SCHRIFTSTUDIEN
BAND
1 - DER
GÖTTLICHE PLAN DER ZEITALTER
Studie
14
Das
Königreich Gottes.
Eine
Nacht des Weinens und ein Morgen der Freude.
— Hervorragende
Bedeutung des Gegenstandes.
— Das
Wesen des Reiches.
— Das
Königreich während des Evangeliums-Zeitalters
— Falsche
Ansichten von Paulus berichtigt.
— Folgen
falscher Vorstellungen über das Königreich Gottes.
— Zwei
Teile desselben.
— Die
geistige Stufe und ihre Aufgabe.
— Die
irdische Stufe und ihre Aufgabe.
— Ihr
einträchtiges Zusammenwirken.
— Die
Herrlichkeit der irdischen Stufe.
— Die
Herrlichkeit der himmlischen Stufe.
— Die
Bundeswurzel, aus der diese Zweige sprossen.
— Die
irdische Stufe israelitisch.
— Die
verlorenen Stämme.
— Das
himmlische Jerusalem.
— Israel
ein vorbildliches Volk.
— Israels
Verlust und Wiederherstellung.
— Die
auserwählten Klassen.
— Die
Erben des Königreiches.
— Das
eiserne Regiment.
— Zweck
der Tausendjahrreich-Herrschaft erklärt.
— Die
Überantwortung des Königreiches an den Vater.
— Gottes
ursprüngliche Absicht vollständig verwirklicht.
Wer
diesen Gegenstand noch nicht, mit einer Konkordanz und Bibel zur Hand,
genauer untersucht hat, würde, wenn er es täte, von der hervorragenden
Bedeutung desselben überrascht sein. Das Alte Testament ist voll von
Verheißungen und Prophezeiungen, in denen das Königreich Gottes und sein
König, der Messias, das Zentrum bilden. Es war die Hoffnung jedes
Israeliten (Luk. 3:15), dass Gott ihr Volk als Gesamtheit unter dem
Messias erhöhen würde; und als Jesus zu ihnen kam, kam er als ihr König,
um das lang verheißene Königreich auf Erden aufzurichten.
Der
Vorläufer und Verkünder Jesu, Johannes der Täufer, eröffnete seine
Sendung mit der Verkündigung: ,,Tut Buße (ändert euren Sinn), denn das
Reich der Himmel ist nahe gekommen.“ (Matth. 3:2) Jesus begann seine
Amtsverwaltung mit genau demselben Ausspruch (Matth. 4:17), und die
Apostel wurden ausgesandt, um die gleiche Botschaft zu verkündigen (Matth.
10:7; Luk. 9:2). Das Königreich Gottes war nicht nur die Lehre, mit der
Jesus seine öffentliche Wirksamkeit begann, sondern es war der
Hauptinhalt aller seiner Predigten (Luk. 8:1; 4:43; 19:11); andere Dinge
wurden nur in Verbindung damit, oder zur Erklärung dieses einen
Gegenstandes erwähnt. Seine Gleichnisse waren zum großen Teile Erläuterungen
des Königreiches Gottes von verschiedenen Gesichtspunkten aus und in
verschiedenen Beziehungen, oder sie sollten dazu dienen, völlige Weihung
für Gott als wesentlich zur Teilnahme an dem Königreiche anzuzeigen, und
sollten dem jüdischen Missverständnis entgegentreten, dass die Juden
schon des Königreiches gewiss seien, weil sie natürliche Kinder Abrahams
und daher Erben der Verheißungen sind.
Unser
Herr bestärkte und ermutigte in seinen Gesprächen mit seinen Nachfolgern
ihre Erwartungen eines zukünftigen Königreiches. Er sagt zu ihnen: ,,Ich
verordne euch, gleichwie mein Vater mir verordnet hat, ein Reich, auf dass
ihr esset und trinket an meinem Tische in meinem Reiche und auf Thronen
sitzet, richtend die zwölf Stämme Israels.“ (Luk. 22:29, 30) Und
wiederum: ,,Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es hat eurem Vater
wohlgefallen, euch das Königreich zu geben.“ (Luk. 12:32) Und als der König,
anstatt gekrönt und auf den Thron gesetzt zu werden, gekreuzigt wurde, da
waren die Jünger tief bekümmert und enttäuscht. Wie zwei derselben nach
seiner Auferstehung auf dem Wege nach Emmaus dem Fremdling gegenüber es
ausdrückten, so hatten sie ,,gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen“,
sie von dem römischen Joche befreien und aus Israel das Königreich
Gottes in Macht und Herrlichkeit machen sollte. Aber durch die Ereignisse
der letzten Tage seien sie aufs traurigste enttäuscht worden. Da öffnete
ihnen Jesus das Verständnis, indem er ihnen aus der Schrift bewies, dass
sein Opfer vor allem nötig war, ehe das Königreich aufgerichtet werden könnte.
- Luk 24:21, 25-27
Gott
hätte die Herrschaft der Erde Jesu geben können, ohne die Menschheit zu
erlösen; denn „der Höchste hat Gewalt über der Menschen Königreiche
und gibt sie, wem er will (Dan. 4:32). Aber Gott hat ein großartigeres
Ziel im Auge, als durch solch einen Plan erreicht worden wäre. Solch ein
Reich hätte, wenn auch noch so große,
doch nur zeitliche Segnungen gebracht, da die ganze Menschheit
unter dem Todesurteile stand. Um die Segensgüter seines Königreiches
ewig dauernd und vollständig zu machen, musste unser Geschlecht zuerst
vom Tode losgekauft und von dem Fluche erlöst werden.
Dass
Jesus durch die Erklärung der Prophezeiungen die Hoffnung der Jünger auf
ein zukünftiges Königreich neu belebte, erhellt sich aus der Tatsache,
dass sie später, als er im Begriff war, sie zu verlassen, ihn fragten:
,,Herr, stellst du in dieser Zeit dem Israel das Königreich wieder her?
Seine Antwort, wenn auch keine bestimmte, widersprach ihren Erwartungen
nicht. Er sagte: „Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu
wissen, die der Vater in seiner eigenen Gewalt festgesetzt hat.“ - Apg.
1:6, 7
Es
ist wahr, im Anfang hatten die Jünger, wie auch die ganze jüdische
Nation, nur unvollkommene Begriffe von dem Königreiche Gottes, da sie
annahmen, dass es ausschließlich ein irdisches Königreich sei, gerade
wie heutzutage viele in der entgegengesetzten Richtung irren, indem sie
meinen, dass es ausschließlich ein himmlisches Reich sei. Und viele
Gleichnisse und dunkle Aussprüche Jesu wurden in der Absicht gegeben,
dass sie zu seiner Zeit diese falschen Auffassungen berichtigen sollten.
Aber allezeit hielt er den Gedanken an ein auf Erden zu errichtendes und
über Menschen herrschendes Reich aufrecht, und nicht nur weckte er in
ihnen die Hoffnung auf eine Teilnahme an diesem Königreiche, sondern er
lehrte sie auch für seine Aufrichtung beten: ,,Dein Reich komme; dein
Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.“
Den
weltlich Weisen unter den Juden erschien Jesus als ein Betrüger und Schwärmer,
und seine Jünger hielten sie für Narren. Die Weisheit Jesu und seine
Wunder, seine erbarmende Liebe konnten sie nicht gut leugnen, noch auch
zufriedenstellend erklären; doch schien ihnen von ihrem ungläubigen
Standpunkte aus seine Behauptung, dass er der Erbe und Errichter des
verheißenen, die Welt beherrschenden Königreiches sei und dass seine aus
geringeren Lebensverhältnissen stammenden Nachfolger seine Mitherrscher
sein sollten, zu abgeschmackt, um überhaupt der Erwägung wert gehalten
zu werden. Rom mit seinen geschulten Kriegern, fähigen Generälen und
ungeheueren Schätzen war der Herr der Welt, und täglich wuchs seine
Macht. Wer aber war dieser Nazarener? und wer diese Fischer ohne Geld oder
Einfluss und mit einem so unbedeutenden Anhang unter dem gewöhnlichen
Volke? Wer waren sie, dass sie von der Aufrichtung des lang verheißenen Königreiches
hätten reden dürfen, eines Reiches, das als das größte und mächtigste,
das je auf Erden gewesen, verheißen war?
In
der Hoffnung, die vermeintliche Schwäche der Behauptungen Jesu an den
Pranger stellen zu können, und ihm so seine Nachfolger abwendig zu machen,
fragten ihn die Pharisäer: Wann wird dieses Königreich, von dem du
predigst, zu erscheinen anfangen? Wann kommen deine Soldaten an? Wann wird
dieses Königreich Gottes erscheinen? (Luk. 17:20-30) Die Antwort unseres
Herrn hätte ihren Gedanken eine neue Richtung geben können, wären sie
nicht so voreingenommen und von ihrer eigenen eingebildeten Weisheit so
verblendet gewesen. Er antwortete ihnen, dass sein Königreich nie in der
von ihnen erwarteten Weise erscheinen würde. Das Königreich, das er verkündete
und in das er seine Nachfolger zur Mitteilhaberschaft einlud, sei ein
unsichtbares Reich, und sie sollten nicht erwarten, es zu sehen. ,,Er
antwortete ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht, dass man es
beobachten könnte; noch wird man sagen: Siehe hier! oder siehe dort! denn
siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Es ließe sich
gewiss mit keiner Lehre vereinigen, wenn man darauf bestehen wollte, dass
das Reich Gottes, welches Christus predigte und aufzurichten im Begriffe
war, in den Herzen der Pharisäer gewesen sei, die Jesus selbst Heuchler
und übertünchte Gräber, inwendig voller Totengebeine und voller Unflat,
nannte. Wenn aber dieses Königreich aufgerichtet ist, dann wird es
,,mitten unter" allen sein und alle beherrschen und richten.) Kurz
gesagt, er zeigte, dass, wenn sein Königreich kommen würde, es dann überall
mächtig und doch nirgends sichtbar sein würde. So gab er ihnen eine Idee
von dem geistigen Reiche, das er predigte; sie aber waren nicht bereit und
nahmen es nicht an. In der jüdischen Erwartung des verheißenen Reiches
war ein Teil Wahrheit enthalten, welche, wie wir zeigen werden, zu seiner
Zeit verwirklicht werden wird; aber das, worauf der Herr hier Bezug nimmt,
ist jene geistige Stufe des Reiches, die unsichtbar sein wird. Und da
diese Stufe des Reiches zuerst aufgerichtet wird, so wird es unsichtbar
vorhanden sein und selbst eine Zeitlang unbemerkt bleiben. Das Vorrecht,
in dieser geistigen Stufe des Reiches Gottes ein Erbteil zu haben, war das
einzige Anerbieten, das damals gemacht wurde, und ist die einzige Hoffnung
unserer hohen Berufung während des ganzen Evangeliums-Zeitalters, das
damals begann, gewesen. Folglich bezog sich Jesus ausschließlich auf
dieses (Luk. 16:16). Das wird beim Weiterforschen klarer werden.
