SCHRIFTSTUDIEN
BAND
4 - DER
KRIEG VON
HARMAGEDON
Studie
10
Vorschläge
zur Abhilfe.
Verbot alkoholischer Getränke
und Frauenstimmrecht. — Freisilber und Sperrzoll. — Kommunismus. — Anarchie. — Sozialismus oder Kollektivismus.
- Beispiele von zwei sozialistischen Gemeinwesen. — Ausbildung der Arbeiter als ein
Heilmittel. — Die sog. „einzige Steuer“
oder „Freiland.“ — Andere Hoffnungen und Befürchtungen.
— Die einzige Hoffnung, die „glückselige
Hoffnung.“ — Was hat ein Kind Gottes zu tun?
— In der Welt, aber nicht von der
Welt.
„Ist kein Balsam in Gilead,
oder kein Arzt daselbst?“ „Wir haben Babel heilen wollen, aber es ist
nicht genesen. Verlasset es und lasst uns ein jeder in sein Land ziehen;
denn sein Gericht reicht bis an den Himmel.“ - Jer. 8:22; 51:7-9
Zahlreich und sehr
verschiedenartig sind die Abhilfemittel, welche für die Erleichterung der
seufzenden Schöpfung, in ihrer zugestandenermaßen schweren Lage, in
Vorschlag gebracht werden, und alle, denen der Jammer derselben ans Herz
greift, müssen die Anstrengungen achten, welche die verschiedenen Heilkünstler,
nachdem sie das Vorhandensein des Übels erkannt haben, machen, um dem
Kranken ihre Mittel anzupreisen. Diese Versuche, ein Mittel zu finden und
anzuwenden, sind aller Ehre wert, und jedes fühlende Herz weiß sie wohl
zu würdigen. Aber kühles Urteil und Erleuchtung durch das göttliche
Wort belehren uns, dass keines der in Vorschlag gebrachten Mittel dem Übel
abzuhelfen vermag. Es bedarf hierzu der Gegenwart des großen Arztes mit
seinen Arzneien, Instrumenten und Verbänden; nur die wirksame und
fortgesetzte Anwendung dieser wird die Krankheit - Verderbtheit und
Selbstsucht - heilen. Dennoch wollen wir in dieser Studie diesen Vorschlägen
unsere Aufmerksamkeit widmen, damit wir erkennen, wie einige derselben dem
weisen Vorsatz Gottes scheinbar nahe kommen, während sie jedoch in
Wirklichkeit weit hinter demselben zurückbleiben. Wir wollen diese
Betrachtung nicht zum Zwecke unnutzer Diskussionen anstellen, sondern
damit alle umso deutlicher die einzige Richtung erkennen, aus der uns
Hilfe kommen kann.
Verbot alkoholischer Getränke und
Frauenstimmrecht
werden meist gleichzeitig in
Vorschlag gebracht, weil zugegeben wird, dass das erstere ohne Teilnahme
der Frauen an der Abstimmung nicht erlassen werden kann. Die Befürworter
dieses Heilmittels zeigen an Hand statistischer Tafeln, dass ein großer
Teil des Elends und der Armut in der Namenchristenheit auf den Handel mit
geistigen Getränken zurückzuführen ist, und meinen, wenn derselbe
verboten würde, so wäre Friede und Wohlfahrt die Regel und nicht die
Ausnahme.
Nun ist nicht zu leugnen, dass
Trunksucht eine der schlimmsten Früchte der Zivilisation ist, ja, dass
sie sich rasch unter halbzivilisierten und wilden Völkern ausbreitet. Könnte
sie verhindert werden, wir wären herzlich froh. Wir geben sogar zu, dass
ihr Verschwinden einem großen Teil des Elends unserer Tage vorbeugen und
die Verschwendung von Hunderten von Millionen jährlich verhüten würde.
Aber gegen die Selbstsucht und das Gesetz von Nachfrage und Angebot,
welches den Massen das Blut auspresst, ist das Alkoholverbot machtlos.
Es sind nicht die ganz Armen,
welche ihr Geld in Alkohol verschleudern, sondern die Reichen! Sie in
erster Linie, und dann der sogenannte Mittelstand. Das Alkoholverbot wäre
für die ganz Armen keine Erleichterung, sondern eine Erschwerung ihrer
Lage. Tausende von Farmern, die jetzt ihre Produkte an Brennereien und
Brauereien liefern, fänden dafür keinen Platz mehr, müssten andere Gewächse
pflanzen und würden dadurch die Überproduktion vermehren und die Preise
herabdrücken. Die Tausenden von Brennern, Flaschenfabrikanten, Glasbläsern,
Wirten usw., welche jetzt vom Getränkehandel leben, würden verdienstlos
auf den Arbeitsmarkt geworfen, wo sie durch Vermehrung des Angebots auf
die Löhne drücken würden. Die vielen Millionen im Getränkehandel
angelegten Kapitalien würden frei und in anderen Branchen den
Konkurrenzkampf verschärfen.
Das alles sollte uns indes nicht
abhalten, das Alkoholverbot zu wünschen, wenn sich eine Mehrheit dafür
finden sollte. Das ist aber mit Ausnahme einzelner Ortschaften nicht
denkbar. Die Mehrheit besteht aus Sklaven der Trunksucht und solchen, die
daran ein finanzielles Interesse haben, direkt oder indirekt. Das
Alkoholverbot wird kaum erlassen werden vor der Aufrichtung des Reiches
Gottes. Sollte es aber durchgeführt werden, so würde es die soziale
Krankheit doch nicht heilen können.
Freisilber und Sperrzoll
Wir geben ohne weiteres zu, dass
die Abschaffung der Silberwährung durch die Namenchristenheit ein
Meisterstreich der selbstischen Geschicklichkeit der Geldverleiher war,
dazu bestimmt, die Vorräte vollwertigen Geldes zu verringern, um dadurch
dasselbe umso preiswürdiger zu machen und den Zinsfuß auf der Höhe zu
halten zu einer Zeit, da das gesteigerte Angebot die Preise aller anderen
Waren und die Arbeitslöhne herabdrückte. Viele Bankiers und
Gelddarleiher sind wohl dem Gesetz nach ehrliche Leute, aber der Maßstab
für diese Ehrlichkeit ist zu kurz. Da heißt es einfach: Wir sehen für
uns und lassen die anderen für sich sehen! Wir wollen die Armen und
weniger Schlauen dadurch täuschen, dass wir Gold „ehrliches Geld“ und
Silber „unehrliches Geld“ nennen. Viele unter den Armen wollen ehrlich
sein und werden es daher mit dem „ehrlichen“ Geld halten, welches
freilich für die „Erntearbeiter“ ein großer Schaden ist. Da wir uns
des Ansehens und Zutrauens erfreuen, werden sie alles für Unrecht halten,
was unseren Ansichten entgegen ist. Sie werden vergessen, dass zu allen
Zeiten das Silber den Maßstab für die Bewertung der Ware abgegeben hat,
und dass das Gold früher Ware war wie die Edelsteine, bis es schließlich
neben dem Silber gemünzt wurde zur Vermehrung der Tauschmittel, bei dem
fortgesetzten Ansteigen des Geschäftsverkehrs der Welt. Der Zinsfuß
zeigt überall eine fallende Tendenz in den Mittelpunkten, wo sich das
Geld anhäuft. Wie tief würde dieser Fall, wenn das reichlich vorhandene
Silbergeld wieder vollwertig erklärt würde. Was uns noch fehlt, ist,
dass auch die Banknoten verschwinden.
Unter der Herrschaft des
Gesetzes von Nachfrage und Angebot hat jeder Geldbedürftige ein Interesse
daran, dass reichlich Geld, Silber, Gold und Papier vorhanden ist; jeder
Bankier und Gelddarleiher dagegen hat das Bestreben, das Papiergeld
abzuschaffen und das Silber in Misskredit zu bringen. Denn je seltener das
vollwertige Geld wird, um so begehrter wird es. So kommt es, dass dieses
seinen Wert behält, während Arbeit und Ware im Preise sinken.
Die Weissagungen scheinen dahin
zu deuten, dass das Silbergeld in der zivilisierten Welt nie mehr als
vollwertig anerkannt wird. Würde dieses aber doch noch einmal geschehen,
so wäre der Nutzen auch nur vorübergehend. Dieses würde den Silberländern
Japan, China, Indien und Mexiko die Konkurrenz mit den Goldländern
erschweren und den Farmern einige Erleichterungen bringen, aber kaum für
länger als 5-10 Jahre. Gott scheint den bösen Tag nicht weiter
hinausschieben zu wollen, und so wird die Selbstsucht der Menschen weiter
herrschen und die Katastrophe beschleunigen, wie geschrieben steht: „Die
Weisheit der Weisen wird zunichte werden, und der Verstand seiner Verständigen
sich verbergen,“ und „ihr Silber und ihr Gold wird sie nicht erretten
können am Tage des Grimmes Jehovas.“ - Zeph. 1:18; Hes. 7:19; Jes.
14:4-7; 29:14
Sperrzölle vermöchten, wenn
mit Verstand angewendet, so dass sie der Entstehung der Monopole vorbeugen
und alle natürlichen Hilfsmittel des Landes entwickeln, das Sinken der
Arbeitslöhne etwas aufzuhalten, aber nicht ganz zu hindern. Sie sind eine
schiefe Ebene, auf der es langsam, aber doch sicher abwärts geht bis zum
völligen Sturz in den Abgrund. Die Konkurrenz würde in kurzer Zeit die
Preise wieder ausgleichen.
Freisilber und Sperrzölle sind
also keine Heilmittel, sondern nur Linderungsmittel!
Der
Kommunismus
ist eine Organisation der
Gesellschaft, bei welcher die Güter der Gesamtheit gehören, im Interesse
der Allgemeinheit verwaltet werden, und der dabei erzielte Nutzen für die
allgemeine Wohlfahrt verwendet wird, wobei jedem zuteil wird, was er
bedarf. Rev. J. Cook sagt von demselben: „Der Kommunismus bedeutet die
Abschaffung des Erbrechts, der Familie, der Nationalitäten, der Religion
und des Eigentums.“
Gewisse Züge am Kommunismus könnten
wir empfehlen (etwa den Sozialismus), aber als Ganzes ist er undurchführbar.
Er setzt vollkommene Menschen voraus, die nicht selbstische Herzen haben.
Er würde alle zu Faulenzern machen, so dass die Menschheit schnell in
Barbarei zurückfallen und dem Ruin entgegentreiben würde.
Auf den Einwand, der Kommunismus
werde in der Bibel gelehrt (Apg. 2:44-47) und sei daher das wahre
Heilmittel, haben wir seiner Zeit im „Wachtturm“ eingehend beantwortet.
Wir wiederholen hier den Artikel:
„Sie
hatten alles gemein.“
„Alle aber, welche glaubten,
waren beisammen und hatten alles gemein; und sie verkauften die Güter und
die Habe, und sie verteilten sie an alle, je nachdem einer irgend Bedürfnis
hatte. Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause
das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens,
lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk.“ - Apg. 2:44-47
Dies war der eigene Antrieb in
der ersten Kirche; die Selbstsucht räumte der Liebe und dem allgemeinen
Interesse das Feld. Gesegnete Erfahrung! Zweifellos kommt ein ähnlicher
Antrieb mehr oder weniger in der gleichen Weise über jedes wahrhaft
bekehrte Herz. Als wir zu einer Erkenntnis der Liebe und Gnade Gottes
gelangten, als wir uns dem Herrn und seinem Dienst völlig weihten und
erkannten, was er uns zu geben hatte, nicht nur hinsichtlich des gegenwärtigen
Lebens, sondern auch des zukünftigen, empfanden wir eine überströmende
Freude, welche in allen Mitpilgern nach dem himmlischen Kanaan einen
Bruder oder eine Schwester fand, von welchem wir vertrauten, dass sie mit
dem Herrn verwandt und im Besitz seines Geistes waren; und wir waren
geneigt, mit ihnen allen so zu handeln, wie wir mit dem Herrn gehandelt hätten,
und alles mit ihnen zu teilen, wie wir alles mit unserem Herrn geteilt hätten.
Und in vielen Fällen wurden wir durch einen rauen Anstoß zu der
Erkenntnis aufgeweckt, dass weder wir noch andere dem Fleische nach
vollkommen sind, und dass wir alle „den Schatz in irdenen Gefäßen“
menschlicher Unvollkommenheiten tragen, ungeachtet dessen, wie viel wir
vom Geist des Herrn besitzen mögen.
Dann erkannten wir nicht nur,
dass wir mit den Schwächen anderer rechnen müssten, sondern auch, dass
wir beständig über die eigenen zu wachen haben. Wir erkannten, dass wohl
alle einen Anteil haben an dem Fall Adams, dass aber nicht alle in
gleicher Weise oder in demselben Verhältnis gefallen sind. Alle sind aus
dem Ebenbild Gottes und von dem Geist der Liebe gefallen zu dem Ebenbild
Satans und seinem Geist der Selbstsucht hin, und wie sich die Liebe in
verschiedener Weise äußert, so auch die Selbstsucht. Infolgedessen
wirkte die Selbstsucht bei dem einen Behaglichkeit, Trägheit und Faulheit,
bei dem anderen aber Energie, Arbeit um die Vergnügungen dieses Lebens,
Selbstbefriedigung usw.
Unter den Selbstsüchtigen
suchen manche Selbstbefriedigung im Ansammeln von Vermögen, andere im
Streben nach Ehre bei den Menschen, andere in der Kleidung, andere in
Reisen, andere in Ausschweifungen und in der niedrigsten und gemeinsten
Form der Selbstsucht. Jeder, der zu dem neuen Leben in Christo gezeugt
wurde, mit dem Geist der Liebe, findet, dass innerlich und äußerlich ein
Kampf einsetzt, denn der neue Geist kämpft mit jeder Form der Selbstsucht
und des Gesunkenseins, die uns früher beherrschte. „Die neue Gesinnung
Christi“ macht sich selbst geltend mit ihren Grundsätzen der
Gerechtigkeit und Liebe, sie erinnert den Willen daran, dass er einem Bund
zu dem Wechsel zugestimmt hat. Die Gelüste des Fleisches (die selbstsüchtigen
Neigungen, was immer auch ihr Antrieb sein mag), argumentieren, unterstützt
durch den äußeren Einfluss der Freunde, dass radikale Maßregeln nicht
unternommen zu werden brauchten, dass ein solches Vorgehen töricht,
unsinnig und unmöglich sei. Das Fleisch besteht darauf, dass der alte Weg
nicht geändert werden kann, will aber leichte Verbesserungen zugestehen
und nichts mehr so extrem tun wie früher.
Die Mehrzahl des Volkes Gottes
scheint auf eine solche Teilhaberschaft einzugehen, die in Wirklichkeit
die fortdauernde Herrschaft der Selbstsucht bedeutet. Andere aber bestehen
darauf, dass die Gesinnung Christi die Herrschaft haben soll. Der
einsetzende Kampf ist ein harter (Gal. 5:16, 17), der neue Wille sollte
jedoch siegen, und das Ich mit seiner Selbstsucht und seinen gefallenen Wünschen
sollte für tot gerechnet sein. - Kol. 2:20; 3:3; Röm. 6:2-8
Wird aber auf diese Weise der
Kampf für immer beendet? Nein –
„Denk’
nie, der Sieg sei dein,
Noch ruh, zufrieden schon,
Dein Kampf wird nicht vollendet sein,
Bis du erlangst die Kron'.“
Ja, wir müssen täglich den
Kampf erneuern, und wir müssen göttliche Hilfe erflehen und erhalten,
damit wir unseren Lauf mit Freuden vollenden. Wir müssen unser Ich nicht
nur überwinden, sondern wir müssen es auch unten halten, wie der Apostel
sagt. (1. Kor. 9:27) Diese unsere Erfahrung, dass wir beständig auf der
Hut sein und in uns den Geist der Liebe fördern müssen, ist auch die
Erfahrung derjenigen, die in gleicher Weise „Christum angezogen“ und
seinen Willen zu dem ihrigen gemacht haben. Darum treffen die Worte des
Apostels zu: „Darum kennen wir nun niemand (der in Christo ist) nach dem
Fleische.“ Wir kennen diejenigen, welche in Christo sind, nach ihrer
neuen Gesinnung, nicht nach ihrem gefallenen Fleisch. Wenn wir sehen, wie
sie bisweilen oder in einem gewissen Grad Fehltritte begehen, und wenn wir
dennoch bemerken, dass die neue Gesinnung um die Herrschaft ringt, so sind
wir mit Recht geneigt, sie zu lieben wegen ihrer Bemühungen, nicht aber,
sie wegen ihrer Fehltritte zu schelten, „indem wir auf uns selbst acht
haben, damit nicht auch wir versucht werden“ (von unserer selbstsüchtigen
Natur, die Forderungen des vollkommenen Gesetzes der Liebe zu übertreten).
