dr. Pentecost zu äußerst kräftiger Abwehr; er sagte:

„Ich halte es für jammerschade, dass jemand versucht, die Diskussionen dieses Kongresses in eine Reihe von Anschuldigungen und Gegenbeschuldigungen ausarten zu lassen, gleichwohl haben wir Christen geduldig der Kritik zugehört, welche gewisse Vertreter der östlichen Religionen über die Erfolge des Christentums gefällt haben. Die verrufenen Stadtgegenden von Chicago und von New York zum Beispiel, die namenlose Verkommenheit, die selbst für die Augen der Fremden greifbar ist, die unsere Gäste sind, die Zügellosigkeit, die Trunksucht, der Streit, die Morde und die Verbrechen der Verbrecherklasse sind uns angerechnet worden. Das Misslingen der Regierungskongresse sowohl in England als auch in Amerika ist dem Christentum zur Last gelegt worden. Der Opiumhandel, der Schnapshandel, der Vertragsbruch, die unmenschlichen und barbarischen Gesetze gegen die Chinesen usw., alles das ist dem Christentum zur Last gelegt worden. (Wenn die Christen aber behaupten, dass dies christliche Nationen sind, können sie dann die Heiden vernünftigerweise tadeln, wenn diese so denken und demgemäss urteilen?)

Es erscheint unnötig zu sagen, dass alle diese Dinge, die Unmoral, die Trunksucht, die Verbrechen, die Unbrüderlichkeit und die selbstsüchtige Gier dieser verschiedenen verderblichen Handelszweige, die von unseren Ländern in den Orient getragen worden sind, außerhalb des Christentums stehen. (Nein, wenn diese Länder christliche Nationen sind, nicht. Bei dieser Behauptung ist die Kirche verantwortlich für die Sünden der Nationen, und dieselben werden ihr gerechterweise zur Last gelegt.) Die Kirche Christi arbeitet Tag und Nacht daran, diese Verbrechen abzuschaffen. Die Stimme der Kirche Christi verurteilt einmütig den Opiumhandel, den Schnapshandel, das Gesetz der Chinesenunterdrückung und alle Formen des Lasters und der Selbstsucht, über welche sich unsere Freunde des Ostens beschweren.

„Wir sind bereit, uns kritisieren zu lassen; aber wenn ich an die Tatsache erinnere, dass diese Kritiken zum Teil von Herren gefällt wurden, die ein Religionssystem vertreten, dessen Tempel, welche die höchsten Kasten der brahmanischen Priesterschaft innehaben, die befugten und dazu bestimmten Klöster eines Systems von Unmoral und Ausschweifung sind, dergleichen in keinem westlichen Land bekannt ist, so glaube ich, dass keine Antwort auch eine Antwort ist. Ich könnte Sie zu mehr oder weniger - eher mehr - als zehntausend Tempeln führen, in allen Teilen Indiens, zu welchen zwei- bis vierhundert Priesterinnen gehören, deren Leben nicht so ist, wie es sein sollte.

Ich habe dies mit eigenen Augen gesehen und niemand leugnet es in Indien. Wenn Sie mit Brahmanen darüber sprechen, so werden diese sagen, dass es einen Teil der Einrichtung für das gewöhnliche Volk ausmacht. Beachten Sie es wohl, es ist die befugte Einrichtung der Hindu-Religion. Man braucht nur auf die abscheulichen Schnitzereien zu blicken, die sich an den Tempeln befinden, sowohl bei den Hindus als auch bei den Buddhisten, die scheußlichen Symbole des alten phallischen Systems, die Gegenstände, die in Indien am meisten verehrt werden, um den Eindruck von der Verderbtheit der Religionen zu bekommen. Beachten Sie wohl, dieselben werden nicht nur geduldet, sondern sogar vorgeschrieben, angewiesen und durch die Priester der Religion überwacht. Nur die schamlosen Bilder und Porträts des ehemaligen Pompeji kommen an Unzüchtigkeit dem gleich, was öffentlich und an den Eingängen der indischen Tempel zu sehen ist.

„Es erscheint uns ein wenig hart, die Kritik zu ertragen, welche diese Hindu-Vertreter über die gottlosen Teile der westlichen Länder fällen, während sie in so großen Glashäusern wie den erwähnten wohnen, die von den Führern ihrer eigenen Religion errichtet, geschützt und verteidigt werden.

„Wir haben viel über die Vaterschaft Gottes und die Brüderschaft der Menschen gehört, als sei dies eine Hauptlehre der Religionen des Ostens. Es ist Tatsache, dass ich nie einen einzigen Text in einer der heiligen Schriften der Hindus habe finden können, der diese Lehre rechtfertigt oder auch nur andeutet, und ich habe die Beibringung von Seiten ganz Indiens herausgefordert. Die Lehre ist ganz einfach eine Abschrift vom Christentum. Wir freuen uns, dass man dieselbe angenommen und sich zu eigen gemacht hat. Wie kann ein Brahmane, der auf alle Menschen einer niederen Kaste, und besonders auf die armen Ausgestoßenen, mit einem Geist des Ekels herabblickt und sie als eine andere Art von Lebewesen, die von Affen und Teufeln abstammt, betrachtet, sich anmaßen, uns zu erzählen, dass er an die Vaterschaft Gottes und an die Brüderschaft der Menschen glaubt? Wenn ein Brahmane an die Brüderschaft der Menschen glaubt, weshalb weigert er sich denn, sowohl Menschen aus einer anderen Kaste als auch seine westlichen Brüder in seine Gesellschaft oder in die allgemeinen Krankenhäuser aufzunehmen, wenn er sie so schön in die Arme seiner neu gefundenen Lehre von der Vaterschaft Gottes und Brüderschaft der Menschen einschließt?

Wenn es eine Brüderschaft von Menschen in Indien gibt, so braucht auch der oberflächliche Beobachter nicht zu zögern, zu sagen, dass dann keine Schwesternschaft von ihnen anerkannt wird. Lassen Sie die namenlosen Schrecknisse, denen die Hindufrauen Indiens unterworfen sind, auf diese Aussage antworten.

„Bis die englische Regierung die alten religiösen Hindu-Einrichtungen der Sutti mit Gewalt unterdrückte, warfen sich jährlich Hunderte von Hinduwitwen lieber auf die Bestattungsscheiterhaufen ihrer verstorbenen Gatten, indem so die Flammen sie umschlangen, dass sie ihren Leib verbrannten, als dass sie sich der lebendigen Hölle einer Hinduwitwenschaft auslieferten. Mögen unsere Hindufreunde uns doch sagen, was ihre Religion für die Hinduwitwe und besonders für die Kindwitwe getan, denen der Kopf nach Verbrecherart geschoren, der Schmuck geraubt wurde! Sie wurden in Lumpen gekleidet, auf die Stellung von Sklaven herabgesetzt, in einem schlimmeren Maße, als wir es fassen könnten; sie wurden zum gemeinen Arbeitstier und Gassenkehrer der Familie gemacht und oft zu noch Schlimmerem und Unaussprechlichem benutzt. Auf dieses Niveau und in diese Verhältnisse sank die arme Witwe unter dem Gutheißen des Hinduismus herab. Erst vor zwei Jahren wurde die englische Regierung dringend gebeten, das gesetzliche Alter, mit welchem eine Hindufrau heimgeführt werden darf, auf zwölf Jahre zu erhöhen. Das Anfüllen christlicher Hospitäler mit missbrauchten kleinen Mädchen, die kaum aus der ersten Kindheit heraus sind, wurde so überaus abscheulich, dass die Regierung einschreiten und diesen Verbrechen, die im Namen der Religion begangen wurden, ein Ende machen musste. Die Erregung hierüber war in Indien so groß, dass eine religiöse Revolution, die fast zu einem neuen Aufstand geführt hätte, drohte.

„Wir sind von unseren orientalischen Freunden kritisiert worden, indem sie sagten, wir urteilen in Unwissenheit und mit Vorurteil, weil neulich, bei einer der ersten Sitzungen dieses Kongresses, nur fünf Personen sagen konnten, dass sie die Buddha-Bibel gelesen hätten, als sie aufgefordert wurden; so wurde es für ausgemacht gehalten, dass unser Urteil in Unwissenheit und mit Vorurteil gefällt werden würde. Dieselbe Herausforderung könnte man in Burma oder Ceylon ergehen lassen, und man kann wohl sagen, dass außer den Priestern nicht so viele ihre eigenen Schriften gelesen haben. Die Badas der Hindus sind Gegenstände der Verehrung. Außer einem Brahmanen kann sie niemand lehren, noch viel weniger lesen. Ehe die christliche Mission nach Indien kam, war der Sanskrit genau genommen eine tote Sprache. Wenn die indische heilige Schrift letzthin in die Landessprache übersetzt wurde, so geschah dies, weil die christliche Mission und die westlichen Gelehrten sie wieder entdeckt, ausgegraben und an das Licht der Gegenwart gebracht haben. Was der gewöhnliche Inder, der die westliche Bildung genossen hat, von den Sanskrit-Schriften kennt, ist nur das, was in die englische oder in die einheimische Sprache durch westliche Gelehrte übersetzt worden ist. Das gewöhnliche Volk, neunundneunzig unter hundert, kennt nur die Überlieferung. Vergleichen wir doch einmal diese tote Abgeschlossenheit auf Seiten der indischen Religionen mit der Tatsache, dass der Christ die Bibel in mehr als dreihundert Sprachen und Dialekte übersetzt hat, und dass er sie zu Hunderten von Millionen von Exemplaren unter alle Nationen und Sprachen und Menschen der Erde verbreitet hat. Wir suchen das Licht, aber es möchte scheinen, dass die Bibeln des Ostens die Finsternis lieben, weil sie das Licht einer allumfassenden Veröffentlichung nicht ertragen können.

Der neue und bessere Hinduismus von heute hat sich unter dem Einfluss der christlichen Umgebung entwickelt, er hat aber noch nicht die ästhetische Höhe erreicht, welche ihm das Recht gibt, die christliche Kirche Moral zu lehren. Solange Indien seine Tempel nicht gereinigt hat von dem, was schlimmer ist als Augiasstall-Schmutz, solange ihre Gelehrten und Priester nicht das Entsetzliche ablegen und denunzieren, das im Namen der Religion begangen wird, mögen sie bescheiden sein mit dem Moralverkünden an andere Nationen und Völker.“

 Heidnische Reformatoren, die nach Gott suchen

Stand einerseits die Namenchristenheit vor der Heidenwelt voll Rühmens über ihre Fortschritte da, ohne zu ahnen, dass sie arm und blind und nackt und bloß ist (Offb. 3:17), so bemerkte man andererseits unter den Heiden ein Suchen nach Gott; und der Scharfsinn, mit welchem sie die Unbeständigkeit der Christen beachteten und indirekt kritisierten, ist besonderer Beachtung wert.

In zwei Ansprachen, die durch befähigte Hindus gehalten wurden, wird uns von einer bemerkenswerten Bewegung in Indien berichtet, welche uns eine Vorstellung gibt von der Finsternis der heidnischen Länder, sowie auch von dem Einfluss der Bibel, welche die Missionare dahin brachten. Die Bibel hat ein Werk getan, welches die Glaubensbekenntnisse, die sie begleiteten, und welche sie auszulegen behaupteten, gehindert, aber nicht völlig vernichtet haben. Aus Japan hören wir auch von ähnlichen Zuständen. Wir lassen nun Auszüge von drei wegen ihrer augenscheinlichen Aufrichtigkeit, ihrer durchdachten und klaren Ausführungen bemerkenswerte Ansprachen folgen; sie zeigen die sehr ernsthafte Stellung heidnischer Reformatoren, die nach Gott suchen, ob sie ihn wohl tastend finden mögen.

Eine Stimme aus Indien

Herr Mozumdar hielt an die Versammlung folgende Ansprache:

Herr Präsident, meine Herren Vertreter der Nationen und Religionen! Die Brahmo-Samoj Indiens, welche zu vertreten ich die Ehre habe, sind eine neue Gesellschaft. Unsere Religion ist eine neue Religion, sie kommt aber aus dem weit, weit zurückliegenden Altertum, ja, von den Wurzeln unseres nationalen Lebens, vor Jahrhunderten.

„Vor dreiundsechzig Jahren war ganz Indien von großem Lärm erfüllt. Der große, streitende Lärm einer seltsamen Vielgötter-Verehrung störte die Stille des Himmels. Der Schrei der Witwen? Nein, viel, viel beklagenswerter: Der Schrei jener elenden Frauen, die auf dem Bestattungsfeuer ihrer verstorbenen Gatten verbrannt wurden, entweihte die heilige Erde Gottes. Wir hatten die buddhistische Göttin, die Mutter des Volkes, die in jeder ihrer zehn Hände die Waffen zur Verteidigung ihrer Kinder hielt. Wir hatten die weiße Göttin des Studiums, die auf ihrer Vena, einem Saiten-Musikinstrument, die Saiten der Weisheit spielte. Es gab eine Glücksgöttin, die in ihren Armen einen Füllkorb hielt, und welche die Nationen segnete - einen Gott, der auf einem Pfau reitet, einen Gott mit einem Elefantenkopf und außerdem noch dreiunddreißig Millionen Götter und Göttinnen. Ich habe meine eigenen Gedanken über die Mythologie des Hinduismus, doch ist jetzt nicht Zeit, dieselben auszuführen.

Inmitten des Lärms und des Getöses des Polytheismus und des sozialen Elends, inmitten aller Dunkelheit der Zeiten, stand ein Mann auf, ein Brahmane, von guter Abstammung und Erziehung, namens Raja Ram Dohan Roy. Schon ehe er das Mannesalter erreicht hatte, schrieb er ein Buch, in welchem er die Unrichtigkeit des gesamten Polytheismus und die Wahrheit der Existenz eines lebendigen Gottes nachwies. Dies brachte ihm Verfolgung ein. Im Jahre 1830 gründete dieser Mann eine Gesellschaft, die als die Brahmo-Samoj bekannt ist - die Gesellschaft der Anbeter des einen lebendigen Gottes.

„Die Brahmo-Samoj gründeten den Monotheismus auf die Inspiration der alten Hindu-Schriften, der Vedas und der Upanischads.

„Mit der Zeit, wie die Bewegung größer wurde, begannen die Mitglieder daran zu zweifeln, ob denn die Hindu-Schriften wirklich unfehlbar seien. Innerlich glaubten sie eine Stimme zu hören, welche zuerst nur ganz leise den Vedas und Upanischads widersprach. Welches sollen unsere theologischen Lehrsätze sein? Die leise Stimme, welche diese Frage stellte, wurde allmählich lauter und lauter, und sie fand Widerhall in der entstehenden religiösen Gesellschaft, bis sie schließlich zum allgemeinsten Problem wurde - auf welches Buch soll sich alle wahre Religion gründen?

„Sie fanden bald, dass die Hindu-Schriften unmöglich der einzige Bericht einer wahren Religion sein konnten. Sie fanden, dass sie, obgleich Wahrheiten darin enthalten waren, unmöglich als einziger unfehlbarer Maßstab für geistliche Wahrheit betrachtet werden konnten. So wurde die Lehre von der alleinigen Unfehlbarkeit der Hindu-Schriften einundzwanzig Jahre nach der Gründung der Gesellschaft aufgegeben.

„Dann erhob sich eine andere Frage. Gibt es nicht auch andere Schriften? Wurde nicht neulich erzählt, dass auf dem kaiserlichen Thron Indiens das Christentum jetzt sitzt mit dem Evangelium des Friedens in der einen und mit dem Zepter der Zivilisation in der anderen Hand? Die Bibel ist nach Indien eingedrungen. Die Bibel ist ein Buch, welches die Welt nicht unbeachtet lassen sollte. Indem wir daher einerseits die Inspiration der Hindu-Schriften anerkannten, konnten wir nicht umhin, andererseits die Inspiration und die Autorität der Bibel anzuerkennen. Im Jahre 1861 veröffentlichten wir ein Buch, in welchem Auszüge aus allen Schriften angeführt waren. Es sollte bei unseren Andachten gelesen werden. Nicht die christliche Mission lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Bibel, nicht die mohammedanischen Priester zeigten uns die ausgezeichneten Stellen im Koran; kein Zoroaster predigte uns die Größe seiner Zendavesta; in unserem Herzen aber war der Gott der unendlichen Wahrheit, von welchem die Inspiration aller dieser Bücher, der Bibel, des Korans, der Zendavesta ausging. Er lenkte unsere Aufmerksamkeit auf das Vortreffliche, was in dem Bericht heiliger Erfahrung geoffenbart wird, wo dieser sich auch finden mag. Durch seine Führung und durch sein Licht erkannten wir diese Tatsache, und auf den Felsen ewigwährender Wahrheit wurde unsere Theologie gegründet.