Wahrscheinlich
wegen dieser mit Jesu in Widerspruch stehenden, besonders unter den Pharisäern
vertretenen, öffentlichen Meinung geschah es, dass Nikodemus bei Nacht zu
Jesu kam. Er war begierig, das Geheimnis zu lösen, schämte sich jedoch,
es öffentlich zu bekennen, dass Jesu Behauptungen bei ihm irgendwelches
Gewicht hätten. Die Unterredung zwischen Jesu und Nikodemus (Joh. Kap.
3), obwohl zweifellos nur teilweise aufgezeichnet, gibt einen weiteren
Einblick in das Wesen des Königreiches Gottes. Die Hauptpunkte der
Unterredung sind offenbar erwähnt, so dass wir uns damit leicht den
ganzen Gang derselben vorstellen können. Wir dürfen uns wohl für
berechtigt halten, dieselbe folgendermaßen zu umschreiben:
-
Nikodemus: Meister, wir wissen, dass
du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen (Wunder)
tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jedoch, einige deiner Aussagen
scheinen mir sehr ungereimt, und ich bin gekommen, um Aufklärung zu
bitten. Zum Beispiel, du und deine Jünger, ihr geht umher und predigt:
„Das Himmelreich ist nahe“, aber ihr habt weder ein Heer noch Reichtum
noch Einfluss, und allem Anscheine nach ist diese Behauptung falsch; und
in dieser Hinsicht scheinst du das Volk zu täuschen. Die Pharisäer
halten dich fast alle für einen Betrüger, ich aber bin sicher, dass in
deiner Lehre Wahrheit sein muss, „denn niemand kann die Zeichen tun, die
du tust, es sei denn Gott mit ihm“. Der Zweck meines Besuches ist, zu
fragen, welcher Art, für welche Zeit und von woher das Reich ist, das ihr
verkündet? Und wann und wie soll es aufgerichtet werden?
-
Jesus: Deine Bitte, dir ein volles Verständnis über das Himmelreich zu
geben, kann jetzt noch nicht zu deiner Zufriedenheit erfüllt werden;
nicht, weil ich nicht genau Bescheid wüsste, sondern weil du es in deinem
gegenwärtigen Zustande nicht verstehen oder würdigen könntest, wenn ich
es dir auch erklärte: „Es sei denn, dass jemand von oben (griech.:
gennao) gezeugt werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen (griech.:
eidon), wissen, oder damit bekannt sein.“
(Erste
Anmerkung: Das griechische Wort gennao (und die davon abgeleiteten Worte),
zuweilen durch gezeugt und zuweilen durch geboren übersetzt, enthält
eigentlich beide Gedanken und sollte je nach dem Sinn der Stelle, in der
es vorkommt, durch das eine oder andere dieser beiden deutschen Wörter übersetzt
werden. Die beiden Gedanken Zeugung und Geburt sind immer in dem Worte, so
dass, wenn das eine angegeben ist, das andere immer mit gemeint ist, da ja
die Geburt die natürliche Folge der Zeugung ist und die Zeugung (der
Natur nach) der Geburt vorhergeht. Wenn die handelnde Person, mit welcher
gennao verknüpft ist, männlichen Geschlechtes ist, sollte es mit gezeugt,
wenn weiblichen, mit geboren übersetzt werden. So sollte in 1. Joh. 2:29;
3:9; 4:7; 5:1, 18, gennao mit gezeugt übersetzt werden, weil Gott (männlich)
die handelnde Person ist.
Manchmal jedoch hängt die Übersetzung von der Natur der Handlung ab,
einerlei ob männlich oder weiblich. So, wenn es in Verbindung mit ek
gebraucht wird, was von oder aus bedeutet, sollte es geboren übersetzt
werden. So sollte gennao in Joh. 3:5, 6 mit geboren übersetzt werden, wie
durch das Wort ek angezeigt wird - „aus Wasser“, ,,aus dem Fleisch“,
„aus dem Geist“.)
(Zweite
Anmerkung: Das griechische Wort „eidon“ wird in Apg. 15:6 mit besehen
oder erkennen übersetzt. Nach der Elberf. Übers. lautet die Stelle:
,,Die Apostel aber und die Ältesten versammelten sich, um diese
Angelegenheit zu besehen“, zu verstehen, erkennen. Dasselbe Wort ist in
Röm. 11:22 mit schaue übersetzt. ,,Darum schaue (betrachte, verstehe,
erkenne) die Güte und den Ernst Gottes.“ Ebenso in 1. Joh. 3:1: ,,Sehet
(betrachtet, wisset, verstehet) welch eine Liebe hat der Vater erzeigt.“)
Selbst
meine Jünger haben bis jetzt sehr unbestimmte Vorstellungen über das
Wesen des Königreiches, das sie verkünden. Aus demselben Grunde, aus dem
ich es dir nicht sagen kann, kann ich es ihnen nicht sagen; und aus
demselben Grunde können sie es nicht verstehen. Denn, Nikodemus, eine
Eigentümlichkeit der Handlungsweise Gottes ist, dass er dem bereits
empfangenen Lichte gegenüber Gehorsam fordert, ehe mehr Licht dargereicht
wird; und bei der Auswahl derer, die würdig erachtet werden sollen, am Königreiche
teilzuhaben, wird gefordert, dass sie ihren Glauben bekennen und ihn durch
ihr Handeln bekunden. Sie müssen willens sein, Schritt für Schritt der
Leitung Gottes zu folgen, wenn sie auch oft nur einen Schritt weit vor
sich deutlich erkennen. Sie wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
Nikodemus:
Aber ich verstehe dich nicht. Was meinst du? „Wie kann ein Mensch
gezeugt werden, wenn er alt ist? kann er etwa wiederum in den Leib seiner
Mutter eingehen und geboren werden?“ Oder meinst du, dass die Buße,
welche Johannes der Täufer predigte und durch Wassertaufe bekundete,
irgendwie eine symbolische Geburt ist? Ich bemerke, dass deine Jünger in
ähnlicher Weise predigen und taufen. Ist das die neue Geburt, die für
diejenigen nötig ist, welche in dein Königreich eingehen wollen?
-
Jesus: Unser Volk ist ein geweihtes Volk, ein Bundesvolk. Sie wurden alle
in Mose getauft, in dem Meer und der Wolke, als sie Ägypten verließen.
Gott nahm sie an in Mose, dem Mittler ihres Bundes am Berge Sinai; aber
sie haben ihren Bund vergessen, einige leben offenkundig als Zöllner und
Sünder, und viele andere sind selbstgerechte Heuchler; darum ist Johannes
Predigt und die meiner Jünger Buße - eine Rückkehr zu Gott und zu einer
Anerkennung des geschlossenen Bundes; und die Taufe Johannes bekundet
diese Buße und Umkehr des Herzens und nicht die neue Geburt. Aber wenn du
nicht mehr hast, als das, wirst du das Königreich nie sehen. Es sei denn,
dass du zu der Umkehr, die Johannes Taufe vorbildet, eine Zeugung und
Geburt aus dem Geiste empfängst, so kannst du mein Königreich nicht
sehen. Buße bringt dich zurück zur Rechtfertigung; in diesem Zustande
wirst du fähig sein, mich als den Messias, das Gegenbild von Mose, zu
erkennen; und wenn du dich mir weihst, wirst du von dem Vater zu einem
neuen Leben und zur göttlichen Natur gezeugt werden, die, wenn sie sich
entwickelt und lebendig wird, dir die Geburt als neue Kreatur sichert, als
ein Geistwesen, in der ersten Auferstehung; und als solches wirst du das Königreich
nicht nur sehen, sondern auch teilen.
Die
Veränderung, die durch diese neue Geburt aus dem Geiste bewirkt wird, ist
in Wirklichkeit groß, Nikodemus; denn „was aus dem Fleische geboren ist,
ist Fleisch; was aber aus dem Geiste geboren ist, ist Geist.“ Wundere
dich darum nicht über meine erste Aussage, dass du von oben gezeugt sein
musst, ehe du die Dinge, um die du mich gefragt hast, verstehen, erkennen
und begreifen kannst. Verwundere dich nicht, dass ich dir sagte: „Ihr müsset
von neuem geboren werden.“ Der Unterschied zwischen deinem gegenwärtigen
Zustand, geboren aus dem Fleisch und dem Zustand derjenigen, die aus dem
Geist geboren werden und in das von mir verkündete Königreich eingehen
oder aus denen dasselbe bestehen soll, ist ein großer. Lass mich dir eine
Erklärung geben, nach welcher du dir in etwa einen Begriff von den Wesen
machen kannst, aus denen, wenn
sie aus dem Geiste geboren sind, das Königreich bestehen wird: - „Der
Wind weht, wo er will, und du hörst
sein Sausen, aber du weißt nicht, woher
er kommt und wohin er geht; also ist ein jeder, der aus dem Geiste geboren
ist.“ Wie der Wind bald hier, bald da weht, kannst du nicht sehen,
obwohl er überall um dich her einen Einfluss ausübt; du weißt nicht,
woher er kommt, noch wohin er geht. Das ist die beste Erklärung, die ich
dir über die geben kann, die bei der Auferstehung aus dem Geiste geboren
werden und die in das Königreich, das ich jetzt predige, „kommen“
oder dasselbe bilden werden. Sie werden alle unsichtbar sein, wie der
Wind, und die Menschen, die nicht aus dem Geiste geboren sind, werden
weder wissen, woher sie kommen, noch wohin sie gehen.
Nikodemus:
„Wie kann dies geschehen?“
Jesus:
„Du bist der Lehrer Israels und weißt dieses nicht?“, dass Geistwesen
gegenwärtig und doch unsichtbar sein können? Hast du, der du andere zu
lehren unternimmst, niemals von Elisa und seinem Diener oder von Bileams
Esel gelesen und von vielen Stellen in der Schrift, welche die Möglichkeit
dartun, dass Geistwesen unter Menschen gegenwärtig sein können, doch
unsichtbar? Ferner, du gehörst zu den Pharisäern, die an Engel als
Geistwesen zu glauben bekennen. Aber das zeigt, was ich dir zuerst sagte:
Es sei denn, dass jemand von oben gezeugt werde, so kann er das Königreich
Gottes und alles, was damit zusammenhängt, nicht sehen, nicht erkennen
oder damit bekannt werden.
Wenn
du in das Königreich, das ich verkündige, eintreten und ein Miterbe
desselben mit mir werden willst, so musst du dem Licht Schritt für
Schritt folgen. Wenn du das tust, so wird mehr Licht kommen, und zwar so
schnell, als du dazu vorbereitet bist. Ich habe über diese jetzt zeitgemäßen
Dinge, die du verstehen kannst, gepredigt und zur Bestätigung derselben
Wunder getan, und du erkennst in mir einen Lehrer, von Gott gekommen, aber
du hast nicht deinem Glauben gemäß gehandelt und bist nicht öffentlich
mein Jünger und Nachfolger geworden. Du kannst nicht erwarten, mehr zu
sehen, ehe du nicht allem, was du gesehen hast, nachgekommen bist; dann
wird Gott dir für den nächsten Schritt mehr Licht und Klarheit geben.