Darum raten uns das gesunde
Urteilsvermögen, die Erfahrung und die Bibel, dass wir bei der „gegenwärtigen
Not“, da ein jeder alles zu tun hat, was er vermag, um den eigenen Leib
unten zu halten und den Geist der Liebe herrschen zu lassen, sie Sache
nicht durch das Vornehmen kommunistischer Experimente zu erschweren; jeder
möge vielmehr tunlichst gerade Bahn machen für seine Füße, damit das,
was an unserem Fleische lahm ist, nicht vom Wege abgewandt, sondern
vielmehr geheilt werde.
Das gesunde Urteilsvermögen
sagt uns, dass, wenn die Heiligen mit göttlicher Hilfe einen beständigen
Kampf haben, um die Selbstsucht unten zu halten gegenüber der Liebe, eine
gemischte Kolonie oder Kommune ganz gewiss nicht darin erfolgreich sein
kann, sich selbst zu beherrschen durch ein Gesetz, welches dem Geiste der
großen Mehrzahl der Bewohner völlig fremd ist. Es würde auch unmöglich
sein, eine Kommune von ausschließlich Heiligen zu gründen, denn nur „der
Herr kennt, die sein sind.“ Wenn nun tatsächlich eine solche Gemeinde
Heiliger zusammengebracht werden könnte und mit dem Gemeinbesitz Gedeihen
hätte, so würden alle Arten schlechter Menschen suchen, sich ihre
Besitzungen anzueignen oder einen Anteil an ihnen zu haben. Selbst wenn
diese Menschen dann mit Erfolg ausgeschlossen werden könnten, so würden
sie allerlei Übles wider die Gemeinde reden, und so könnte das
Unternehmen auch dann keinen wirklichen Erfolg haben.
Einige Heilige sind wie Kinder
dieser Welt so tief in selbstsüchtige Lässigkeit hineingeraten, so dass
ihnen durch nichts als die bittere Notwendigkeit geholfen werden könnte,
„im Fleiße nicht säumig (zu sein, sondern) inbrünstig im Geiste, dem
Herrn dienend.“ Andere wiederum sind so selbstsüchtig hochmütig, dass
sie der Stöße und Schläge von Misserfolgen bedürfen, damit ihre Herzen
schmelzen und liebreich werden, oder auch nur gerecht gegen andere. Beide
Klassen würden bei den Kommunen die Zucht nicht finden, derer sie bedürfen.
Wären solche Kommunen der
Herrschaft der Mehrheit überlassen, so würden sie auch bald auf den
Boden der Mehrheit herabsinken; denn wenn die fortschrittliche, tätige
Minderheit finden würde, dass durch Energie und Fleiß kein Erfolg zu
erzielen ist über Unachtsamkeit und Müßiggang, so würde sie ebenfalls
sorglos und faul werden. Wenn sie durch Organisationen von starkem Willen
auf väterlichem Grundsatz geleitet würden, wie von Vertrauensleuten und
Verwaltern, so würden die Erfolge in finanzieller Hinsicht wohl besser
sein, die Massen würden aber, nachdem sie ihrer Verantwortung enthoben wären,
zu Werkzeugen und Sklaven der Vertrauensleute herabsinken. So erscheint
dem gesunden Urteilsvermögen der Individualismus mit seiner persönlichen
Verantwortlichkeit als das beste Erziehungsmittel für intelligente Wesen,
wenn es auch oftmals vielen, und bisweilen allen, das Leben sauer macht.
Wäre das Tausendjährige Reich
auf Erden aufgerichtet, und hätten die für diese Zeit verheißenen göttlichen
Regenten ihre Herrschaft angetreten, so würden sie gemäß unfehlbarer göttlicher
Weisheit ihre volle Macht ausüben, nicht durch den Beifall der Mehrheit,
sondern durch Gerechtigkeit, wie mit eiserner Rute regierend, dann könnte
der Kommunismus gedeihen. Er wird dann wohl die beste Gesellschaftsform
sein, die sicher der König der Kön. zu seiner Methode macht. Aber auf
dieses warten wir. Uns fehlt die Weisheit und Macht einer so
theokratischen Regierung, und darum beten wir: „Dein Reich komme, dein
Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Wenn einst dieses Reich Christi
alle, die es wollen, zurückgebracht hat und alle Widerstrebenden
vernichtet haben wird, dann, wenn die Liebe Gesetz auf Erden ist, wie
jetzt im Himmel, dürften die Menschen die Gaben der Erde gemeinsam genießen
wie die Engel die Güter des Himmels.
Vereinzelte Versuche, die in der
Union mit kommunistischer Organisation gemacht worden sind, hatten keinen
oder nur einen vorübergehenden Erfolg, was Weltweise nicht hindert, in
der gleichen Richtung weiter zu suchen, auf eigene Weisheit bauend, indes
Christen gemäß göttlicher Weisheit in anderer Richtung tätig sind, dem
Gebote des Herrn gehorchend: „Gehet aus und verkündigt die frohe
Botschaft!“
Die Bibel lehrt den Kommunismus
auch nicht, soweit er über die Familie hinausgehen will. Es ist ja
richtig, dass Gott die kommunistische Organisation der ersten Kirche zuließ,
aber wohl, damit wir daran das Unweise der Methode erkennen möchten und
damit nicht einige den Schluss daraus ziehen, die Apostel hätten aus
Mangel an Weisheit oder Tatkraft nicht andere kommunistische Gemeinden
gegründet.
Nicht ein Wort des Herrn oder
der Apostel kann für den Kommunismus ins Feld geführt werden. Auch
herrschte beim Kommunismus der ersten Gemeinde kein Zwang, wie die
Geschichte von Ananias und Sapphira zeigt, über welche die Strafe erging,
nicht wegen Vorenthaltung von Geld, sondern wegen ihrer Lüge, ihres
Versuches, an Hab und Gut der anderen Anteil zu haben, ohne das ihrige
ganz herzugeben.
Tatsächlich war die
kommunistische Gemeinde in Jerusalem auch ohne Zwang ein Fehlgriff. „Es
entstand ein Murren ..., weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen
wurden.“ War auch die erste Kirche unter der Aufsicht der Apostel frei
von Unkraut (Scheinweizen), so trugen doch alle ihre Glieder den neuen
Geist, den Sinn Christi, in irdenen Gefäßen, die nicht lange miteinander
auskommen konnten.
So überließen denn auch die
Apostel die Besorgung der Geschäfte der Gemeinde bald anderen, um sich
mehr der Verkündigung der guten Botschaft zu widmen. Merke dabei, dass
Paulus hervorhebt, er habe den ganzen Ratschluss Gottes ausgelegt, dass er
aber nirgends den Kommunismus vorschreibt. Mithin ist dieser kein Teil des
Ratschlusses Gottes für dieses Zeitalter. Paulus hat vielmehr
Vorschriften gegeben, die sich mit dem Kommunismus nicht vertragen, so zum
Beispiel: dass jeder für das Seine sorge; dass die Christen jeweils am
ersten Tag der Woche etwas für des Herrn Werk beiseite legen sollten im
Verhältnis zum Segen, den der Herr auf ihre Arbeit gelegt hat; dass die
Knechte ihren Herren gehorsam sein sollen, und zwar mit umso größerer
Bereitwilligkeit, wenn der Herr selber ein Bruder in Christo ist; wie die
Herren ihre Knechte behandeln sollen, sich dabei erinnernd, dass sie ihrem
Herrn, Christo, darüber Rechenschaft geben müssen. (1. Tim. 5:8; 6:1; 1.
Kor. 16:2; Eph. 6:5-9) Auch unser Herr selber hat keine kommunistische
Gemeinschaft gegründet, noch dazu aufgefordert. Er hat vielmehr im
Gleichnis gelehrt, dass nicht alle gleichviel besitzen, dass sich aber
alle als Verwalter betrachten und ihre Sachen individuell besorgen und dafür
verantwortlich sein sollen. (Matth. 25:14-28; Luk. 19:12-24; Jak. 4:13,
15) Sterbend empfahl Jesus seine Mutter seinem Jünger Johannes an, „und
von der Stunde an nahm sie der Jünger in sein Haus.“ Dieser hatte
mithin, so gut als Maria, Martha und Lazarus, ein Haus. Hätte der Herr
eine Gemeinschaft gegründet, er würde wohl dieser seine Mutter empfohlen
haben, und nicht dem Jünger Johannes.
Wie gezeigt wurde, ist die
Bildung einer Gemeinschaft von Gläubigen dem Zweck des
Evangeliums-Zeitalters zuwider. Das gegenwärtige Zeitalter ist bestimmt für
die Verkündigung der guten Botschaft von Christo und für die Herauswahl
eines Volkes für seinen Namen. Darum soll jeder Gläubige eine brennende
Leuchte vor den Menschen, vor der Welt im allgemeinen, sein, nicht nur vor
seinen Mitgläubigen. Darum ließ auch der Herr, nachdem er die Bildung
der ersten Gemeinschaft zugelassen hatte, deren Mitglieder durch eine große
Verfolgung zerstreuen (Apg. 8:1,4; 11:19) durch ganz Judäa und Samaria,
und überall verkündeten sie nun die gute Botschaft. Das ist noch heute
die Aufgabe des Volkes Gottes, als Lichter zu scheinen mitten in der Welt
und nicht, sich in Klöstern und Gemeinschaften ein- und abzuschließen.
Das verheißene Paradies kommt nicht durch solche Gemeinschaften. Solche
zu bilden, ist nur ein Teil des Geistes unserer Zeit überhaupt, vor dem
uns die Schrift zuvor gewarnt hat. So lesen wir in Psalm 37:7: „Vertraue
still dem Jehova und harre auf ihn“; und in Lukas (21:36): „Wachet
nun, zu aller Zeit betend, auf dass ihr würdig geachtet werdet, diesem
allem zu entfliehen, was geschehen soll, und vor dem Sohne des Menschen zu
stehen.“
Anarchie
ein Heilmuttel?
Die
Anarchisten fordern die Freiheit der Gesetzlosigkeit. Sie sind, wie es
scheint, zu der Überzeugung gelangt, dass alle Versuche, die menschliche
Gesellschaft zu organisieren, fehlgeschlagen haben, und sie wollen daher
die Organisation der Gesellschaft zerstören, weiter nichts; an das
Aufbauen denken sie gar nicht, das ist ein Ding für sich. In London wurde
anlässlich einer Maifeier eine 16 Seiten starke Flugschrift verteilt, in
welcher es unter anderem hieß:
„Der Glaube, dass es eine
Autorität geben müsse, vor der man sich zu beugen hat, ist die Wurzel
unseres Elends. Darum auf zum Kampf auf Leben und Tod gegen alle Autorität,
die des Staates, die der Religion, einer Frucht jahrhundertslanger
Unwissenheit und des Aberglaubens, die des Gesetzes! Fort mit dem
Patriotismus, mit der Kriecherei vor Reichen und Mächtigen, mit einem
Wort - Kampf gegen den ganzen Humbug, der dazu bestimmt ist, den Arbeitern
zu imponieren und sie zu Sklaven zu machen. Die Arbeiter müssen natürlich
die Autorität vernichten; die, welche aus derselben Nutzen ziehen, werden
es ja nicht tun.
„Wir glauben nicht, dass der
Staat je eine wohltätige Einrichtung sein wird. Ebenso gut könnte ein
Wolf ein Lamm werden. Wir glauben nicht an die sozialistischen Träume von
zentralisierter Produktion und Konsumtion; das wäre nichts als eine neue,
verschlechterte Auflage des Staates, wie er jetzt ist, mit gesteigerter
Autorität, eine wahre Ungeheuerlichkeit von Tyrannei und Sklaverei. Wir
wollen gleiche Freiheit für alle. Die Fähigkeiten und Neigungen aller
sind verschieden. Jeder weiß am besten selber, was er kann, und wessen er
bedarf. Gesetze und Verordnungen sind Fesseln und erzwungene Arbeit ist
nie eine Freude. Im Anarchistenstaat wird jeder tun, was ihm am besten gefällt,
und seine Bedürfnisse aus den gemeinsamen Vorräten befriedigen.“
Man sollte glauben, dass selbst
der Einfältigste und Unerfahrenste solche Vorsätze als direkten Unsinn
erkennen könnte, die nichts sind als ein Zähnefletschen der
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Aber die durch die Selbstsucht
geschaffenen Zustände stoßen Tausende in diese Hoffnungslosigkeit und äußerste
Verzweiflung hinein!
Sozialismus oder
Kollektivismus
bezweckt den Betrieb aller
Industrie durch den Staat und eine annähernd gleichmäßige Verteilung
des Ertrages des Bodens und der Arbeit nach dem Motto: „Jedem gemäß
seinem Tun.“ Folgende interessante Statistiken entnehmen wir dem Artikel
„Sozialer
Aufbau“
von dem Rechtsgelehrten E. D. Babbit, New
Jersey:
„Achtundsechzig Staaten sind
Selbstbesitzer ihrer Telegraphenanlagen. Vierundfünfzig Staaten sind ganz
oder teilweise Eigentümer ihrer Bahnen, während es neunzehn, darunter
die Vereinigten Staaten, nicht sind.
„In Australien kann man 1.000
Meilen (1. Klasse) durch das Land reisen für 5,50 Dollar, oder sechs
Meilen für 2 Cent, und die Eisenbahnbeamten erhalten dort für eine
achtstündige Arbeitszeit mehr Lohn als die Beamten bei zehnstündiger
Arbeitszeit in den Vereinigten Staaten. Verarmt dadurch das Land? In
Victoria, wo diese Fahrpreise und Löhne eingeführt sind, war der
Reingewinn im Jahre 1894 groß genug, um dadurch die Bundessteuern zu
bezahlen.
„In Ungarn sind die
Eisenbahnen Staatseigentum. Man kann dort sechs Meilen reisen für 4
Pfennige, und seitdem die Regierung die Eisenbahnen angekauft hat, haben
sich die Löhne verdoppelt.
„In Belgien sind die Fahr- und
Frachtpreise auf die Hälfte herabgesetzt, die Löhne aber verdoppelt
worden. Trotzdem bringen die Eisenbahnen dem Staat jährlich 16 Millionen
Mark ein.
„In Deutschland kann man auf
der Staatseisenbahn vier Meilen für vier Pfennig reisen, während die Löhne
der Angestellten um 120 Prozent höher sind als früher. Hat sich ein
solches System schädlich gezeigt? Nein. Während der letzten zehn Jahre
haben die Reingewinne um 41 Prozent zugenommen. Im letzten Jahr (1894)
brachten die Eisenbahnen dem deutschen Staat einen Reingewinn von 100
Millionen Mark.
„Man hat schätzungsweise
gesagt, dass durch Verstaatlichung der Eisenbahnen in den Vereinigten
Staaten Milliarden von Dollars dem Volke gespart und die Löhne der
Angestellten verbessert würden. Anstatt 700.000 müssten dann wenigstens
zwei Millionen angestellt werden.
„Berlin, Deutschland, wird die
sauberste, bestgepflasterte und bestverwaltete Stadt der Welt genannt.