„Was ist Theologie ohne Moral? Was ist die Inspiration dieses Buches oder die Autorität jenes Propheten ohne persönliche Heiligkeit - die Reinheit dieses von Gott erschaffenen Tempels? Bald nachdem wir unsere Theologie aufgestellt hatten, standen wir der Tatsache gegenüber, dass wir keine guten Menschen sind, nicht reiner Gesinnung, nicht heilig, und dass uns unzählige Übel umgeben, in unserem Haus, in unseren nationalen Gebräuchen, in der Organisation unserer Gesellschaft. Die brahmanischen Samoj wandten sich deshalb nun zunächst der Reformation unserer Gesellschaftsordnung zu. Im Jahre 1851 wurde die erste Zwischenheirat gefeiert. Zwischenheirat bedeutet in Indien die Heirat zwischen zwei Personen, die zwei verschiedenen Kasten angehören. Eine Kaste ist ein Art chinesische Mauer, die jeden Haushalt und jede kleine Gemeinschaft umgibt, und über deren Grenzen kein kühner Mann und keine Frau schreiten soll. Wir fragten uns: „Soll diese chinesische Mauer die Freiheit der Kinder Gottes für immer beungünstigen?“ Nein! Brecht sie ab! Nieder und weg damit!

„Mein geehrter Führer und Freund Keschub Chunder Sen richtete es so ein, dass Heiraten zwischen verschiedenen Kasten vorgenommen wurden. Die Brahmanen stießen sich hieran. Klugtuer schüttelten mit dem Kopf, sogar Führer der brahmanischen Samoj zuckten mit den Achseln und steckten die Hände in die Tasche. „Diese jungen Aufwiegler“, sagten sie, „setzen die ganze Gesellschaftsordnung in Brand.“ Zwischenheiraten fanden aber statt, und Witwenheiraten auch.

„Wissen Sie, was in Indien Witwen sind? Ein kleines Mädchen von zehn oder zwölf Jahren verliert vielleicht den Ehemann, ehe es seine Gesichtszüge richtig kennt, und von diesem zarten Alter an soll es bis zum Tode durch Buße und Züchtigung gehen, durch Vereinsamtsein und durch Verhältnisse, die Sie zittern machen, wenn Sie davon hören würden. Ich verstehe oder billige nicht, dass eine Frau, die einmal geheiratet hat, dann zwei-, drei-, viermal heiratet. Ich denke aber, dass es etwas Unmenschliches ist, das nicht frühzeitig genug abgeschafft werden kann, wenn ein kleines Kind von elf Jahren das verliert, was die Menschen seinen Ehemann nennen, und es dem Elend einer lebenslangen Witwenschaft ausgesetzt wird, einem Elend, welches eines Verbrechers unwürdig wäre. Dann wurden bei uns Zwischenheiraten und Witwenheiraten eingerichtet. Wir nahmen so die soziale und die familiäre Hebung und Verbesserung in die Hand, und die Folge davon war eine allgemeine Freude bei den Brahmo-Samoj. Wir Jungen mussten uns mit unseren sozialen Reformen helfen, so gut wir konnten. Als diese sozialen Reformen zum Teil vollbracht waren, erheben sich andere Fragen.

„Wir hatten die Witwen geheiratet und verhütet, dass sie verbrannt wurden; wie stand es aber nun um unsere persönliche Reinheit, die Heiligung unseres Gewissens, die Wiedergeburt unserer Seelen? Wie stand es um unsere Annahme vor dem schrecklichen Gerichtshof des Gottes der unendlichen Gerechtigkeit? Soziale Reformen und allgemeine Wohltaten sind nur rechtmäßig, wenn sie den allumfassenden Grundsatz der persönlichen Reinheit und Heiligkeit der Seele entwickeln.

„Meine Freunde, ich bekenne, dass ich oft besorgt bin, wenn ich die Zustände der europäischen und amerikanischen Gesellschaftsordnung betrachte, da Ihre Tätigkeit doch so mannigfaltig, Ihr Werk so ausgedehnt ist, dass Sie sich darin ertränken, und Sie haben wenig Zeit, die bedeutungsvollen Fragen der Wiedergeburt, der persönlichen Heiligkeit, des Gerichts und des Urteils und der Annehmbarkeit bei Gott zu betrachten. Die ist die wesentlichste aller Fragen.

„Nachdem wir unsere soziale Reform vollendet hatten, gingen wir daher zu dem wichtigen Gegenstand über: Wie soll diese unwiedergeborene Natur wiedergeboren werden? Dieser beschmutzte Tempel - welche Wasser sollen ihn wieder rein waschen? Was wird allen diesen Beweggründen, diesen Gelüsten und bösen Aufwallungen, diesen tierischen Neigungen ein Ende machen? Was wird den Menschen wieder zu dem unbefleckten Kind Gottes machen, welches Christus war und auch alle wiedergeborenen Menschen? Zuerst der theologische Grundsatz, dann der moralische, und an dritter Stelle das Geistliche der Brahmo-Samoj - Hingabe, Buße, Gebet, Lob, Glaube, indem wir den Geist Gottes und seine rettende Liebe in uns aufnehmen.

(Dieser heidnische Philosoph erkennt nur zum Teil, was Sünde ist, dies geht hervor aus dem Ausdruck: „ein unbeflecktes Kind Gottes, ... wie alle wiedergeborenen Menschen“. Er sieht nicht, dass selbst der Beste des gefallenen Geschlechtes weit davon entfernt ist, fleckenlos, unbefleckt, vollkommen zu sein, und dass deshalb alle des Verdienstes der Vollkommenheit und des Sühnopfers Christi zur Rechtfertigung bedürfen. Er spricht von den Gebeten, dem Glauben usw. und von der Barmherzigkeit Gottes, er hat jedoch auch nicht erkannt, dass Gerechtigkeit allen Handlungen Gottes zugrunde liegt, und dass Gott nur durch das Verdienst des Opfers Christi gerecht sein und trotzdem den Sünder rechtfertigen kann, der des Glaubens an Christum ist, ihn so durch die große Versöhnung für die Sünde bedeckend, welche vor achtzehn Jahrhunderten - ein für allemal - gemacht wurde, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte.)

Sittliche Bestrebungen bedeuten nicht Heiligkeit; ein Wunsch, gut zu sein, bedeutet noch nicht gut sein. Der Ochse, der auf seinem Rücken Hunderte Pfund Zucker trägt, schmeckt nicht ein Gramm von seiner süßen Last. Alle unsere Bestrebungen, unsere besten Wünsche, unsere schönsten Träume, die besten Predigten, die wir entweder hören oder selbst halten mögen, alles das wird unser Leben nicht vollkommen machen. Nur Hingabe, Gebet, direktes Empfangen des Heiligen Geistes, Gemeinschaft mit Gott, absolute Selbsterniedrigung vor seiner Erhabenheit, sich hingebender Eifer, ein völliges Leben und Weben in Gott, das ist das Geheimnis einer persönlichen Heiligkeit. Und im dritten Stadium unseres Laufes wurde uns daher geistliche Anregung, anhaltende Hingabe, Forschen, beständige Selbsterniedrigung, nicht nur Gott, sondern auch unseren Mitmenschen gegenüber zur Lebensregel. Gott ist unsichtbar; es schadet niemand, auch lässt es niemand als weniger angesehen erscheinen, wenn er zu Gott sagt: „Ich bin ein Sünder, vergib mir.“ Vor Menschen aber ein Bekenntnis abzulegen, sich vor Brüdern und Schwestern zu erniedrigen, heiligen Männern den Staub von den Füßen zu entfernen, sich als elendes, erbärmliches Ding in der Versammlung zu betrachten, das erfordert ein wenig Selbsterniedrigung, ein wenig moralischen Mut.

„Das letzte, was ich hinsichtlich der Brahmo-Samoj zu erwähnen habe, ist ihre Fortschrittlichkeit.

„Die Christenheit erzählt von der Herrlichkeit Gottes, der Hinduismus spricht von seiner unendlichen und ewigen Erhabenheit, der Islam beweist mit Feuer und Schwert die Allmacht seines Willens; der Buddhismus sagt, wie friedvoll und freudvoll er ist. Er ist der Gott aller Religionen, aller Konfessionen, aller Länder, aller Schriften, und unser Fortschritt besteht darin, dass wir diese verschiedenen Systeme und Richtungen in einem großen System in Übereinstimmung bringen. Deshalb nennt sich das neue Religions-System der Brahmo-Samoj die „Neue Ordnung“. Der Christ spricht mit Ausdrücken der Bewunderung vom Christentum, so auch der Hebräer vom Judentum, der Mohammedaner vom Koran, der Jünger Zoroasters von der Zendavesta. Der Christ bewundert seine Grundsätze geistlicher Kultur, der Hindu tut dies von den seinigen auch, und der Mohammedaner gleicherweise.

„Der Brahmo-Samoj aber nimmt alles dies an und bringt es in einem System, in seiner Religion, in Übereinstimmung. Volle zehn Jahre lang sind mein Freund Keschub Chunder Sen, ich und andere Apostel der Brahmo-Samoj von Dorf zu Dorf, von Land zu Land, von einem Kontinent zum anderen gereist, indem wir diese neue Ordnung erklärten und die Harmonie aller religiösen Prophezeiungen und Systeme zur Verherrlichung des einen, des wahren Gottes verkündeten. Wir sind jedoch ein Untertanengeschlecht, wir sind ungebildet, unsere Fähigkeit ist begrenzt, wir haben nicht genug Geldquellen, um Menschen sammeln zu können, die auf unsere Botschaft hören. In der Fülle der Zeit haben Sie dieses großartige Religionsparlament berufen, und Sie haben es in die Hand genommen, die Botschaft zu verkünden, welche wir nicht verkünden konnten.

„Ich komme nicht nur als Forscher zu den Sitzungen dieses Kongresses, auch nicht als jemand, der sein eigenes System zu rechtfertigen hätte. Ich komme als Jünger, als Nachfolger, als Bruder. Möchten Ihre Arbeiten gedeihen, so wird nicht nur Ihre Christenheit und Ihr Amerika erhöht werden, sondern auch der Brahmo-Samoj wird sich erhöht fühlen: und dieser junge Mann, der aus so weiter Ferne kommt, um Ihre Sympathie zu suchen, wird sich selbst reich belohnt fühlen.

„Möchte die Verbreitung der neuen Ordnung von Ihnen abhängen und Sie zu Brüdern und Schwestern machen. Die Vertreter aller Religionen mögen alle Religionen in der Vaterschaft Gottes und der Brüderschaft der Menschen verschmelzen lassen, dass die Prophezeiung Christi und die Hoffnung der Welt erfüllt, und das Menschengeschlecht zu dem einen Königreiche Gottes, unseres Vaters, werden möchte.“

Hier haben wir eine klare Aussage über das Ziel und die Hoffnungen der suchenden Philosophen; und wer könnte sagen, dass sie verfehlt hätten, ihre Gelegenheiten wahrzunehmen? Wenn wir vor dem Kongress viel über die Vaterschaft Gottes und die Brüderschaft der Menschen hörten - ohne Anerkennung der Notwendigkeit eines Erlösers zur Tilgung der Ungerechtigkeit, und um einen „neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, welcher ist sein Fleisch“ zu eröffnen (zur Rückkehr zur Familie Gottes) - wir haben seitdem noch vielmehr über dieselbe Angelegenheit gehört. Wenn wir auch vor dem Kongress davon hörten, dass die menschliche Gesellschaft durch sittliche Reformen erlöst werden soll, und nicht durch das kostbare Blut, so haben wir doch seitdem noch vielmehr von dieser unchristlichen Religion gehört. Es ist das letzte Stadium im Abfall dieser letzten Tage des Evangeliums-Zeitalters. Er wird weiterschreiten und zunehmen. Die Heilige Schrift erklärt: „Tausende werden fallen an deiner Seite“, und der Apostel Paulus ermahnt: „Ziehet an die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr an jenem bösen Tage zu stehen vermöget“; und der Apostel Johannes fragt bezeichnend: „Wer wird zu stehen vermögen?“ Der ganze Inhalt der Heiligen Schrift deutet an, dass nach Gottes Willen eine große Erprobung über alle die kommt, welche sich nach dem Namen Christi genannt haben, und dass die große Masse der „Scheinweizen“ - Bekenner von allem Bekennen von Glauben an das Erlösungs-Opfer, das von unserem Herrn ein für allemal erbracht ist, abfallen wird, weil sie diese Wahrheit niemals aus Liebe zu ihr angenommen hat. - 1. Thess. 2:10-12

Eine Stimme aus Japan

Als der gelehrte japanische Buddhist Kinza Ringe M. Harai seine Klarlegung über: „Die wahre Stellung Japans der Christenheit gegenüber“ verlas, runzelten sich bei einigen der christlichen Missionare die Augenbrauen, und sie schüttelten missbilligend den Kopf. Der Buddhist richtete aber seinen scharfen Vorwurf gegen die falschen Christen, die soviel getan haben, um das Werk der Verbreitung des Evangeliums in Japan zu verhindern. Wir geben im folgenden die Worte des Japaners wieder:

Wenige Länder in der Welt werden so missverstanden wie Japan. Unter den zahlreichen unschönen Vorurteilen wird besonders das religiöse Empfinden meiner Volksgenossen falsch dargestellt, und die ganze Nation wird als heidnisch verurteilt. Mögen sie nun Heiden oder sonst etwas sein, jedenfalls ist es Tatsache, dass Japan seit Beginn seiner Geschichte alle Lehren mit Bereitwilligkeit angenommen hat, und dass auch die Belehrungen, welche vom Ausland kamen, in völliger Übereinstimmung mit der einheimischen Religion vermischt wurden, wie man dies an vielen Tempeln sehen kann, welche eine vermischte Anwendung des Buddhismus und des Shintuismus zeigen, auch an der Anhänglichkeit zwischen den Lehren des Confucian und anderer Richtungen, zwischen buddhistischen und Shintupriestern, wie auch an dem einzelnen Japaner, der allen diesen erwähnten Lehren seine Aufmerksamkeit schenkt. Man kann es auch an dem eigenartigen Bau der japanischen Häuser sehen, welche gewöhnlich zwei Räume haben, einen für einen buddhistischen Tempel im Kleinen und einen für einen kleinen Shintualtar, vor welchem die Familie die Schriften der entsprechenden zwei Religionen erforscht. In Wirklichkeit ist zusammengesetzte Religion eine japanische Eigenart, und ich zögere nicht, sie Japanismus zu nennen.

„Sie werden jedoch den Einwand erheben und sagen: „Weshalb wird denn dann das Christentum nicht so warmen Herzens von eurer Nation aufgenommen, wenn dies bei anderen Religionen der Fall ist?“ Dies ist gerade der Punkt, den ich im besonderen vor Ihnen erörtern möchte. Es gibt zwei Gründe, welche verhindern, dass das Christentum so bereitwillig aufgenommen wird. Diese große Religion war in unserem Land weit verbreitet; als die christlichen Missionare jedoch im Jahre 1637 zusammen mit Bekehrten einen tragischen und blutigen Aufstand gegen unser Land unternahmen, fasste man dies so auf, als wollten die Missionare Japan ihrem eigenen Mutterland unterwerfen. Daran stießen sich die Japaner sehr, und die Shogun-Regierung brauchte ein volles Jahr, um diese schreckliche Bewegung zu unterdrücken. Denen, welche uns den Vorwurf machen, dass unser Mutterland das Christentum verbot, wenn auch nicht jetzt, so doch in vergangener Zeit, erwidere ich, dass dies nicht aus religiöser und eurer Rasse betreffender Abneigung geschah, sondern zum Zwecke der Verhütung einer weiteren Empörung dieser Art; und um unsere Unabhängigkeit zu schützen, waren wir gezwungen, die Verkündigung des Evangeliums zu verbieten.

„In unserer Geschichte war eine solche vom Ausland unter dem Deckmantel der Religion kommende Verwüstung etwas noch nie Dagewesenes, und wenn unser Volk nicht eine ererbte Abscheu, ein ererbtes Vorurteil gegen den Namen der Christenheit gehabt hätte, so wäre ihre Lehre von der ganzen Nation mit Eifer aufgenommen worden. Dieser Zwischenfall liegt jedoch nun in der Vergangenheit, und wir können ihn vergessen. Es ist jedoch nicht so völlig unvernünftig, dass dieser schreckliche Verdacht - Sie mögen es vielleicht Aberglauben nennen - dass das Christentum das Mittel für Ausbeutungen ist, bei uns im Orient geweckt wurde, da es doch eine eingestandene Tatsache ist, dass einige der mächtigen Nationen der Christenheit allmählich im Orient davon Missbrauch machen, und da der folgende Umstand unserem Geist täglich eine lebhafte Erinnerung an das vergangene geschichtliche Ereignis wieder zurückruft. Der Umstand, von welchem ich jetzt sprechen will, betrifft unsere eigene tägliche Erfahrung, auf welche ich den Kongress, und nicht nur den Kongress, sondern die ganze Christenheit, aufmerksam mache.