„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und
bezeugen, was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmet ihr (Pharisäer)
nicht an. Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubet nicht,
wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage?“ Es würde
zwecklos sein, wollte ich versuchen, dir von himmlischen Dingen zu sagen,
denn du würdest doch nicht überzeugt werden, und meine Predigt würde
dir nur um so törichter erscheinen. Wenn das, was ich gelehrt habe, das
doch von irdischer Art war, oder durch irdische Dinge, die du verstehen
kannst und verstehst, erläutert wurde, dich nicht genügend überzeugt
hat, um öffentlich mein Jünger und Nachfolger zu werden, so würde es
noch weniger überzeugend für dich sein, wenn ich über himmlische Dinge
redete, wovon du nichts weißt; denn niemand ist in den Himmel aufgefahren,
so dass also auch niemand mein Zeugnis bestätigen kann. Ich, der vom
Himmel niederkam, verstehe allein himmlische Dinge. „Niemand ist
hinaufgestiegen in den Himmel, als nur der aus dem Himmel herabgestiegen
ist, der Sohn des Menschen“. (Die Worte ,,der im Himmel ist“ (V.
13) sind in den ältesten und zuverlässigsten Handschriften nicht zu
finden.) Eine Erkenntnis der himmlischen Dinge kann man nur nach der
Zeugung aus dem Geist empfangen; und die himmlischen Dinge selbst, wenn
man aus dem Geist geboren, ein Geistwesen geworden ist.
Solcher
Geduld bedurfte es von Seiten unseres Herrn, um denen das Wesen des Königreiches
zu erklären, deren Vorurteil und Erziehung sie hinderte, über die
irdische Stufe desselben etwas anderes zu sehen als nur verwirrte
Ansichten. Nichtsdestoweniger ging die Auswahl einer zur Teilnahme am Königreiche
des Messias geeigneten Klasse stetig voran,
wenn auch aus Israel, dem es sieben Jahre lang (von Jesu Taufe bis
zur Bekehrung des Kornelius, des ersten Heiden) ausschließlich angeboten
wurde, nur eine kleine Zahl ausgewählt wurde. Wie Gott vorhergesehen
hatte, so geschah es. Seine nicht Bereitschaft für dasselbe und sein
Verfehlen, die vorgelegten Bedingungen zu erfassen und ihnen nachzukommen,
ließ das Vorrecht, am Königreiche des Messias teilzunehmen, an ihm als
Volk vorbeigehen. Nur ein Rest, ein Überrest, wurde ausgewählt; und das
Königreich kam zu den Heiden, ,,um aus ihnen ein Volk zu nehmen für
seinen Namen“. (Apg. 15:14) Und auch unter diesen weiß nur ein Rest
oder eine ,,kleine Herde“ das Vorrecht zu schätzen und wird würdig
erachtet, Miterben seines Königreiches und seiner Herrlichkeit zu werden.
Ein
schwerer Irrtum war es, die falsche Auslegung in die Kirche einzuführen,
dass das verheißene Königreich die Kirche in ihrem gegenwärtigen
Zustande und sein Werk allein ein Werk der Gnade in den Herzen der Gläubigen
sei. Und so weit ist dieser Irrtum gegangen, dass die gegenwärtige
unheilige Vereinigung und Mitherrschaft der Namenkirche mit der Welt von
vielen für die Herrschaft des Königreiches Gottes auf Erden gehalten
wird. Wahr ist wohl, dass die Kirche in einem gewissen Sinne schon jetzt
das Königreich Gottes ist und dass jetzt in den Herzen der Gläubigen ein
Werk der Gnade vor sich geht; aber darin alles zu sehen und zu leugnen,
dass ein wirkliches zukünftiges Königreich Gottes, in dem der Wille
Gottes auf Erden geschieht wie im Himmel, erst noch unter dem ganzen
Himmel aufgerichtet werden soll, das heißt doch, die stärksten und
deutlichsten Verheißungen, wie sie aus des Herrn Jesus, der Apostel und
Propheten Munde uns zur Ermutigung und zum Beistand bei der Überwindung
der Welt verzeichnet sind, bedeutungslos machen.
Die
Kirche wird in den Gleichnissen unseres Herrn häufig das Königreich
Gottes genannt; und der Apostel redet von ihr als einem Königreiche, über
welches Christus jetzt herrscht, wenn er sagt: Gott hat uns aus dem Reiche
der Finsternis in das Königreich seines lieben Sohnes versetzt. Wir, die
wir Christum angenommen haben, erkennen jetzt sein von ihm erkauftes Recht
zur Herrschaft an und leisten ihm dankbar und freiwillig Gehorsam, ehe er
seine Herrschaft in der Welt gewaltsam herstellt. Wir erkennen den
bestehenden Unterschied zwischen den gerechten Gesetzen, die er erzwingen
wird und dem Reiche der Finsternis, das von dem Usurpator, dem ,,Fürsten“
und ,,Gott“ dieser Welt, aufrechterhalten wird. Der Glaube an Gottes
Verheißungen ändert unser Untertanen-Verhältnis, und so rechnen wir uns
zu den Untertanen des neuen Fürsten und durch seine Gnade zu Miterben mit
ihm in jenem noch zukünftigen Königreich.
Dieser
Umstand macht aber in keiner Weise die Verheißung zunichte, dass Christi
Königreich schließlich herrschen wird ,,von Meer zu Meer und vom Strome
bis an die Enden der Erde“ (Ps. 72:8), und dass vor ihm ,,sich beugen
sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und (jetzt noch)
unter der Erde sind“ (Dan. 7:27; Phil. 2:10). Im Gegenteil, die jetzt
vor sich gehende Auswahl der ,,kleinen Herde“ bestätigt diese Verheißungen.
Wenn
man die Gleichnisse unseres Herrn sorgfältig betrachtet, so wird man
finden, dass sie deutlich lehren, dass das Kommen oder Aufrichten des Königreiches
Gottes in Macht noch in der Zukunft liegt und natürlicherweise erst dann
geschieht, wenn der König kommt. So verlegt das Gleichnis von dem ,,Edlen“,
der in ein fernes Land zog, um das Königtum zu empfangen und dann zurückzukehren
usw. (Luk. 19:11-15), die Aufrichtung des Königreiches auf die Zeit der
Wiederkunft Christi. Und diese Botschaft, die Jesus lange Zeit nachher an
seine Kirche sandte, war diese: ,,Sei getreu bis in den Tod, so will ich
dir die Krone des Lebens geben.“ (Offb. 2:10) Hieraus geht hervor, dass
die Könige, die mit Jesu herrschen sollen, nicht in diesem Leben gekrönt
werden oder herrschen sollen.
Die
Kirche der Jetztzeit ist daher nicht das in äußerlicher Macht und
Herrlichkeit aufgerichtete Königreich Gottes, sondern das Königreich
Gottes in seinem Anfangs- oder Embryo-Zustand. Und so lehren in der Tat
alle darauf Bezug nehmenden Ausdrücke des Neuen Testamentes. Das
Himmelreich leidet jetzt Gewalt von Seiten der Welt; der König wurde
misshandelt und gekreuzigt; und wer in seinen Fußstapfen nachfolgen will,
muss in irgendeiner Weise Verfolgung und Gewalttat leiden. Dies gilt, wie
man bemerken wird, nur von der wahren Kirche und nicht von der Namenkirche.
Aber die Verheißung wird uns vorgehalten, dass, wenn wir (die Kirche, das
Embryo-Königreich) jetzt mit Christo leiden, dann sollen wir auch zu
seiner Zeit, wenn er seine große Macht an sich nehmen und herrschen wird,
mit ihm verherrlicht werden und herrschen.
Jakobus
2:5 sagt uns in Übereinstimmung mit der Lehre unseres Herrn, dass Gott
die Armen und vor der Welt Verachteten erwählt habe, nicht um jetzt zu
herrschen, sondern als ,,Erben des Reiches, welches er verheißen hat“.
Der Herr sagt: ,,Wie schwerlich werden die, welche Güter haben, in das Königreich
Gottes eingehen.“ (Mark. 10:23) Es ist augenscheinlich, dass er damit
die Namenkirche, die jetzt mit der Welt herrscht, nicht meint; denn die
Wohlhabenden werden geradezu in dieselbe hinein gedrängt. Petrus ermahnt
die Erben des Königreiches zur Geduld, Ausdauer, Tapferkeit und zum
Glauben, wenn er sagt: ,,Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure
Berufung und Erwählung festzumachen; denn wenn ihr diese Dinge tut,
so werdet ihr niemals straucheln. Denn also wird euch reichlich
dargereicht werden der Eingang in das ewige Königreich unseres Herrn und
Heilandes Jesu Christi.“ - 2. Petr. 1:10, 11
Die
Aussage des Apostel Paulus in Röm. 14:17 soll sich, der Ansicht mancher
nach, auf ein bildliches Königreich beziehen; aber wenn man es im Lichte
des Zusammenhanges prüft, so wird es klar, dass die Stelle einfach das
Folgende sagt: Wir, Brüder, die jetzt in das Königreich seines lieben
Sohnes versetzt sind, genießen gewisse Freiheiten in Bezug auf unsere
Nahrung usw., die wir als Juden unter dem Gesetze nicht hatten (Vers 14);
doch lasst uns diese Freiheit lieber nicht gebrauchen, wenn ein Bruder,
der es noch nicht so sehen kann, dadurch straucheln und sein Gewissen
beflecken würde. Lasst uns nicht durch unsere Freiheit, die wir in Bezug
auf unsere Speisen haben, unseren Bruder verderben, für den Christus
gestorben ist, sondern lasst uns denken, dass die Vorrechte und Segnungen
des Königreiches, sowohl jetzt als in der Zukunft, in viel größeren Gütern
bestehen als in der Freiheit in Bezug auf Speise, nämlich in der Freiheit,
recht zu tun, in unserem Frieden mit Gott durch Christum und in unserer
Freude, dass wir an Gottes Heiligem Geiste teilhaben. Diese Freiheiten des
Königreiches (jetzt und ewig) sind so groß, dass die untergeordnete
Freiheit in Bezug auf Speise für jetzt zum Wohle unseres Bruders gar wohl
aufgegeben werden kann.
Von
welchem Standpunkt der Heiligen Schrift aus wir es auch ansehen, dem
Gedanken, dass die Königreichsverheißungen geheimnisvolle Täuschungen
seien oder dass unsere gegenwärtige Lage diese Verheißungen erfülle,
wird durchweg widersprochen.