Dort sind die Gaswerke, die Elektrizitätswerke, die Wasserwerke, die Straßen-,
Untergrund- und Hochbahnen, die Telefonanlagen und selbst die
Feuerversicherung städtisch. Auf diese Weise erzielt die Stadt abzüglich
aller Unkosten einen Reingewinn von fünf Millionen Mark. In Berlin kann
jeder Einwohner jeden Tag, so oft er will, fünf Meilen fahren, was ihm
das ganz Jahr nur 18,- Mark kostet, wohingegen zwei Fahrten täglich auf
der Hochbahn in New York im Jahr 146,- Mark (36,50 Dollar) kosten würden.
„Herr F.G.R. Gordon hat in dem
„Twentieth Century“ Statistiken veröffentlicht über die Lichtverhältnisse
in verschiedenen Städten Amerikas, und er stellt fest, dass der
Jahrespreis für Bogenlicht durchschnittlich 208,50 Mark (52,12 1/2
Dollar) beträgt, wenn die Anlagen städtisch verwaltet werden. Der
durchschnittliche Preis, der an Privatgesellschaften gezahlt wird durch
verschiedene Städte, beträgt 420,52 Mark (105,13 Dollar), oder etwas
mehr als das Doppelte von dem, was er betragen würde, wenn die Städte
selbst die Anlagen betreiben würden.
„Der durchschnittliche Preis
eines Telegramms betrug in Amerika im Jahr 1891 1,30 Mark (32 1/2 Cent).
In Deutschland, wo die Telegraphenanlagen staatlich sind, werden
Nachrichten, die zehn Worte umfassen, für 25 Pfennig nach allen Teilen
des Landes gesandt. Den größeren Entfernungen und den höheren Löhnen
in Amerika entsprechend, müssten wahrscheinlich 25 bis 90 Pfennig, je
nach der Entfernung, bezahlt werden. Wie vorteilhaft es ist, dass die
Stadtverwaltungen selbst für Gas, Wasser, Kohle und Straßenbahnen sorgen,
haben Birmingham, Glasgow und andere britische Städte gezeigt.“
Alles das ist gut und schön,
antworten wir. Gleichwohl wird kein vernünftiger Mensch behaupten wollen,
dass sich die Armen in Europa des Millenniums-Segens erfreuen mit ihren
sozialistischen Theorien. Kein Mensch, der über den Gegenstand
unterrichtet ist, wird behaupten, dass die europäischen Arbeiter es
gleich angenehm haben, wie die Arbeiter in den Vereinigten Staaten im
allgemeinen. Amerika ist noch immer das Paradies der Arbeiter, und es
werden jetzt Gesetze erlassen, die verhindern sollen, dass noch Tausende
hinzukommen, um an diesem Paradies einen Anteil zu haben.
Während wir uns aber freuen,
dass der Zustand der Armen in Europa gebessert worden ist, wollen wir
nicht vergessen, dass die Nationalisierungsbewegung in allen Ländern,
ausgenommen Großbritannien, nicht aus der größeren Weisheit seitens des
Volkes resultiert, auch nicht aus dem Wohlwollen oder der Gleichgültigkeit
der Reichen, sondern aus einer anderen Ursache, die sich in den
Vereinigten Staaten nicht wirksam erweist - sie wird von den Regierungen
selbst unternommen. Sie haben von diesen Anlagen Besitz ergriffen, um zu
vermeiden, dass sie bankrott machen. Sie haben ungeheuere Ausgaben bei der
Unterhaltung von Armeen, Flotten, Festungen usw. und brauchen eine Quelle,
aus welcher sie Einnahmen schöpfen können. Die billigen Fahrpreise haben
den Zweck, das Volk bei guter Laune zu erhalten und auch Geschäfte zu
machen, denn wenn die Fahrpreise nicht niedrig wären, so könnten die
Vielen, welche nur geringe Löhne haben, nicht reisen. Die Eisenbahnwagen
vierter Klasse in Deutschland waren früher ganz einfach und ohne
Sitzgelegenheit.
Angesichts dieser Tatsachen
wollen wir uns nicht der Täuschung hingeben, dass solche Maßnahmen das
Arbeiter-Problem zu lösen oder den Zustand auch nur für mehr als sechs
Jahre zu bessern vermöchten.
Wir haben Grund zu der Annahme,
dass der Sozialismus während der kommenden zehn Jahre großen Fortschritt
machen wird. Oft wird er aber nicht weise und mäßig sein. Der Erfolg
wird manche seiner Verteidiger berauschen, während sein Fehlschlag andere
zur Verzweiflung bringen wird, und als Folge wird die Ungeduld Unheil
bewirken. Der Kapitalismus und der Monarchismus sehen in dem Sozialismus
einen Feind, und sie brandmarken die Bewegung in der öffentlichen Meinung.
Obgleich die Namenkirche voll ist von Scheinweizen, so ist sie doch ein
wichtiger Faktor in dem Falle, denn sie beherrscht und überwacht die
mittleren Klassen, in deren Hand sich der Ausgleich der Macht zwischen den
oberen und den unteren Klassen befindet. Diesen mittleren Klassen ist der
Sozialismus bisher falsch dargestellt worden, da die Freunde desselben
noch dazu im allgemeinen Ungläubige waren. Die Herrscher, die
Kapitalisten und die Geistlichen werden mit wenigen Ausnahmen die ersten
Extreme des Sozialismus benutzen, um den Sozialismus anzugreifen und zu
brandmarken.
Wir können uns nur freuen, wenn
wir sehen, wie die Grundsätze der Gleichheit belebt werden, wenn auch nur
vorübergehend und teilweise. Alle, deren Interessen dabei in Frage kommen,
sollten weitherzig sein und einen Teil ihrer persönlichen Vorteile dem
Allgemeinwohl opfern.
Wie bereits angedeutet, wird die
Bewegung durch die vereinte Macht von Kirche, Staat und Kapital unterdrückt
werden und späterhin zu dem großen Ausbruch der Anarchie führen, in
welcher, wie die Heilige Schrift uns sagt, alle gegenwärtigen
Einrichtungen erschüttert werden; „es wird eine Zeit der Drangsal sein,
dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht.“
Selbst wenn der Sozialismus
freie Bahn finden würde, so würde die Erleichterung, welche er bieten könnte,
nur vorübergehend sein, solange die Selbstsucht in den Herzen der
Menschheit herrscht. Er würde die Intelligenteren nicht verhindern, den
Rahm von der Milch abzuschöpfen. Solange das Volk einen Grundsatz
anerkennt und verehrt, wird es sich demselben anpassen, darum könnte der
Sozialismus wohl in seinem Anfangsstadium verhältnismäßig rein sein,
und seine Vertreter und Beamten könnten zuerst treue Diener der
Allgemeinheit sein. Wenn der Sozialismus aber erst volkstümlich sein würde,
so würden sich diejenigen, die sich ihm jetzt widersetzen, mit der neuen
Ordnung abfinden, ans Ruder zu gelangen suchen und wie ehedem die
Gesamtheit zu ihren eigenen Zwecken ausnützen. Kommunisten und
Nationalisten sehen, dass die Selbstsucht Gerechtigkeit und Wahrheit so
lange verdrehen und entstellen wird, als Unterschiede hinsichtlich der
Vergütungen gemacht werden, und dass sie, um den Stolz und die Ehre zu
befriedigen, alle Schranken gegen die Armut, welche Menschen errichten können,
zu übersteigen sucht. Um diesen Übelständen abzuhelfen, schreiten sie
zu ihren undurchführbaren Forderungen; diese sind undurchführbar, weil
die Menschen Sünder sind und nicht Heilige, selbstsüchtig, aber nicht
liebevoll.
Herbert Spencer, der berühmte
englische Philosoph und Wirtschaftspolitiker, schrieb, als er hörte, dass
der italienische Sozialdemokrat Ferri seine Theorien teile: „Die
Behauptung, dass irgendeine meiner Ansichten den Sozialismus begünstigen
soll, ärgert mich. Ich glaube, dass das Aufkommen des Sozialismus das größte
Unheil ist, das die Welt jemals sah.“
Wir geben nachfolgenden Auszug
aus dem „Literary Digest“ wieder, welcher zeigt, dass die
sozialistischen Grundsätze nicht von Bestand sein können, wenn sie nicht
durch irgendeine Art von Macht aufrecht erhalten werden; so stark ist die
Selbstsucht der Menschen.
„Zwei
sozialistische Gemeinwesen“
„Zwei praktische Versuche des
Sozialismus lenken die Aufmerksamkeit der Erforscher sozialer
Wirtschaftspolitik im Ausland auf sich. In beiden Fällen benehmen sich
die Gründer der sozialistischen Gemeinwesen ziemlich gut, eine der beiden
ist sogar ziemlich gedeihlich. Der Versuch, den sozialistischen Theorien
zu entsprechen, hat sich aber in beiden Fällen als unmöglich erwiesen.
Die ursprünglichen Kommunisten sind zu Methoden zurückgekehrt, die sich
kaum von den bürgerlichen der Umgebung unterscheiden. Vor etwas mehr als
zwei Jahren wanderte eine Gesellschaft australischer Arbeiter nach
Paraguay aus, wo sie Land erwarben, welches sich für Farmer eignet, die
keine großen landwirtschaftlichen Maschinen zur Verfügung haben. Sie
waren des Lebens der Lohnsklaverei, welches in seiner harten Arbeit nur
durch die Not des unfreiwilligen Müßigganges abgewechselt wurde, müde.
Sie nannten ihre Niederlassung Neu-Australien und hofften, sie zu einem
Utopien für Arbeiter machen zu können. Das britische Auswärtige Amt
brachte im letzten amtlichen Bericht eine kurze Beschreibung dieser
Bewegung, die viele veranlasst hatte, Australien, das Eldorado der
Arbeiter, mit Südamerika zu vertauschen. Wir entnehmen dem Berichte
folgendes:
„Das Ziel der Kolonie wurde in
der Verfassung niedergelegt, von der ein Artikel folgendermaßen lautete:
„Wir suchen ein Gemeinwesen zu gründen, in dem alle Arbeit zum Nutzen
eines jeden Mitgliedes verrichtet werden soll, und in welchem es unmöglich
sein soll, dass einer den anderen tyrannisiert. Es wird die Pflicht eines
jeden einzelnen sein, das Wohl des Gemeinwesens stets als höchstes Ziel
zu betrachten, so einen Grad von Bequemlichkeit, Glück und Bildung
sichernd, der unmöglich ist in einer Gesellschaft, in der niemand sicher
ist, dass er nicht verhungert.“
„Dieses Ideal wurde nicht
verwirklicht. Fünfundachtzig der Kolonisten wurden bald der Einschränkungen
überdrüssig, welche ihnen durch die Mehrheit auferlegt wurden, und sie
weigerten sich zu gehorchen. Aus Australien neu Ankommende füllten die Lücke
aus, welche durch die Absonderung der fünfundachtzig entstanden war. Die
neu Angekommenen aber waren bald unzufrieden mit dem Führer der Bewegung
und wählten einen neuen, einen eigenen, so dass aus der einen Kolonie
drei Parteien entstanden waren. Die gleiche Verteilung des Ertrages der
Arbeit machte einige der Arbeiter unzufrieden, welche im Gegensatz zu der
sozialistischen Regel einen Anteil verlangten, der der von ihnen
verrichteten Arbeit entsprach. Die strikte Durchführung der Statuten
wurde weiterhin die Ursache von Unzufriedenheit, besonders dadurch, weil
bei Übertretung der Ausschluss ohne Rückvergütung des zugesteuerten
Kapitals angedroht war. Die Kolonie war im Begriffe zusammenzubrechen, als
es dem ursprünglichen Führer gelang, sich von der Regierung von Paraguay
zum Statthalter machen zu lassen und sich mit einer Polizeimacht zu
umgeben, welche nun statt des sozialistischen Statuts für Ordnung sorgte.
Jetzt besteht nun Hoffnung, dass die Kolonie gedeihen wird, die
sozialistischen Grundsätze sind aber aufgegeben worden.“
Die Erfahrungen, welche die
Bergarbeiter von Monthieux bei St. Etienne machten, sind etwas anders. In
ihrem Falle war es das Aufblühen, welches die sozialistischen Theorien
beiseite setzte. Die Berliner „Gewerbezeitung“ beschreibt ihre
Geschichte wie folgt:
„In Monthieux bei St. Etienne
ist eine Grube, welche von der Gesellschaft, die sie einige Jahre
innegehabt hatte, aufgegeben wurde, worauf die Bergleute entlassen wurden.
Da letztere keine Aussicht hatten, in der Nachbarschaft Arbeit zu finden,
baten die Bergleute die Gesellschaft, sie möchte ihnen die Grube übergeben,
und da die Gesellschaft glaubte, die Grube würde sich ja doch nicht
bezahlt machen, willigte sie ein. Die Bergleute hatten keine Maschinen,
sie arbeiteten aber mit einem guten Willen, und es gelang ihnen, neue
Adern zu entdecken. Sie machten fast übermenschliche Anstrengungen, und
es gelang ihnen, genug zu sparen, so dass sie Maschinen kaufen konnten.
Die aufgegebene Grube wurde nun zu einer Quelle großen Reichtums für die
neuen Besitzer. Die früheren Besitzer bemühten sich nunmehr, die Grube
wieder in Besitz zu nehmen, sie verloren aber ihren Prozess, und die
Zeitungen der Arbeiter versäumten natürlich nicht, den Geiz der
Kapitalisten dem Edelmut der Arbeiter gegenüberzustellen, welche den
Ertrag ihrer Arbeit gleichmäßig untereinander verteilten. Die Minen von
Monthieux wurden als Beispiel des Triumphes des Kollektivismus über die
Ausbeutung durch Privatkapital gepriesen.
„Inzwischen vergrößerten die
Bergleute ihren Wirkungskreis, so dass sie die Arbeit nicht mehr ohne
andere Hilfe verrichten konnten. Andere Bergleute wurden herbeigerufen,
und sie taten ihr Bestes, um das Werk zu fördern. Die Bergleute aber,
welche die Grube lohnend gemacht hatten, weigerten sich nun, auch den
Neueingetretenen gleichen Anteil zu bewilligen. Sie wussten, dass der
Schatz, der unter ihren Füßen lag, durch fast übermenschliche
Anstrengungen ihrerseits entdeckt worden war, sie hatten sozusagen aus
Nichts ein Etwas gemacht, warum sollten sie denn nun die Früchte ihrer
Arbeit mit anderen teilen, die zwar immer gearbeitet hatten, aber nicht
bei ihnen? Warum sollten sie denn neuen Kameraden von der Ernte geben,
welche sie nicht gepflanzt hatten? Die neuen Bergleute sollten gut bezahlt
werden, besser als in anderen Gruben, aber sie sollten nicht Miteigentümer
werden. Und als die Neugekommenen eine Störung verursachten, holten die
„kapitalistischen“ Arbeiter die Polizei und ließen sie aus ihrem
Beratungszimmer hinauswerfen.“
Der Nationalismus als Heilmittel
Der Nationalismus ist eine
Theorie, die vor kurzer Zeit neben dem Sozialismus aufgekommen ist. Er
verlangt, dass die gesamte Industrie durch die Nation betrieben werden
soll, auf der Grundlage gemeinsamen Arbeitszwanges und einer allgemeinen
Garantie des Unterhalts. Alle Arbeiter sollen gleichviel arbeiten und
gleichviel verdienen.
Der Nationalismus behauptet:
„Die Verbindungen, Trusts und
Syndikate, über welche sich das Volk jetzt so beschwert, beweisen die
Durchführbarkeit unserer Grundsätze. Wir wollen ihren Grundsatz nur ein
wenig erweitern und veranlassen, dass alle Industriezweige zum Gemeinwohl
von der Nation - dem organisierten Volk - der organisierten Einheit des
gesamten Volkes - betrieben werden.