„Vom Jahre 1853 an, als Kommodore Perryals als Gesandter der Vereinigten Staaten von Amerika nach Japan kam, ist unser Land unter den westlichen Nationen besser bekannt geworden. Die neuen Häfen wurden weit geöffnet, und das Verbot der Evangelisation wurde abgeschafft. Es war alles wie vor der christlichen Revolution. Durch die Übereinkunft zu Geddo, dem jetzigen Tokio, wurde der Vertrag zwischen Japan, Amerika und den europäischen Nationen geschlossen. Es war zu der Zeit, als das Land noch unter der Lehensregierung stand, und da wir über zwei Jahrhunderte lang, nämlich seit der christlichen Empörung, abgeschlossen gewesen waren; die Diplomatie war etwas ganz Neues für unsere Lehensbeamten, welche den westlichen Mächten ihr volles Vertrauen schenkten, und ohne irgendwelche Änderungen die Paragraphen der Vertrages annahmen, wie diese von den westlichen Nationen vorgeschlagen worden waren. Diesem Vertrage gemäß waren wir in einer sehr ungünstigen Lage; unter anderem befinden sich unter den Paragraphen zwei wichtige, welche uns unserer Rechte und Vorteile berauben. Der eine ist die Exterritorialität der westlichen Nationen in Japan, wonach alle Rechtsfälle, mögen sie nun Personen oder Eigentum betreffen, welche sich unter Untertanen der westlichen Nationen in meinem Land, wie auch zwischen ihnen und zwischen Japanern erheben, den Behörden der westlichen Nationen übergeben werden müssen. Ein anderer betrifft die Zolltarife. Wir haben nicht das Recht, mehr als 5 Prozent vom Wert zu erheben.

„Es besteht auch eine Klausel, wonach jeder der beiden Kontrahenten, wenn er ein Jahr vorher dies ankündigt, vom 1. Juli 1872 ab eine Revision verlangen kann. So erbat unsere Regierung im Jahre 1871 eine Revision, und seitdem haben wir ständig darum gebeten, die ausländischen Regierungen haben unsere Gesuche aber einfach ignoriert, indem sie viele Ausreden machten. Ein Teil des Zollvertrages mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde annulliert, wofür wir der freundlich gesinnten amerikanischen Nation aufrichtig dankbar sind, ich bedauere jedoch, sagen zu müssen, dass in dieser Hinsicht keine europäische Macht in dem Kielwasser Amerikas gefolgt ist, und unser Zollrecht bleibt in derselben Verfassung, wie es war.

„Wir haben keine gerichtliche Macht über die Ausländer in Japan, und als natürliche Folge davon erleiden wir Schädigungen in gesetzlicher wie in moralischer Hinsicht, von denen Sie die Berichte täglich in den Zeitungen lesen können. Da die westlichen Nationen weit von uns entfernt leben, wissen sie nichts von der genauen Lage. Wahrscheinlich hören sie hin und wieder die Berichte der Missionare und ihrer Freunde in Japan. Ich stelle nicht in Abrede, dass ihre Berichte wahr sind, wenn aber irgendjemand wahrheitsgetreu hinsichtlich seines Freundes unterrichtet sein möchte, so sollte er die Meinung über denselben von verschiedenen Seiten anhören. Wenn sie mit vorurteilsfreiem Sinn genau prüfen würden, wie wir geschädigt werden, so würden Sie erstaunt sein. Unter den verschiedenen Schädigungen sind manche, die uns als „Heiden“ vorher vollständig unbekannt gewesen waren, niemand würde auch nur im Privatgespräch von denselben zu sprechen wagen.

„Eine der Ausreden, welche das Ausland macht, ist, dass unser Land noch nicht zivilisiert sei. Ist es der Grundsatz zivilisierter Gesetze, dass das Recht und der Vorteil sogenannter Unzivilisierter und Schwächerer geopfert werden sollen? Nach meinem Verständnis ist der Geist, ist es die Notwendigkeit des Gesetzes, die Rechte und die Wohlfahrt der Schwächeren den Bedrückungen des Stärkeren gegenüber zu schützen. Ich habe aber bei meinem oberflächlichen Studium des Gesetzes niemals gefunden, dass der Schwächere zugunsten des Stärkeren geopfert werden soll. Eine andere Entschuldigung kommt von religiöser Seite, und es ist behauptet worden, dass die Japaner Götzendiener und Heiden sind. Ob wir Götzendiener sind oder nicht, werden Sie sofort erkennen, wenn Sie unsere religiöse Anschauung ohne Vorurteil aus verbürgten japanischen Quellen prüfen.

„Aber selbst zugestanden, wir wären Götzenanbeter, um die Folgerung zu ziehen, würde es dann der christlichen Moral entsprechen, auf den Rechten und Vorteilen einer nichtchristlichen Nation herumzutreten? Ich lese in der Bibel: „So dich jemand auf deinen rechten Backen schlägt, so reiche ihm den linken auch dar“, ich kann jedoch nicht eine einzige Stelle entdecken, welche besagt: „So jemand Gerechtigkeit von dir fordert, so schlage ihn auf den rechten Backen, und so er sich umdreht, so schlage ihn auf den anderen.“ Wiederum lese ich in der Bibel: „Wenn jemand dich vor Gericht schleppt, um dir einen Rock zu nehmen, so überlasse ihm auch den Mantel“, aber nicht: „Wenn du jemand vor Gericht schleppst, um ihm den Rock zu nehmen, so lass dir auch den Mantel geben.“

„Sie senden uns Ihre Missionare nach Japan, und sie raten uns zu Sittlichkeit und zu Glauben an das Christentum. Wir möchten gern sittlich sein, wir wissen, dass das Christentum gut ist, und wir sind für dasselbe sehr dankbar. Zu gleicher Zeit gerät unser Volk jedoch in Verwirrung und Zweifel über diesen Rat, wenn wir daran denken, dass die christlichen Nationen noch an dem Vertrag festhalten, welcher zur Zeit unseres Lehenswesens, als wir politisch noch in den Kinderschuhen waren, geschlossen wurde, wenn wir sehen, dass jährlich so viele westliche Schiffe zum Robbenfang in unsere Gewässer eingeschmuggelt werden, wenn Rechtsfälle jedes Mal von ausländischen Behörden entschieden werden in für Japan ungünstiger Weise, wenn noch vor einigen Jahren ein Japaner auf der Universität in Amerika wegen des Rassenunterschiedes nicht zugelassen wurde, wenn die Schulbehörde in San Franzisko noch vor wenigen Monaten anordnete, dass kein Japaner dort die öffentlichen Schulen besuchen durfte, wenn kürzlich die Japaner in Scharen aus einem Teile Amerikas ausgetrieben wurden, wenn unsere Geschäftsleute in San Franzisko gezwungen wurden, nicht Japaner, sondern Amerikaner anzustellen, wenn es Leute gibt, die in derselben Stadt vom Rednerpulte aus gegen diejenigen sprechen, die schon gegenwärtig sind, wenn so viele Prozessionen Schilde umhertragen mit der Aufschrift: „Fort mit den Japsen!“, wenn den Japanern auf den Hawaii-Inseln kein Stimmrecht zugestanden wird; wenn wir sehen, wie manche Leute an ihren Häusern die Aufschrift anbringen: „Japanern ist der Zutritt verboten“ - so ähnlich, wie man ein Verbot für Hunde anbringt; ist es, frage ich Sie, bei alledem für uns intelligente Heiden unvernünftig, wenn wir zögern, den süßen und warmen Himmelstrank der christlichen Religion zu schlucken, auch wenn wir anerkennen, dass die westlichen Länder, von einem Standpunkt aus betrachtet, sehr freundlich sind, nämlich indem sie uns Missionare senden? Wenn dies Christentum sein soll, dann sind wir froh, Heiden zu sein.

„Es mag jemand behaupten, dass es in Japan viele gibt, die gegen das Christentum sprechen und schreiben. Ich bin kein Heuchler, ich will frei bekennen, dass ich der erste in meinem Land war, der das Christentum angriff – doch nicht das wahre, sondern das falsche Christentum, das Unecht, welches uns durch christliche Völker zugefügt worden war. Wenn jemand tadelt, dass es starke antichristliche Gesellschaften in Japan gibt, so will ich ehrlich genug sein zu sagen, dass ich der erste war, der eine Gesellschaft gegen das Christentum gründete, doch nicht gegen das wahre Christentum, sondern zum Schutz gegen das falsche Christentum, und gegen die Ungerechtigkeit, welche wir von Seiten christlicher Völker erdulden müssen. Denken Sie bitte nicht, dass ich diesen Standpunkt vertrat, weil ich ein Buddhist bin, denn der erwähnte war mein Standpunkt schon einige Jahre, ehe ich in den buddhistischen Tempel eintrat. Zu gleicher Zeit will ich jedoch auch stolz sagen, dass, wenn irgendjemand vor der Öffentlichkeit unter dem Namen der zusammengesetzten Religionen von dem Zusammenhang aller Religionen sprach, ich es war. Dies sage ich Ihnen, damit Sie mich nicht für einen bigotten buddhistischen Sektierer halten.

„Genau genommen gibt es überhaupt keinen Sektierer in Japan. Unser Volk weiß sehr wohl, was für schwerverständliche Wahrheiten das Christentum besitzt, und wir, wenigstens bei mir ist dies der Fall, kümmern uns nicht um die Namen, wenn wir lehren. Ob der Buddhismus Christentum heißt oder das Christentum Buddhismus, ob wir Confucianer sind oder Shintu, wir sind nicht partikularistisch, aber hinsichtlich der gelehrten Wahrheit und deren beständiger Anwendung sind wir sehr eigen. Ob Christus uns rettet, oder ob er uns in die Hölle sendet, ob Gautama Buddha wirklich gelebt hat oder nicht, dies ist uns nicht von Wichtigkeit, die Beständigkeit der Lehre aber ist es, und das dementsprechende Verhalten, worauf wir den meisten Wert legen. Darum wird unser Volk niemals sein Vorurteil gegen das Christentum ablegen, sofern die Unbeständigkeit, welche wir bemerken, nicht aufgegeben wird, und besonders, solange der ungerechte Vertrag nicht auf unparteiischer Grundlage revidiert worden ist, mögen die begabtesten Redner ihre Wahrheit auch noch so sehr von der Kanzel verkünden.

„Wir werden oft Barbaren genannt, und ich habe oft gehört und gelesen, wir Japaner wären zu beschränkt, um die Wahrheiten der Bibel verstehen zu können. Ich will zugeben, dass dies in einem gewissen Sinne zutrifft. Obgleich sie den Redefluss des Vortragenden bewundern, wie auch seinen Mut, obgleich sie die Logik seiner Ausführungen bewundern, sind sie sehr beschränkt, und sie wollen mit dem Christentum nichts zu tun haben, solange sie denken, dass es die westliche Moral ist, das eine zu predigen und das andere zu tun.

„Wenn es irgendeine Religion geben mag, die Ungerechtigkeit gegen die Menschheit lehrt, so werde ich sie bekämpfen mit Leib und Seele. Ich werde dem Christentum gegenüber der bitterste Gegner oder aber der glühendste Bewunderer sein. Den Herren, die diesen Kongress berufen haben, und allen hier versammelten Damen und Herren rufe ich zu: Ihr Ziel ist die Verwirklichung der religiösen Union, und dies nicht nur dem Namen nach, sondern tatsächlich. Wir vierzig Millionen Japaner, die wir fest und beharrlich auf dem Boden internationaler Gerechtigkeit stehen, erwarten noch weitere Kundgebungen, nämlich hinsichtlich der Moral der Christenheit.“

Begreift man nun, warum die Christenheit die Welt nicht bekehrt hat?

Eine Stimme von den jungen Männern des Orients erging durch Herant M. Kiretchjian, Konstantinopel, wie folgt:

„Brüder vom Sonnenaufgang aller Länder! Ich stehe hier, um die jungen Männer des Orients zu vertreten von dem Land der Pyramiden bis zu den Eisfeldern Sibiriens und von den Küsten des ägäischen Meeres bis zu den japanischen Gewässern. Auf diesem wunderbaren Rednerpult des Religionsparlaments, wo ich mich mit den Söhnen des Orients dem amerikanischen Publikum gegenüber befinde, ist mein erster Gedanke jedoch der, dass ich Ihnen sagen muss, dass Sie unbewusst einen Rat Ihrer Gläubiger zusammengerufen haben. Blicken Sie in Ihre Bücher und prüfen Sie, ob meine Behauptung richtig ist. Wir haben Ihnen Wissenschaft, Philosophie, Theologie, Musik und Poesie gegeben, und wir haben für Sie Geschichte gemacht zu ungeheuren Kosten. Außerdem ist aus dem Licht, welches vom Himmel auf unser Land hernieder scheint, jene Wolke von Zeugen und Empfängern Ihrer Inspiration, Heilige, Apostel, Propheten, Märtyrer, hervorgegangen. Mit diesem reichen Kapital haben Sie ein riesenhaftes Vermögen zusammengetragen, so dass Ihre Besitztümer vor Ihren Augen Ihre Verbindlichkeiten verbergen. Wir wünschen nicht, einen Anteil an Ihrem Reichtum zu haben, es ist aber gerecht, dass wir unseren Gewinnanteil empfangen, und wie gewöhnlich ist es ein junger Mann, der den Gläubiger vertritt.

„Sie können diesen Gewinnanteil nicht mit Geld bezahlen. Ihr Gold brauchen Sie selbst. Ihr Silber ist im Kurs gefallen. Wir bitten Sie: Geben Sie uns einen reichen Gewinnanteil in Form der vollen Sympathie Ihres Herzens. Wie der Künstler, der die Goldklumpen, sie nach ihrem Gewicht beurteilend, in den Schmelztiegel mit verschiedener Form und Färbung wirft und, nachdem Feuer und Waschung ihr Werk getan haben, das reine Gold herausfließen sieht, so werden Sie, wenn dieser Kongress vorüber sein wird, zu welchem Sie die Kinder des Menschengeschlechtes von allen Enden der Erde zusammengerufen haben, finden, dass aus Rassenvorurteil und Dogma und aus der Verschiedenheit der Gebräuche und Gottesverehrung nichts herausfließt als das lautere Gold der Menschlichkeit; und fortan werden Sie nicht mehr an uns denken als an Fremde in fernen Ländern, sondern als an Ihre Brüder in China, Japan und Indien, Ihre Schwestern auf den Inseln Griechenlands und in den Hochländern und Tälern Armeniens, und Sie werden uns einen so reichen Gewinnanteil gezahlt und dabei selbst einen solchen Segen empfangen haben, dass dieses Land zu einem Beulah-Land zukünftiger Prophezeiung werden und das Echo jenes lieblichen Gesanges aussenden wird, der einst auf unseren Fluren gehört wurde: „Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen.“

„Es ist Ihnen hier schon so viel gesagt worden von Männern der Weisheit und der Erfahrung hinsichtlich religiösen Lebens, dass Sie nicht erwarten werden, dass ich noch etwas hinzufüge. Es würde mir auch nicht geziemen, Ihnen weitere Belehrungen über die Religionen der Welt zu geben. Es ist aber ein neues Geschlecht aufgestanden aus der großen Vergangenheit, mit dessen Einfluss im Werke der Menschheit das kommende Zeitalter wird zu rechnen haben. Es ist das Produkt der Vergangenheit, die mit dem neuen Leben der Gegenwart in Berührung tritt - ich meine die jungen Männer des Orients, die sich anschicken, mit ihren Brüdern des großen Westens die Erde in Besitz zu nehmen.

„Ich bringe Ihnen eine Philosophie vom Bosporus und eine Religion aus der Stadt Konstantins. Alle meine Schlussfolgerungen und meine feste Überzeugung, die sich in mir während vergangener Jahre gebildet hatten, sind durch diesen Kongress bis an ihre Wurzeln erschüttert worden. Doch heute finde ich, dass diese Wurzeln noch tiefer in die Erde, und ihre Zweige noch höher in den Himmel hineinreichen. Ich kann mir nicht anmaßen, Ihnen etwas Neues zu bringen; wenn diese Schlussfolgerungen Ihnen jedoch als vernünftig und als von Grundlagen kommend erscheinen, die die menschliche Intelligenz annehmen kann, dann, davon bin ich überzeugt, werden Sie uns aufrichtige Beweggründe zugute halten, und Sie werden uns das Recht zugestehen, an dem festzuhalten, was ich Ihnen jetzt darzulegen gedenke.