Die
Verheißungen vom Königreiche und von der Miterbschaft mit dem Meister
waren in der ersten Kirche ein mächtiger Antrieb zur Treue und Ausdauer
unter den zeitlichen Prüfungen und Verfolgungen, die zu erwarten sie
vorher gewarnt worden waren; und aus allen den Worten voll Trost und
Ermunterung, die den ,,sieben Gemeinden“ (Kirchen) in der Offenbarung
zugerufen wurden, leuchten keine klarer und stärker hervor als die,
welche erklären: ,,Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf
meinem Throne zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem
Vater gesetzt habe auf seinen Thron“ und ,,wer da überwindet .., dem
werde ich Gewalt über die Nationen geben“. - Offb. 3:21; 2:26
Das
sind Verheißungen, die nicht gut so gedeutet werden können, als ob sie
sich auf ein gegenwärtiges Gnadenwerk in den Herzen bezögen, noch auf
eine Herrschaft über die Nationen im gegenwärtigen Leben, da die, welche
überwinden, die Ehren des Königreiches durch den im Dienste Gottes
erlittenen Tod erringen müssen. - Offb. 20:6
Die
menschliche Natur sucht den Leiden aus dem Wege zu gehen und ist jederzeit
bereit, Macht und Ehre zu ergreifen; daher finden wir, dass schon in den
Tagen des Apostels etliche in der Kirche der Neigung huldigten, die Verheißungen
zukünftiger Macht und Ehre dem gegenwärtigen Leben zuzuschreiben und
demgemäss zu handeln, als ob die Zeit schon gekommen wäre, da die Welt
die Kirche ehren oder gar ihr gehorchen müsse. Diesem Irrtum vorzubeugen,
schrieb der Apostel Paulus, da er wohl wusste, welch schlimme Folgen es für
die Kirche haben würde, wenn solche Gedanken den Hochmut wachrufen und
die Glieder von dem Opfer ablenken würden. Er ruft ihnen ironisch zu: ,,Schon
seid ihr gesättigt, schon seid ihr reich geworden; ihr habt ohne uns (als
Könige) geherrscht.“ Und dann setzt er hinzu: ,,Und ich wollte wohl,
dass ihr herrschtet, auf dass auch wir (die verfolgten Apostel) mit euch
herrschen möchten.“ (1. Kor. 4:8) Sie freuten sich ihres Christentums,
indem sie versuchten, soviel Ehre als möglich dabei zu gewinnen; und der
Apostel wusste sehr wohl, dass, wenn sie treue Nachfolger des Herrn wären,
sie sich in keinem solchen Zustande befinden würden. Daher erinnert er
sie daran, dass, wenn die lang
ersehnte Herrschaft wirklich begonnen habe, er dann auch, nicht weniger
wie sie, herrschen würde; und die Tatsache, dass er durch seine Treue um
der Wahrheit willen leiden musste, war Beweis genug, dass ihr Herrschen
ein verfrühtes und viel eher ein Fallstrick als eine Ehre sei. Dann fügt
er mit einem Anflug von Ironie hinzu: ,,Wir (Apostel und andere treue
Diener) sind Narren um Christi willen, ihr aber klug in Christo; wir
schwach, ihr aber stark; ihr herrlich, wir aber verachtet.“ Nicht um
euch zu beschämen, schreibe ich dieses; ich habe einen besseren und
edleren Zweck - euch zu warnen; denn nicht ein Pfad gegenwärtiger Ehre führt
zu der zu offenbarenden Ehre und Herrlichkeit, sondern gegenwärtiges
Leiden und Selbstverleugnung sind der schmale Weg zur Herrlichkeit, Ehre
und Unsterblichkeit und zur Miterbschaft am Königreiche. Darum ermahne
ich euch, seid meine Nachfolger. Leidet jetzt, und lasst euch schelten und
verfolgen, dass ihr mit mir die Krone des Lebens teilen möget, ,,welche
der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem
Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung
liebhaben“. (1. Kor. 4:10-17; 2. Tim. 4:8)
Nachdem
aber die erste Kirche ein gut Teil Verfolgung getreulich erduldet hatte,
begannen in ihr unbiblische Lehren sich breit zu machen, als sei die
Aufgabe der Kirche die, vor dem zweiten Kommen des Herrn die Welt zu
erobern, das Himmelreich auf Erden aufzurichten und über die Völker der
Welt zu herrschen. Dies legte in der Kirche den Grund zu weltlichem Ränkespiel,
Prunk, Hochmut, prahlerischem Gepränge und inhaltlosen Zeremonien, die
darauf berechnet waren, die Welt einzuschüchtern, zu fangen und mit Scheu
zu erfüllen; und Schritt für Schritt führte dies zu der großen Anmaßung
des Papsttums, dass es als Gottes Königreich auf Erden das Recht hätte,
die Achtung und den Gehorsam aller Geschlechter Nationen und Völker gegen
seine Gesetze und Beamten zu fordern. Unter dieser falschen
Vorspiegelungen (und augenscheinlich betrogen sie sowohl sich selbst als
andere) krönte und entthronte das Papsttum eine Zeitlang die Könige
Europas und beansprucht noch immer diese Autorität, die zu erzwingen es
jetzt jedoch ohnmächtig ist.
Dieselbe
Idee hat der Protestantismus vom Papsttum übernommen. Auch er behauptet,
obwohl unbestimmter, dass die Herrschaft der Kirche irgendwie im Zunehmen
begriffen sei; und auch sie sind wie die Laodicäer „satt“ und „reich“
und herrschen wie die Korinther „als Könige“, wie es deutlich von
unserem Herrn beschrieben wird (Offb. 3:17, 18; 1. Kor. 4:8). So kommt es,
dass die Glieder der Kirche, die nicht wirklich bekehrt, kein
echter Weizen, sondern Scheinweizen, Nachahmungen des Weizens sind,
die wahren Jünger Christi an Zahl bei weitem übersteigen. Von
wirklicher Aufopferung und Selbstverleugnung wollen diese nichts wissen
und nicht um der Gerechtigkeit (Wahrheit) willen leiden, höchstens halten
sie an einer äußeren Form des Fastens usw. fest. In Wirklichkeit
herrschen sie mit der Welt und sind nicht auf dem Wege der Vorbereitung
zur Teilnahme an dem wahren Königreiche, das von unserem Herrn bei seiner
zweiten Gegenwart aufgerichtet werden soll.
Jedem
aufmerksamen Beobachter wird hier, wenn er diese Ansicht mit der Lehre
Jesu und der Apostel vergleicht, eine offenbare Ungereimtheit auffallen.
Sie lehrten, dass es kein Königreich geben kann, ehe der König kommt (Offb.
20:6; 3:21; 2. Tim. 2:12). Folglich muss das Himmelreich Gewalt leiden bis
zu der Zeit, da es in Herrlichkeit und Macht aufgerichtet werden soll.
Zwei
Teile des Königreiches Gottes
Während
es wahr ist, wie unser Herr es aussprach, dass das Königreich nicht kommt
- sich nicht gleich von Anfang an bemerkbar macht - mit äußerlichen Gebärden,
so wird es doch zur bestimmten Zeit allen durch äußerlich sichtbare und
unverkennbare Zeichen offenbar gemacht werden. Wenn das Königreich Gottes
völlig aufgerichtet ist, so wird es aus zwei Teilen bestehen, aus einer
geistigen oder himmlischen und einer menschlichen oder irdischen Stufe.
Die geistige Stufe wird der Menschheit stets unsichtbar sein, da alle, die
ihr angehören, geistige, göttliche Natur besitzen, die kein Mensch
gesehen hat noch sehen kann (1. Tim. 6:16; Joh. 1:18); ihre Gegenwart und
Macht aber wird sich mächtig kundtun, hauptsächlich durch ihre
menschlichen Vertreter (Ps. 45:16), welche die irdische Stufe des Königreiches
Gottes bilden werden.
Die
geistige Stufe des Königreiches wird aus den überwindenden Heiligen des
Evangeliums-Zeitalters - dem verherrlichten Christus, Haupt und Leib -
gebildet. Ihre Auferweckung und Erhöhung zur Macht geht der Auferweckung
aller anderen voran, weil alle anderen durch diese Klasse gesegnet werden
sollen. (Hebr. 11:39, 40) ,,Dies ist die erste Auferstehung.“ (Offb.
20:5)
(In
diesem Vers sind die Worte: ,,Die anderen Toten wurden nicht wieder
lebendig, bis dass tausend Jahre vollendet wurden" - unecht. Sie
finden sich nicht in den ältesten und zuverlässigsten griechischen
Handschriften, weder im sinaitischen noch vatikanischen Nr. 1209 und 1160,
noch auch in der syrischen Handschrift. Wir müssen bedenken, dass manche
Stellen, welche sich in den neueren Abschriften vorfinden, Zusätze sind,
welche nicht eigentlich zur Bibel gehören. Da uns gesagt ist, nichts zum
Wort Gottes hinzuzufügen, so ist es unsere Pflicht, solche Zusätze
auszumerzen, sobald ihre Unechtheit bewiesen ist. Die angegebenen Worte
schlichen sich wahrscheinlich im fünften Jahrhundert durch einen Zufall
in den Text ein; denn keine Handschrift älteren Datums (weder griechische
noch syrische enthält diesen Satz. Es war wahrscheinlich zuerst nur eine
Randbemerkung, die ein Leser machte, worin er seine Gedanken über den
Text zum Ausdruck brachte und wurde später von irgendeinem Abschreiber,
der zwischen dem Texte und der Anmerkung zu unterscheiden verfehlte, in
den eigentlichen Text aufgenommen.
Die
Verwerfung dieses Satzes ist jedoch für den hierin dargelegten ,,Plan“
nicht wesentlich; denn ,,die anderen Toten“, die Welt im großen und
ganzen werden in dem vollkommenen Sinn, in dem Adam lebte, ehe er sündigte
und unter den Urteilsspruch kam, ,,sterbend wirst du sterben“, nicht
wieder lebendig werden, bis tausend Jahre um sind. Vollkommenes Leben ohne
Schwachheit oder Sterben ist der einzige Sinn, in welchem Gott das Wort
Leben anerkennt. Von seinem Standpunkte aus hat die ganze Welt schon das
Leben verloren, ist im Sterben begriffen und könnte jetzt eher als tot
denn als lebendig bezeichnet werden. - 2. Kor. 5:14; Matth. 8:22
Das
Wort Auferstehung (griechisch: Anastasis) bedeutet Aufrichtung. In Bezug
auf den Menschen bedeutet es, den Menschen zu dem Zustande aufrichten, von
dem er fiel, zu voller menschlicher Vollkommenheit, zu dem, was durch Adam
verloren ging. Die Vollkommenheit, von der unser Geschlecht fiel, ist die
Vollkommenheit, zu welcher es während des tausendjährigen
Wiederherstellungs- oder Auferstehungs- (Aufrichtungs-) Zeitalters allmählich
erhoben werden wird, Das tausendjährige Königreich ist nicht nur das
Zeitalter der Prüfung, sondern auch das Zeitalter der Segnung, und durch
eine Auferstehung oder Wiederherstellung zum Leben soll alles, was
verloren war, allen denen wiedergegeben werden, die, sobald sie wissen und
Gelegenheit haben, mit Freuden gehorchen. Der Vorgang der Auferstehung
wird ein allmählicher sein und das ganze Zeitalter erfordern; wenn auch
die bloße Erweckung zu einem teilweisen Leben und bloßem Bewusstsein,
wie man es jetzt genießt, natürlich nur ein augenblickliches Werk sein
wird. Folglich wird es nicht eher, bis die tausend Jahre vollendet sind,
der Fall sein, dass das Geschlecht das vollständige, in Adam verlorene Maß
von Leben völlig wiedererlangt haben wird, Und da alles, was nicht
vollkommenes Leben ist, ein Zustand teilweisen Todes ist, so folgt, obwohl
die obigen Worte kein Teil des inspirierten Wortes sind, dass es ganz
richtig wäre, zu sagen, die anderen oder übrigen Toten werden nicht
wieder leben (werden die verlorene Fülle des Lebens nicht wieder erlangen),
bis die tausend Jahre der Wiederherstellung und Segnung zu Ende sind.)