„Das gegenwärtige
industrielle System beweist selbst, dass es unrecht ist, durch das
vielseitige Unrecht, welches es bewirkt; es beweist selbst, dass es absurd
ist, wegen der Vergeudung von Energie und Materie, welche es
zugestandenermaßen im Gefolge hat. Gegen dieses System erheben wir
Protest; für die Abschaffung der Sklaverei, die es bewirkt hat, setzen
wir unsere besten Kräfte ein.“
Einige der Punkte, welche bei
beiden zu rühmen sind, haben wir schon bei der Behandlung von Sozialismus
und Kollektivismus betrachtet. Als Ganzes ist der Nationalismus jedoch völlig
undurchführbar. Wir haben gegen dieses System im allgemeinen dieselben
Einwände zu machen wie gegen den Kommunismus. Obgleich der Nationalismus
nicht wie der Kommunismus die Vernichtung des Geschlechts in direkter
Weise bedroht, so würde seine Neigung doch sicherlich nach derselben
Richtung gehen. Unter seinen Verteidigern gibt es viele weitherzige,
menschenfreundliche Seelen, von denen manche ohne Hoffnung auf persönlichen
Vorteil mitgeholfen haben, Kolonien zu gründen, die als Beispiel der
Grundsätze des Nationalismus dienen sollten. Manche derselben sind als
vollständige Fehlschläge zu bezeichnen gewesen, und selbst diejenigen,
welche Erfolge zu verzeichnen hatten, mussten der Außenwelt gegenüber
ihre nationalistischen Grundsätze verleugnen, und, wie zu erwarten war,
haben sie alle beträchtliche innere Reibungen gehabt. Wenn die Heiligen
Gottes mit „einem Herrn, einem Glauben und einer Taufe“ finden, dass
es schwer ist, die „Einheit des Geistes in dem Bande der Liebe“ zu
bewahren, und wenn sie der Ermahnung bedürfen, einander zu tragen in
Liebe, wie könnte man da erwarten, dass gemischte Gesellschaften, die
kein solches Band zu besitzen behaupten, Erfolg darin haben, den selbstsüchtigen
Geist der Welt, des Fleisches und des Teufels zu überwinden?
In den Vereinigten Staaten haben
sich einige Kolonien, welche auf nationalistischer Grundlage aufgebaut
worden sind, in den letzten Jahren als Fehlschläge erwiesen. Eine der
Kolonien, welche sich letzthin so zeigte, war die Altruria-Kolonie in
Kalifornien, die Rev. E. V. Payne mit dem Grundsatz „Einer für alle,
alle für einen,“ gegründet hatte. Sie hatte insofern große Vorteile
vor anderen Kolonien, dass sie nur aus ausgewählten Mitgliedern, nicht
aus allen Hinzudrängenden, gebildet wurde. Der Gründer legt die Ursachen,
weshalb sich die Kolonie auflöste, in dem „Examiner“ San Francisco,
vom 10. Dezember 1896, dar. Er sagt:
„Die Altruria-Kolonie war
nicht von Anfang an ein Fehlschlag; - wir zeigten, dass Vertrauen, guter
Wille und Aufrichtigkeit, die eine Zeitlang herrschten, ein glückliches
Gemeinschaftsleben bewirken und andererseits, dass Argwohn, Neid und
selbstsüchtige Beweggründe die menschliche Natur verteuflischen und das
Leben unerträglich machen. - Wir hörten auf, einander zu vertrauen und
einander so zu betrachten, wie zu Anfang, wir verfielen vielmehr wieder
auf die Methoden, die in der Welt üblich sind.“
Was manche Menschen durch
Erfahrung lernen, erkennen andere durch ihre Folgerungen, die sich auf
eine Kenntnis der menschlichen Natur stützen. Jeder, der eine Lektion darüber
lernen möchte, wie fruchtlos derartige Hoffnungen sind, solange die
Selbstsucht die Herzen der Menschen beherrscht, kann auf billige Weise
Erfahrungen machen, indem er sich für eine Woche in eine zweit- oder
drittklassige Pension einmietet.
Allgemeinbildung der Arbeiter als
Heilmittel
Im „Forum“ erschien kürzlich
ein Artikel, in welchem sich Henry Holt zu zeigen bemühte, dass es
notwendig sei, die Arbeiter in einem Dutzend verschiedener Handwerksberufe
auszubilden. Dies möchte wohl für einzelne eine Zeitlang von Hilfe sein,
es ist aber offenbar, dass auf eine solche Weise das Problem nicht gelöst
werden kann. Es ist schlimm genug, dass Weber und Schuhmacher müßig sein
müssen, während Pflasterer und Maurer arbeiten können. Welches würde
aber die Folge sein, wenn auch erstere pflastern und mauern könnten? Der
Wettbewerb in allen Zweigen würde vergrößert werden. Herr Holt verfährt
aber richtig mit zwei umfassenden Wahrheiten, hinsichtlich deren Bildung
notwendig ist. Er sagt:
„Die einfachere der beiden
Wahrheiten ist die unvermeidliche, wenn auch grausame, ich meine die natürliche
Auswahl. Ich sage nicht, dass sie gerecht sei. Die Natur weiß nichts über
Gerechtigkeit. Ihre Maschinerie arbeitet in unerbittlicher Weise in der
Richtung harter Verhältnisse. Es ist wahr, sie hat in uns die Intelligenz
entwickelt, so dass wir in bescheidenem Maße ihren Lauf beeinflussen können,
und beim Gebrauch dieser Intelligenz entwickelt sich in uns der Sinn für
Gerechtigkeit. Wir können sie aber nur in den ihr passenden Kanälen
leiten, sonst würden sie überflutet werden. Nun gibt es keinen Lauf, der
deutlicher bezeichnet wäre, als die natürliche Auswahl, und in der Ausübung
unserer geringen Freiheiten und unserer Stimmrechte sind wir niemals so
weise, als wenn wir auf dieselbe stoßen. Wir sind aber weit eher geneigt,
einen Aufwiegler vorzuziehen, weil wir dann zu leiden haben. Der
Sozialismus beabsichtigt, die Gefahr dieses Leidens auf das Gebiet der
Produktion zu übertragen. Die Führer in der Industrie werden jetzt durch
die natürliche Auswahl gewählt, mit höchstens geringen Ausnahmen durch
Erbschaft, welche Ausnahmen sich aber schnell wieder selbst heilen; wenn
der Sohn nicht Befähigung ererbt, wird er bald nicht mehr überleben. Bei
zunehmender Freiheit des Wettbewerbs und beim Zunehmen der Gelegenheiten für
einen intelligenten Menschen, der kein Kapital besitzt, solches zu leihen,
ist es aber eine Tatsache, dass die Industrie jetzt durch die natürliche
Auswahl geleitet wird. An Stelle dessen sucht die Sozialdemokratie die künstliche
Auswahl einzuführen, und zwar durch öffentliche Abstimmung. Eine
allgemeine Erkenntnis der Überlegenheit des natürlichen Weges würde
diese Torheit heilen.
„Die andere Wahrheit, welche
schwer verständlich dargelegt werden kann, von der man sich aber doch
einen Begriff bilden kann, ist die bedeutsamere. Sie ist schwierig,
weniger, weil sie etwas vorherige Bildung voraussetzt, als vielmehr, weil
sie seit Jahrtausenden durch Dogmen bekämpft wurde und noch immer bekämpft
wird. Den meisten, die dieses lesen, wird dies als seltsam erscheinen,
wenn ich diese Wahrheit in den gebräuchlichen Ausdruck kleide: Die
allumfassende Herrschaft des Gesetzes. Dennoch ist es wahr, dass viele
Menschen, welche denken, dass sie daran glauben, täglich bitten, dass
ihnen eine Ausnahme bewilligt werden möchte. Die Menschen im allgemeinen
- und die Gesetzgeber im allgemeinen - würden in Sachen der Physiologie
nach einem Doktor oder in Sachen der Maschinerie nach einem Ingenieur, in
Sachen der Chemie nach einem Chemiker senden, und man würde der Meinung
dieser Leute in kindlichem Glauben folgen; in Sachen der
Wirtschaftspolitik will man aber keine andere Anschauung gelten lassen als
die eigene. Man ahnt im allgemeinen nicht, dass solche Angelegenheiten
Gesetzen unterworfen sind, genau wie die physikalischen, dass zum
Auffinden dieser Gesetze oder zum Erlernen der schon gefundenen ebenso gut
ein besonderes Studium notwendig ist, und dass es eben solches Unheil
bringt, wenn man ihnen in Unwissenheit entgegengesetzt vorgeht, als in
Eigensinn.
„Der Arbeiter bedarf daher
nicht nur der Bildung durch Gewerbeschule und der Belehrung über gewisse
wirtschaftliche Tatsachen, sondern auch derjenigen Art von Belehrung in
Wissenschaft und Geschichte, welche ihm einen Begriff über das natürliche
Gesetz verleiht. Auf der so geschaffenen Grundlage könnte eine
Vorstellung über das Herrschen dieses Gesetzes in der materiellen und
sozialen Welt verschafft werden, sowie auch eine gewisse Erkenntnis dessen,
dass das menschliche Gesetz fruchtlos ist, oder noch schlimmer, wenn es
nicht durch sorgfältiges Studium und vorsichtige Versuche dem natürlichen
Gesetze angepasst ist. Dann würde man auch glauben, dass kein
menschliches Gesetz den Ungeeigneten überleben lassen kann, außer durch
Aufwand von Seten eines anderen, und dass sie einzige Möglichkeit, ihn überleben
zu lassen, darin liegt, ihn geeignet zu machen.“
Ja, es ist wahr, dass diese
beiden Gesetze in unserem gegenwärtigen sozialen System herrschen, und es
sollte jeder lernen, dass es außerhalb des Bereiches der menschlichen
Macht liegt, diese Gesetze der Natur zu ändern, und dass die Menschen
daher nichts weiter tun können, als ein wenig daran herumzuflicken und
vorübergehende Verbesserungen zu schaffen. Die neuen und ersehnenswerten
Gesetze, die für eine vollkommene und ideale Gesellschaftsordnung
notwendig sind, werden zu ihrer Einführung übernatürlicher Macht bedürfen.
Darum lasst uns in Gottseligkeit und in Genügsamkeit warten auf das Reich
Gottes und zu beten fortfahren: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe
auf Erden wie im Himmel.“
Die sogenannte „einzige
Steuer“ oder „Freiland“
Henry George entwarf einen Plan
von nicht zu verkennendem Wert, zweifellos darum, weil er die Wirkungen
des Kommunismus, des Sozialismus und des Nationalismus voraussah. Sein
Vorschlag ist bekannt als „die einzige Steuer“ oder als „Freiland.“
Man kann sagen, dass er in gewisser Hinsicht das Gegenteil des Sozialismus
darstellt. In vielen bedeutsamen Zügen ist er dem Individualismus gleich.
Er überlässt die Quellen dem einzelnen gemäß seinem Charakter, seinen
Anstrengungen und seiner Umgebung, ausgenommen insofern, als er jedem ein
unveräußerliches Recht auf Anteil an den allgemeinen Segnungen des Schöpfers
- Luft, Wasser und Land - vorbehält. Er beabsichtigt wenig direkte Änderungen
des gegenwärtigen sozialen Systems. Mit der Behauptung, dass die gegenwärtige
Ungleichheit des Vermögens, soweit sie schädlich wirkt, völlig das
Ergebnis des Privatbesitzes von Land ist, schlägt diese Theorie vor, das
gesamte Land wieder zum Eigentum des ganzen Geschlechtes Adams zu machen;
auf diese Weise würden sich die Missstände des gegenwärtigen sozialen
Systems bald selbst ausgleichen. Sie schlägt vor, die Wiederverteilung
des Landes unter das menschliche Geschlecht nicht vorzunehmen durch
Aufteilung dem Verhältnis nach, sondern indem man alles als einen großen
Staat betrachtet. Jeder erhielte dann von dem, was er jetzt besitzt, einen
so großen Teil als Lehen, als er wünschen mag, und er müsste eine dem
Wert seines Anteils entsprechende Steuer entrichten. Ein unbebauter
Bauplatz würde gleich behandelt wie ein unbebauter, ein unbebautes Feld
wie ein solches, welches produziert. Die auf diese Weise erhobene Steuer wäre
zum Allgemeinwohl zu verwenden - für Schulen, Straßen, Verkehrsanstalten
und für die Bestreitung der Verwaltungskosten, daher der Name „einzige
Steuer.“
Die Wirkung eines solchen
Systems würde die sofortige Öffnung weiter Landstrecken, die jetzt zum
Zweck der Spekulation brach liegen, bewirken, und gerecht wäre die Steuer
insofern, als der Wert des Bodens nach seiner Ertragsfähigkeit und nach
den vorhandenen Verkehrsmitteln betreffs Verwertung des Ertrages bestimmt
würde. Vieh, Hausrat, Verdienst usw. würden steuerfrei. Länder, die
armen Boden oder schwierigere Transportgelegenheiten besitzen, wären bei
der Steuer niedriger einzusetzen als solche mit besserem Boden und
besseren Transportverhältnissen. Städtische Grundstücke würden nach
ihrem Wert eingeschätzt werden, wobei die Lage und die Umgebung in
Betracht käme.
Ein solches Gesetz, welches zehn
Jahre nach Erlassung in Kraft treten müsste, würde zur unmittelbaren
Folge haben, dass der Wert von Besitzungen herabgesetzt würde, und es würde
sich an Millionen von Morgen Landes wirksam erweisen, und Tausende von städtischen
Grundstücken würden sich jedem eröffnen, der davon Gebrauch machen und
die festgesetzten Steuern bezahlen könnte.
Als Papst Leo XIII. einen
Hirtenbrief an Arbeiter veröffentlichte, nahm Herr Henry George die
Gelegenheit wahr, eine Broschüre zu schreiben mit dem Titel: „Ein
offener Brief an Papst Leo XIII.“ Da dieselbe einige gute Gedanken enthält,
die in den Rahmen unserer Betrachtungen passen, und da sie außerdem eine
Darlegung des eben behandelten Gegenstandes ist, bringen wir folgende Auszüge
daraus:
Auszug aus einem offenen Brief von
Henry George an Papst Leo XIII., in Erwiderung auf den von letzterem über
die beunruhigende Arbeiterfrage geschriebenen Hirtenbrief
„Es scheint uns, dass Eure
Heiligkeit verfehlen, die wahre Bedeutung zu erkennen, bei der Andeutung,
dass Christus, indem er der Sohn eines Zimmermannes wurde und selbst als
Zimmermann arbeitete, nur gezeigt haben soll, „dass es keine Schande ist,
das Brot durch Arbeit zu verdienen.“ Wenn man dies sagt, so klingt das
fast ebenso, als wenn man sagt, dass er, indem er die Menschen nicht
bestahl, zeigte, dass es keine Schande ist, ehrlich zu sein! Wenn Sie
bedenken, wie richtig die Einteilung aller Menschen in drei Klassen, nämlich
Arbeiter, Bettler und Diebe ist, so werden Sie sehen, dass es für
Christum moralisch unmöglich war, während seines Aufenthaltes auf Erden
etwas anderes zu sein als ein Arbeiter, musste er doch, der gekommen war,
um das Gesetz zu erfüllen, dem göttlichen Gesetz der Arbeit durch Wort
und Tat gehorchen.
