SCHRIFTSTUDIEN
BAND
3 - DEIN
KÖNIGREICH KOMME
Studie
1
Dein
Königreich komme.
Die
Bedeutung dieses Ereignisses. —
Welche
Klassen von Leuten dabei interessiert sind. —
Welche
Klassen dagegen kämpfen — Nähe
des Königreiches. —
Seine
Glorie eine himmlische. — Seine
vor sich gehende Aufrichtung.
Das
bedeutsamste Ereignis der Geschichte der Welt ist die Errichtung des Königreiches
Gottes unter den Menschen von Seiten unseres Herrn Jesu und seiner auserwählten
Miterben, der Überwinder dieses christlichen Zeitalters. Dieses große
Ereignis, auf welches, wie in den vorhergehenden Bänden gezeigt wurde,
alle Verheißungen und Vorbilder Gottes hinweisen, erkennen wir jetzt
nicht nur als nahe bevorstehend, sondern als geradezu vor uns. Wer da
soweit aufgewacht ist, dass er diese Tatsachen sieht und sie gehörig oder
selbst teilweise würdigt, und wessen Herz mit Gottes großem Plan der
Zeitalter in voller Sympathie ist, und wer da erkennt, dass das große
Universalheilmittel gegen die Sünde, das Elend und Dahinsiechen der
seufzenden Kreatur durch dieses Königreich dargereicht werden soll, der
kann sicherlich nicht anders als an seiner Aufrichtung und daran, wann und
wie sie vor sich gehen soll, ein ganz besonderes Interesse zu empfinden.
Wer
einfältig der Erfüllung der Bitte vertraut, die unser Herr selbst in
unseren Mund legte: Dein Königreich komme, Dein Wille geschehe auf Erden,
wie er im Himmel geschieht - muss das lebendigste Interesse an der Erfüllung
seiner Bitte empfinden, wenn sie ihm von Herzen gekommen ist.
Wir
können sogar gewahren, dass die Welt, wenn sie nur das wahre Wesen dieses
Königreiches erkennen könnte, dasselbe sofort (wie sie schließlich tun
wird) als den lang gesuchten Segen, der die so lang gewünschten köstlichen
Glücksumstände des goldenen Zeitalters mit sich bringe, mit Freuden begrüßen
würde.
Nur
eine größere Klasse kann es möglicherweise geben, die dieser Herrschaft
der Gerechtigkeit zuwider sein wird. Sie umfasst alle, welche die goldene
Regel der Liebe nicht lieben, und die, anstatt andere wie sich selbst zu
lieben, lieber andere unterdrückt, gedrückt und ihrer Rechte, ihres
angemessenen Lohnes und des Genusses ihrer Mühe beraubt sehen würden,
damit sie sich in übermäßigem Luxus wälzen, „in Üppigkeit leben“
(Jak. 5:1-9), mehr als man sich wünschen oder erwarten könnte. Diese
halten an der gegenwärtigen Einrichtung der Gesellschaft mit dem Griff
der Verzweiflung fest und scheinen das verheißene Königreich des Messias
instinktiv zu fürchten. Und bei ihnen ist der Wunsch der Vater des
Gedankens, dass es nie kommen werde. Ohne dass sie dem vielfältigen
Zeugnis der Propheten über dieses Königreich Glauben schenken (obwohl es
das Thema aller war - Gott hat davon geredet „durch den Mund seiner
heiligen Propheten von jeher“ - Apg. 3:21), scheinen sie es zu fürchten
und fühlen ahnungsvoll die Wahrheit, dass, wenn Gott sein Königreich
errichten würde, so würde es in Gerechtigkeit regieren; und wenn mit
Gerechtigkeit verfahren würde, so würden viele Herrscher der Welt mit
ihren Untergebenen Plätze tauschen, oder gar ins Gefängnis gesteckt
werden; und viele der Großen und Erhabenen und Reichen und
Geschmeichelten würden ihre übel erlangte Herrlichkeit und Ehre und
ihren Reichtum einbüßen und in ihrem wahren Licht als Unedle erkannt
werden. Sie fürchten das Zeugnis, wenn sie auch nicht glauben, dass „nichts
verborgen, das nicht offenbar werde und nichts heimlich, das man nicht
wissen werde“ (Matth. 10:26). Und neben diesen Unedlen - diesen
ungerechten Haushaltern von Reichtum und Macht, in deren Gebrauch sie sich
schließlich als nicht „klug“ herausstellen, wie der in dem Gleichnis
für seine Klugheit Gelobte (Luk. 16:1-9) - steht eine noch größere
Klasse, die, obwohl sie jetzt vielleicht nicht mehr als den ihnen
zukommenden Anteil an Ehre, Amt, Reichtum und Wohlleben haben, doch einige,
wenn auch schwache Hoffnung hegen, eines Tages sich im Luxus zu wälzen,
wonach es auch der „gewöhnlichen Herde“ gelüstet. O Unedle, Sklaven
selbstsüchtiger Eitelkeit und Spielbälle unbeständiger Glücksgüter.