Das
große Werk dieser herrlichen gesalbten Schar - des Christus - erfordert
ihre Erhöhung zur göttlichen Natur. Keine andere als göttliche Macht könnte
es vollbringen. Ihr Werk erstreckt sich nicht nur auf diese Welt, sondern
auf alle Dinge im Himmel und auf Erden - auf geistige, wie auch auf
menschliche Wesen. - Matth. 28:18; Kol. 1:20; Eph. 1:10; Phil. 2:10; 1.
Kor. 6:3
Die
Aufgabe der irdischen Stufe des Königreiches Gottes wird auf diese Welt
und die Menschheit beschränkt sein und diejenigen welche teil daran haben,
werden unter allen Menschen die von Gott am höchsten Erhöhten und
Geehrten sein. Das ist die Klasse, auf
die wir in Studie 8 Bezug nahmen und deren Gerichtstag dem
Evangeliums-Zeitalter voranging. Da sie geprüft und treu erfunden wurden,
so werden sie bei der Auferweckung nicht wieder zum Gericht hervorgebracht
werden, sondern sofort den Lohn ihrer Treue empfangen - eine
augenblickliche Auferstehung zur Vollkommenheit als Menschen. (Die anderen,
außer diesen und der geistigen Klasse, werden im Millenniums-Zeitalter
allmählich zur Vollkommenheit aufgerichtet werden.) Somit wird diese
Klasse sofort bereit sein, das große Werk der Wiederherstellung und
Segnung der übrigen Menschheit als Christi Bevollmächtigte in Angriff zu
nehmen. Wie die geistige Natur zur Vollführung des Werkes Christi
erforderlich ist, so ist die vollkommene menschliche Natur das angemessene
Werkzeug zum Vollbringen des unter den Menschen zu geschehenden Werkes.
Sie werden unter den Menschen in sichtbarer Weise wirken, und die
Herrlichkeit ihrer Vollkommenheit wird den anderen Menschen ein beständiges
Vorbild und ein fortwährender Antrieb zum Streben nach der gleichen
Vollkommenheit sein. Dass diese alten Heiligen zur menschlichen Stufe des
Königreiches gehören und den Menschen sichtbar sein werden, das wird zur
Genüge durch die Worte Jesu, die er den ihn verwerfenden ungläubigen
Juden gegenüber aussprach, bezeugt: ,,Ihr werdet sehen Abraham und Isaak
und Jakob und alle Propheten im Königreiche Gottes.“ Man beachte dabei,
dass der Meister nichts davon erwähnt, dass sie ihn oder die Apostel
sehen würden. Es ist eine Tatsache, dass die Menschen die irdische Stufe
des Königreiches sehen und sich unter deren Glieder mischen werden, aber
nicht so mit der geistigen: und schmerzlich betroffen werden manche sein,
die solch große Ehre verwarfen.
Wir
besitzen keine ausführliche Belehrung darüber, in welcher Weise diese
beiden Teile des himmlischen Königreiches harmonisch zusammenwirken
werden, doch haben wir in der Verfahrensweise Gottes mit Israel durch
seine Vertreter - Mose, Aaron, Josua, die Propheten usw.- eine
Illustration der Art, wie es geschehen könnte, obwohl die künftigen
Kundgebungen göttlicher Macht die jenes vorbildlichen Zeitalters bei
weitem übertreffen werden; denn das Werk des kommenden Zeitalters umfasst
die Auferweckung aller Toten und die Wiederherstellung der Gehorsamen zur
Vollkommenheit. Dieses Werk erfordert die Errichtung einer vollkommenen
Regierung unter den Menschen mit vollkommenen Menschen als Herrschern,
damit sie Staatsangelegenheiten richtig leiten können. Mittel und Wege
jeglicher Art, für die Erziehung des Menschen geeignet, müssen da
gesucht, sowie allerhand wohlwollende Maßnahmen getroffen werden. So wird
unter der Leitung der unsichtbaren, geistigen Glieder desselben Königreiches
durch sichere und regelmäßige Schritte das Menschengeschlecht
aufgerichtet werden; und dies edle Werk ist die hohe Ehre, zu der jene
alten Heiligen erkoren und geschickt gemacht worden sind. Um diese Ehre in
Empfang zu nehmen, werden sie bald nach dem schließlichen Schiffbruch der
Reiche dieser Welt, und nachdem deren Fürst, Satan, gebunden ist,
hervorkommen. Und bald werden sie als die göttlich geehrten Vertreter des
himmlischen Königreiches die Ehrfurcht und Mitwirkung aller Menschen auf
ihrer Seite haben.
Auf
der irdischen Stufe des Königreiches Gottes einen Platz zu erringen, wird
allem Wünschen und Streben des vollkommenen Menschenherzens Befriedigung
gewähren. Es wird ein herrliches und herzbeglückendes Los vom ersten
Augenblick des Eintrittes in dasselbe sein; und doch wird sich mit dem
Vorrücken der Zeit und Voranschreiten des Segenswerkes dessen
Herrlichkeit noch vervielfältigen. Und wenn am Ende eines Jahrtausends
das große Werk der Wiederherstellung von dem Christus vollbracht ist (in
großem Maße durch die Mitwirkung dieser edlen, menschlichen Mitarbeiter);
wenn das ganze menschliche Geschlecht (ausgenommen die Unverbesserlichen,
Matth. 25:46; Offb. 20:9) erprobt, ohne Flecken oder Runzel oder
dergleichen vor Jehova dasteht, dann werden die, welche an dem Werk
beteiligt waren, unter ihren Mitmenschen und vor Gott und Christo und den
Engeln leuchten ,,wie die Sterne immer und ewiglich“ (Dan. 12:3). Ihre
Arbeit und ihr Dienst der Liebe werden dann von ihren dankbaren
Mitmenschen nie vergessen werden. Sie werden in ewigem Andenken bleiben
(Ps. 112:6).
Aber
so groß auch die zunehmende Herrlichkeit dieser vollkommenen, die
irdische Stufe des Königreiches bildenden Menschen sein wird, die
Herrlichkeit der himmlischen Klarheit wird weit überschwenglicher sein. Während
jene für immer wie die Sterne leuchten werden, sollen diese ,,leuchten
wie des Himmels Glanz“ - ,,wie die Sonne“ (Dan. 12:3, Matth. 13:43).
Die himmlischen, wie die irdischen Ehren werden dem Christus zu Füßen
gelegt werden. Das menschliche Fassungsvermögen kann die Herrlichkeit,
die an dem Christus in den zahllosen Zeitaltern der Ewigkeit geoffenbart
werden soll, nur dunkel ahnen, aber nicht klar erkennen (Röm. 8:18, Eph.
2:7-12).
Durch
diese beiden Phasen des Königreichs soll die dem Abraham gegebene Verheißung
bewahrheitet werden: - ,,Durch dich und durch deinen Samen sollen alle
Geschlechter auf Erden gesegnet werden“. ,,Dein Same soll sein wie der
Sand am Ufer des Meeres und wie die Sterne am Himmel“ - ein irdischer
und ein himmlischer Same, beide Gottes Werkzeug bei der Segnung der Welt.
Beide Phasen der Verheißung waren von Anfang an von Gott beabsichtigt und
deutlich vorausgesehen, von Abraham dagegen wurde allein die irdische
gesehen. In der Erfüllung tat Gott noch mehr, als Abraham erwartete. Er
erwählte aus dem natürlichen (fleischlichen) Samen Abrahams die Ersten
der geistigen Klasse (die Apostel und andere) aus und bot den höchsten
Segen, den geistigen, allen in jenem Volke an, die zu der bestimmten Zeit
dieses himmlischen Rufes lebten, und das ging weit über das hinaus, was
Abraham jemals von diesem Bund erkannte - Gnade um Gnade.
Paulus
spricht in Röm. 11:17 von dem Abrahamitischen Bund als von einer Wurzel, aus der das fleischliche Israel auf natürliche Weise
herauswuchs, in welche aber die Gläubigen aus den Nationen eingepfropft
und die natürlichen Zweige um ihres Unglaubens willen abgeschnitten
wurden. Dies zeigt die doppelte Erfüllung der Verheißung in der
Entwicklung der beiden Samen, des
irdischen (menschlichen) und himmlischen (geistigen), welche die beiden
Abteilungen des Königreiches bilden werden. Diese Bundes-Wurzel trägt
diese beiden verschiedenartigen Zweige,
davon jeder bei der Auferstehung seine eigene bestimmte Art
vollkommener Frucht trägt - die menschliche und die geistige Klasse in königlicher
Machtstellung. Was die Zeitordnung ihrer Entwicklung betrifft,
so war die natürliche (irdische) die erste, und dann kam die der
himmlischen Herrscher; aber was die Höhe der Stellung und die Zeit der
Einsetzung anbetrifft, so wird die geistige die erste sein und danach die
natürliche; und so kommt es, dass ,,es sind Letzte,
die werden die Ersten sein und sind Erste, die werden die Letzten
sein“. (Matth. 19:30; Mark. 10:31; Luk. 13:30)
Die
dem Abraham gegebene Verheißung auf die Stephanus (Apg. 7:5) sich bezog, und auf welche Israel sich verließ, war eine irdische; sie betraf das Land. Gott „verhieß, es ihm
zum Besitztum zu geben“, sagte Stephanus. „Und Jehova sprach zu
Abraham: Hebe doch deine Augen auf und schaue von dem Orte, wo du bist,
gen Norden und gen Süden und gen Osten und gen Westen! Denn das ganze
Land, das du siehst, dir will ich es geben und deinem Samen auf ewig. Und
ich will deinen Samen machen wie den Staub der Erde, so dass, wenn jemand
den Staub der Erde zu zählen vermag, auch dein Same gezählt werden wird.