„Wie vollständig und schön
illustrierte doch das Leben Christi auf Erden dieses Gesetz. In das
irdische Leben in der Schwachheit der Kindheit eintretend, wie es allen,
welche in dasselbe eintreten, bestimmt ist, nahm er an, was in der natürlichen
Ordnung in liebevoller Weise als Nahrung dargereicht wurde, und was durch
Arbeit erlangt wird, die jede Generation ihren direkten Nachkommen
schuldig ist. Zum Mannesalter herangereift, erwarb er sich seinen
Unterhalt selbst durch die gewöhnliche Arbeit, durch welche die meisten
Menschen ihn erwerben. Dann stieg er zu der höheren - der höchsten -
Stufe der Arbeit hinan, er erwarb sich seinen Unterhalt durch das Lehren
moralischer und geistiger Wahrheiten. Er empfing seinen materiellen Lohn
in Form der Liebesopfer dankbarer Zuhörer, und er wies auch die kostbare
Narde nicht zurück, mit der Maria seine Füße salbte. Als er seine Jünger
wählte, ging er daher auch nicht zu Landbesitzern oder anderen
Monopolisten, die von der Arbeit anderer leben, sondern zu gewöhnlichen,
arbeitenden Menschen. Und als er sie zu einer höheren Arbeit berief und
sie aussandte, damit sie moralische und geistige Wahrheiten verkündigen
sollten, sagte er ihnen, sie möchten ohne Herablassung einerseits und
ohne eine Empfindung von Erniedrigung andererseits nehmen, was man ihnen
in Liebe für eine solche Arbeit geben würde, indem er sagte: „Der
Arbeiter ist seines Lohnes wert“, so zeigend, woran wir auch festhalten,
dass Arbeit nicht nur aus Arbeiten mit der Hand besteht, sondern dass
vielmehr jeder ein Arbeiter ist, der dazu beiträgt, die materielle,
intellektuelle, moralische und geistige Fülle des Lebens zu vermehren. (Anmerkung:
Man sollte auch nicht vergessen, dass der Forscher, der Philosoph, der
Lehrer, der Künstler, der Dichter und der Priester, obgleich sie nicht
direkt bei der Produktion von Gütern beschäftigt sind, nicht nur
beteiligt sind an der Herstellung von Nützlichem und Befriedigendem, wozu
die Produktion von Gütern nur ein Mittel ist, sie vermögen vielmehr
durch Erwerben von Kenntnissen und durch Verbreitung derselben, durch
Anregung der geistigen Kräfte und durch Hebung der Moral, die Fähigkeit,
Güter zu produzieren, zu vermehren. Denn der Mensch lebt nicht von Brot
allein. Jeder, der durch Anstrengung von Geist oder Körper den Reichtum
vermehrt, die menschliche Erkenntnis erweitert oder das menschliche Leben
erhebt und ihm eine größere Fülle verleiht, ist im umfassenden Sinne
ein „Produzent“, ein „Arbeiter“, und er verdient auf ehrliche
Weise ehrlichen Lohn. Diejenigen aber, die, ohne die Menschheit reicher,
weiser, besser und glücklicher zu machen, von der Arbeit anderer leben,
sind in Wirklichkeit Bettler und Diebe, gleich, welchen Ehrentitel sie
tragen, oder wie rüstig die Priester des Mammon ihre Weihrauchfässer vor
ihnen schwingen mögen.)
„Bei der Behauptung, dass
Arbeiter, besonders gewöhnliche Handarbeiter, natürlicherweise arm sind,
lassen Sie außer acht, dass der Arbeiter den Reichtum hervorbringt, und
schreiben Sie dem natürlichen Gesetz des Schöpfers eine Ungerechtigkeit
zu, die die Folge der gottlosen Vergewaltigung seiner wohlwollenden
Absicht ist. Bei den rohesten Handwerks-Verhältnissen ist es allen
gesunden Menschen möglich, einen Lebensunterhalt zu verdienen. Bei der
Anwendung arbeitsparender Maschinen sollten sie noch weit mehr verdienen können.
Wenn Sie also sagen, dass Armut keine Schande ist, so bringen Sie eine
unvernünftige Folgerung. Armut sollte eine Schande sein, denn bei einem
Zustand von sozialer Gerechtigkeit, bei welchem unvermeidliches
Missgeschick unmöglich sein müsste, sollte sie Achtlosigkeit oder
Faulheit bedeuten.
„Die Sympathie Eurer
Heiligkeit scheint ausschließlich für die Armen zu sein, für die
Arbeiter. Sollte dies so sein? Sind nicht auch reiche Müßiggänger zu
bedauern? Dem Evangelium gemäß sollten die Reichen wirklich vielmehr
bedauert werden als die Armen. Und allen Menschen, die an ein zukünftiges
Leben glauben, muss die Lage eines jeden, der seine geliebkosten Millionen
zurücklassen muss, bedauernswert erscheinen. Wie bedauernswert sind aber
doch schon in diesem Leben die Reichen! Das Übel liegt nicht in dem
Reichtum selbst, in seiner Herrschaft über materielle Dinge; es liegt
darin, Reichtum zu besitzen, während andere von der Armut ertränkt
werden, emporgezogen zu werden über die Berührung mit dem Menschenleben,
mit seiner Arbeit und seinem Kampf, mit seinen Hoffnungen und Befürchtungen
und vor allem mit seiner Liebe, die das Leben versüßt, und über das
freundliche Mitgefühl und die edelmütigen Handlungen, die den Glauben an
den Menschen und das Vertrauen auf Gott stärken. Denken Sie daran, wie
die Reichen stets die niedrigere Seite des Menschen sehen, wie sie von
Schmeichlern umgeben werden, wie sie bereitwillige Werkzeuge finden, nicht
nur zur Befriedigung von lasterhaften Neigungen, sondern auch zu deren
Anregung und Anreizung, wie sie beständig auf der Hut sein müssen, um
nicht beschwindelt zu werden, wie oft sie einen niedrigen Beweggrund argwöhnen
müssen hinter einer freundlichen Tat oder einem freundlichen Wort; wie
sie umlagert werden von unverschämten Bettlern und Betrügern, wenn sie
versuchen, edelmütig zu sein, wie oft die familiären Zuneigungen in
ihnen abgetötet werden, und wie oft man ihrem Tode mit schlecht
verhehlter Freude der Erwartung auf den Besitz ihres Vermögens
entgegensieht. Das Schlimmste bei der Armut ist nicht der Mangel, sondern
das Verkümmern und Verzerren der höheren Eigenschaften. So, wenn auch
auf andere Weise, bewirkt unverdienter Reichtum ebenfalls Verkümmerung
und Verzerrung des Edelsten im Menschen.
„Ein Missachten der göttlichen
Gebote kann nicht ungestraft bleiben. Wenn es Gottes Wille ist, dass der
Mensch sein Brot durch Arbeit verdient, so wird der reiche Nichtstuer
leiden müssen. Und so ist es auch. Wie leer ist doch das Leben derer, die
um des Vergnügens willen leben! Welch ekelhafte Laster werden doch in
einer Klasse großgezogen, die, von Armut umgeben, mit Reichtum übersättigt
ist! Welch schreckliche Strafe ist doch die Langeweile, von der die Armen
so wenig wissen, dass sie sie nicht kennen, welch Pessimismus bemächtigt
sich doch der wohlhabenden Klassen! Er schließt Gott aus, verachtet den
Menschen, verurteilt das Dasein in sich selbst als ein Übel, fürchtet
den Tod, sehnt sich aber dennoch nach einer Vernichtung!
„Als Christus dem reichen Jüngling
sagte, er solle alles verkaufen, was er hatte, und es den Armen geben,
dachte er nicht an die Armen, sondern an den jungen Mann. Ich zweifle
nicht daran, dass es unter den Reichen, und besonders unter denen, die den
Reichtum selbst erwarben, viele gibt, die bisweilen klar empfinden, wie töricht
der Besitz des Reichtums ist, und die um ihrer Kinder willen vor der
Gefahr und der Versuchung des Reichtums bangen. Die Macht einer langen
Gewohnheit aber, Anreizung durch den Stolz, der Reiz, das zu erlangen und
zu behalten, was für sie zum Zahlpfennig im Kartenspiel geworden ist, und
die wirkliche Schwierigkeit, auf die sie stoßen, wenn sie einen guten
Gebrauch von ihrem Reichtum machen wollen, alles das bindet sie mit einer
Last zusammen, wie einen Esel mit seinem Pack, bis sie in den Abgrund
stolpern, der dieses Leben abschließt.
„Menschen, die immer sicher
sind, die Nahrungsmittel zu erhalten, die sie bedürfen, essen nur das,
was ihnen der Appetit vorschreibt. Bei den zerstreuten Stämmen aber, die
an den Grenzen des bewohnbaren Erdballes wohnen, ist das Leben entweder
eine Hungersnot oder ein Fest. Nachdem sie einige Tage lang gehungert
haben, treibt sie die Furcht, erlangte Beute zu verlieren, dazu, dieselbe
zu verschlingen, gleich einer Anakonda (Anmerkung: Eine Art Riesenschlange),
die bei ihrem Suchen nach Wild Erfolg gehabt hat. Was dem Reichtum einen
Fluch auflädt, ist die Ursache, aus welcher die Menschen danach streben,
ihn zu erlangen, durch welche er bei den Menschen so beneidenswert und
bewundernswert gemacht wird - die Furcht vor Entbehrung. Ebenso, wie ungebührlicher
Reichtum im Zusammenhang mit ungebührlicher Armut ist, so ist die
seelenzerstörende Eigenschaft des Reichtums nur ein Gegenstück der
erniedrigenden Entbehrung. Das wahre Übel liegt in der Ungerechtigkeit,
aus welcher unnatürlicher Reichtum und unnatürlicher Mangel
gleicherweise entstehen.
„Diese
Ungerechtigkeit kann man aber schwerlich einzelnen Personen oder Klassen
zur Last legen. Das Vorhandensein von Landeigentum ist ein großes,
soziales Unrecht, an welchem die Gesellschaft im großen und ganzen leiden
muss, und dessen Opfer die ganz Reichen ebenso wie die ganz Armen sind,
wenn auch bei entgegengesetzten Extremen. Angesichts dieser Tatsache
erscheint es uns wie eine Vergewaltigung der christlichen Barmherzigkeit,
wenn man sagt, die Reichen seien persönlich für die Leiden der Armen
verantwortlich. Während man solches behauptet, besteht man dennoch darauf,
dass die Ursache dieser ungeheuren Reichtümer und jener entartenden Armut
unangetastet bleibt. Hier ist ein Mensch mit einem entstellenden und gefährlichen
Auswuchs. Ein Arzt würde letzteren in freundlicher, sanfter, aber
bestimmter Weise entfernen. Ein anderer Arzt aber besteht darauf, dass er
nicht entfernt wird, zu gleicher Zeit setzt er den Bedauernswerten aber
dem Hass und dem Spott aus. Was ist Recht?
„Indem wir suchen, dem
Menschen seine gleichen und natürlichen Rechte wiederherzustellen, suchen
wir nicht den Vorteil irgendeiner einzelnen Klasse, sondern aller, denn
wir sehen und wissen aus Glauben, dass Ungerechtigkeit niemand Vorteil
einbringt, und Gerechtigkeit allen zum Nutzen sein muss.
„Wir suchen auch nicht,
irgendeine „fruchtlose und lächerliche Gleichheit“ herzustellen. Die
Gleichheit, die wir zustande zu bringen suchen, ist nicht eine Gleichheit
des Vermögens, sondern der natürlichen Gelegenheiten ...
„Indem wir das, was wir
deutlich als Werke erkennen, die der göttlichen Ordnung gemäß für die
Gesellschaft bestimmt sind, zum Gebrauche durch die Gesellschaft
heranziehen, wollen wir nicht die geringsten Steuern von den Besitzern von
Reichtümern erheben, so reich sie auch sein mögen. Wir verurteilen
dergleichen Steuern nicht nur als eine Vergewaltigung des Eigentumsrechtes,
wir sehen auch, dass es durch die wunderbare Anwendung der
wirtschaftlichen Gesetze des Schöpfers unmöglich ist, dass jemand
Reichtum erlangen kann, ohne zu gleicher Zeit den Reichtum der Welt zu
vermehren ...
„Eure Heiligkeit geben in dem
Hirtenbrief hiervon ein Beispiel. Sie leugnen, dass eine Gleichheit des
Rechts für die materielle Stufe des Lebens besteht, und dennoch sind Sie
sich dessen bewusst, dass ein Recht zu leben besteht. Sie behaupten, dass
der Arbeiter das Recht auf Beschäftigung und auf einen gewissen,
unbestimmten Lohn habe. Es besteht kein solches Recht. Es hat niemand das
Recht, von einem anderen Beschäftigung zu verlangen oder andere Löhne zu
fordern, als der andere zu zahlen bereit ist, oder irgendwie den anderen
zu zwingen, höhere Löhne zu zahlen wider seinen Willen. Man könnte ein
solches Vorgehen nicht besser rechtfertigen, als wenn der Arbeitgeber
verlangen würde, man solle die Arbeiter zwingen, Arbeit zu verrichten,
die sie nicht verrichten wollen und niedrigere Löhne anzunehmen, als sie
annehmen wollen. Jede scheinbare Rechtfertigung entspringt einem
vorhergehenden Unrecht, der Verneinung der Rechte der Arbeiter ...
„Christus rechtfertigte David,
der, als er vom Hunger gedrängt wurde, etwas beging, was unter gewöhnlichen
Umständen Entweihung gewesen wäre, er nahm die Schaubrote aus dem Tempel.
Damit wollte er aber bei Leibe nicht sagen, dass der Tempelraub ein
geeigneter Weg sei, auf welchem man sich Lebensmittel verschaffen kann.
„In Ihrem Hirtenbrief
empfehlen Sie aber die Anwendung von Grundsätzen im gewöhnlichen Leben,
die der Sittenlehre gemäß nur in außerordentlichen Fällen geduldet
werden dürfen. Sie werden zu der Aufstellung von Behauptungen über
falsche Rechte gezwungen, weil Sie die wahren leugnen. Das natürliche
Recht, welches jeder Mensch besitzt, besteht nicht darin, dass er von
einem anderen Beschäftigung und Lohn fordern kann, sondern darin, dass er
in jenem unerschöpflichen Vorratshaus arbeiten kann, welches der Schöpfer
in dem Boden für alle Menschen vorgesehen hat. Wenn diese Vorratshäuser
offen wären, wie wir sie durch die einzige Steuer öffnen könnten, so würde
die natürliche Nachfrage nach Arbeit Schritt halten mit dem Vorhandensein
derselben. Derjenige, welcher Arbeit verkauft, würde wie derjenige,
welcher sie kauft, ein freier Austauscher werden, zum gegenseitigen
Vorteil, und alle Ursachen zu Streitigkeiten zwischen Arbeiter und
Arbeitgeber würden verschwunden sein. Wenn dann alle die Freiheit besäßen,
für sich selbst zu arbeiten, so würde schon diese Gelegenheit aller
Sklaverei ein Ende machen, und da niemand für den anderen um weniger
arbeiten würde, als er durch selbständiges Arbeiten verdienen könnte,
so würden auf diese Weise die Löhne zu ihrem vollen Wert aufsteigen, und
die Beziehungen zwischen Arbeiter und Arbeitgeber würden durch das
gegenseitige Interesse und die gegenseitige Angemessenheit reguliert
werden. Dies ist der einzige Weg, auf welchem eine Regelung zu erzielen
ist.
„Eure Heiligkeit scheinen zu
behaupten, dass es einen gewissen gerechten Lohnsatz geben müsse, den der
Arbeitgeber zu geben und der Arbeitnehmer zu nehmen habe, und Sie scheinen
zu glauben, dass der Streit beendet sein würde, wenn dieser Lohnsatz
festgestellt werden könnte. Augenscheinlich denken Sie sich diesen Lohn
so, dass er dem Arbeiter einen bescheidenen Lebensunterhalt gewährt, und
dass von ihm bei strenger Sparsamkeit ein wenig zur Seite gelegt werden
kann.
„Wie kann aber ein gerechter
Lohn festgesetzt werden, wenn bei dem „Feilschen auf dem Markte“ nicht
einmal der gerechte Preis des Kornes und der Schweine festgesetzt werden
kann? Und wenn die Löhne durch Schiedsspruch festgesetzt würden, würde
man da nicht dem natürlichen Gesetz vorgreifen? Warum soll der Käufer
von Arbeit vor dem Käufer von Waren dazu angehalten werden, höhere
Preise zu bezahlen, als er auf dem freien Markt zu bezahlen brauchte?