„Als die jungen Männer der Gegenwart noch Kinder waren, sahen und hörten sie tagein tagaus nichts anderes als Feindschaft und Trennung zwischen Menschen verschiedener Religionen und Nationalitäten. Ich brauche mich nicht zu unterbrechen, um Ihnen zu sagen, welchen Einfluss dies auf das Leben eines jungen Mannes ausübte, der sich getrennt fand von seinen Mitmenschen, mit denen er im täglichen Leben in Berührung kam - in Heerlagern, bereit zum Kampf gegeneinander. Als das Licht der Bildung und der Gedanken der Freiheit im letzten Teil dieses Jahrhunderts sich über den ganzen Orient auszubreiten begann, wurde dieses Joch auf dem Nacken der jungen Männer drückender, unerträglich.

„Mit dem Erwähnten habe ich junge Männer aller Nationalitäten eingeschlossen, die während der vergangenen dreißig Jahre ihre Bildung auf den Universitäten zu Paris, Heidelberg, Berlin und in anderen Städten Europas, auch im Kaiserlichen Lyzeum zu Konstantinopel, empfingen. Sie haben bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt das Gebäude ihrer Religion zusammengestellt, so dass die tausend jungen Männer Ihre Stimme, welche für sie ein Orakel war, wie eine Segnung aufnahmen, die ihr Herz und ihren Geist erleuchtete.

„Sie finden ihre Brüder in großen Scharen in allen Städten des Orients, in welche die europäische Zivilisation ihren Eingang gefunden hat, und es wird kaum eine Stadt geben, die ihren Einfluss nicht vor Ablauf des Jahrhunderts verspüren würde. Ihre Religion ist die neueste aller Religionen, und ich würde sie nicht auf diesem Rednerpult erwähnt haben, wenn sie nicht einer der mächtigsten Einflüsse wäre, die sich im Orient wirksam erweisen, und welchem die jungen Männer des Ostens die Spitze bieten müssen, wenn wir auf die Völker der betroffenen Länder den geringsten Einfluss haben wollen.

„Denn, beachten Sie es wohl, es gibt intelligente Menschen, Menschen aus hervorragenden Kreisen, die, zusammen mit allen anderen jungen Männern des Orients, bewiesen haben, dass sie in der Kunst und der Wissenschaft und im Handel der zivilisierten Welt, in den Heeren der Nationen und an der Seite von Königen jedem Menschengeschlecht vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang ebenbürtig sind. Zum größten Teil sind es außerdem Menschen von den besten Absichten und der aufrichtigsten Überzeugung, und wenn Sie ihr Urteil über Religion hören und an die Stellung denken, welche sie einnehmen, so werden Sie als Mitglieder des Religionskongresses, dessen bin ich gewiss, nicht umhin können, sich für diese Leute und für das Land, in welchem sie wohnen, zu interessieren.

„Ich vertrete persönlich die religiösen jungen Männer des Orients; lassen Sie mich jedoch aus Vollmacht für die jungen Männer der neuesten Religion sprechen: „Sie kommen zu uns im Namen der Religion, um uns zu bringen, was wir schon besitzen. Wir glauben, dass der Mensch sich selbst genügsam ist, wenn, wie Sie sagen, ein vollkommener Gott ihn erschuf. Wenn Sie ihn allein lassen werden, so wird er alles sein, was er sein sollte. Bilden Sie ihn, erziehen Sie ihn, binden Sie ihm nicht Hände und Füße, und er wird ein vollkommener Mensch sein, würdig, der Bruder eines anderen zu sein. Die Natur hat ihn zur Genüge ausgestattet, und die Menschen sollten erst alles das ausnutzen, was ihnen in ihrer Intelligenz gegeben ist, ehe sie Gott um etwas weiteres angehen. Außerdem hat niemand Gott gefunden. Wir haben alle Inspiration, deren wir bedürfen, in lieblicher Poesie und in entzückender Musik und in der Gesellschaft verfeinerter und kultivierter Menschen. Wenn wir zuhören, so werden wir hören, wie uns Händel vom Messias erzählt, und wenn die Himmel widerhallten, ist es genug, dass wird Beethovens Auslegung besitzen.

„Wir haben nichts gegen euch Christen als solche, aber wie von allen Religionen müssen wir von der eurigen sagen, dass sie das größte Unheil über die Menschheit brachte, indem sie Menschen wider Menschen, Nation wider Nation aufgebracht hat. Und nun, um das Schlimme zum Schlimmsten zu steigern, kommen Sie an diesem Tag höchsten Gemeinsinns, um den menschlichen Geist mit unmöglichen Dingen zu erfüllen und das Gehirn mit endlosen Diskussionen von tausend Sekten zu belasten. Denn viele habe ich von Ihnen gehört, und ich weiß, wie viele noch folgen könnten. Wir betrachten Sie als diejenigen von allen Menschen, welche man meiden muss, denn Ihre Philosophien und Lehren bringen Pessimismus über das Land.

„Dann aber habe ich Ihnen noch mit einem religiösen Instinkt und angeborenen Achtgefühl, welches allen Orientalen eigen ist, zu sagen: Beachten Sie jedoch, dass wir keine Ungläubigen, Leugner oder Zweifler sind. Wir haben ganz einfach keine Zeit für dergleichen Dinge. Wir sind erfüllt von Begeisterung für das höchste Leben, und was wir wünschen, ist Freiheit für alle jungen Männer der Welt. Wir haben eine Religion, welche die Menschen aller Länder verbindet und die Erde mit Freude erfüllt. Sie entspricht allen Bedürfnissen des Menschen, und darum wissen wir, dass sie die wahre Religion ist, besonders weil sie Frieden und große Übereinstimmung bringt. So haben wir kein Verlangen nach einem „ismus“ von euch, noch nach irgendeinem System oder Lehrsatz. Wir sind keine Materialisten, Sozialisten, Nationalisten oder Pessimisten, wir sind auch keine Idealisten. Wir sind im Besitz der ältesten Religion, welche war, und der neuesten der neuen - wir sind Gentlemen. Im Namen des Friedens und der Menschheit frage ich Sie: Können Sie uns nicht allein lassen? Wenn Sie uns wieder einmal einladen werden im Namen der Religion, so werden wir schon früher anderweitig zugesagt haben, und wenn Sie uns besuchen werden, um zu predigen, werden wir nicht zu Hause sein.

„Der junge Orientale ist wie der grüne Lorbeerbaum. Wo einer weggeht, so dass Sie ihn nicht mehr an seinem Ort finden, werden zwanzig seine Lücke ausfüllen. Glauben Sie mir, ich habe nicht übertrieben, denn Wort für Wort, und zehnmal mehr als dieses, habe ich von intelligenten Männern in Heer und Flotte gehört, von Kaufleuten und Juristen, im Privatgespräch und in tiefgehenden Beweisführungen, auf den Straßen von Konstantinopel und in den Schiffen im Goldenen Horn und Bosporus, in Rumänien und Bulgarien wie auch in Paris und New York und im Auditorium in Chicago, von Türken und Armeniern, Griechen und Hebräern, wie auch von Bulgaren und Serben, und ich kann Ihnen sagen, dass diese neueste Religion, die die Tore von Handel und Literatur, Wissenschaft und Gesetz innehat in Europa und im Orient, eine äußerst mächtige Kraft ist in der Gestaltung der Geschicke der Nationen des Ostens, so dass mit ihr hinsichtlich der Religion der Zukunft zu rechnen ist.

„Es gibt noch eine andere Klasse junger Männer im Orient, die sich die religiösen jungen Männer nennen, und die an dem alten Glauben ihrer Väter festhalten. Auch von ihnen behaupte ich, dass sie aufrichtiger Absichten, intelligenten Geistes, wie auch fest in ihrer Überzeugung sind. Auch um für sie zu sprechen, bin ich hierher gekommen, und indem ich dies tue, spreche ich zu gleicher Zeit auch für mich selbst. Sie werden natürlich einsehen, dass wir von der ersten Zeit an in Verbindung mit der neuen Religion - lassen Sie mich dieselbe der Einfachheit halber so nennen - stehen mussten. Wir mussten auf den Hochschulen und Universitäten mit eben diesen Männern zusammen sein; wir müssen mit ihnen Hand in Hand gehen in Wissenschaft und Geschichte, Literatur, Musik und Dichtkunst, und ganz natürlich teilen wir ihren festen Glauben an alle wissenschaftlichen Schlussfolgerungen und halten wir mit ihnen an allen Grundsätzen der Freiheit der Menschen fest.

„Aufs erste stehen die religiösen jungen Männer des Orients, die die tiefste religiöse Überzeugung haben, ein für die Würde des Menschen. Ich bedauere, damit beginnen zu müssen, doch die vereinten Stimmen und Argumente der Philosophien und Theologien drängen uns eine so unvermeidliche Folgerung auf, dass wir, ehe wir selbst über irgendeine Religion sprechen, sagen müssen: Wir glauben, dass wir Menschen sind. Für uns bedeutet es eine Schmähung der Menschheit und ein In-Fragestellen des Gottes, der sie erschuf, wenn gesagt wird, der Mensch genüge sich selbst nicht, er bedürfe der Religion, um vollkommen zu werden.

(Beachte, wie sich der natürliche Mensch in einem Atemzug entschuldigt und anklagt. Unvollkommenheiten können nicht geleugnet werden; es wird aber behauptet, wir besäßen die Macht, uns mit der Zeit vollkommen zu machen. So wird das „kostbare Blut“ des „Sündopfers“ von den Heiden, wie auch von den weltlich Weisen der Christenheit geleugnet.)

Es bedeutet eine Schmähung der Menschheit, wenn man auf diesen oder jenen Menschenschlag blickt und sagt, dass er ausnehmend viel Güte und Wahrheit und hohe Ideale zeigt und ein Leben über gewöhnlichen tierischen Begierden führt, weil er im Besitz von religiösen Lehren ist, die von diesem oder jenem Menschen stammen oder von Offenbarungen des Himmels. Wir glauben, dass der Mensch, wenn er ein Mensch ist, alles in sich selbst besitzen muss, genau wie er die körperlichen Fähigkeiten besitzt. Wollen Sie mir sagen, dass, während der Blumenkohl, der, wenn ich ihn auf das Feld gepflanzt habe, in Schönheit und in Vollkommenheit der Entwicklung heranwächst, mein Gehirn, welches der Schöpfer hunderttausendmal feiner und vollkommener erschuf, nicht vermag, sich zu entfalten und das Werk zu vollbringen, welches Gott von mir erwartet, und die hohen Gedanken zu pflegen, welche ich pflegen soll? Wollen Sie sagen, dass, während eine hilflose Kaulquappe zu einem Frosch mit vollkommenen und elastischen Gliedern und schwellender Brust heranwächst und mit anderen Fröschen in Zufriedenheit zusammen lebt und vereint mit ihnen quakt, der Mensch der Religion und äußerer Hilfe bedarf, um sich zu entwickeln zur Vollkommenheit an Leib und Seele, die Vaterschaft Gottes und die Brüderschaft der Menschen anzuerkennen und in Frieden auf Gottes Erde zu wohnen? Ich sage: Es ist ein In-Fragestellen des Gottes, der den Menschen erschuf, wenn man eine solche Lehre verkündet oder ihr zustimmt.

„Auch die unverbürgten Schlüsse der Wissenschaft nehmen wir nicht an. Mit Affen haben wir nichts zu tun. Wenn sie mit uns zu sprechen wünschen, so müssen sie zu uns heraufkommen. Es gibt im Westen einen Geist, welcher Schwierigkeiten verursacht, die wir nicht verstehen. Eine der ersten Erfahrungen in den Vereinigten Staaten machte ich bei einer Gesellschaft von Damen und Herren in Philadelphia. Es wurde die Frage behandelt, ob Tiere Seelen besitzen, und den Hauptgegenstand der Unterhaltung bildete eine Katze. Gewichtige und gelehrte Schriften wurden verlesen, und das Endresultat war, dass man nicht zur Lösung der Frage kommen konnte, weil man nicht wusste, was eine Katze und was eine Seele ist. Die Frage galt aber nach wie vor als wichtiger Punkt, der sich auf die Religion bezieht. Nun stellen Sie sich einmal vor, ein armenisches Mädchen frage seine Mutter, ob eine Katze eine Seele habe. Die Mutter würde die Frage wahrscheinlich ganz beiläufig beantworten, zum Beispiel so: „Meine Liebe, Du musst jetzt nachsehen, ob das Wasser kocht. (Warum setzest du dir denn eine solche Frage in den Kopf? Natürlich hat die Katze eine Seele. Eine Katze hat eine Katzenseele und ein Mensch hat eine Menschenseele.) Aber nun geh und sieh nach!“ Und das Mädchen würde gehen, voller Freude über seine Menschenseele. Und wenn eines Tages unser armenisches Fräulein so beunruhigt werden sollte über das fehlende Glied, von welchem jetzt soviel die Rede ist, dann würde es seinen Gleichmut dennoch nicht verlieren und sich noch immer darüber freuen, ein Mensch zu sein, und es würde vielleicht sagen: „Das fehlende Glied hat die Seele des fehlenden Gliedes, und ein Mensch hat die Seele eines Menschen.“

„Im allgemeinen gehen wir Hans in Hand mit den Damen und Herren auf der gemeinsamen Stufe der Menschheit. Hier aber ist für uns ein Scheideweg, und unsere Pfade werden ganz andere. Wir rufen aus: Lasst uns allein, und wir werden uns entfalten und zu der uns bestimmten Höhe aufsteigen - und sehen Sie, wir finden eine unsichtbare Macht, die uns nicht allein lässt. Wir finden, dass wir fast alles zu vollbringen imstande sind auf den Gebieten der Kunst und der Wissenschaft. Wenn es aber darauf ankommt, unserer Überzeugung von dem, was hoch und edel, was recht und was für unsere Entwicklung notwendig ist, zu folgen, so ermangeln wir der Kraft und der Macht, um dahingehend vorwärts zu schreiten. Ich lege dies hier in der einfachen Weise dar, da ich nicht ausführlich werden kann. Aber ebenso gewiss, wie es für uns die Würde des Menschen gibt, gibt es für uns auch eine Macht, die den Menschen von den Pfaden der Geradheit und Ehre abbringt, die er sonst wandeln würde. Sie können nicht sagen, dass sie dem Menschen innewohnt, denn wir empfinden, dass sie nicht dem Menschen gehört. Wenn sie nicht uns gehörte, und wenn der Mensch es für richtig hielt, hinabzusteigen in Entartung und Elend, Raubgier, zu dem Wunsch, seine Mitmenschen zu vernichten, so sagen wir: „Lassen Sie ihn allein, und lassen Sie ihn tun, was Gott ihn tun lassen will.“

„So sage ich denn kurz einem jeden, der hier im Begriffe steht, Glaubensbekenntnisse aufzustellen, noch ehe er damit zu Ende kommt: Ich glaube an den Teufel, den Erzfeind Gottes, den Ankläger des Menschen bei Gott. Ein Teufel für das ganze Universum? Darum kümmern wir uns nicht. Eine Legion Dämonen, die jede Seele belagert? Das tut nichts zur Sache. Das eine wissen wir, dass es eine Gewalt gibt, die dem Menschen fremd ist, und die ihn mit Macht zur Seite zieht, und keine Macht der Erde kann ihr widerstehen.

„Nun kommen wir zu unserer Religion. Wenn ihr den jungen Männern eine Religion zu bringen habt, so muss dieselbe eine Macht besitzen, welche die Macht des Bösen in der Welt ausgleicht, ja überwiegt. Dann werden die Menschen frei sein, um zu wachsen, und sie werden sein, wie es Gottes Wille ist. Wir verlangen nach Gott. Wir verlangen nach seinem Geist, und diesen muss die Religion, welche zu uns kommt, bringen, sonst ist sie für uns keine Religion. Und wir glauben an einen Gott, nicht an den Gott des Protoplasmas, der sich zwischen Molekülen verbirgt, sondern an einen persönlichen Gott, dessen Kinder wir sind.

„So setzen wir an dritte Stelle unserer Philosophie und unseres Protestes die Würde Gottes. Ist das Rittertum tot? Ist alle Vorstellung von hohem und edlem Leben, von lauterer Redlichkeit aus dem Herzen der Menschen geschwunden, so dass wir nicht nach Ritterschaft und Fürstentum am Hofe Gottes streben können? Wir wissen, dass wir seine Kinder sind, weil wir seine Werke wirken und seine Gedanken denken. Wonach wir verlangen, ist: Ihm gleich zu sein. O, es ist wahr, dass ich, während ich über Land und Meer reisen kann, um an das Herz meiner Mutter zu eilen, um zu verspüren, wie sie mich mit ihren Armen umschlingt, als Kind Gottes aber einer Macht, die ich nicht zu überwinden vermag, im Universum hilflos gegenüber stehe, so dass ich meine Hände nicht zu Gott erheben kann, um ihn anzurufen, dass ich nicht seinen Geist in meiner Seele und das Umschlingen seiner ewigen Arme, die mich in der Schwachheit stützen, verspüren kann?