Mache dich auf und durchwandle das Land nach seiner Länge und nach seiner
Breite; denn dir will ich es geben.“ (1. Mose 13:14-17)
Stephanus
zeigt, dass diese Verheißung noch erfüllt werden muss; denn er erklärt,
dass Gott dem Abraham ,,kein Besitztum darin (in dem Land),
auch nicht einen Fußbreit“, gab.
Der
Apostel, der von derselben Klasse der alten Heiligen,
unter anderem von Abraham, spricht, stimmt der Aussage des
Stephanus bei, dass die dem Abraham gegebene Verheißung noch nicht erfüllt
worden sei; und er geht noch weiter und zeigt, dass diese irdischen Verheißungen
nicht eher erfüllt werden, als bis die höheren und größeren Verheißungen
von dem Christus (Haupt und Leib) erfüllt sind. Er sagt von ihnen: „Diese
alle sind im Glauben gestorben und haben die (Erfüllung der) Verheißungen
nicht empfangen, da Gott für uns (den Christus) etwas Besseres vorgesehen
hat, auf dass sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden.“ (Hebr.
11:13, 39, 40) Das zeigt wiederum, dass der Erlöser und Wiederhersteller
geistig ist, da er die menschliche Natur als Lösegeld für alle
aufgegeben hat, und dass von dieser hoch erhöhten geistigen Klasse alle
Segnungen ausgehen müssen, wer auch die Ehre erhalten mag, hienieden als
Werkzeug oder Bevollmächtigter gebraucht zu werden.
Die
irdische Phase des Königreiches, so sehen wir, wird israelitisch sein,
und um diese Tatsache drehen sich die vielen Prophezeiungen, die sich auf
das Hervorragen jener Nation im Plane Gottes bei der künftigen Segnung
der Welt beziehen, wenn ihre zu Staub zerfallene Hütte wiederhergestellt
und Jerusalem zum Preise erhoben werden soll auf der ganzen Erde. Sowohl
von den Propheten wie von den Aposteln finden wir Aussprüche, die klar
zeigen, dass in den Zeiten der Wiederherstellung Israel das erste Volk
sein wird, das mit der neuen Ordnung der Dinge in Einklang kommt; dass das
irdische Jerusalem wieder auf seinen alten Trümmern erbaut und ihr
Gemeinwesen wiederhergestellt werden wird, wie es im Anfang unter den Fürsten
oder Richtern der Fall war (Jes. 1:26; Ps. 45:16; Jer. 30:18). Und was könnte
man wohl mit mehr Grund erwarten, als dass Israel mit Freude allen voran
die Patriarchen und Propheten, erkennen würde? Und dass sein Bekanntsein
mit dem Gesetz und seine langjährige Zucht unter demselben das Volk zur
Lenksamkeit und zum Gehorsam unter der Autorität des Königreiches
bereitet habe? Und während Israel die erste Nation sein soll, die
anerkannt und gesegnet werden wird, so steht gleichfalls von ihm
geschrieben: ,,Und Jehova wird die Zelte Judas zuerst retten.“
(Sach.12:7)
Wir
achten es nicht für wichtig, uns auf eine Erörterung darüber
einzulassen, wo wohl die ,,verlorenen Stämme“ Israels zu suchen seien.
Es mag wahr sein oder auch nicht, dass sich diese ,,verlorenen Stämme“
bis herab auf bestimmte zivilisierte Völker der Gegenwart nachspüren ließen.
Wenn auch einige der vorgelegten Beweise nicht ganz grundlos sind, so sind
es doch im ganzen nur Folgerungen und Vermutungen. Sollte es aber noch
einmal bestimmt nachgewiesen werden, dass einige der zivilisierten
Nationen Abkömmlinge der verlorenen Stämme sind, so würde das für sie
in Bezug auf die „himmlische hohe Berufung“ kein Vorteil sein, denn
seit ihrer nationalen Verwerfung gilt in Bezug auf denselben kein
Unterschied, ob Jude oder Grieche, Knecht oder Freier. Sollte jener
Nachweis je gelingen (was noch nicht geschehen ist), so würde das mit den
Prophezeiungen und Verheißungen, die sich auf dieses Volk beziehen und in
und unter der irdischen Phase des Königreiches ihrer Erfüllung harren,
vollkommen stimmen.
Natürliche
Neigung, wie auch ein noch übriggebliebenes Maß von Vertrauen in die
lange unerfüllt gebliebenen Verheißungen und alle ihre natürlichen
Vorteile werden Israels allgemeiner und schneller Annahme der neuen
Herrscher günstig sein; während die Gewohnheit teilweisen Gehorsams
gegen das Gesetz seinem schnellen Einswerden mit den Grundsätzen der
neuen Regierung ebenfalls günstig ist.
Wie
Jerusalem der Herrschersitz unter dem vorbildlichen Königreiche Gottes
war, so wird es dieselbe Stellung wieder einnehmen und die ,,Stadt des großen
Königs“ werden (Psalm 48:2; Matth. 5:35). Eine Stadt ist das Sinnbild
eines Königreiches oder einer Herrschaft, und so wird das Königreich
Gottes durch das ,,Neue Jerusalem“ als die neue, vom Himmel auf die Erde
kommende Herrschaft versinnbildet. Zuerst wird es nur aus der geistigen
Klasse, der Braut Christi, bestehen, und, wie es von Johannes geschaut
wurde, nach und nach auf die Erde herabkommen; das heißt, es wird nach
und nach zur Macht kommen, wenn am Tage des Herrn die gegenwärtigen
Reiche in Stücke gehen. Zur festgesetzten Zeit aber wird die irdische
Stufe dieser Stadt oder Regierung hergestellt werden, deren Teile oder
Glieder die alten Heiligen sein werden. Es wird nicht zwei Städte (Regierungen)
geben, sondern nur eine Stadt, eine himmlische Regierung, die eine, auf
die Abraham wartete, eine Stadt, die einen Grund hat, eine in
Gerechtigkeit errichtete Regierung, gegründet auf den sicheren
Felsengrund der Gerechtigkeit Christi, des Erlösers, den Preis des für
die Menschheit gegebenen Lösegeldes und die Festigkeit göttlicher
Gerechtigkeit, die ebenso wenig die Erlösten verurteilen kann, wie sie
vorher die Schuldigen entschuldigen konnte. - Röm. 8:31-34; 1. Kor. 3:11
Herrliche
Stadt des Friedens, deren Wälle Heil, Schutz und Segen bedeuten für alle,
die hineingehen, und deren auf Gerechtigkeit gebauter Grund nicht erschüttert
werden kann, deren Baumeister und Entwerfer Gott ist! In dem Licht, das
von diesem glorreichen Königreiche (der Stadt) Gottes ausstrahlt, sollen
die Nationen auf dem Hoch-Weg der Heiligung zur Vollkommenheit und zu
voller Harmonie mit Gott hinanwandeln Offb. 21:24. (Die folgenden Worte
dieses Verses: „Die da selig werden“ fehlen in den zuverlässigsten,
alten Handschriften, ebenso „und die Ehre“ in Vers 21:26.)
Wenn
am Ende des Millenniums-Zeitalters die Menschheit zur Vollkommenheit
gelangt sein wird, wie schon gezeigt wurde,
soll sie zur Mitgliedschaft im Reiche Gottes zugelassen und ihr wie
ursprünglich beabsichtigt, die vollständige Beherrschung der Erde übergeben
werden; jeder Mensch wird ein Herrscher, ein König sein. Dies wird
deutlich in den sinnbildlichen Prophezeiungen des Johannes (Offb. 21:
24-26) gezeigt; denn in dem Gesicht sah er nicht nur das Volk in ihrem (der
Stadt) Licht wandeln, sondern er sah auch die Könige in Herrlichkeit in
die Stadt eintreten; doch niemand konnte hineingehen, der sie beflecken würde.
Niemand kann ein Angehöriger dieses Königreiches (dieser Stadt) werden,
der nicht vorher durch und durch erprobt worden ist, niemand, der Betrug
und Ungerechtigkeit lieben oder üben würde, nur die, welche das Lamm als
des ewig dauernden Lebens würdig ins Buch des Lebens einschreibt, und zu
denen es sagen wird: ,,Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet
das (König-) Reich, das euch bereitet ist.“
Es
sollte daran erinnert werden, dass, obwohl die buchstäbliche Stadt
Jerusalem wieder gebaut werden wird, und obwohl sie möglicherweise die
Hauptstadt der Welt werden wird, doch viele Prophezeiungen, die Jerusalem
und ihre künftige Herrlichkeit erwähnen, sich ihrer als eines Sinnbildes
bedienen, um das in noch größerem Glanze zu errichtende Königreich
Gottes zu beschreiben.
Von
der künftigen Herrlichkeit der irdischen Stufe des Königreiches, welches
Jerusalem repräsentiert, reden die Propheten in glühenden Ausdrücken;
,,Brechet in Jubel aus, jauchzet insgesamt, ihr Trümmer Jerusalems; denn
Jehova hat sein Volk getröstet, hat Jerusalem erlöst.“ ,,Denn siehe,
ich wandle Jerusalem in Frohlocken um und sein Volk in Freude.“ ,,Freuet
euch mit Jerusalem und frohlocket über sie, ... da ihr euch ergötzet an
der Fülle ihrer Herrlichkeit. Denn so spricht Jehova: Siehe, ich wende
ihr Frieden zu wie einen Strom und die Herrlichkeit der Nationen wie einen
überflutenden Bach. ,,In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron Jehovas
nennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln.“ „Und viele Völker
werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg (Königreiche)
Jehovas, zum Hause des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen
Wegen, und wir wollen wandeln in seinen Pfaden. Denn von Zion (der
geistigen Stufe) wird das Gesetz ausgehen und das Wort Jehovas von
Jerusalem“ - der irdischen Stufe. (Jes. 52:9; 65:18; 66:10-12; Jer.
3:17; Jes. 2:3)
Wenn
wir die vielen kostbaren, Israel zugesprochenen Verheißungen künftigen
Segens betrachten und eine genaue Erfüllung derselben für jenes Volk
erwarten, so dürfen wir dabei nicht vergessen, dass es als Volk eben
sowohl vorbildlich als wirklich gemeint war. In gewisser Hinsicht war es
vorbildlich von der ganzen Menschheit, und sein Gesetzesbund des Gehorsams
und des Lebens war vorbildlich vom Neuen Bunde, der während des
Millenniums und für die kommenden Zeitalter mit der Welt aufgerichtet
werden soll.
Das
Blut der Versöhnung unter seinem vorbildlichen Bund und die
Priesterschaft, die dasselbe für das Volk verwendete, waren Vorbilder des
Blutes des neuen Bundes und der Priesterschaft, welche während des
Millenniums die Reinigung und Segnung desselben der ganzen Welt zuwenden
wird. So war seine Priesterschaft das Vorbild des Christus und jenes Volk
das Vorbild aller, für die das wahre Opfer gebracht wurde und für welche
die wahren Segnungen kommen sollen - „für alle“, „für die ganze
Welt“.