Warum sollten die Verkäufer von Arbeit nicht weniger zufrieden sein, als
sie auf dem freien Markt erhalten könnten? Warum sollte der Arbeiter mit
einer geringeren Kost zufrieden sein, wenn die Welt so reich ist? Warum
sollte er zufrieden sein mit einem Leben von ununterbrochener Arbeit und
Einschränkung, wenn die Welt solchen Überfluss besitzt? Warum sollte er
nicht auch wünschen, die höheren Instinkte, den feineren Geschmack zu
befriedigen? Warum sollte er immer zufrieden sein, im Zwischendeck zu
reisen, wenn es andere bequemer finden, eine Kabine zu mieten?
„Sicherlich wird er es auch
nicht. Das Gärungsmittel unserer Zeit kommt nicht nur daher, dass der
Arbeiter es für härter findet, nicht auf derselben Stufe der
Bequemlichkeit zu leben. Es kommt auch, und vielleicht in viel größerem
Maße, daher, dass mit dem Wachstum der allgemeinen Bequemlichkeit seine Wünsche
größer geworden sind. Dieses Wachstum muss noch zunehmen, denn Arbeiter
sind Menschen, und der Mensch ist ein unbefriedigtes Tier.
„Er ist kein Ochse, von dem
man sagen kann: soviel Gras, soviel Korn, soviel Wasser und ein wenig Salz,
so wird er zufrieden sein. Im Gegenteil, je mehr der Mensch erhält, umso
mehr verlangt er. Wenn er genügend Nahrung hat, dann verlangt er bessere
Nahrung. Wenn er eine Unterkunft bekommt, dann verlangt er bald eine
bequemere und geschmackvollere. Wenn seine fleischlichen Bedürfnisse
befriedigt sind, dann erwachsen geistige.
„Diese ruhelose
Unzufriedenheit entspringt der Natur des Menschen - jener edleren Natur,
welche so hoch über derjenigen des Tieres steht, und welche zeigt, dass
er in Wahrheit in dem Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Man soll nicht über
sie streiten, denn sie ist die Triebfeder allen Fortschrittes. Sie
errichtete die Petrikirche, sie machte auf der matten leblosen Leinenwand
das engelähnliche Antlitz der Madonna glühen, sie wog Sonnen und
zerlegte Sterne, und sie schlug eine Seite nach der anderen auf von den
wunderbaren Werken der schöpferischen Intelligenz; sie überbrückte den
atlantischen Ozean, sie ließ den Blitz unsere Botschaft in die
entferntesten Länder tragen, sie öffnete uns Möglichkeiten, denen gegenüber
alles, was unsere Zivilisation bis jetzt vollbracht hat, gering zu sein
scheint. Sie kann auch nicht unterdrückt werden, es sei denn durch
erniedrigte Menschen, durch Herabdrückung von Europa auf das Niveau
Asiens.
„Wenn daher die Löhne nicht
bestimmt werden können, indem alle Beschränkungen der Arbeit aufgehoben
werden, und wenn nicht allen Arbeitern Zutritt gewährt wird zu den natürlichen
Gelegenheiten unter gleichen Bedingungen, so wird es unmöglich sein,
irgendeine Norm für Löhne aufzustellen, die als gerecht betrachtet würde
und die die Arbeiter verhindern würde, nach mehr zu streben. Wenn man die
Lage der Arbeiter ein wenig verbessern würde, so würde man alles andere
eher erreichen, als sie zufrieden zu machen, man würde sie nur noch
unzufriedener machen.
„Sie appellieren auch nicht an
die Gerechtigkeit, wenn Sie die Arbeitgeber auffordern, ihren Arbeitern
mehr zu zahlen, als sie zu zahlen gezwungen wären, mehr als das, womit
sich andere begnügen würden. Sie appellieren dann an die Mildtätigkeit.
Was der reiche Arbeitgeber dann mehr geben würde, wäre nicht wirklicher
Lohn, sondern nur ein Almosen.
„Bei der Behandlung der
praktischen Maßnahmen zum Zwecke der Verbesserung der Lage der Arbeiter,
welche Sie anregen, habe ich das, worauf Sie soviel Gewicht legen, Mildtätigkeit,
gar nicht erwähnt. Als Heilmittel gegen die Armut haben solche
Empfehlungen praktisch keinen Wert. Wenn es möglich wäre, durch Almosen
die Armut abzuschaffen, dann würde es in der Christenheit keine Armut
mehr geben.
„Die Mildtätigkeit ist in der
Tat eine edle und herrliche Tugend, bei Gott wie bei den Menschen angenehm.
Sie muss sich aber auf Gerechtigkeit gründen, sie kann letztere nicht
verdrängen.
„Das Unrecht bei den
Arbeitsverhältnissen in der christlichen Welt ist, dass der Arbeiter
beraubt wird. Solange Sie das Fortbestehen dieses Beraubens rechtfertigen,
ist es eitel, zur Mildtätigkeit zu ermahnen. Wenn Sie dies tun, wenn Sie
die Mildtätigkeit als einen Ersatz für Gerechtigkeit anpreisen, so ähnelt
dies in Wirklichkeit dem Vorgehen jener Ketzer, welche Ihre Vorgänger
verdammten, weil sie lehrten, das Evangelium habe das Gesetz ersetzt, und
die Liebe Gottes entbindet den Menschen von moralischen Verpflichtungen.
„Wo Ungerechtigkeit besteht,
kann die Mildtätigkeit höchstens die Wirkungen der Ungerechtigkeit in
etwa lindern. Sie kann sie nicht heilen. Selbst das wenige, das sie zur
Linderung tun kann, ist nicht ohne Übel. Denn das, was man als das
Obenaufgelegte bezeichnen könnte, wie hier die zweite Tugend, bewirkt Übles,
wenn die Grundlage der ersten Tugenden fehlt. So ist zum Beispiel Nüchternheit
eine Tugend, und auch Fleiß ist eine Tugend. Ein nüchterner und fleißiger
Dieb ist aber umso gefährlicher. So ist auch Geduld eine Tugend. Geduld
bei Unrecht bedeutet aber Verzeihung von Unrecht. Es ist eine Tugend, wenn
jemand nach Erkenntnis strebt und die geistigen Fähigkeiten des Menschen
zu heben sucht. Durch zunehmende Intelligenz wird der Verbrecher aber
besser befähigt, Verbrechen zu begehen. Wenn wir an Teufel denken, so
wissen wir, dass dies intelligente Wesen sind.
„Falsche Mildtätigkeit, die
die Gerechtigkeit außer acht lässt und verleugnet, muss daher Böses
bewirken. Auf der einen Seite erniedrigt sie den Empfänger, indem sie die
Würde des Menschen verletzt, die, wie Sie selbst sagen, „Gott selbst
mit Achtung behandelt“, und sie verwandelt den Menschen, der, um sich
selbst unterhalten und ein sich selbst achtender Bürger werden zu können,
nur der Wiedererstattung dessen bedarf, was der Schöpfer ihm gegeben hat,
in einen Bettler und Almosenempfänger. Auf der anderen Seite
beschwichtigt sie das Gewissen derer, die von dem Berauben ihrer
Mitmenschen leben, und sie begünstigt die moralische Täuschung und den
geistigen Hochmut, an den Jesus sicher dachte, als er sagte, dass ein
Kamel leichter durch ein Nadelöhr gehen könne, als ein Reicher in das
Reich der Himmel. Denn sie führt die Reichen, die ihr Geld und ihren
Einfluss benutzen, um die Ungerechtigkeit zu unterstützen, dazu, dass sie
denken, sie täten etwas mehr als ihre Pflicht ihren Mitmenschen gegenüber
und verdienten, dass sie Gott sehr angenehm seien, wenn sie Almosen geben,
und sie schreiben in unbestimmtem Maße ihrer eigenen Güte zu, was
wirklich der Güte Gottes entspringt. Denken Sie daran: Wer ist der
alleinige Versorger? Wer ist der, dem, wie Sie sagen, der Mensch ein nie
versagendes Vorratshaus verdankt, das „in der unerschöpflichen
Fruchtbarkeit des Bodens zu finden ist?“ Ist es nicht Gott? Wenn daher
die Menschen, der Güter Gottes beraubt, von der Freigebigkeit ihrer
Mitgeschöpfe abhängig gemacht werden, werden dann diese Geschöpfe nicht
sozusagen an die Stelle Gottes gesetzt, um zu geben, was, wie Sie sagen,
Gott zu verdanken ist?
„Das Schlimmste dabei aber ist,
dass es den bekennenden Lehrern der christlichen Religion aller
Abzweigungen und Gemeinschaften dadurch möglich gemacht wird, dem Mammon
zu folgen, während sie sich selbst einreden, sie dienen Gott ...
„Nein, da der Glaube ohne
Werke tot ist, da der Mensch Gott gegenüber nicht seine Pflicht erfüllen
kann, wenn er den Mitmenschen die Rechte, welche Gott ihnen gab,
verleugnet, so kann die Mildtätigkeit nichts tun, ohne von der
Gerechtigkeit unterstützt zu werden, um das Problem der gegenwärtigen
Arbeitsverhältnisse zu lösen. Wenn auch die Reichen „alle ihre Güter
den Armen geben würden, und wenn sie ihren Leib hingeben würden, dass er
verbrannt werde“, so würde die Armut dennoch nicht aufhören, wenn das
Landeigentum bestehen bleiben würde.
„Setzen wir den Fall, ein
Reicher sei heute aufrichtig bestrebt, seinen Reichtum der Verbesserung
der allgemeinen Lage zu widmen. Was könnte er tun?
„Seinen Reichtum denen geben,
die desselben bedürfen? Er mag manchen helfen, die es verdient haben, er
wird aber die allgemeine Lage nicht verbessern. Dem Guten, was er tun mag,
wird die Gefahr gegenüberstehen, dass er Schaden anrichten könnte.
„Soll er Kirchen bauen? Unter
dem Schatten der Kirche fault die Armut und wird das Laster, welches durch
sie geboren wurde, großgezogen.
„Soll er Schulen oder
Universitäten bauen? Dies kann weiter nichts bewirken, als dass die
Menschen erkennen, wie ungerecht der Privatbesitz von Land ist, vermehrte
Bildung wird für bloße Arbeiter nichts verbessern, denn mit der
Verbreitung der Bildung wird der Lohn für dieselbe sinken.
„Soll er Krankenhäuser
einrichten? Warum denn, es scheint dem Arbeiter, dass zu viele nach Arbeit
suchen, und die Errettung und Verlängerung von Menschenleben würde die
Not nur noch ärger machen.
„Vorbildliche Mietshäuser
bauen? Wenn er die häuslichen Bequemlichkeiten nicht verbilligen würde,
würde er die Klasse, der er helfen möchte, nur noch weiter treiben, und
wenn er die häuslichen Bequemlichkeiten verbilligen würde, würde er
bewirken, dass mehr Arbeiter nach Arbeit suchen, und die Löhne niedriger
werden.
„Soll er Laboratorien,
wissenschaftliche Schulen, Stätten für physikalische Experimente
schaffen? Dann würde er nur Anregung geben zu Erfindungen und
Entdeckungen, die Kräfte, welche bei dem gegenwärtigen
Gesellschaftssystem die Arbeiter wie zwischen zwei Mühlsteinen zermalmen.
„Die Auswanderung von Orten,
wo die Löhne niedriger sind, nach solchen, wo sie etwas höher sind, fördern?
Wenn er dies tun wird, dann werden diejenigen, denen er zuerst half,
auszuwandern, ihn bald bitten, er möchte veranlassen, dass die weitere
Zuwanderung aufhört, da dieselbe ihre Löhne herabsetzt.
„Das Land, welches er selbst
besitzen mag, abgeben oder es zu niedrigeren Preisen als den allgemein üblichen
vermieten? Er wird dadurch nur neue Grundbesitzer oder Grundanteilbesitzer
in das Dasein rufen, er wird aber die allgemeine Lage nicht verbessern können.
„Oder soll er wie jene Bürger,
die in der klassischen Zeit soviel Gemeinsinn zeigten und große Summen
ausgaben zur Verschönerung ihrer Heimat, die Stadt seiner Geburt verschönern?
Möge er enge und krumme Straßen breit und gerade machen, möge er
Parkanlagen und Springbrunnen schaffen, möge er Straßenbahnen und
Eisenbahnen anlegen, oder möge er sonst wie die von ihm erwählte Stadt
schön machen, was wird das Ergebnis sein? Wird nicht der Wert des Bodens
steigen? Wird nicht die Folge seines Gutestunwollens eine Erhöhung der
Pacht und eine Bereicherung der Landeigentümer sein? Ja, sogar die Ankündigung,
dass er im Begriffe ist, so etwas zu unternehmen, wird veranlassen, dass
die Spekulation aufblüht, und der Wert des Landes sprunghaft in die Höhe
geht.
„Was kann der Reiche tun, um
die Lage der Arbeiter zu verbessern?
„Er kann weiter gar nichts tun,
als zu suchen, das große grundsätzliche Unrecht, welches den Menschen
seiner Geburtsrechte beraubt, durch Einsetzung seiner Macht abzuschaffen.
Die Gerechtigkeit Gottes lacht aller Versuche, die der Mensch unternimmt,
um etwas an ihre Stelle zu stellen.“
* * *
„Während die Gewerbeverbände
den Gedanken von dem gegenseitigen Interesse in gewissem Maße fördern
und oft dazu beitragen, dass der Mut und die politische Bildung gehoben
werden, und während sie den Arbeitern auch eine gewisse Verbesserung
ihrer Lage bewirkt haben, so beachten sie die Ursachen, die im allgemeinen
die Lage der Arbeiter bestimmen, nicht, und sie suchen immer nur, einem
kleinen Teil empor zuhelfen durch Mittel, die für die übrigen keinen
Wert haben. Da sie nach der Beschränkung des Wettbewerbes streben, der
Beschränkung des Rechtes zu arbeiten, so ähneln ihre Methoden denjenigen
einer Armee, die, wenn auch in einer gerechten Sache, die Freiheit umstößt
und für Missbrauch verantwortlich ist, und ihre Waffen, die Streiks,
wirken in ihrer Art vernichtend sowohl für Kämpfende als auch für
Nichtkämpfende, da der Streik eine Art passiven Krieg darstellt. Die
Anwendung des Verbandsgrundsatzes auf jeden Gewerbezweig, wie dieselbe von
manchen erträumt wird, würde die Einjochung der Menschen in ein
Kastensystem bedeuten.
„Oder auch was so gemäßigte
Maßregeln anbetrifft, wie die Beschränkung der Arbeitszeit und der
Arbeit von Frauen und Kindern, so sind die Verbände darin insofern oberflächlich,
weil sie nicht weiter blicken, als darauf, dass die Männer, Frauen und
Kinder zu lange arbeiten und vorschlagen, die Überstunden gewaltsam zu
verhindern, während sie die Ursache vollständig unbeachtet lassen, den
Stachel der Armut, der die menschlichen Wesen dazu zwingt. Die Methoden,
durch welche diese Beschränkungen erzwungen werden müssten, würden die
Beamten vermehren, sich in die persönliche Freiheit eingreifen,
Bestechungen begünstigen und zu Missbrauch führen.
„Die Sozialdemokratie, die wir
ehren, weil sie eine Überzeugung besitzt, würde diese Fehler aber erst
zum vollen Ausdruck bringen. Sie eilt zu Schlüssen, ohne sich zu bemühen,
die Ursachen zu entdecken. Sie erkennt nicht, dass die Unterdrückung
nicht aus dem Kapital resultiert, sondern aus dem Unrecht, mit dem der
Arbeiter des Kapitals beraubt wird, indem man ihm keinen Anteil am Boden
gewährt, wodurch ein nachgeahmtes Kapital geschaffen wird, das in
Wirklichkeit ein kapitalisiertes Monopol ist. Sie verfehlt zu erkennen,
dass es dem Kapital unmöglich wäre zu unterdrücken, wenn der Arbeiter
freien Zugang hätte zu den Naturstoffen, dass das Lohnsystem der
gegenseitigen Angemessenheit entspringt, bei der die eine Partei einen
bestimmten Erfolg einem nicht bestimmten vorzieht, und dass das, was als
das „eiserne Gesetz der Löhne“ bekannt ist, nicht das natürliche ist,
sondern nur dasjenige des unnatürlichen Systems, bei welchem die Menschen
hilflos gemacht werden, indem sie der zum Leben und zur Arbeit notwendigen
Stoffe beraubt worden sind. Sie irrt sich, indem sie das für den Notstand
des Wettbewerbes hält, was in Wirklichkeit eine Beschränkung des
Wettbewerbes ist, jener einseitige Wettbewerb, zu welchem die Menschen
gezwungen werden, wenn sie des Bodens beraubt sind. Die Methoden der
Sozialdemokratie, die Organisation der Arbeiter in industriellen Armeen,
die Leitung und Beherrschung aller Produktion durch staatliche oder
halbstaatliche Büros würden, wenn sie voll ausgeführt würden, ägyptischen
Despotismus bedeuten.