Und unter diesen - leider ist es so! - gibt es solche, die den Namen
Christi tragen, des Freundes des Armen, und mit ihren Lippen nur um das tägliche
Brot bitten, und mit feierlichem Schein beten: Dein Königreich komme, während
sie mit jedem Blick, in jeder Handlung und im Verkehr mit ihren
Mitmenschen zeigen, wie sie die gegenwärtige, ungerechte Herrschaft
lieben; und wie sie an Ungerechtigkeit Gefallen findend, lieber hätten,
dass Christi Königreich nicht käme.
Eigentümlich
aber ist es, und in bezeichnendem Gegensatz zu der Haltung mancher,
angeblich Kinder Gottes, dass wir nicht selten unter „Sozialisten“ und
anderen, obwohl dieselben das „Kirchentum“ und mit demselben nur zu häufig
die Bibel und allen Glauben an eine geoffenbarte Religion verwerfen,
solche finden, die trotzdem in Wirklichkeit etliche der Grundprinzipien
der Gerechtigkeit erfassen, wenn sie die gemeinsame Bruderschaft der
Menschen anerkennen, wie etliche ihrer Schriften überaus schön tun. Sie
scheinen soziale Gleichheit und allgemein günstige Verhältnisse zu
erwarten und anzustreben, wie sie wiederholt in der Schrift als das
Resultat der Aufrichtung des Königreiches Christi unter den Menschen
verheißen sind, da der Wille Gottes auf Erden geschehen wird. Und doch,
arme Sozialisten, häufig scheint es, dass ihre Befürwortung von Freiheit
und Gleichheit größtenteils aus ihrer Armut und der Empfindung
entspringen, dass ihnen selbst verhältnismäßig Genüsse und Vorteile
abgehen, und weniger aus prinzipiellen Rücksichten. Denn lass einen aus
ihnen großen Reichtum erben oder erwerben, und es ist bei nahe gewiss,
dass er seine vorigen Prinzipien fallen lässt.
Sehr
vorsichtig sollten die Geweihten wandeln, die da beten: „Dein Königreich
komme, Dein Wille geschehe“; sonst erweisen sich ihre Gebete als bloßer
Schein - und Lippenbekenntnis, womit ihr Herz und Leben nicht übereinstimmt.
„Aus deinem Munde richte ich dich,“ drückt einen der
durchdringendsten und ernstesten Verweise aus, die der Richter etlichen
geben wird, die vorgegeben haben, seine Diener zu sein, und sich nach
seiner Herrschaft zu sehnen. Möchten alle, die so um die Herrschaft der
Gerechtigkeit beten und daran glauben, jetzt schon, soweit es ihnen möglich,
ihre Handlungen und Worte nach den gerechten Vorschriften derselben
einrichten.
Wer
die Bedeutung der Lehren der vorhergegangenen Bände erfasst hat, wird
erkennen, dass Gottes Königreich keines von äußerlicher, sichtbarer,
irdischer Herrlichkeit sein wird, sondern eins von göttlicher Macht und
Herrlichkeit. Dieses Königreich hat schon die Zügel der Herrschaft
ergriffen, wenn es auch die Reiche dieser Welt noch nicht besiegt und
beseitigt hat. Denn deren Lehnzeit ist noch nicht abgelaufen. Folglich ist
es noch nicht zu voller Ausübung seiner Gewalt gekommen. Die Aufrichtung
desselben ist jedoch im Fortschritt begriffen, wie es durch die Zeichen
der Zeit sowohl, wie auch durch die Prophezeiungen angezeigt ist. Von
Letzteren haben wir etliche im vorhergehenden Band betrachtet und etliche
werden in diesem dargelegt werden.
In
den folgenden Kapiteln werden Weissagungen dargelegt werden, die
verschiedene Abschnitte der Vorbereitung von Kirche und Welt für das Königreich
bezeichnen. In denselben wird unsere Aufmerksamkeit auf die
allerbedeutsamsten Wechsel gelenkt, die während der Zeit seiner
Aufrichtung stattfinden werden. Nichts könnte für die noch lebenden
Geweihten wichtiger und von tieferem Interesse sein. Denn sie sind es ja,
die nach der verheißenen Miterbschaft verlangen und darnach trachten, an
dem Werk, das jetzt an der Zeit und im Fortschritt begriffen ist, im
Verein mit dem Meister, dem Hauptschnitter und König, beteiligt zu sein.