Darum
lasst uns daran erinnern, dass, wenn auch der zukünftige Segen, wie der
der Vergangenheit, den Juden zuerst und dann auch anderen Nationen gehört,
es doch nur eine Zeitfrage sein wird, da die Juden zu göttlicher Gnade
den Vortritt haben; und dies wird, wie
wir gezeigt haben, die natürliche
Folge ihrer Erziehung unter dem Gesetze sein,
das in bestimmter Zeit seinen Zweck an ihnen erreichen wird, sie zu
Christo zu bringen. Obwohl dasselbe beim ersten Advent nur einen Überrest
einbrachte, wird es sie beim zweiten Advent als Volk herbeibringen, und
als Volk werden sie eine Erstlingsfrucht unter den Völkern sein. Zuletzt
wird jeder Israel verheißene Segen, ausgenommen der die erwählten
Klassen betreffende, nicht nur eine tatsächliche Erfüllung an jenem
Volke haben, sondern auch eine gegenbildliche Erfüllung an allen
Geschlechtern der Erde. Unter jener Regierung wird Gott „einem jeden
vergelten nach seinen Werken: Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden jedem,
der das Gute wirkt, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen; denn es
ist kein Ansehen der Person bei Gott“. - Röm. 2:6, 10, 11
Der
Apostel Paulus richtet unsere Aufmerksamkeit ganz besonders auf die
Gewissheit der Israel für die Zukunft gegebenen Verheißungen Gottes und
zeigt, welche Gnaden es durch Unglauben verloren und welche ihm noch
gewiss sind. Er sagt, dass Israel als Volk um seines Hochmuts, seiner
Herzenshärtigkeit und seines Unglaubens willen das, was es suchte, die
erste Stellung in der Gnade und dem Dienste Gottes, nicht erlangt hat.
Paulus bezieht sich hier nicht auf alle Geschlechter Israels, von Abraham
an, sondern auf die Generation, die zur Zeit des ersten Advents lebte; und
seine Worte sind auf alle seine Geschlechter anwendbar, die während des
Evangeliums-Zeitalters lebten, des Zeitalters, in dem die höchste Gnade
dargeboten worden ist - der hohe Ruf zur göttlichen Natur und zur
Miterbschaft mit Jesu. Diese Gnade zu erkennen und zu ergreifen hat Israel
verfehlt. Und obwohl Gott die Nationen heimsuchte und viele derselben
durch das Evangelium berief, so werden doch auch sie, wie das fleischliche
Israel, das himmlische Kleinod zu erlangen verfehlen. Doch wird eine
Klasse, ein Überrest, eine kleine Herde unter den Gerufenen den Ruf
annehmen und durch Gehorsam und Selbstopferung ihre Berufung und Erwählung
festmachen. Was sonach Israel als Volk zu erlangen verfehlte,
und was die Namenkirche der Christenheit ebenfalls zu erlangen
verfehlt, das wird der erwählten oder ausgewählten Klasse, dem treuen ,,Leibe
Christi“, gegeben, der da erwählt oder erkoren ist (dem Vorherwissen
Gottes gemäß) durch Heiligung des Geistes und Glauben der Wahrheit. - 2.
Thess. 2:13; 1. Petr. 1:2
Obwohl
aber Israel durch die Verwerfung des Messias diese besondere Gnade einbüßte,
so zeigt Paulus doch, dass dies nicht beweise, dass es gänzlich von der
Gnade abgeschnitten sei; denn es hatte noch das gleiche Anrecht, in
Christum eingepfropft zu werden und auf die gleichen geistigen Gnaden, die
auch der übrigen Menschheit offenstanden, wenn es während der Zeit, wo
der Ruf erging, denselben im Glauben angenommen hätte, denn, urteilt
Paulus, Gott kann es eben sowohl wieder einpfropfen, wie er die wilden
Zweige einpfropfen konnte, und ist ebenso willig dazu, wenn es nicht im
Unglauben verharrt. - Röm. 11:23, 24
Doch
mehr noch, Paulus zeigt, dass, obwohl Israel den Hauptsegen, das ,,was es
suchte“, den ersten Platz im Königreiche Gottes, verlor, doch noch große
Verheißungen an diesem Volke zu erfüllen übrig sind; denn, so schließt
er, Gottes Gaben, Berufungen, Bündnisse und Verheißungen können nicht
unerfüllt beiseite gelegt werden. Gott kannte das Ende vom Anfange an, er
wusste, dass Israel den Messias verwerfen würde, und seine ihm mit diesem
Vorherwissen gegebenen unzweideutigen Verheißungen geben uns die
Gewissheit, dass Israel im Dienste des Herrn noch als sein Werkzeug bei
der Segnung der Welt verwendet werden soll, obwohl Israel das, was es
suchte, die höchste Gnade, nicht erlangt hat. Paulus geht dann weiter und
zeigt, dass Gottes Bundesverheißungen an Israel derart waren, dass es
dabei offen und unentschieden blieb, ob es als Volk der himmlische oder
irdische Same sein würde - ob es den höheren oder niederen Dienst,
von denen die Verheißungen reden, ererben und ausführen würde.
Gott hielt die höhere, geistige Gnade oder Gabe bis zur festgesetzten
Zeit geheim, und die ihm zuteil
gewordenen Verheißungen erwähnten nur die irdische Gnade, und doch hat
er es mit dem Anerbieten der geistigen Gnade begünstigt und ihm so mehr
angeboten, als er je verheißen hatte. Mit wenig Worten, die himmlischen
Verheißungen waren in den irdischen verborgen. Diese irdischen Verheißungen,
sagt Paulus, können nicht fehlen, und dass die verborgene Gnade ihm
zuerst angeboten wurde, und Israel in Blindheit sie verwarf, kann den
anderen Teil der Verheißung in keiner Weise wertlos oder ungültig machen.
Daher erklärt er, dass, obwohl Israel als Nation während der Zeit, wo
die Braut Christi aus Juden sowohl als auch aus Nationen ausgewählt
worden ist, von der Gnade abgeschnitten war, noch die Zeit kommen wird (wenn
der Erlöser oder Befreier, der Christus, Haupt und Leib, vollzählig und
vollendet sein wird), wo die göttliche Gnade zum fleischlichen Israel zurückkehren
und der glorreiche Befreier ,,abwenden werde das gottlose Wesen von Jakob
und also das ganze Israel gerettet (zur Gnade zurückgebracht) werde“,
wie im Propheten geschrieben steht. (Das geistige Israel wird niemals
„Jakob“ genannt.) Die Worte des Apostels sind: ,,Denn ich will
nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, auf dass ihr
nicht euch selbst klug dünket: dass Verstockung (Verblendung) Israel zum
Teil widerfahren ist, bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein
wird (bis die volle aus den Nationen ausgewählte Anzahl vorhanden ist);
und also wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: „Es
wird aus Zion der Erretter kommen (der Christus, Haupt und Leib), er wird
die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von
mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde“. Hinsichtlich des
Evangeliums sind sie zwar Feinde, um
euretwillen, hinsichtlich der Auswahl aber (noch) Geliebte,
um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und Berufungen Gottes
sind unbereubar. Denn gleichwie (auch) ihr (Nationen) einst Gott nicht
geglaubt habt, jetzt aber unter die Begnadigung gekommen seid durch den
Unglauben dieser, also haben auch jetzt diese an eure Begnadigung nicht
geglaubt, auf dass auch sie (durch die verherrlichte Kirche) unter die
Begnadigung kommen. Denn Gott hat alle zusammen in den Unglauben
eingeschlossen, auf dass er alle begnadige. - (Vergleiche Röm. 5:17-19) -
Oh Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes.“
(Röm. 11:25-33)
Die
Erben des Königreiches
„Wer
wird steigen auf den Berg (Sinnbild vom Königreich) Jehovas und wird
stehen an seiner heiligen Stätte (Tempel)? Der unschuldiger Hände und
reinen Herzens ist.“ (Psalm 24:3, 4)
Die
Stadt Jerusalem war auf einer Bergspitze erbaut - einer doppelten Spitze,
denn sie war durch das Tal Tyropäon in zwei Teile geteilt. Doch war es
eine Stadt, ungetrennt, von einer Mauer umgeben und mit Brücken, die
beide Teile verbanden, versehen. Auf dem höheren dieser zwei Bergspitzen
wurde der Tempel Gottes erbaut. Das möchte so verstanden werden, dass es
die Vereinigung der königlichen und priesterlichen Qualität in der
verherrlichten Kirche symbolisiert oder das eine Königreich Gottes in
seinen zwei Phasen - dem geistigen Tempel, nicht von irdischem Ursprung, sondern von einer neuen,
himmlischen oder geistigen Art (Hebr. 9:11), geschieden von der irdischen
Stufe, und doch mit ihr verbunden.
David
nimmt auf diese beiden Orte Bezug. Es war eine Ehre, zur Stadt zu gehören
und eine noch größere Ehre, in den heiligen Tempel aufzusteigen, in den
heiligen Bereich, in welchen einzutreten nur den Priestern erlaubt war.
Und David zeigt, dass Reinheit des Lebens und Aufrichtigkeit des Herzens
von jedem gefordert werden, der zu einer dieser Ehren gelangen will. Die,
welche zum königlichen Priestertum gehören möchten, werden zur Reinheit
ermahnt, wie auch der Hohepriester unseres Bekenntnisses rein ist, wenn
sie zur Miterbschaft mit ihm für würdig erachtet werden wollen. Und wer
solche Hoffnung zu ihm hat, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist.
Das ist, wie wir schon gezeigt haben, eine Reinheit der Gesinnung, der
Absichten, die uns als vollständige oder tatsächliche Reinheit
angerechnet wird, weil Christi zugerechnete Reinheit unsere
unvermeidlichen Mängel ersetzt und unsere unvermeidlichen Schwachheiten
ausgleicht, wenn wir nach dem Geiste und nicht nach dem Fleische wandeln.
Doch
vergessen wir nicht, dass Reinheit, Aufrichtigkeit und gänzliche Weihung
bei allen, die zu irgendwelcher Stufe im Königreiche Gottes kommen wollen,
ein wesentliches Erfordernis ist. So war es mit jenen alten Heiligen,
welche die irdische Stufe des Königreiches unter dem Christus ererben
werden. Sie liebten Gerechtigkeit, hassten Gottlosigkeit und waren tief
betrübt und reuevoll, wenn sie von einem Fehler übereilt worden waren
und durch eine Schwachheit oder anklebende sündige Gewohnheit zu Falle
kamen. So war es auch mit den Treuen des Evangeliums-Zeitalters; und so
wird es auch mit „allem Fleische„ sein, wenn im Millenniums-Zeitalter
der Geist Gottes, der Geist der Wahrheit, auf ,,alles Fleisch“
ausgegossen sein wird. Die Überwinder jenes Zeitalters müssen ebenfalls
nach Reinheit des Herzens und Lebens ringen, wenn sie nach Gottes
Anordnung das Recht erlangen wollen, die Stadt zu betreten, das Königreich
zu ererben, die wiederhergestellte ursprüngliche Herrschaft, bereitet für
sie von Grundlegung der Welt an.