„Und nun kommt der Prediger aus alter Zeit und die moderne Kirche, und sie erzählen uns von einem, der die Welt überwunden hat, und der vom Himmel hernieder kam, denn kein von einem Weibe geborener Mensch hätte vollbringen können, was er vollbrachte. Es wird uns aber gesagt, dass durch die Gnade und durch das Wandeln auf dem Pfade, welchen er uns zeigt, der Geist Gottes in unser Herz kommt, und dass ich verspüren kann, wie er in meinem Herzen wider die Sünde kämpft und mein Herz stärkt, so dass ich standhaft festhalten kann an dem, was ich durch das in mir wohnende Göttliche als recht erkenne.

„Und so komme ich mit zitternden Händen, aber fester Überzeugung, mit viel Trauer über die Menschheit, aber mit der Freude eines ewigen Triumphes zu den goldenen Toren des zwanzigsten Jahrhunderts, wo die Ältesten des zukünftigen Gemeinwohles das Urteil sprechen über die Religion, welche jene Tür zur Stärkung der menschlichen Herzen durchschreiten soll. Ich stelle nebeneinander den alten orientalischen Confucianismus und die moderne Theosophie, den alten orientalischen Buddhismus und den modernen Spiritismus und jeden alten Glauben und den modernen Materialismus, Rationalismus und Idealismus, und ich stelle daneben das alte orientalische Christentum mit seinem Christus, der Macht Gottes und der Weisheit Gottes und dem Kreuz, bei welchem noch immer seine Spitze stolz umstrahlet heiliger Geschichte Glanz.“

Dieser Redner legt, obwohl er nicht ein delegierter Vertreter des armenischen Katholizismus ist, die Sache augenscheinlich vom Standpunkt der armenischen Christen aus dar, welche die Türken letzthin in so barbarischer Weise verfolgten. Seine Rede enthält verschiedene ausgezeichnete Punkte. Man darf aber nicht denken, dass er nur ein Beispiel der jungen Männer des Orients sei. Er ist denen, für welche er sprach, ein gutes Stück Weg voraus. Auch wirft seine Rede nicht das richtige Licht auf den armenischen Katholizismus mit seinen Gebeten für die Toten, seiner Anbetung der Bilder der Heiligen und der Jungfrau Maria und mit seiner gotteslästerlichen Lehre von der Messe, alles Erfindungen Satans, welche zeigen, wie wenig Erkenntnis und Wertschätzung der armenische Katholizismus hinsichtlich des Kreuzes und seines „ein für allemal“ dargebrachten Opfers besitzt. Das „orientalische“ Christentum, auf welches der junge Mann uns verweist, ist nicht dasjenige, welches wir achten, und welches wir uns zum Vorbild nehmen: Wir gehen zurück zu dem Christentum, welches Christus, unser Herr und Erlöser, uns gebracht hat, und welches die Apostel uns verkündet haben: - es ist weder das morgenländische noch das abendländische, auch nicht das katholische (allumfassende, allgemeine) Christentum, sondern die Macht und Weisheit Gottes, „jedem, der da glaubt“ zur Gerechtigkeit. - Röm. 1:16

Der denkende Leser wird angesichts dieses Bestrebens von Heiden, Gott zu suchen und Gerechtigkeit sich anzueignen, angesichts dieses ihres Eifers, vor ihren Mitmenschen zu zeigen, welchen Maßstab für das Recht sie haben, um so schmerzlicher die Haltung der „Christen“ empfinden, die von Kindesbeinen an unter günstigeren Verhältnissen lebten und alle Gelegenheit, die Wahrheit zu erfahren, hatten, aber sich bereit zeigten, diese Vorzüge um Menschengunst zu verkaufen! „Wem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern“, sagt der Herr, der jetzt die Christenheit auf die Wage gelegt hat.

Freilich sind es nur wenige Heiden, die, so verstanden, Anspruch auf unsere Bewunderung haben. Die Mehrzahl der heidnischen Vertreter prahlte mit ihrem Aberglauben, und ein Mohammedaner hatte die Kühnheit, die Vielweiberei zu empfehlen; und sollte man es glauben? Präsident Barrows stillte sofort die sich hierbei geltend machende Entrüstung! Nachdem Buddhisten, Shintoisten, Jainisten und römische Katholiken ihrer Freude Ausdruck gaben darüber, dass sie so willig angehört worden seien, dass sie bereits Brüderschaft aller Religionen erhofften, antwortete der protestantische Missionar Dr. Candlin aus China:

Die allgemeine Anschauung ist, das Christentum allein sei von Gott, die wahre Religion, die anderen Religionen seinen falsch, vom Teufel, oder wenigstens von Menschen. Das wisst Ihr besser! Gott ist unser aller Vater, und alle haben teil an seiner Gnade. Der heutige Tag ist ein neues Pfingsten, und seine Folge wird die Bekehrung der Welt sein!“

So! Wie gleicht denn das Bestreben, Wahrheit und Gerechtigkeit preiszugeben, um den Widerchristen, den Götzenanbetern gleich zu werden, jener glaubensvollen betenden Versammlung in Jerusalem, die geduldig der Macht harrte, die sie von oben empfangen sollte? Was ist denn an jenem Parlament geschehen, das auch nur im geringsten an die Ausgießung des Heiligen Geistes erinnert hätte? Wozu soll die Welt bekehrt werden?

Der Methodistenprediger Dr. Bristol ging so weit zu erklären, die Christen hätten durch die Berührung mit allen orientalischen Religionen vieles gewonnen, und es werde diesen hoch angerechnet werden, zur Erfüllung der Verheißung, dass es einst einen Glauben, einen Herrn, einen Vater, eine Herde geben werde, beigetragen zu haben; Rev. Chapin bezeichnete die Orientalen als willkommene Mitarbeiter am Heil der Welt; Dr. Barrows erklärte in seinem Abschiedswort, die Protestanten hätten an diesem Parlament viel gelernt; und auf ähnliche Schlussworte des Vorsitzenden Bonney, auf das Gebet eines Rabbiners und den Segensspruch eines römisch-katholischen Bischofs antwortete fünftausendstimmig das Echo: „Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen!“

 Ausblicke

Welch ein Preisgeben von Grundsätzen, Wahrheit und Treue gegen Gott bezeugten doch diese Verhandlungen! Und dies unmittelbar vor dem Anbruch jener großen Drangsal, die alle denkenden Menschen kommen fühlen und fürchten! Diese Furcht ist es, die sie an jenem Parlament zusammengehalten hat; sie suchten Schutz in ihrer Vereinigung. Sie riefen ihren verschiedenen Kirchen „Friede! Friede!“ zu, „da doch kein Friede ist“ (Jer. 6:14); aber sie sind nicht ernster zu nehmen als die großen „Friedens“-Kundgebungen der Flotten in Kiel. Die Zeit ist da, wo der Herr selbst den Frieden verkündigen wird, doch nicht, bis er seine Gegenwart durch den Sturmwind der Revolution und der Drangsal kundgemacht hat. - Sach. 9:10; Nahum 1:3

Das Parlament was in seinen eigenen Augen ein großer Erfolg. Es wähnte eben, die ganze unwiedergeborene Menschheit in ein religiöses Band einschließen zu können, ohne dass sie vom Irrtum und von ihren bösen Wegen lassen und das Licht unseres Herrn Jesus annehmen müsse, welche das allein wahre Licht ist. (2. Kor. 4:6; Joh. 1:9; 3:19) Es gibt „Christen“, die das erhoffen und darin das glorreichste Ereignis der Geschichte zu erblicken glauben!

In unseren Augen aber ist das Parlament nur eine neue Kundmachung des Unglaubens und der Untreue der Namenchristenheit. Jes. 29:14 sagt:

„Die Weisheit seiner Weisen wird zunichte werden, und der Verstand seiner Verständigen sich verbergen“; und (Jes. 8:9, 10): „Versammelt euch, ihr Völker, und werdet zerschmettert! Und nehmet es zu Ohren, alle ihr Fernen der Erde! Gürtet (bindet) euch (zusammen) und werdet zerschmettert! Beschließet einen Ratschlag, und er soll vereitelt werden; redet ein Wort (zur Vereinigung), und es soll nicht zustande kommen“; und der Psalmist (2:1-5): „Warum sinnen Eitles die Völkerschaften? (Warum rufen sie Friede! Friede, wenn es keinen Frieden gibt?) treten auf die Könige der Erde (bürgerliche und kirchliche), und ratschlagen miteinander wider Jehova und wider seinen Gesalbten: „Lasset uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile!“ Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer. Dann wird er zu ihnen reden in seinem Zorn, und in seiner Zornglut wird er sie schrecken.“

Wenn Gottes auserwähltes Volk des gegenwärtigen Zeitalters, das geistige Namen-Israel, wie einst Namen-Israel nach dem Fleisch, sein Wort und seine Führung verlässt und Verbindung mit Völkern sucht, die Gott nicht kennen, und die göttliche Wahrheit mit menschlichen Philosophien zu vermengen trachtet, so tut es das auf eine Gefahr hin, die es gar nicht ahnt; es würde wohl daran tun, am Schicksal seines Vorbildes zu lernen, wie Gott ihm vergelten wird!

Hier folgen einige schlimme Folgen des Parlaments, die bereits bemerkbar sind:

1. Es machte die bereits wankenden Gemüter der Namenchristenheit mit verschiedenen heidnischen Regionen bekannt, und zwar in deren idealisiertester Gestalt. Nachträglich erfuhren wir, dass Herr Virchandi R. Gandhi aus Bombay, der indischer Abgeordneter für das Parlament und Sekretär der Jainas-Gesellschaft gewesen war, wieder nach Amerika kam und Chicago als Hauptquartier gewählt hatte, um hier Propaganda für seine Anschauung zu machen. Wir lassen hier eine veröffentlichte Beschreibung seiner Absichten folgen:

Herr Gandhi kommt nicht, um Proselyten zu machen. Der Grundsatz des Jainistischen Glaubens verbietet dies. Er kommt vielmehr, um eine Schule orientalischer Philosophie zu gründen, deren Hauptquartier in Chicago sein wird, und die Zweigstellen in Cleveland, Washington, New York, Rochester und anderen Städten haben wird. Er kommt nicht als Missionar, um die Amerikaner zu irgendeiner Form des Hinduismus zu bekehren. Seinen eigenen Gedanken gemäß ist der wahre Hinduismus Geist. Er besteht nicht in Propaganda. Er ist ein allgemeiner Geist der Liebe und der Macht, der der Verwirklichung der Brüderschaft entspricht, nicht der Brüderschaft der Menschen allein, sondern aller lebenden Wesen, welche allerdings durch alle Nationen mit dem Mund angestrebt, aber in den Gewohnheiten der Welt verleugnet wird. Dies ist im großen und ganzen der Inhalt seiner Glaubensbekenntnisse und die Grundlage, auf welcher er steht. Er ersucht die Amerikaner nicht, sich ihm anzuschließen, sondern Mitarbeiter mit ihm zu werden.“

Zweifellos gewannen viele den Eindruck, dass es in religiöser Hinsicht nichts Gewisses gibt. Dies wurde sogar angedeutet durch einen syrischen Abgeordneten, Herrn Christophore Jibara, welcher sagte:

Brüder und Schwestern in der Verehrung Gottes! In den Augen der ganzen Welt sind alle bei diesem allgemeinen religiösen Kongress vertretenen Religionen einander parallel. Jede dieser Religionen hat Anhänger, die ihre eigene anderen Religionen vorziehen, und jeder könnte einige Beweise erbringen, um andere davon zu überzeugen, dass seine Religion wertvoll und wahr ist. Aus diesen Diskussionen kann sich etwas anderes ergeben, vielleicht Zweifel an allen Religionen, oder die Annahme, dass sie alle gleich sind. Und daher mag die Achtung vor allen Religionen fallen oder abnehmen; es mag sich Zweifel gegen alle inspirierten Bücher erheben, oder es kann dazu führen, dass man allgemein nachlässig wird und an keiner bestimmten Religion mehr festhält, und viele werden dahin kommen, dass sie wegen der Unruhe in ihren Herzen und wegen der Anschauung, die in der einen Religionsform vorherrscht, ihre religiösen Pflichten vollständig vernachlässigen, gerade so, wie es bei vielen Millionen in Europa und Amerika der Fall ist. Ich denke daher, dass aus den verschiedenen Religionen ein Komitee auserwählt werden sollte, welches die Lehrsätze untersucht und einen vollständigen und vollkommenen Vergleich anstellt, so die richtige Religion feststellend, die dann dem Volk verkündigt wird.“

2. Es begründete eine besondere Freundschaft zwischen der großen Babylon, der „Mutter der Huren“, der „Kirche“ Roms, und ihren zahlreichen Töchtern, den protestantischen Kirchen aller Schattierungen, welche sich ihrer wenig schmeichelhaften Verwandtschaft mit der Mutter-Kirche rühmen.

3. Es bedeutet einen großen Schritt weiter - andere werden folgen - in der Richtung der Verbindung der Namenkirche mit der Welt (geistliche „Hurerei“).

4. Es sagte tatsächlich den Heiden, christliche Missionen seien eigentlich nicht nötig; die Christen seien über ihre eigene Religion im Zweifel; ihre heidnischen Religionen seien gut genug, wenn sie nur aufrichtig befolgt würden; das Christentum könne nur mit aller Reserve angenommen werden. Nicht umsonst haben die Heiden einen Unterschied gemacht zwischen dem „Christentum“ der Namenchristenheit und dem Christentum der Bibel, und wie treffend waren oft die Vorwürfe an die Adresse des ersteren!

5. Es sagte zu der gedankenlosen Namenchristenheit: „Friede! Friede!“, da doch kein Friede ist, anstatt Alarm zu blasen, wie Joel (2:1) sagt: „Stoßet in die Posaune auf Zion, und blaset Lärm auf meinem heiligen Berge! ... denn es kommt der Tag Jehovas, denn er ist nahe!“ - und alle aufzufordern, sich zu demütigen unter die gewaltige Hand Gottes.

6. Es war offensichtlich eine Maßregel der Selbsthilfe seitens der führenden Geister in der Namenchristenheit, die die Drangsal dieses Tages des Herrn mit Angst herannahen fühlen; und den Anstoß zu dieser Maßregel gab die zerrissene, schwankend gewordene Presbyterianer-“Kirche“. Dieser Ruf: „Friede! Friede!“ unmittelbar vor dem Ausbruch des Sturms erinnert an die Weissagung (1. Thess. 5:3): „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben über sie.“

  Kinder Gottes sollten sich durch Babylons trügerische Hoffnungen nicht blenden lassen. Gott allein ist eine sichere Zuflucht. (Psalm 91) Lasst uns noch enger als bisher uns an das Kreuz Christi, das unsere einzige Hoffnung ist, zusammenschließen! Falsche Religionen und das gefallene „Christentum“ mögen den Wert ihrer Brüderschaft erproben; wir glauben nur an die Brüderschaft in Christo, die Brüderschaft derer, die allein von Christo die Erlösung erwarten, durch den Glauben an sein kostbares Blut. Andere Menschen sind nicht Kinder Gottes und werden es nicht sein, bevor sie im Glauben zu Christo kommen, der sie erkauft hat und sie vertreten will. Sie sind Kinder des Zornes, gleich wie wir waren, ehe wir zu Christo kamen (Eph. 2:3), und einige sind Kinder des Bösen, dessen Werk sie verrichten. Nachdem Gott Adam und seine Nachkommenschaft zum Tode verurteilte wegen der Sünde, betrachtete und behandelte er die Menschen nicht mehr als seine Kinder, und nur insofern sie zu Christo kommen, durch den Glauben an sein kostbares Blut, werden sie wieder als Kinder Gottes gerechnet und des Segens dieser Kindschaft teilhaftig. Demnach, wenn wir nicht mehr Kinder des Zornes sind, sondern durch Christum als Söhne Gottes anerkannt werden, so können andere Menschen, die Gott nicht als Söhne anerkennt, nicht unsere Brüder sein. Als Kinder des Lichtes lasst uns wachen und nüchtern sein (1. Thess. 5:5, 6); als Streiter des Kreuzes lasst uns tapfer kämpfen für die Wahrheit und kein anderes Evangelium annehmen, wäre es auch von einem Engel vom Himmel (Gal. 1:8) verkündigt, und lasst uns mit niemand uns verbünden, als nur mit den geweihten und treuen Nachfolgern des Lammes Gottes, welches der Welt Sünde wegnimmt.