„Wir unterscheiden uns von der
Sozialdemokratie hinsichtlich der Diagnose des Übels und hinsichtlich der
Heilmittel für dasselbe. Wir fürchten das Kapital nicht, da wir es als
die natürliche Dienerin der Arbeit betrachten. Wir betrachten die Zinsen
an und für sich als natürlich und gerecht, wir würden der Anhäufung
der Reichtümer keine Beschränkung auferlegen, wir wollen den Reichen
auch keine Lasten auferlegen, die nicht auch den Armen auferlegt würden,
wir sehen den Wettbewerb nicht als ein Übel an, wir betrachten den
unbeschränkten Wettbewerb als für die Gesundheit des wirtschaftlichen
und sozialen Organismus ebenso notwendig wie den freien Kreislauf des
Blutes für die Gesundheit des leiblichen Organismus und als das Mittel,
durch welches volles Zusammenarbeiten gesichert wird. Wir wollen nur für
das Gemeinwesen das in Anspruch nehmen, was dem Gemeinwesen gehört, den
Wert, der dem Boden eigen ist durch das Wachstum des Gemeinwesens; wir
lassen dem Einzelnen alles das als geheiligtes Besitztum, was dem
Einzelnen gehört. Da wir notwendige Monopole dem Staate zuerkennen,
wollen wir alle Beschränkungen und Verbote abschaffen, ausgenommen
diejenigen, welche das Interesse der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit,
Sittlichkeit und Bequemlichkeit erfordern.
„Der Hauptunterschied, der
zwischen der Sozialdemokratie und uns besteht, ist der, auf den wir
besonders aufmerksam machen: Der Sozialismus schreibt die Ursache jeden Übels
unserer Zivilisation der Ungleichheit und Disharmonie der natürlichen
Verhältnisse zu, die seiner Auffassung gemäß künstlich verbessert
werden müssen. Der Staat müsse vermittelst der Intelligenz die
wirtschaftlichen Beziehungen des Menschen ordnen; er müsse gewissermaßen
eine große Maschine bauen, deren komplizierte Teile zusammen unter der
Leitung der menschlichen Intelligenz arbeiten müssen. Dies ist der Grund,
warum der Sozialismus zum Atheismus neigt. Da er verfehlt, die Ordnung der
natürlichen Gesetze wahrzunehmen, verfehlt er, Gott zu erkennen.
„Wir Vertreter der einzigen
Steuer dagegen sehen in den sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der
Menschen nicht eine Maschine, die der Konstruktion bedarf, sondern einen
Organismus, dessen Wachstum wir nur zu dulden haben. Wir erblicken in den
natürlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gesetzen eine eben solche
Harmonie, wie in dem Bau des menschlichen Körpers, und diese kann ebenso
wenig durch menschliche Intelligenz geordnet und geleitet werden, wie die
menschliche Intelligenz imstande wäre, die Lebenstätigkeiten des eigenen
Körpers zu ordnen und zu leiten. Wir erblicken in diesen sozialen und
wirtschaftlichen Gesetzen eine so enge Verwandtschaft mit dem moralischen
Gesetz, dass wir sie unbedingt demselben Schöpfer zuschreiben müssen.
Dies zeigt uns auch, dass das moralische Gesetz des Menschen der sichere Führer
ist, wo seine Intelligenz irregehen würde. So ist unserer Auffassung nach
nur das notwendig, dass man gerecht handelt und Freiheit gibt, um die Übelstände
unserer Zeit zu beseitigen. Das ist der Grund, weshalb unser Glaube der
einzige Glaube an Gott ist, der fest und ehrfurchtsvoll sein kann, und der
das oberste Gesetz des Schöpfers anerkennt, dem die Menschen folgen müssen,
wenn sie Wohlfahrt erlangen und der Vernichtung entgehen wollen. Darum
dient uns die Wirtschaftspolitik dazu, die Tiefen der Weisheit zu zeigen,
die in den einfachen Wahrheiten liegen, die das gewöhnliche Volk von den
Lippen dessen vernahm, von dem es sich verwundernd sagte: „Ist dieser
nicht des Zimmermanns Sohn?“
„In dem, was wir vorschlagen -
das Sicherstellen gleicher Gelegenheiten zur Ausübung der Kräfte und die
Entfernung aller gesetzlichen Beschränkungen der rechtmäßigen Ausübung
dieser Kräfte - sehen wir eine solche Übereinstimmung zwischen dem
menschlichen Gesetz und dem moralischen Gesetz, dass wir das volle
Vertrauen haben, dass es hinreicht, alle Übelstände, die Sie so klar
darlegen, zu beseitigen, und wir halten es auch für das einzig mögliche
Mittel.
„Es gibt nämlich auch kein
anderes Mittel. Die Organisation des Menschen ist so, seine Beziehungen
zur Welt, in die er gesetzt worden ist, sind derart - das heißt, die
unwandelbaren Gesetze Gottes sind so - dass es über den Bereich des
menschlichen Scharfsinnes hinausgeht, einen Weg zu finden, durch welchen
die Missstände, welche aus der Ungerechtigkeit geboren sind, die die
Mitmenschen ihrer Geburtsrechte beraubt, anders beseitigt werden können,
als durch gerechtes Handeln, durch Erschließung aller Güter, die Gott
zum Nutzen aller vorgesehen hat.
„Bedeutet es nicht eine
Scheidung der Menschen in einen reichen und einen armen, in einen
bevorzugten und in einen hilflosen Teil, wenn einigen Menschen der Boden
zum Besitztum gegeben wird, während man anderen alle Rechte verneint, da
doch der Mensch vom Boden allein leben kann, und der Boden der Speicher
ist, dem aller Stoff und alle Kraft des menschlichen Lebens entnommen wird,
und auf dem der Mensch bei allem, was er hervorbringt, zurückgreifen
muss? Bedeutet es nicht, dass diejenigen, welche kein Recht auf den
Gebrauch des Bodens haben, nur leben können, indem sie ihre Arbeitskraft
denen verkaufen, die das Land besitzen? Muss nicht das, was der
Sozialismus das „eiserne Gesetz der Löhne“ nennt, und was die
Wirtschaftspolitik als „Sinken der Löhne auf ein Minimum“ bezeichnet,
den Arbeitern, die selbst nicht die Macht besitzen, ihre Arbeit auszunützen,
alle Vorteile entziehen, so dass sie die gegenwärtige ungerechte Teilung
des Bodens nicht ändern können? Da sie nicht imstande sind, selbständig
zu arbeiten, müssen sie entweder als Arbeitsverkäufer oder als Landpächter
miteinander, um die Erlaubnis zu arbeiten, in Wettbewerb treten. Dieser
Wettbewerb miteinander von Seiten der Menschen, die von Gottes unerschöpflichem
Vorratshaus ausgeschlossen sind, hat keine andere Grenze, als die des
Verhungerns, und er muss die Löhne schließlich auf den niedrigsten Boden
herabdrücken, auf welchem die Menschen das Leben eben noch erhalten und
die Produktion fortführen können.
„Das bedeutet noch nicht, dass
alle Löhne auf diese Stufe erniedrigt werden, sondern vielmehr, dass die
Löhne der Arbeiter, die nur gewöhnliche Kenntnisse und Fertigkeiten
besitzen, dort ankommen müssen. Die Vergütungen besonderer Klassen, die
durch besondere Kenntnisse und Fertigkeiten vor dem Wettbewerb geschützt
sind, mögen höhere bleiben. Dort, wo zum Beispiel wenige lesen und
schreiben können, werden diese Fähigkeiten höher bezahlt. Da die
Ausbreitung der Bildung aber diese Fähigkeiten allgemein macht, geht
dieser Vorteil bald verloren. So werden die Löhne höher gehalten bei
einem Beruf, zu dessen Ausfüllung eine besondere Befähigung, die erst
durch Übung erreicht werden kann, erforderlich ist. Sobald aber der
Fortschritt der Erfindung diese besondere Fähigkeit unnötig macht,
werden auch diese Löhne sinken. So können Fleiß, Achtsamkeit und
Sparsamkeit dem gewöhnlichen Arbeiter nur solange eine Stellung, die ihm
etwas mehr einbringt als den Lebensunterhalt, zu halten ermöglichen, als
diese Eigenschaften hervorragend sind. Sobald sie allgemein zu werden
beginnen, muss das Gesetz des Wettbewerbes den Verdienst auf die gewöhnliche
Stufe herabsetzen, welche, da der Boden monopolisiert ist und die Arbeiter
hilflos sind, nur die nächste Station vor dem Aufhören des Lebens sein
kann.
„Mit anderen Worten: Da der
Boden für Arbeit und Leben eine Notwendigkeit ist, ist es den
Bodenbesitzern möglich, alles von den Arbeitern als Pacht zu erheben, was
nicht notwendig ist zum Lebensunterhalt der Arbeiter. So würden sie die
Macht haben, nur so vielen einen Lebensunterhalt zu gewähren, als sie und
ihre Angehörigen brauchen.
„Wo der private Bodenbesitz
die Gesellschaft in eine Boden besitzende Klasse und in eine keinen Boden
besitzende Klasse geteilt hat, kann daher keine Erfindung oder
Verbesserung gemacht werden, sei es in wirtschaftlicher, sozialer oder
moralischer Hinsicht, die die Armut verhindern oder die allgemeine Lage
der Arbeiter bessern könnte, solange sie nicht das Besitztum des Bodens
betrifft. Denn was man auch unternehmen mag, um das zu vermehren, was der
Arbeiter hervorbringen kann, oder um das zu verringern, was erforderlich
ist, um den Arbeiter zu unterhalten - sobald es allgemein wird, würde die
Folge nur sein, dass das Einkommen der Bodenbesitzer noch größer würde,
ohne irgendeinen Nutzen für die Arbeiter selbst. In keinem Fall können
die, welche nur die Kraft besitzen zu arbeiten, nicht aber die Mittel,
mehr verdienen als zum Lebensunterhalt notwendig ist.
„Wie dies zutrifft, können
wir an den heutigen Tatsachen ersehen. In unserer Zeit haben die
Erfindungen und Entdeckungen die erzeugende Kraft der Arbeit ungeheuer
vergrößert und zu gleicher Zeit die Kosten vieler Dinge, deren der
Arbeiter bedarf, gewaltig herabgesetzt. Haben diese Verbesserungen
irgendwo den Verdienst der Arbeiter erhöht? Ist der Nutzen nicht zur
Hauptsache den Grundbesitzern in die Tasche geflossen, indem der Wert des
Landes vervielfältigt wurde?
„Ich sage zur Hauptsache, denn
ein Teil ist auch durch das Aufstellen ungeheurer Armeen und durch
sonstige Kriegsvorbereitungen verschlungen worden, durch das Bezahlen der
Zinsen auf öffentliche Schulden und, gewöhnlich unter dem Deckmantel als
Zinsen für falsch dargestelltes Kapital, durch andere Monopolisten als
die des Bodens. Die Beseitigung solcher Verschwendungen würde aber nicht
den Arbeitern zum Nutzen sein, sie würde nur den Bodenbesitzern weitere
Vorteile verschaffen. Wenn die stehenden Heere mit allem, was dazu gehört,
wenn alle anderen Monopole als die des Bodens abgeschafft würden, wenn
die Regierungen ein Muster von Sparsamkeit würden, wenn das Nutzenziehen
von Spekulanten, Vermittlern und aller Arten von Händlern hinweg getan
und jeder so ehrlich würde, dass Polizisten, Gerichtshöfe, Gefängnisse
entbehrlich seien, so würde das Resultat wieder kein anderes sein, als
das, welches sich aus der Vermehrung der erzeugenden Kraft ergäbe.
„Würde ferner dieser Segen
nicht viele, die jetzt ihren Unterhalt verdienen können, zum Verhungern
bringen? Ist es nicht wahr, wenn das, worum alle Christen beten sollten,
vollbracht wäre - die Entlassung aller großen Heere Europas - man das
Schlimmste befürchten müsste, weil dann so viele neue Arbeitskräfte auf
den Markt geworfen würden?
„Man wird sich diesen und ähnliche
Widersprüche unserer in jeder Hinsicht verwirrten Zeit leicht erklären können.
Die Wirkung aller Erfindungen und Verbesserungen, die die erzeugende Kraft
vermehren, ist, dass gewisse Arbeiten entbehrlich werden, so dass wir von
arbeitsparenden Erfindungen oder Verbesserungen reden. In einem natürlichen
Gesellschaftsstaat nun, in welchem die Rechte aller Menschen auf die
Benutzung der Erde anerkannt werden, können die arbeitsparenden
Erfindungen bis zum höchsten Maße steigen, ohne dass die Nachfrage nach
Arbeitern verringert würde, denn in einem solchen natürlichen Staat
liegt die Nachfrage nach Menschen in deren eigenem Genießen des Lebens
und in den starken Trieben, die der Schöpfer dem menschlichen Herzen
eingepflanzt hat. In dem unnatürlichen Staat aber, in dem die
Menschenmassen von allem beraubt sind, außer von der Kraft zu arbeiten,
wenn andere ihnen nur Gelegenheit dazu geben, wird die Nachfrage nach
Menschen nur zu einer Nachfrage nach ihren Diensten seitens derer, die
jene Gelegenheiten innehalten, und der Mensch selbst wird zu einer bloßen
Ware. Obgleich die natürliche Wirkung arbeitsparender Verbesserungen eine
Vermehrung des Gewinnes ist, so ist doch ihre Wirkung in dem unnatürlichen
Zustand, der durch den privaten Bodenbesitz hervorgerufen wird, die, dass
selbst bei solchen moralischen Verbesserungen wie der Entlassung von
Armeen durch Verringerung der Nachfrage die Löhne herabgesetzt werden,
und die Arbeiter gezwungen werden, zu verhungern oder Almosen zu erbitten.
Wenn die arbeitsparenden Erfindungen und Verbesserungen soweit geführt
werden könnten, dass die Notwendigkeit der Arbeit gänzlich abgeschafft
werden würde, was würde dann die Folge sein? Würden dann die Eigentümer
des Bodens nicht allen Reichtum, den das Land hervorzubringen vermag,
erlangen können und gar nicht mehr der Arbeiter bedürfen, so dass
letztere entweder verhungern oder als Ruhegehaltsempfänger von der Gnade
der Landeigentümer leben müssten?
„Solange der Boden noch
Privateigentum bleiben wird, solange gewisse Menschen als Besitzer der
Erde behandelt werden, und die anderen nur leben können, weil sie von
ersteren geduldet werden, kann die menschliche Weisheit nichts ersinnen,
wodurch die Missstände der gegenwärtigen Lage vermieden werden könnten.“
Die Freiland-Theorie ist
entschieden gerecht und weitherzig, und wir sähen sie gern jetzt
verwirklicht, wenn wir auch persönlich keinen Profit davon hätten. Sie würde
zweifellos eine vorübergehende Erleichterung zur Folge haben, obgleich
die Enteignung der Werte des Landes nicht weniger Erregung bringen würde,
als die Absichten des Sozialismus, wenn nicht, wie oben angedeutet, es
allmählich vor sich ginge durch vorherige Ankündigung. In Verbindung mit
sozialistischen Maßnahmen würde sie denselben mehr Bestand verleihen,
weil die Verteilung des Bodens unter alle gesunden, fleißigen Leute vor
dem Hunger schützen würde, da dieselben sich in Ermangelung anderen
Verdienstes immer genug pflanzen könnten, um sich zu nähren. Während
sie, wie Herr George so schön nachwies, mit dem göttlichen Gesetz übereinstimmt,
würde sie doch nicht alle Übelstände beseitigen. Die seufzende Schöpfung
würde zu seufzen fortfahren, bis Gerechtigkeit und Wahrheit auf Erden
aufgerichtet und alle Herzen in Übereinstimmung damit gebracht wären,
denn die Selbstsucht würde es auch unter solchen Umständen verstehen,
den Rahm oben abzuschöpfen und den anderen nur die Magermilch, das kaum
Ausreichende, zu überlassen.