Das
eiserne Regiment
Es
ist ein Irrtum, den viele hegen, dass, wenn Christi tausendjähriges Königreich
eingeführt sei, jedermann mit seiner Regierung gar wohl zufrieden sein
werde. Doch nicht also. Der Christus wird es mit seinen Verordnungen viel
genauer nehmen als irgendeine frühere Regierung und die Freiheit des
Volkes wird in solchem Grade eingeschränkt werden, dass es manchem, der
jetzt auf eine Vermehrung der Freiheit aus ist, recht unbequem vorkommen
wird. Die Freiheit, zu betrügen,
zu verleumden, zu übervorteilen und den Schwächeren zu unterdrücken, wird gänzlich abgeschnitten sein. Die Freiheit,
sich selbst oder andere in Essen oder Trinken zu schädigen oder in
irgendwelcher Weise gute Sitten zu verderben, wird allen gänzlich versagt
sein. Keinem wird Freiheit gelassen werden,
irgendwelches Unrecht zu tun. Die einzige Freiheit, die dann
gestattet werden wird, ist die wahre und herrliche Freiheit der Söhne
Gottes, die Freiheit, sich und anderen auf alle Weise Gutes zu tun; aber
nichts wird erlaubt sein, das
verletzt oder verdirbt in seinem ganzen heiligen Königreich (Jes. 11:9; Röm.
8:21). Folglich wird jene Herrschaft von gar vielen als eine strenge und
harte empfunden werden, weil sie alle ihre früheren Gewohnheiten und Gebräuche,
wie auch alle auf solche falschen Gewohnheiten und verkehrte Auffassung
von Freiheit sich gründenden Einrichtungen der Gegenwart abbricht. Um
ihrer Festigkeit und Kraft willen wird sie sinnbildlich eine eiserne
Herrschaft genannt: „Er
wird sie weiden mit eiserner Rute.“ (Offb. 2:26, 27; Ps. 2:8-12; 49:14).
So wird die Aussage erfüllt werden: ,,Und ich werde das Recht zur
Richtschnur machen und die Gerechtigkeit zum Senkblei. Und der Hagel (gerechtes
Gericht) wird hinwegraffen die Zuflucht der Lüge, und die Wasser (Wahrheiten)
werden den Bergungsort wegschwemmen“ - und alles, was im Finstern
verborgen ist, wird ans Licht gebracht werden. - Jes. 28:17; Matth. 10:26
Viele
werden gegen diese vollkommene, allen gerecht werdende Herrschaft
widerspenstig sein, weil sie unter der Herrschaft des gegenwärtigen Fürsten
gewohnt waren, ihre Mitmenschen zu beherrschen und auf anderer Kosten zu
leben, ohne entsprechenden Gegendienst zu leisten. Und viel und schwer
werden die Streiche sein, die ein Leben der Selbstbefriedigung und des
Eigennutzes naturgemäß fordern und empfangen wird, ehe solche gelernt
haben werden, was das Königreich sie lehren will - Billigkeit,
Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit (Psalm 89:32; Luk. 12:47, 48). Die
Lektion über diesen Gegenstand kommt zuerst der noch lebenden Generation
zu und steht nahe vor der Tür. - Jak. 5:1-5
Doch,
glückseliger Gedanke, wenn der Lebensfürst mit eiserner Herrschaft die
Gesetze der Gerechtigkeit und Billigkeit in Kraft gesetzt hat, dann wird
die Masse der Menschheit lernen, dass ,,Gerechtigkeit eine Nation erhöht,
aber Sünde ist der Völker Schande“. (Spr. 14:34) Sie werden lernen,
dass am Ende Gottes Plan und Gottes Gesetz für alle Beteiligten am besten
ist, und schließlich werden sie Gerechtigkeit lieben und Ungerechtigkeit
hassen (Psalm 45:8; Hebr. 1:9). Alle, die während dieser Herrschaft das
Recht nicht lieben gelernt haben, werden als dauernden Lebens nicht wert
erachtet und aus dem Volke vertilgt werden. - Apg. 3:23; Offb. 20:9; Ps.
11:5-7
Das
Königreich ewig dauernd
,,Und
Jehova wird König sein über die ganze Erde an jenem Tage.“ (Sach.
14:9) Das Reich, das er herstellen und während des Millenniums in Christi
Hand legen wird, wird Jehovas Königreich sein; doch wird es sich unter
der direkten Herrschaft Christi, seines Statthalters, befinden, ganz in ähnlicher
Weise, wie die Regierung der Vereinigten Staaten mit den Südstaaten nach
der Rebellion verfuhr. Eine Zeitlang wurde es den Südstaaten nicht
gestattet, durch eigene Wahl ihrer Beamten sich selbst zu regieren, weil
sonst zu befürchten war, dass sie den verfassungsmäßigen Gesetzen der
Union nicht nachkämen; sondern mit voller Gewalt ausgerüstete
Gouverneure wurden eingesetzt, um diese Regierungen wieder aufzubauen und
sie zur vollen Harmonie mit der Zentralregierung zurückzuführen. So ist
die spezielle Herrschaft Christi über die Angelegenheiten der Erde auf
eine bestimmte Zeit beschränkt und für einen besonderen Zweck errichtet
und wird mit der Hinausführung dieses Zweckes ihr Ende erreicht haben.
Durch seine Empörung verwirkte der Mensch seine gottgegebenen Rechte,
unter anderem seine Selbstregierung im Einklang mit Jehovas Gesetzen. Gott
ließ durch Christum alle diese Rechte zurückkaufen und sicherte dadurch
dem Menschen nicht nur seine persönliche Rückkehr zu seinem vorigen
Zustande, sondern auch zu seinem vorigen Besitzrechte, ein König der Erde
zu sein. Dieses Zurückbringen des Menschen aber, wie Gott es beschlossen
hat, auf eine Weise, die am besten geeignet ist, die Lehren gegenwärtiger
Erfahrung eindrücklich zu machen - indem die Forderung an ihn gestellt
wird, bei seiner eigenen Wiederherstellung selbst mit Hand anzulegen -
wird eine starke, eine vollkommene Regierung erfordern. Und diese Ehre,
des Menschen Wiederherstellung zu vollbringen, ist Christo übertragen
worden, der da starb, um das Recht dazu zu sichern; und ,,er muss
herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt habe“ - bis
keiner mehr da ist, der ihn nicht anerkennt und ehrt und ihm gehorcht.
Dann, wenn er seine Aufgabe, den Wiederaufbau oder die Wiederherstellung
der Menschheit, vollbracht hat, wird er das Königreich dem Gott und Vater
übergeben, und die Menschheit wird, wie zuerst, unmittelbar mit Jehova zu
tun haben, das Mittleramt des Menschen Christus Jesus hat dann das große
Werk der Wiederaussöhnung voll und ganz vollbracht. - 1. Kor. 15:25-28
Wenn
das Königreich dem Vater überantwortet ist, wird es noch immer das Königreich
Gottes sein, und die Gesetze bleiben stets die gleichen. Die dann
vollkommen hergestellte Menschheit wird fähig sein, dem Buchstaben wie
dem Geist nach vollkommenen Gehorsam zu leisten; während jetzt der Geist
des Gehorsams oder der Versuch, Gottes Gesetz zu halten, alles ist, was
Menschen leisten können. Der volle Buchstabe dieses vollkommenen Gesetzes
würde sie augenblicklich zum Tode verurteilen (2. Kor. 3:6). Unsere
Annehmbarkeit beruht nur auf dem Lösegeld Christi.
Bis
der Mensch tatsächlich vollkommen ist, ist es ,,furchtbar, in die Hände
des lebendigen Gottes zu fallen“ (Hebr. 10:31). Weder jetzt noch bis er
tatsächlich vollkommen ist, kann irgend jemand vor dem Gesetze der
unweigerlichen Gerechtigkeit bestehen. Alle bedürfen der vergebenden
Gnade, die so reichlich in Christi Verdienst und Opfer vorgesehen ist.
Aber wenn Christus das Königreich dem Vater überantworten wird, dann
wird er sie fehlerlos vor ihm darstellen, fähig, sich der ewig dauernden
Glückseligkeit unter Jehovas vollkommenem Gesetze zu erfreuen. Alle
Furcht wird dann ein Ende haben, und Jehova und seine wiederhergestellten
Kreaturen werden in vollkommener Harmonie sein, wie am Anfang.
Am
Ende des Millenniums, wenn Christus die Herrschaft über die Erde dem
Vater übergibt, tut er es, indem er sie der Menschheit, die von Anfang an
als Gottes Stellvertreter zu dieser Ehre bestimmt war, überliefert (1.
Kor. 15:24; Matth. 25:34). So dauert dann das Königreich Gottes ewig. Und
das ist es, was wir aus dem Munde unseres Herrn vernehmen: ,,Dann wird der
König sagen zu denen zu seiner Rechten (zu denen, die während der
Millenniums-Herrschaft durch ihren Gehorsam die Stellung der Gnade erlangt
haben): Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Königreich,
das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“
Dieses
Königreich und diese Ehre, die für die Menschen bereit stehen, dürfen
nicht mit dem noch höheren Königreiche und der höheren Ehre, die den
Christus erwarten, verwechselt werden, denn diese sind ,,verordnet vor der
Welt (den Zeitaltern) zu unserer Herrlichkeit“ (1. Kor. 2:7), zu welcher
,,er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt“ (Eph. 1:4).
Und wenn auch die besondere Mittlerschaft und Herrschaft Christi auf Erden,
wie gezeigt worden ist, zu Ende geht, so muss man daraus nicht schließen,
dass Christi Herrlichkeit, Herrschaft und Macht aufhören wird. O nein!
Christus ist für immer mit aller göttlichen Herrlichkeit und Macht zur
rechten Hand der Gnade Jehovas verbunden; und seine Braut und Miterbin
wird für immer seine zunehmende Herrlichkeit teilen. Was für erhabene
wunderbare Arbeit der Macht in anderen Welten dieses hoch erhöhte
Werkzeug Jehovas erwartet, wollen wir hier nicht mutmaßen, sondern nur
auf die unendliche Tatkraft der göttlichen Macht und auf die Größe und
Ausdehnung des Universums (Weltalls) hindeuten.
Wahrlich,
welcher Stufe des Königreiches auch unser Interesse und unsere Teilnahme
sich zuwenden, es ist „das Ersehnte aller Nationen“; denn unter
demselben sollen alle gesegnet werden. Wohl mag jeder ernstlich nach jener
glorreichen Zeit verlangen; und alle sollten beten: „Dein Königreich
komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden“.
Hiernach verlangt und seufzt so lange die ganze Schöpfung, wartend auf
die Offenbarung der Söhne Gottes, des Königreiches, das alle Völker
segnen und alles Böse ausrotten soll (Röm. 8:19; 16:20).