Es sind jedoch nicht alle Christen so bereit, sich in Religionssachen mit den Heiden zu verbrüdern, wie die Vertreter der Kirchen im Religionskongress. Es fehlt nicht an Stimmen, welche von der Einsicht zeugen, dass die „Kirche“ in ihrem gegenwärtigen Zustand die Welt nicht zu bekehren vermag. Folgender Auszug aus einer Nummer der „Missionary Review“ bestätigt uns, dass die Kirche hinsichtlich des Werkes der Bekehrung der Welt gefehlt hat:

Tausend Millionen Seelen, zwei Drittel der Menschheit - Heiden, Mohammedaner usw. - haben noch keine Bibel gesehen und noch nichts von einem Evangelium gehört. Für diese tausend Millionen sind weniger als zehntausend protestantische Missionare, Männer und Frauen, von den christlichen Kirchen ausgesandt worden. Tibet, fast ganz Zentralasien, Afghanistan, Belutschistan, Arabien, der größte Teil des Sudans, Abessiniens, der Philippinen, große Teile von Westchina, Ost- und Zentral-Kongo, von Südamerika und viele Inseln sind vom protestantischen Missionswerk unberührt geblieben.“

In einer Flugschrift machte vor einiger Zeit Rev. James Johnston darauf aufmerksam, dass in den hundert Jahren, seit die protestantische Mission am Werke ist, sie nur drei Millionen Seelen gewonnen hat, indes die Heiden um 200 Millionen Köpfe zugenommen haben, nicht nur auf dem Wege der Bevölkerungsvermehrung, sondern weil Brahmanen, Buddhisten und Mohammedaner mit ihren Bekehrungsversuchen viel mehr Erfolg haben.

Dennoch hofft Johnston auf die Bekehrung der Welt durch die Protestanten, wenn diese nur das nötige Geld hergeben, und findet für diese Hoffnung den Beifall der „Methodist Times“ und anderer Theoretiker.

Ja, eben nur Geld wird als nötig betrachtet! Wenn die Namenkirche es bei ihren Anhängern zu so viel Selbstverleugnung brächte, dass diese ein Zehntel von ihrem Einkommen oder wenigstens von ihren Ersparnissen dem Missionswerk zur Verfügung stellten, so würden sie dieses mit größeren Hoffnungen betrachten. Aber gerade darin liegt das Verzweifeltste an der trügerischen Hoffnung der Namenkirche. Es wäre leichter, die Heiden zu einem bloßen Bekennerchristentum zu bekehren, als den Geist dieser Welt in den Mitgliedern der „Kirchen“ zu besiegen.

Aber wenn auch 12.000 Missionare auf einmal ins Feld gestellt werden könnten, hätten sie mehr Erfolg als ihre Amtsgenossen in Amerika? Höre doch das betreffende Zeugnis des verstorbenen bekannten protestantischen Geistlichen T. De Witt Talmage:

„O, wir haben ein glänzendes Kirchensystem in diesem Land, wir haben 60.000 Prediger; wir haben kostbare Musik; wir haben große Sonntagsschulen; dennoch muss ich Ihnen die erschreckende Statistik vorlegen, dass die Kirchen in den letzten fünfundzwanzig Jahren in diesem Land durchschnittlich je zwei Bekehrungen jährlich erreichten.

„Durchschnittlich gab es in einer Kirchengemeinde vier oder fünf Tote. Wann werden wir denn demzufolge diese Welt zu Gott gebracht haben? Wir gewinnen zwei; wir verlieren vier. Ewiger Gott! Wohin soll das führen?“

Vor einiger Zeit erörterte der Domherr Taylor von der englischen Kirche die Frage: „Sind die christlichen Missionen ein Fehlschlag?“ Die Abhandlung wurde bei dem Kongress der englischen Kirche verlesen. Taylor führte darin aus, dass die mohammedanische Religion in mancher Hinsicht dem Christentum nicht nur gleichwertig sei, sondern dass sie den Bedürfnissen und Verhältnissen vieler Völker in Asien und Afrika weit besser angepasst sei, so dass das Christentum bei seinem gegenwärtigen Fortschritt niemals hoffen kann, das Heidentum zu überflügeln. Wenn man annimmt, dass unter den Heiden jährlich 11.000.000 Menschen mehr geboren werden als sterben, während unter den Christen diese Zahl 60.000 beträgt, so würden die Missionsgesellschaften 183 Jahre brauchen, um die einjährige Bevölkerungszunahme der Heiden einzuholen. Unter anderem sagte er:

Den Sonntagsschulkindern ihre ersparten Groschen abzunehmen, angeblich, um damit die „armen Heiden“ zu bekehren, während man 60.000 Dollar jährlich ausgibt für eine fruchtlose Mission in Ländern, in welchen es keine Heiden gibt, erscheint mir fast als Verbrechen - das Verbrechen, Geld zusammenzutreiben unter falschem Vorwand.“

Indem er ausführte, was nach seinem Dafürhalten die Ursache des Fehlschlages der Mission sei, sagte er, dass sie sicherlich in dem Sektierertum zu suchen sei und in dem Mangel an voller Weihung für das Werk seitens der Missionare, welche sich bemühten, als Fürsten in mehr als europäischem Luxus zu leben. Er zitierte folgende Worte von D. Legge, einem Missionar von vierunddreißigjähriger Amtstätigkeit:

Ich glaube, unsere Bekehrungsbemühungen werden so lange vergeblich sein, wie das Christentum noch durch die bitteren inneren Feindseligkeiten christlicher Sekten geschädigt wird und sich den Eingeborenen noch mit der Trunkenheit, der Verworfenheit und mit den riesenhaften sozialen Übeln, welche bei den christlichen Nationen auftreten, zeigt. Bischof Steere sagt, die beiden größten Hindernisse zum Erfolg seien die Streitigkeiten unter den Missionaren selbst und die Nebenbuhlerschaft der Gesellschaften.“

Während Domherr Taylor und viele andere aber, die bei dem Religionskongress ihre Empfindungen zum Ausdruck brachten, die Kritik zum Schweigen bringen würden, indem sie uns sagen, dass die heidnischen Religionen gut genug seien und den Bedürfnissen der betreffenden Länder besser entsprächen als das Christentum, so bekommen wir doch durch den Bericht des verstorbenen Bischofs Foster von der Methodistenkirche eine weit andere Vorstellung. Bischof Foster gab nach einer ausgedehnten Weltreise das folgende Bild über den traurigen Zustand der heidnischen Finsternis:

Nimm dir alle Bilder von Armut und Verkommenheit, die du je an einzelnen Stätten des größten Elends gesehen hast, zu Hilfe - jene traurigen Fälle, die dir Entsetzen einflößend folgten, jene traurigen Wohnungen, welche von Unflat und Schmutz erfüllt sind, stelle sie zusammen in ein Bild, das in seiner Eintönigkeit durch keinen einzigen gemäßigteren Schatten, durch keine einzige Lichtfärbung unterbrochen wird, und hänge es über die eine Hälfte deines Globusses - es wird der Wirklichkeit noch nicht gleich kommen. Du musst es vom Standpunkt völliger Hoffnungslosigkeit aus betrachten. Der hervortretendste Zug des Heidentums ist Armut. Du hast niemals Armut gesehen, die Bedeutung des Wortes Armut ist dir völlig unbekannt, denn was du Armut nennst, ist Reichtum, Luxus. Du musst dir diese Armut nicht als vereinzelt an ausnehmend elenden Stätten vorstellen, sondern allgemein als Weltteil umfassend. Lege Hunger, Nacktheit, Bestialität hinein, nimm alle Hoffnung, morgen sei es etwas besser, hinweg; fülle Asien, fülle Afrika damit, stelle dir Männer, Frauen und Kinder vor, an Zahl diejenige aller eurer großen Städte, eurer Länder und Staaten zwanzigfach übertreffend - das Bild wird der Wirklichkeit nicht gleichkommen.“

Der Bischof setzt seine Ausführungen mit eindrucksvollen Worten fort. Er erinnert daran, dass diese Millionen Elender wie Tiere, ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt leben, dass sie nicht von einer zukünftigen Welt Besseres erwarten, und dass sie doch ebenso gut Menschen sind wie wir. Unter all diesen Millionen gibt es kein Herz, das nicht menschliches Sehnen empfände, und das nicht gereinigt und veredelt werden könnte. Viele der erwähnten Länder, die sich jetzt in ungeheurem Elend befinden, würden, hätten sie, was wir haben, unseren Ländern gleichkommen, ja, großenteils sie sogar übertreffen. Wir geben des weiteren seine eigenen Worte wieder:

Male dir einen sternenlosen Nachthimmel aus, verhülle den weitreichenden Ausblick der Berge durch Dunkelheit, lass die Zukunft in noch tieferer und schwärzerer Nacht erscheinen, erfülle die schreckliche Düsterheit mit hungrigen Menschen, mit Männern, deren Angesichter von Kummer entstellt sind, mit sorgerfüllten Frauen, hoffnungslosen Kindern - das ist die heidnische Welt, das Volk, welches der Prophet „in Finsternis und im Lande des Todesschattens“ sitzen sah, das noch kein Licht gesehen hat, das noch immer dort sitzt, während der ganzen langen, langen Nacht, auf den Morgen wartend. Tausend Millionen im Land des Todesschattens, demselben Land, in welchem ihre Väter vor fünfundzwanzig Jahrhunderten saßen, warten noch immer, nicht fähig, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Millionen ernähren sich von Wurzeln und Kräutern und von dem unsicheren Ertrag, den die Natur, welche der Verstand sich nicht unterworfen hat, liefern mag. Diejenigen, welche unter Regierungsformen wohnen und in halbzivilisierten Gebieten, welche Ländereien in gewisser Weise ordnen und Industrie begünstigen, verdienen täglich nicht mehr als drei Cents, womit sie sich und ihre Kinder unterhalten sollen - in Wirklichkeit nicht genug, um ein Tier damit zu unterhalten. Von ihren Tyrannen werden sie natürlich ausgebeutet. Zu Scharen wohnen sie eingepfercht in Ställen, welche für Schweine nicht passen würden; keinerlei Vorkehrung ist getroffen für ihre menschlichen Bedürfnisse. Unterdrückt durch die Tyrannei roher Gewalt werden alle menschlichen Spuren in ihnen ausgelöscht, außer einem unausrottbaren, stummen und blinden Sehnen nach etwas, sie wissen nicht, was es ist - das sind die Heiden, Männer und Frauen, unsere Brüder und Schwestern.

„Ich bezweifle nicht, dass die zahllosen Millionen in der kommenden Welt gerettet werden. Ich behaupte nicht, dass ihre Aussicht in dieser Hinsicht dadurch gebessert wird, dass wir ihnen das Evangelium bringen. Möglicherweise werden von ihnen ohne das Evangelium ebenso viele gerettet wie mit demselben.“

Der Bischof erwähnte auch die Tatsache, dass von der Bevölkerung der Welt, welche auf 1.450 Millionen geschätzt wird, 1.100 Millionen Nichtchristen sind und dass viele (in der Tat fast alle) der Namenchristen entweder Heiden oder christenfeindlich sind. Er versuchte angesichts des Misslingens der Kirche hinsichtlich der Bekehrung der Welt während eines Zeitraumes von achtzehn Jahrhunderten und angesichts der Hoffnungslosigkeit des Falles, die Kirche von der Verantwortung, die sie auf sich geladen hatte, zu befreien, indem er sagte, dass diese Millionen Heiden wohl ohne Glauben an Christum gerettet werden müssen. Er befreite Gott selbst von der Verantwortung für diese Not, indem er sagte: „Gott tut sein Bestes mit der Macht, die ihm verliehen worden ist.“ (!!)

Die „Church Times“ veröffentlichten vor einigen Jahren den Artikel eines Maori-Christen, von welchem der folgende Auszug die Ursache darlegt, weshalb die Kirche verfehlte, die Welt in nennenswertem Maße zu erleuchten. Der Brief erschien ursprünglich in einer neuseeländischen Zeitung und lautet wie folgt:

Sie veröffentlichten vor einigen Tagen einen Bericht darüber, was sich bei einer Versammlung von Maori-Christen, die von einem Bischof der christlichen Kirche zusammengerufen wurde, ereignete. Ich war bei der Versammlung zugegen und möchte gern eine Antwort geben auf eine der Fragen, welche der Bischof uns stellte. Wir wurden gefragt: „Warum ist das Feuer des christlichen Glaubens bei den Maori-Christen meiner Diözese so gering?“ Ich will Ihnen sagen, was ich für die Ursache halte. Wir Maoris werden verwirrt und befremdet durch die Art und Weise, mit welcher Sie Europäer Ihre eigene Religion behandeln. Niemand unter Ihnen scheint sich gewiss zu sein, ob die Religion überhaupt eine Bedeutung habe oder nicht. Auf Geheiß Ihrer ersten Missionare nahmen wir das an, was uns als wahre Religion bezeichnet wurde an Stelle der Religion unserer Väter, welche sie als falsch darstellten. Wir nahmen das Buch an, welches die Geschichte und die Vorschriften der „wahren Religion“ enthielt, als das wahre Wort Gottes für uns, seine Geschöpfe. In ganz Neuseeland brachten wir dem Schöpfer täglich am Morgen und am Abend Anbetung dar. Wir hielten den siebenten Tag heilig, und wir nahmen Abstand von jeder Arbeit, aus Achtung vor dem göttlichen Gebot, und aus demselben Grunde schafften wir die Sklaverei und die Vielweiberei ab, obgleich wir auf diese Weise unser ganzes soziales System umstießen, unseren Edelstand arm machten und denen viel Schmerz bereiteten, welche einige der zartesten Familienbande trennen mussten. Als wir eben angefangen hatten, unsere Kinder zu erziehen zum Gehorsam gegen Gott und zur Erkenntnis des Schöpfers, kamen die Europäer in großer Anzahl in unser Land. Sie besuchten unsere Ortschaften und erschienen sehr freundlich, wir aber merkten bald, dass sie der Bibel nicht dieselbe Beachtung schenkten wie wir. Die römischen Katholiken sagten uns, sie allein wären im Besitz der richtigen Auslegung, unsere Seelen würden verloren gehen, wenn wir uns ihnen nicht anschlössen. Darauf kamen die Baptisten, welche unsere Kindertaufe lächerlich machten und uns sagten, dass wir gar keine getauften Christen seien, wenn wir nicht untergetaucht wären. Dann kamen die Presbyterianer, welche uns sagten, dass das Bischofsamt nicht schriftgemäß sei und dass wir uns einer bedeutungslosen Zeremonie unterworfen hätten, als wir uns durch Bischof Selwyn konfirmieren ließen. Schließlich kamen auch die Plymouth-Brüder, welche uns sagten, Christus habe überhaupt keine sichtbare Kirche, gar kein sichtbares Kirchenamt eingerichtet, jeder solle vielmehr sein eigener Geistlicher sein und sein eigenes Glaubensbekenntnis machen. Außer der Verwirrung, welche durch das gottlose Beispiel der meisten Europäer und durch die widerspruchsvollen Lehren der Geistlichen in unserem Geiste hervorgerufen wird, werden wir noch durch das Verhalten der Regierung verwirrt, die, während sie doch vorgibt, an dem moralischen Gesetz der Bibel festzuhalten, als wir machtlos wurden, nicht zögerte, feierliche Versprechen zu brechen, welche uns zu einer Zeit gegeben worden waren, da wir zahlreicher und mächtiger waren als die Europäer. Groß war unsere Überraschung, als das Parlament, welches sich nicht aus unwissenden Menschen niedriger Geburt zusammensetzte, sondern aus europäischen Herren, welche sich Christen nannten, die Bibel aus den Schulen verbannte. Während es die Lehrer anwies, die neuseeländischen Kinder in allen Zweigen der Wissenschaft fleißig zu unterrichten, sagte es ihnen bei keiner Gelegenheit, sie sollten etwas über die christliche Religion, über Gott und sein Gesetz, lehren. Mein heidnischer Lehrer hatte mich gelehrt, die unsichtbare Macht zu fürchten und zu verehren, und meine Eltern lehrten mich, bei allen meinen Handlungen dem Atuas Gehorsam zu leisten, der mich sonst bestrafen würde. Meine Kinder aber werden in den Schulen dieses jetzt christlichen Landes nicht gelehrt, einem Wesen Achtung zu erweisen, welches über dem Polizisten steht oder einen Richter zu fürchten, der noch über dem Friedensrichter steht.

„Wenn der christliche Bischof uns wieder einmal fragen sollte, weshalb wir so wenig Glaubensfeuer besitzen, so gedenke ich ihm zu antworten, er solle uns doch erst einmal sagen, weshalb dies denn bei seinem eigenen Volk der Fall ist. Wir hätten geeignete Worte anführen können aus dem Buche, welches das englische Volk für jeden Menschen - nur nicht für sich selbst - als Lebensregel annehmen und als Gottes Wort verehren will, nämlich: „Arzt, hilf dir selbst.“

„Können unwissende Maori-Christen getadelt werden, weil sie lauwarm sind im Dienste Gottes, dessen Existenz der Aussage eines Geistlichen gemäß in der Christenheit niemand nachweisen kann? Manchmal denke ich, meine Kinder hätten mehr Aussicht gehabt, ehrenwerte Männer und Frauen und glücklich zu werden, wenn die Zeit kommt, da sie in die unsichtbare Welt eingehen und ihren Schöpfer treffen sollen, wenn ich mit dem ersten Maorikönig (Potatu), ehe ich ein offenes Bekenntnis zu Ihrer Religion ablege, gesagt hätte: „Sie sollten erst unter sich ausmachen, was Religion eigentlich ist.“ Ich glaube, dass der wahre Glaube an die unsichtbare, geistige Welt, den meine Väter hatten, besser ist als der Scheinglaube, den wir auf Anraten des europäischen Volkes mit ihm vertauschten. Hochachtungsvoll Tangata Maori.“

Folgender Auszug aus einem Artikel der „North American Review“, der von Wong Chin Foo, einem gebildeten Chinesen, einem Studenten einer neuenglischen Hochschule stammt, zeigt ähnliche Gründe, weshalb die Religion der Väter dem Christentum vorgezogen wurde. Wong Chin Foo sagte folgendes:

Als Heide geboren und erzogen, erlernte ich unser moralisches und religiöses Gesetzbuch, und ich handelte danach. Dadurch war ich mir selbst und anderen zum Nutzen. Mein Gewissen war rein, und meine Hoffnungen hinsichtlich der Zukunft waren nicht verdunkelt durch ablenkende Zweifel. Mit dem Alter von siebzehn Jahren wurde ich jedoch in Ihre gerühmte christliche Zivilisation versetzt, und in dieser Periode, wo man so empfänglich ist, stellte sich das Christentum mir in dem glänzendsten Lichte dar. Liebenswürdige, christliche Freunde nahmen sich meiner materiellen und religiösen Wohlfahrt an, und ich war nur zu willig, die Wahrheit zu erfahren. Ich wurde überredet, mein Leben der christlichen Mission zu weihen. Ehe ich dieses hohe Amt antrat, musste ich aber die christliche Lehre, welche ich verbreiten wollte, selbst erlernen, und nun wurde ich durch die Zahllosigkeit der christlichen Sekten beunruhigt. Jede behauptete, allein den richtigen Pfad zum Himmel zu wissen.

„In den Presbyterianismus blickte ich nur, um zurückzuschaudern vor dem Glauben an einen so unbarmherzigen Gott, der die meisten des hilflosen Menschengeschlechtes zu einer ewigen Qual im voraus bestimmte. Wenn ich so etwas intelligenten Heiden predigen würde, so würden diese an der Gesundheit meines Verstandes zweifeln, wenn sie mich nicht für einen Lügner halten würden. Dann untersuchte ich die baptistischen Lehren, fand hier aber so viele Sekten, die sich nicht einig waren über den Nutzen der Einführung durch kaltes Wasser und über Zeit und Methode hinsichtlich der Durchführung derselben, dass mich diese Geringfügigkeiten anekelten. Die Streitigkeiten über das Abendmahl erweckten in mir den Eindruck, dass einige mit ihrem Brot und Wein sehr geizig waren und andere etwas weniger. Der Methodismus berührte mich wie eine Donner- und Blitz-Religion, lauter Bekenntnis und Geräusch. Die Kongregationalisten stießen mich ab durch ihre Steifheit und ihr Selbstbewusstsein hinsichtlich wahrer Frömmigkeit. Der Unitarianismus schien mir aus lauter Zweifeln zu bestehen, er schien sich selbst anzuzweifeln. Die Prüfung einer Anzahl christlicher Sekten, die auf Überspanntheiten basierten, achtete ich als Nichtchrist nicht der Mühe wert. In einem Punkt stimmte aber die Masse der protestantischen Abzweigungen überein, und zwar in dem vereinten Hasse gegen den Katholizismus, der älteren Form des Christentums. Der Katholizismus erwidert seinerseits diesen Hass mit Zins und Zinseszinsen. Hochmütig erklärte er sich einfach als die einzig wahre Kirche, außerhalb derer es keine Errettung gibt - besonders für Protestanten nicht, und dass ihr Oberhaupt der persönliche, unfehlbare Stellvertreter Gottes auf Erden sei. Hier war religiöse Einigkeit, Macht und Autorität mit einer Rache. Meine protestantischen Freunde warnten mich aber einstimmig vor dem Katholizismus, der schlimmer sei als Heidentum, dem stimmte nun auch ich wieder zu. Dasselbe Argument überzeugte mich aber auch davon, dass der Protestantismus zu derselben Kategorie gehört. In der Tat, je mehr ich das Christentum in seinen verschiedenen Formen, von denen eine die andere bekrittelt, erforschte, um so mehr erschien es mir als „ein tönendes Erz und eine schallende Zimbel.“

„Nennen Sie uns Heiden, wenn Sie das wollen, die Chinesen sind in sozialer Hinsicht Ihnen doch noch überlegen. Unter vierhundert Millionen Chinesen gibt es während eines Jahres weniger Morde und Diebstähle als im Staate von New York. Es ist wahr, China unterhält einen luxuriösen Monarchen, dessen Launen man willfahren muss, trotzdem gibt es kein Volk in der Welt, welches so wenig Steuern zu bezahlen braucht, wie das chinesische. Wir brauchen nur in Form von Bodenerträgen, Reis und Salz zu zahlen, und dennoch hat China nicht einen Dollar Nationalschulden.

„Die Christenheit ist immer stolz auf ihre Religion. Es werden große Kirchen gebaut und lange Gebete gehalten, und doch gibt es in einer einzigen Kirchengemeinde von tausend Seelen in New York mehr Verderbtheit als unter einer Million Heiden, die keine Kirchen besitzen, und denen nicht gepredigt wird. Die Christen sprechen lang und breit darüber, wie man gut und wohltätig sein sollte. Es ist alles nur Wohltätigkeit und keine Brüderlichkeit: Hier, Hund, nimm deine Kruste und sei dankbar! Ist es denn darum ein Wunder, dass es während eines Jahres im Staate New York mehr Herzzerbrechen und Selbstmorde gibt als in ganz China?

„Der Unterschied zwischen Heiden und Christen besteht darin, dass der Heide das Gute tut um des Guten willen. Der Christ tut das wenige Gute, das er vollbringt, um der zeitlichen Ehre und um der zukünftigen Belohnung willen; er leiht dem Herrn und fordert es mit Zinsen zurück. In der Tat, der Christ ist ein würdiger Erbe seiner religiösen Vorfahren. Der Heide tut viel und spricht wenig darüber, der Christ tut wenig, wenn er aber etwas tut, muss es in die Zeitung kommen und schließlich auch auf seinem Grabstein stehen. Liebe den Menschen um des Guten willen, das er dir tut, das ist ein praktischer christlicher Gedanke, nicht um des Guten willen, das du ihm tun solltest aus Christenpflicht; so lieben die Christen die Heiden; ja, die Besitztümer der Heiden lieben sie, und im Verhältnis zu letzteren wächst die Liebe der Christen ins Unermessliche. Als den Engländern nach dem chinesischen Gold und Handel gelüstete, sagte er, er wünsche „Chinas Tore der Mission zu öffnen.“ Der Opiumhandel war seine Hauptmission, ja, war seine einzige Mission, nachdem er einmal die Öffnung der Tore Chinas erzwungen hatte. Dieses Unheil, welches die Christen über die Chinesen gebracht haben, ließe sich in 200 Jahren nicht wieder gut machen. Auf Euch Christen und auf Eure Geldgier legen wir die Verantwortung für dieses Verbrechen. Millionen und Millionen ehrsamer, nützlicher Männer und Frauen habt ihr nach einem elenden Leben in einen vorzeitigen Tod gesandt, oder zum mindesten einem physischen und moralischen Niedergang ausgeliefert. Diesen großen nationalen Fluch haben Sie mit der Spitze Ihrer christlichen Bajonette über uns gebracht! Und Sie wundern sich noch darüber, dass wir Heiden sind? Der einzige Eindruck, den die Christen auf die Heiden gemacht haben, ist der, dass sie ihre Religion, ihre Grundsätze, ihre Ehrenhaftigkeit preisgeben, wenn es Gold einbringt, und nun kommen sie und sagen salbungsvoll zu den armen Heiden: Ihr müsst unseren Glauben annehmen, wenn ihr euer Seelenheil schaffen wollt! ...

„Tue anderen, was du wünscht, dass man dir tue“, oder: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“, ist das große göttliche Gesetz, bei den Christen wie auch bei den Heiden, aber die Christen ignorieren es. Darum bleibe ich Heide, der ich bin; ich lade die Christen Amerikas allen Ernstes zum Konfuzianismus ein.“

Der folgende ähnliche Fall wurde durch die Presse berichtet von einer indischen Frau, Pundita Rumabai, die Boston vor einigen Jahren besucht hatte und sich nun anschickte, nach Indien zurückzukehren, um den Frauen der vornehmen Kaste in Indien das Evangelium zu verkünden. Als sie gefragt wurde, welcher christlichen Gemeinschaft sie angehöre, wurde es ihr nicht leicht zu antworten. Ein Zeitungsberichterstatter hatte ihr die Frage gestellt. Sie gab folgende Antwort:

Ich gehöre zur allgemeinen Kirche Christi. Ich habe gute Baptisten, Methodisten, Bischöfliche und Presbyterianer getroffen, und jeder erzählte mir etwas von der Bibel. So halte ich es für am besten, selbst dorthin zu gehen, und ich finde auch, dass dies das Beste ist, was ich tun kann. (Ein weiser Entschluss.) Ich finde dort Christum, den Heiland der Welt, und ihm schenke ich mein Herz. Ich wurde, als ich in England war, getauft, und ich pflege Gemeinschaft mit allen Christen, die mir dies gestatten. Ich bekenne mich zu keiner besonderen Gemeinschaft, ich möchte vielmehr einfach als Christin nach Indien zurückkehren. Mir scheint, dass das Neue Testament ein völlig hinreichendes Glaubensbekenntnis ist. Ich glaube, was der Heiland uns gesagt hat, dass Gott ein Geist, Licht und Liebe ist, dass er das Universum erschuf, erleuchtet und erhält, dass er Jesum, den Apostel unseres Glaubens, sandte, damit er der Heiland und der Führer seiner Kinder würde, die große Gabe Gottes durch Christum; dass es nur eine Kirche gibt, und dass alle, welche Christum anerkennen, Glieder dieser Kirche sind. Ich glaube, dass mir alles verliehen werden wird, dessen ich bedarf, und ich bete ernstlich darum, dass Gott mir Gnade zuteil werden lassen möge, die Wahrheit ernstlich zu suchen und ihr zu folgen und seinen Willen zu tun. In Boston sagte man mir, ich sei Unitarierin, ich sagte, dass ich dies nicht sei. Ich bin auch keine Trinitarierin, ich bin ganz einfach Christin, und was meine Religion lehrt, ist das Neue Testament.“

Die Bekehrten in Japan offenbaren einen ähnlichen Geist. Ihr edler Wandel gereichte einerseits den nominellen Kirchen mit ihren Glaubensbekenntnissen zu schwerem Tadel, andererseits bestätigte er in einer prächtigen Weise die Macht des Wortes Gottes. Über ihren Standpunkt hinsichtlich der Glaubensbekenntnisse der Namenchristenheit und ihren Entschluss, sich nur an die Bibel zu halten, bringt der folgende veröffentlichte Bericht Mitteilung:

Als das japanische Kaiserreich dem amerikanischen Handel geöffnet wurde, waren die amerikanischen Kirchen geschäftig, für ihre verschiedenen Glaubensbekenntnisse in diesem Land Proselyten zu machen. Die ausgesandten Missionare fanden, dass ihre Trennung ein wirksames Hindernis zum Erfolg sein würde, und sie beschlossen, ihre Streitigkeiten beiseite zu lassen und vereint nur für die Seelen zu wirken, indem sie nur Gott und den für die Sünden gekreuzigten Christus verkündigten, bis sie festen Fuß gefasst haben würden. Das Werk hatte so großen Erfolg, dass man im Jahre 1873, als die heimatlichen Missionsanstalten mit Geschrei für ihre Sekten die Ernte verlangten, beschloss, die Beute aufzuteilen.

„Als aber die Täuschung den Bekehrten in sorgsamer Weise vorgelegt wurde, entstand eine unerwartete Schwierigkeit. Die japanischen Christen versammelten sich und verfassten eine Bittschrift, in der sie darlegten, dass sie in Christo Jesu Freude und Frieden und Gerechtigkeit gefunden hätten, und sie erhoben Einspruch dagegen, dass sie nun im Widerspruch zum Worte und Geiste Gottes getrennt werden sollten. Sie baten die Missionare, welche ihnen so bejammernswerte Zustände, die in Amerika herrschten, bekannt hatten, dorthin zurückkehren und die Evangelisation Japans ihnen selbst (den christlichen Japanern) zu überlassen.

„Exemplare dieser Bittschrift wurden den verschiedenen Missionsanstalten, die die Missionare unterhalten und beaufsichtigt hatten, übersandt, und Agenten wurden ausgesandt, um zu untersuchen und zu berichten. Einer dieser Agenten, dessen Brief in der Zeitung „The Independent“ veröffentlicht wurde, sagt über die kürzlich aus heidnischer Finsternis Befreiten: „Die einfältige Freude über die Errettung übersah bei ihnen alle anderen Erwägungen“, und „es wird noch viele Jahre dauern, bis sie in die Feinheiten der Lehrunterschiede, welche die Christenheit trennen, eingeführt werden können.“ Gleichwohl beharrten diejenigen, bei welchen die „anderen Erwägungen“ die „Freude über die Errettung“ übersahen, und die die Liebe Gottes ausschalteten, in ihrem Trennungswerk. Der Geist trieb, wie er es immer tut, so auch die aufrichtigen Seelen in Japan dazu, sich nur im Namen Jesu zu versammeln. Die größte Schwierigkeit bei dem Werk der sektiererischen Mission liegt darin, die Bekehrten in „die Feinheiten der Lehrunterschiede, welche die Christenheit trennen, einzuführen.“ Sehr wenige Anhänger irgendwelcher Sekten sind auf solche Weise eingeführt. Sie sind von Vorurteil eingenommen und überführt durch andere Erwägung als durch wahre Überzeugung. Ein sehr geringer Prozentsatz von Christen hat ein einsichtiges Urteil über Glaubensbekenntnisse und die Unterschiede, durch welche sie von anderen Sekten getrennt werden.“

So denken und fühlen intelligente Heiden angesichts der Verwirrung in der Lehre der „Namenchristenheit“. Aber wir sind froh zu wissen, dass dennoch nicht alle Arbeit christlicher Mission an den Heiden umsonst war; dass hier und dort der Same göttlicher Wahrheit in aufrichtige Herzen gefallen ist und dort Früchte der Gerechtigkeit erzeugt hat. Solche Früchte sind aber nicht den Glaubensbekenntnissen, sondern dem Wort und Geist Gottes zuzuschreiben, der trotz aller Verwirrung wirkt. Der Herr bezeichnete das Alte und Neue Testament als seine zwei Zeugen (Offb. 11:3), und die sind es, die ihr Zeugnis zu allen Völkern gebracht haben.

Dafür, dass die Heiden Anschluss an die verschiedenen christlichen „Kirchen“ suchen, haben wir kein Anzeichen; wohl aber sagt das sichere Wort der Weissagung, dass die verschiedenen protestantischen Kirchen einen Bund machen und sich alsdann mit der katholischen Kirche verbünden werden, ohne in ihr aufzugehen. Protestantismus und Katholizismus sind die beiden Enden der kirchlichen Himmel, die, wenn ihre Verwirrung zunimmt, zusammenrollen werden wie ein Buch (Jes. 34:4; Offb. 6:14), um sich zu schützen, getrennte Rollen, und doch so nahe wie möglich aneinander.

Dies scheint den Protestanten so wünschenswert, dass sie alles dem zuliebe preiszugeben sich bereit zeigen, indes das Papsttum eine scheinbar versöhnliche Haltung einnimmt. Jeder denkende Beobachter bemerkt dies und jeder, der in der Geschichte bewandert ist, kennt den verwerflichen Charakter des großen antichristlichen Systems, das jetzt aus dem Zwiespalt der Protestanten Nutzen zu ziehen hofft, namentlich in den Vereinigten Staaten. Wiewohl es sich stärker fühlt als der zersplitterte Protestantismus, so fürchtet es doch die herannahende Krisis und sucht daher nach Verbindung mit dem Protestantismus und mit der weltlichen Macht.

Der folgende Auszug aus einem Artikel von Walter Elliot, New York City, der in einer Zeitung erschien und bei dem kolumbischen katholischen Kongress im Jahre 1893 verlesen wurde, zeigt, dass die katholische Kirche von der gegenwärtigen Verwirrung des Protestantismus Nutzen zu ziehen beabsichtigt. Der Artikel lautete unter anderem:

Der Verfall des dogmatischen Protestantismus ist unsere Gelegenheit. Vor unseren Augen gehen Konfessionen und „Glaubensbekenntnisse“ und „Schulen“ und „Bekenntnisse“ in Stücke. Große Männer erbauten sie, und kleine vermögen sie niederzureißen. Diese neue Nation (die Vereinigten Staaten) kann nur mit Geringschätzung auf eine Einrichtung (Protestantismus) blicken, die kaum doppelt so lange besteht, wie sie (die Nation) selbst, und die doch schon abgelebt ist. Sie kann nur mit Ehrfurcht auf die Einrichtung (die römisch-katholische Kirche) blicken, durch deren Zeitraum diese große Republik ihren Lauf fast zwanzigmal hätte machen können. Ich sage Ihnen, dass die Kraft der nationalen Jugend sich wundern muss über die Frische der alten (römisch-katholischen) Kirche, und dass sie dieselbe bald als göttliche begrüßen muss. Die Lehren des älteren Protestantismus verwelken im Geiste des Volkes, oder sie werden abgeschüttelt.“

Papst Leo XIII: setzte in einem Hirtenbrief römischen Katholiken, die für die Bekehrung der Protestanten zur römischen Kirche beten würden, eine Belohnung aus, die darin bestehen sollte, dass sie für eine Zeit vom Fegefeuer befreit würden. Von seinem Hirtenbrief war ein Teil an die Protestanten gerichtet. Wir führen einen Auszug davon an:

Mit brennender Liebe wenden wir uns nun an das Volk, welches in vergangener Zeit unter dem Einfluss außergewöhnlicher Zuckungen die Brust der katholischen Kirche verließ. Mögen sie doch den vergangenen Wechsel vergessen, ihren Geist über menschliche Dinge erheben und, nur nach Wahrheit und Errettung dürstend, die wahre, durch Christum gegründete Kirche betrachten. Wenn sie dann ihre eigenen Kirchen mit dieser vergleichen werden und sehen, in welche Lage sie ihre Religion gebracht hat, werden sie bereitwillig zugeben, dass die Ebbe und Flut des Wechsels sie, als sie die vergangenen Urüberlieferungen über gewisse bedeutsame Punkte vergessen haben, in die neuen Dinge getragen hat.

„Wir wissen sehr wohl, wie lange und mühevolle Arbeiten notwendig sind, um die neue Ordnung der Dinge, welche wir gern errichtet sähen, herbeizuführen, und manche mögen vielleicht denken, wir seien zu hoffnungsfreudig, indem wir Idealen folgen, die eher nur zu erhoffen als zu erwarten seien. Wir aber setzen alle unsere Hoffnung und unser ganzes Vertrauen auf Jesum, den Heiland des Menschengeschlechtes, indem wir uns erinnern, wie viel einst durch die sogenannte Torheit des Kreuzes und der Predigten der weisen Welt gegenüber vollbracht wurde. Insbesondere bitten wir die Fürsten und Herrscher im Namen politischer Voraussicht und der Besorgnis um das Wohlergehen ihrer Völker, unsere Pläne unparteiisch zu beurteilen und sie durch ihre Autorität und ihre Gunst zu unterstützen. Sollte auch nur ein Teil der erwarteten Früchte zur Reife gelangen, so würde der Segen bei dem gegenwärtigen schnellen Sturz der Dinge und bei der vorherrschenden Unruhe, zu der noch die Furcht um die Zukunft kommt, kein geringer sein.

„Die letzten Jahrhunderte ließen Europa von Unglück geschwächt zurück, und noch immer zittert der Weltteil von den Zuckungen, welche ihn erschütterten. Könnte das Jahrhundert, welches jetzt zu Ende geht, dem Menschengeschlecht nicht als Erbteil einige wenige Bürgschaft für Eintracht geben, sowie die Hoffnung auf den großen Segen, den die Einheit des christlichen Glaubens verheißt?“

Es kann nicht geleugnet werden, dass der Hang des Protestantismus nach Rom besteht. Dies war der wirkliche Grund dafür, dass bei dem Religionsparlament der Katholizismus die Hauptrolle spielen durfte, und alle, welche Interesse bekunden für die protestantische Union, drücken den Wunsch aus, dass man Verbindung, wenn nicht Vereinigung, mit dem Katholizismus sichern sollte. Im presbyterianischen Glaubensbekenntnis wird das Papsttum als der Antichrist bezeichnet. Dies ist nunmehr anstößig geworden und soll daher geändert werden.

Folgender Brief, den ein methodistischer Geistlicher über die Kirchen-Union an Kardinal Gibbons schrieb, zeigt diese Neigung der Protestanten sehr deutlich:

„Geehrter Herr Kardinal! Zweifellos ist Ihnen die Tatsache bekannt und auch für Sie von Interesse, dass unter den protestantischen Kirchen eine Bewegung nach Wiedervereinigung bemerkbar ist. Wenn eine Wiedervereinigung stattfinden soll, warum sollte sie dann nicht auch die katholische Kirche umfassen? Hat nicht die katholische Kirche irgendwelche Grundlage vorzuschlagen, auf welche wir uns alle stellen können? Kann sie uns nicht mit Konzessionen entgegenkommen, welche zeitweilige sein mögen, wenn sie glaubt, wir gehen irre, bis wir Christum und seinen Plan in vollkommenerer Weise verstehen lernen?

„Eines weiß ich gewiss, nämlich, dass ich persönlich mehr und mehr dazu neige, das Gute, das sich in allen Zweigen der Kirche Christi befindet, zu achten, und ich weiß, dass ich in dieser Hinsicht nicht allein stehe. Ergebenst Geo. W. King, Oberpfarrer der Meth. Engl. Kirche.“Der Kardinal erwiderte darauf folgendes: Kardinal-Residenz, Baltimore.

„Ehrw. Geo. W. King. Geehrter Herr! Gestatten Sie mir in Erwiderung Ihnen auf Ihren Brief zu sagen, dass Ihre Bestrebungen hinsichtlich der Vereinigung der Christenheit allen Lobes wert sind.

„Diese Vereinigung würde nur ein Bruchstück sein, wenn die katholische Kirche ausgeschlossen würde. Es würde dies auch unmöglich sein, denn es kann keine Vereinigung geben ohne sichere Grundlage der Heiligen Schrift, und diese ist zu finden in der Anerkennung Petri und seines Nachfolgers als sichtbares Haupt der Kirche.

„Es kann keine festgegründete Regierung ohne Oberhaupt geben, weder im bürgerlichen, im militärischen, noch im kirchlichen Leben. Jeder Staat muss seinen Regenten haben, jede Stadt ihren Bürgermeister oder ihr Stadtoberhaupt mit irgendwelchem Titel. Wenn nun die Kirchen der Welt Ausschau halten nach einem Oberhaupt, wo werden sie dann ein solches finden, welches Autorität besitzt, wenn nicht im Bischof von Rom? - gewiss nicht in Konstantinopel oder in Canterbury.

„Was nun die Vereinigungsbedingungen anbetrifft, so würden diese einfacher sein, als man allgemein annimmt. Die katholische Kirche hält an allen positiven Wahrheiten fest, die die protestantischen Kirchen besitzen, und die Annahme des Papstes als rechtliches Oberhaupt würde den Weg zur Annahme ihrer anderen Lehren ebnen. Sie sind uns näher, als Sie selbst meinen. Der Kirche werden viele Lehren zugeschrieben, welche sie in Wirklichkeit verwirft. In Christo der Ihrige, J. Kard. Gibbons.“

Als Erwiderung wurde der folgende Brief geschrieben, der auch auf Einwilligung beider Herren im Interesse der erwünschten Union veröffentlicht wurde:

Geehrter Herr Kardinal! Ihre Erwiderung habe ich mit Interesse gelesen. Darf ich nun vielleicht fragen, ob es nicht weise und wertvoll wäre für die katholische Kirche, den protestantischen Kirchen eine mögliche Grundlage der Vereinigung (eine Beschreibung des Gegenstandes in genügenden Einzelheiten) bekannt zugeben? Ich weiß, wie sehr die methodistische Kirche, und in der Tat die ganze christliche Kirche, von vielen missverstanden wird, und ich halte es für mehr als möglich, für ganz sicher, dass auch die katholische Kirche in ähnlicher Weise von vielen missverstanden und falsch beurteilt wird. Könnte die katholische Kirche diese Missverständnisse nicht richtig stellen, in weitgehendem Maße wenigstens, und würde dies die gewünschte Vereinigung nicht beschleunigen?

„Ich halte die gegenwärtige getrennte Lage der Christenheit für töricht, beschämend und unvorteilhaft, und ich habe nichts einzuwenden gegen einen autorischen Mittelpunkt unter gewissen Begrenzungen und Beschränkungen.  Hochachtungsvoll grüßend Geo. W. King.“

Die Empfindungen der Gesellschaft junger Leute mit christlichen Bestrebungen der römischen Kirche gegenüber wurden bei ihrer jährlichen Zusammenkunft in Montreal im Jahre 1893 klar gezeigt. Unter den Delegierten war ein berühmter Hindu aus Bombay, Rev. Karmarkar, der sich zum protestantischen Christentum bekehrt hatte. Er sagte unter anderem vor dem Kongress aus, dass der Katholizismus für das Missionswerk in Indien ein großes Hindernis bedeute. Diese Aussage begegnete in der Zusammenkunft offenbarem Unwillen, und als in der katholischen Zeitung der Gegenstand aufgenommen, und sie die Aussage des Hindus mit einem zornigen Kommentar veröffentlichte, wurde eine folgende Sitzung durch katholischen Mob zerstört. Der Vorsitzende des Kongresses bemühte sich, die Wut des Mobs zu stillen, indem er inmitten der Versammlung aufstand und erklärte, die Delegierten seien nicht verantwortlich für das, was Herr Karmarkar gesagt habe. So ließ er den Gast allein die Heftigkeit der Wut tragen, weil dieser den Mut besessen hatte, die Wahrheit zu sagen. Offenbar war Herr Karmarkar bei dieser Zusammenkunft der einzige Protestant, der nicht das Tier fürchtete, noch es anbetete. (Offb. 20:4) Wie „The American Sentinel“ vom August 1893 berichtet, lauteten seine Worte wie folgt:

Es besteht eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen dem katholischen Gottesdienst und dem der Hindus. Der Katholizismus ist nur eine neue Etikette auf der alten Flasche, die das tödliche Gift des Heidentums enthält. Oft fragen uns die Hindus, wenn sie den katholischen Gottesdienst sehen: „Was besteht denn für ein Unterschied zwischen Christentum und Hinduismus?“ Wir haben in Indien nicht nur gegen das vielköpfige Ungeheuer Götzendienst zu kämpfen, sondern auch gegen den Octopus (= Teufelsfisch mit acht Armen) Katholizismus.“

Zu den wenigen Stimmen, die sich zur Verteidigung des Hindus erhoben, gehörte die folgende Resolution, die von einer nationalen Versammlung von Bürgern Bostons gefasst und von einer zweitausendköpfigen Menge einstimmig angenommen worden war:

Während bei der gegenwärtig tagenden Sitzung der Christlichen Bestrebung Herr Rev. Karmarkar klar und wahrheitsgemäß sagte, dass das Hindernis zum Fortschritt des Christentums in Indien der demoralisierende Einfluss der katholischen Kirche sei, wodurch der Herr sich die Feindschaft der Katholiken zuzog, welche sich bemühten, bei einem protestantischen Kongress die Redefreiheit durch aufrührerische Handlungen zu stören, haben wir beschlossen, zum Ausdruck zu bringen, dass wir, protestantische Bürger Bostons, dem Herrn Rev. Karmarkar völlig zustimmen, da er kühn die Tatsachen ausgesprochen hat, und wir aufs tiefste bedauern, dass eine Gesellschaft von Christen sich bemühte, die Katholiken zu beruhigen, indem sie augenscheinlich einen Mann Gottes, weil er die Wahrheit gesagt hat, tadelte, sowie auch, dass ein Exemplar dieser Resolution den täglichen nationalen Zeitungen und Herrn Rev. Karmarkar übersandt werde.“

Dass die Vereinigungstendenz das Bedürfnis zur Ursache hat, sich angesichts drohender Gefahren zusammenzuschließen, erhellt aus den Bestrebungen, welche in den Vereinigten Staaten gemacht werden, die Katholiken dafür zu gewinnen, dass sie zur sogenannten Sonntagsgesetzgebung stimmen. Der „Christliche Staatsmann“, das Hauptorgan dieser Bestrebung, schrieb diesbezüglich:

Die Zeit ist noch nicht gekommen, da die katholische Kirche mit anderen Kirchen Hand in Hand zu gehen bereit ist, aber die Zeit ist gekommen, da man sich nach Verbündeten umsehen und freudig jede Mitwirkung annehmen muss, in welcher Form sie sich auch biete. Das ist eines der Erfordernisse der gegenwärtigen Lage der Dinge.“

Dasselbe Blatt fordert die Regierung der Vereinigten Staaten auf, jede Religion zu verfolgen, welche mit den Vorschriften der göttlichen Moral in Widerspruch stände.

Ja, „die Erfordernisse der gegenwärtigen Lage“ drängen die geistlichen Gewalten in der Namenchristenheit in recht sonderbare Lage, um zu erkennen, dass das Rad des religiösen Fortschrittes rückwärts gedreht wird, und es mit der Religionsfreiheit über kurz oder lang ein Ende hat.

Während so in Amerika die „Kirche“ beim Staat oder durch Zusammenschluss aller Sekten Schutz sucht, ist es in Europa gerade umgekehrt. Da empfinden vorab die bürgerlichen Mächte ihre Unsicherheit und suchen deshalb die Unterstützung der „Kirche“. In Amerika sieht die dahinschwindende „Kirche“ bittend zum blühenden Staat auf; in Europa suchen die wankenden Throne einen Stützpunkt im Einfluss, den die „Kirche“ über die Völker haben sollte.

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So traurig sieht es zur Zeit mit dem großen System aus, das gegenwärtig zum Gericht angesichts der ganzen Erde versammelt ist, in jenem System, das sich „Christenheit“ nennt, aber von Christo verleugnet und treffend „Babylon“ (Verwirrung) genannt wird. Das sollte das Reich Gottes auf Erden sein? Haben die Propheten von diesem ein solches Bild entworfen? Wird der große Fürst des Friedens von Land zu Land ziehen und die Nationen bitten, seine Macht und sein Recht anzuerkennen? Wird er seine Untertanen bitten, mit dem letzten Aufgebot ihrer schwindenden Kräfte seinen wankenden Thron zu stützen? Nein, mit Würde und eigener Kraft wird er, wenn seine Zeit gekommen ist, seine große Gewalt an sich ziehen und seine glorreiche Herrschaft beginnen, und wer wird ihn auf dem Wege hindern können?

So werden denn zur Zeit die Interessen aller bestehenden Gewalten, der weltlichen und der geistlichen, der Reichen und Großen und Mächtigen, der Kön., der Staatsmänner und Vornehmen und Geistlichen, der Kapitalisten und ihrer „Ringe“ unentwirrbar verknüpft. Jetzt ist der Streit noch ein Kampf der Ideen, der die kommende Krisis einleitet. Die geistlichen Gewalten nähern sich untereinander, und die „Himmel“ rollen sich zusammen wie ein Buch; aber „während sie wie Dornen verflochten werden (denn es kann keine friedliche und erfreuliche Verwandtschaft von freiheitsliebenden Protestanten und dem tyrannischen Geist des Papsttums geben), und während sie trunken sind, wie Trunkene (berauscht von dem Geist der Welt, dem Wein Babylons), werden sie wie dürre Stoppeln völlig verzehrt werden“ (Nahum 1:10), in der schrecklichen Drangsal und Anarchie, welche nach dem Worte Gottes der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches unmittelbar vorangehen muss.

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Wir sind nicht der Ansicht, dass alle Christen zu Babylon gehören. Im Gegenteil! Mit dem Herrn erkennen wir in Babylon einige an, die dem Herrn treu geblieben sind. Zu diesen sagt er: „Gehet aus von ihr, mein Volk.“ (Offb. 18:4) Und wir leben des frohen Glaubens, dass es auch heute noch Tausende gibt, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor Baal, vor dem Mammon, dem Hochmut, der Ehrsucht. Einige davon sind bereits dem Befehl, aus ihr auszugehen, gefolgt, die übrigen werden jetzt in diesem Stücke geprüft, ehe die Plagen über Babylon hereinbrechen. Diejenigen, welche sich selbst, Ansehen bei den Menschen, äußerliches Gedeihen, mehr lieben als den Herrn und Menschensatzungen höher schätzen als das Wort Gottes, werden nicht aus Babylon herauskommen, bevor es fällt, und diese sind es, die durch die große Trübsal kommen (Offb. 7:9,14) und am Königreich nicht teilhaben werden. - vergleiche Offb. 2:26; 3:21; Matth. 10:37; Mark. 8:34, 35; Luk. 14:26, 27

 

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