Als Beweis dafür, dass die „einzige
Steuer“ allein den Forderungen der gegenwärtigen sozialen und
finanziellen Schwierigkeiten nicht zu begegnen vermag, führen wir ein
Beispiel an, bei dem sie sich als Fehlschlag erwiesen hat. Indien hatte
zum Beispiel viele Jahrhunderte lang die einzige Steuer. Man hielt dort
den Boden als Gemeinbesitz und bearbeitete ihn unter Aufsicht des Dorfes.
Die Folge davon ist, dass zwei Drittel der Bevölkerung Landwirtschaft
betreiben, ein größerer Prozentsatz als wir ihn bei irgendeinem anderen
Volk in der Welt finden. Erst in den letzten Jahren ist von den Engländern
privater Bodenbesitz eingeführt worden, und auch dieses nur in gewissen
Grenzen. Man kann wohl sagen, dass die Inder zufrieden sind und
Behaglichkeit besitzen, dies aber gewiss nicht, weil sie reich und mit
Luxusgegenständen versehen wären. Die modernen Maschinen bringen schnell
Umwälzungen in ihre Verhältnisse und setzen ihre mageren Löhne noch
weiter herab, und sie werden gezwungen, sich mit noch weniger zu begnügen
oder zu verhungern. Wir haben schon angeführt, dass sie sich nur selten
satt essen können, was uns von glaubwürdiger Seite bezeugt worden war.
Wenn wir zugeben, dass die
einzige Steuer oder das Freiland sich nur vorüber gehend wirksam erweisen
könnte, so ist dies auch alles, was wir uns davon versprechen könnten.
Wenn die Selbstsucht in der einen Richtung in ihrer Wirksamkeit gehindert
wird, so findet sie schnell eine andere. Nur „neue Herzen“, der „rechte
Sinn“, kann der Menschheit helfen, und solches wird auch die
Freiland-Theorie oder irgendeine andere nicht zustande bringen.
Nehmen wir einmal für einen
Augenblick an, das Volk wäre im Besitz des Landes; es würde einer
Kapitalistengruppe ein Leichtes sein, sich zu weigern, die Produkte der
Landwirte zu einem anderen als dem von ihr bestimmten Preis zu kaufen und
gleichzeitig die Preise der Artikel in die Höhe zu treiben, die den Landpächtern
unentbehrlich wären.
Was könnte die einzige Steuer
gegen den Geist der Selbstsucht vollbringen? Sie wäre machtlos!
Nehmen wir einmal an, die
einzige Steuer würde morgen eingeführt; nehmen wir einmal an, bebaute Länder
würden von aller Steuer befreit, jedes Bauerngut wäre versehen mit einem
Haus, mit Pferd, Kuh, Pflug und anderen notwendigen Dingen. Nehmen wir an,
dies bedeute die Verdoppelung der gegenwärtigen Ernte. Es würde ein Überfluss
von Getreide und Gemüse hervorgebracht, von dem die Gesunden und Fleißigen
essen könnten. Der große Rest würde aber so niedrig im Preis stehen,
dass es sich nur unter besonders günstigen Umständen lohnen würde, ihn
zum Markt zu führen. In dem letzten Jahr war dies schon der Fall,
obgleich das Freilandsystem nicht eingeführt war. Kartoffeln und Kohl ließ
man in Mengen verfaulen, da sich das Einernten nicht lohnte. Während des
ersten Jahres wäre es möglich, dass die früheren Farmer aus den Städten
auf das Land zurückströmen würden. Dadurch würde der Arbeitsmarkt in
den Städten befreit werden, und die Löhne würden demzufolge bei denen
steigen, die in den Städten zurückbleiben würden. Dies würde aber höchstens
ein Jahr dauern. Wenn die Farmer zur Erkenntnis kämen, dass sie aus ihrem
Korn und ihren Kartoffeln keine Kleider und Schuhe und andere
Bedarfsartikel machen können, entweder direkt oder durch Austausch, so würden
sie die Landwirtschaft wieder aufgeben und in die Städte zurückströmen,
wo sie das zum Ankauf von Nahrung und Kleidung Nötige zu verdienen hoffen,
und die Folge wäre das Fallen der Löhne.
Nein, das Freiland-System wäre
ein Mittel, um das Verhungern zu verhindern, es ist auch ein richtiger
Zustand angesichts der Tatsache, dass unser reicher Schöpfer den Boden
Adam und seinem Geschlecht gab; es würde uns aus unseren gegenwärtigen
Schwierigkeiten ziemlich heraushelfen, wenn die Welt jedes 50.zigste Jahr
ein Jubeljahr der Wiederherstellung des Landes und der Tilgung der
Schulden hätte, wie es bei den Juden der Fall war. Solche Dinge würden
aber nur ein Linderungsmittel sein, wie es bei den Juden und auch bei den
Indern war. Das einzige wirkliche Heilmittel wird das gegenbildliche
Jubeljahr sein, welches durch den zukünftigen König der Erde, Immanuel,
aufgerichtet werden wird.
Andere Hoffnungen und Befürchtungen
Nach diesem kurzen Überblick
der verschiedenen Vorschläge, von denen keiner zum Ziele führen kann, müssen
wir uns mit jenen beschäftigen, welche in guter Treue glauben, die „Kirchen“
vermöchten, wenn sie über die Lage ganz aufgeklärt wären, die drohende
Krisis aufzuhalten, die Gesellschaft gleichsam zu revolutionieren und auf
besserer Grundlage neu aufzubauen. Sie könnten, meinen jene guten Leute,
die Welt für Christum erobern, und selber ein Reich Gottes auf Erden
aufrichten, darin Liebe und Treue gegen Gott und den Nächsten Gesetz wären.
Einige halten sogar dafür, dass dieses, der Geist Christi in den „Kirchen“,
dessen zweite Gegenwart wäre.
Das sind aber trügerische
Hoffnungen. Jene sagen: „300 Millionen „Christen“, welch eine Macht!“
Wir sagen: „Welch eine Schwäche!“ Ja, wenn diese dreihundert
Millionen lauter Heilige wären voller Nächstenliebe, dann könnten sie
etwas ausrichten. Aber „Scheinweizen“ und „Spreu“ herrschen vor,
und die „Weizen“-Klasse ist wenig zahlreich. Der große Hirte hat
selber erklärt, dass seine Herde nur klein sei, ihrem Meister gleich ohne
Ansehen und Einfluss, nur wenige Weise nach dem Fleische, nur wenige Mächtige,
Vornehme zählend. (1. Kor. 1:26) „Höret, meine geliebten Brüder: Hat
nicht Gott die Armen hinsichtlich der Welt auserwählt, reich zu sein im
Glauben, und zu Erben des Reiches, welches er denen verheißen hat, die
ihn lieben?“ - Jak. 2:5
Nein, nein! Der Geist Christi in
den Gliedern der kleinen Herde genügt nicht, ihnen das Reich zugeben. Die
Kirche hat jederzeit einzelne Glieder gehabt, welche diesen Geist hatten,
wie es denn unser Herr erklärt hat, bevor er die Erde verließ, er werde
mit uns sein bis an das Ende des Zeitalters. Aber er hat gleichzeitig
verheißen, dass, wie er (persönlich) von der Erde schied am Ende des jüdischen
Zeitalters, so werde er (persönlich) wiederkommen am Ende des gegenwärtigen
Zeitalters. Er hat uns versichert, dass während seiner Abwesenheit alle,
die ihm treu sein würden, Verfolgung leiden, dass seine Miterben am
Reiche Gottes Gewalt leiden werden, bis er wiederkomme und sie zu sich
nehme. Dann werde er ihre Treue im Leiden durch große Ehre, großen Ruhm
und Unsterblichkeit, durch einen Anteil an seinem Reiche und seiner Macht,
die Welt zu segnen mit der Herrschaft der Gerechtigkeit und Wahrheit,
belohnen, und die Übeltäter, die gegen besseres Wissen Böses tun, aus
der Mitte der Frommen ausrotten. Nach diesem seufzte, auf dieses harrte
nicht allein die seufzende Schöpfung, sondern auch wir, die wir die
Erstlingsfrüchte des Geistes haben (Röm. 8:23), wartend auf die Zeit und
die Art der Aufrichtung des Reiches des Vaters. Die Schrift hat uns
gezeigt, dass die Zeit dieser Segnungen nun herbeigekommen ist, dass sie
eingeleitet wird durch eine schwere Drangsal (der Welt zur Strafe), der
die Heiligen, die kleine Herde, entrinnen werden durch Verwandlung und Erhöhung
zu Miterben des Königreiches.
Aber damit nicht etwa jemand
sagen könnte, mit Geld und Bildung hätten die „Kirchen“ die Welt zu
erobern vermocht, hat Gott ihnen beides reichlich verliehen. Diese
Hilfsmittel haben gerade das Gegenteil bewirkt. Sie haben die „Kirchen“
hochmütig und abtrünnig gemacht. „Wenn der Sohn des Menschen kommt,
wird er den Glauben finden auf Erden?“
Die einzige, die gute Hoffnung
„Erwartend die glückselige
Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und
Heilandes Jesus Christ.“ „Welche (Hoffnung) wir als einen sicheren und
festen Anker der Seele haben.“ „Deshalb umgürtet die Lenden eurer
Gesinnung, seid nüchtern und hoffet völlig auf die Gnade, die euch
gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi.“ - Titus 2:13; Hebr.
6:19; 1. Petr. 1:13
Bei
der Betrachtung der verwickelten Verhältnisse, die uns das Gesetz von
Nachfrage und Angebot gebracht hat, bei denen die Menschheit in zwei
Klassen, Arme und Reiche, zerfällt, waren wir bestrebt, nie hart zu
urteilen, weil wir glauben, dass die gegenwärtigen Verhältnisse eine
Folge der Selbstsucht sind, und diese uns von Adam überkommen ist, seien
wir nun reich oder arm. Diese Selbstsucht ist einer kleinen Zahl (vorab
Armer) gründlich verhasst, die Christum gefunden haben und unter seiner
Leitung stehen und gern alle Selbstsucht aufgäben, aber es nicht können.
Solange die Menschen so sind, wie jetzt, könnte selbst ein von ihnen
erlassenes Gesetz, welches die Selbstsucht verhinderte, sich geltend zu
machen, keinen Segen stiften, es würde die Menschen gleichgültig machen,
und Barbarei träte bald an die Stelle der Kultur.
Darum ist die einzige Hoffnung für
die Welt das Reich unseres Herrn Jesus Christus, das Tausendjährige
Reich. Dieses Heilmittel hat Gott schon lange verheißen für die von ihm
zuvor bestimmte Zeit, die nun vor der Tür ist. Wieder einmal wird die
Verlegenheit des Menschen Gottes Gelegenheit sein. „Das Ersehnte aller
Nationen wird kommen“, nachdem menschliche Intelligenz sich beim
erfolglosen Suchen nach Erleichterung erschöpft haben wird. Es scheint
die Methode Gottes zu sein, die Erfahrung zur Lehrmeisterin der Menschheit
zu machen. So lehrte der Herr die Juden (direkt und alle Menschen indirekt)
durch ihren Bund des Gesetzes, dass des Gesetzes Werke kein (gefallenes)
Fleisch gerecht machen kann vor Gott. So verwies der Herr seine Jünger
auf den neuen Bund der Gnade in Christo. - Haggai 2:8; Röm. 3:20
Die große Drangsal des „Tages
der Vergeltung“, mit der das gegenwärtige Zeitalter abschließt und das
Tausendjährige Reich beginnen muss, wird nicht allein eine gerechte
Vergeltung für den mit Vorzügen getriebenen Missbrauch sein, sondern
zugleich den Hochmut der Menschen demütigen, sie geistlich arm und fähig
machen, die großen Segnungen zu empfangen, die er über alles Fleisch
ausgießen wird. (Joel 2:28) Er verwundet also, um zu heilen.
Nun mögen einige, die den Plan
Gottes nicht verstehen, vielleicht fragen: „Wie kann das Reich Gottes
aufgerichtet werden, wenn alle diese menschlichen Methoden fehlschlagen?
Was bringt denn die Bibel anderes in Vorschlag? Und wenn das Wort Gottes
auf diese letztere Frage antwortet, warum können die Menschen nicht
selber diese Methode anwenden und so die Drangsal vermeiden?“
Wir erwidern: Das Reich Gottes
wird nicht aufgerichtet mittels Volksabstimmung oder durch Beschluss von
Behörden. Zur rechten Zeit wird der, dem die Herrschaft gebührt, der
sich den Anspruch darauf durch sein eigenes kostbares Blut erworben hat,
das Reich an sich nehmen. Er wird seine große Gewalt und Herrschermacht
an sich ziehen. Dabei wird Gewalt gebraucht werden; er wird sie (die
Nationen) beherrschen nach eisernem Maßstab, und wie Töpfergefäße
sollen sie in Stücke zerschmettert werden. (Offb. 2:27) Er wird „die
Nationen versammeln und die Königreiche zusammenbringen, um seinen Grimm
über sie auszugießen, denn durch das Feuer seines Eifers wird die ganze
Erde verzehrt werden: und dann (nachdem sie gedemütigt und bereit sind,
seinen Rat zu hören und zu beachten) wird er die Lippen der Völker in
reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm
einmütig dienen.“ - Zeph. 3:8, 9
Nicht bei seiner Aufrichtung
allein, sondern während seiner ganzen tausendjährigen Dauer wird das
Reich Gottes eine Macht sein, der die Menschen nicht widerstehen können.
Denn sein Zweck ist gerade die Überwältigung der Feinde der
Gerechtigkeit. „Er muss herrschen, bis er alle seine Feinde unter seine
Füße gelegt hat.“ „Seine Feinde sollen Staub lecken.“ „Jede
Seele, die irgend auf diesen Propheten (den verherrlichten Christus - das
Gegenbild von Mose) nicht hören (ihm nicht gehorchen) wird, soll (wird)
aus dem Volk ausgerottet werden“ - in dem zweiten Tod. - 1. Kor. 15:25;
Psalm 72:9; Apg. 3:23
Der Satan wird während dieser
Zeit gebunden sein, und seine Macht zu täuschen und zu verführen zurückgedämmt
sein, so dass das Böse den Menschen nicht länger gut, und das Gute nicht
länger unerwünscht, böse, erscheinen wird; die Wahrheit wird den
Menschen nicht länger als Lüge und Irrtum nicht länger als Wahrheit
erscheinen. - Offb. 20:2; Hebr. 8:11; Jeremia 31:34; Jes. 35:8
Aber nicht nur Gewalt und Macht
wird dieses Reich sein; nein, es wird auch allen Bewohnern der Erde Gnade
und Frieden bringen. „Denn wenn deine (Jehovas) Gerichte die Erde
treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises.“ (Jes.
26:9) Die von der Sünde geblendeten Augen sollen sehend werden. Die Welt
wird Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in einem ganz
anderen Lichte gewahren als jetzt, in siebenfachem Lichte. (Jes. 30:26;
29:18-20) Die äußeren Versuchungen, wie sie jetzt noch vorherrschen,
werden fast ganz verschwinden. Böses wird nicht zugelassen noch erlaubt
sein, sondern sichere Strafe wird die Übeltäter treffen, eine Strafe,
zugemessen mit absolut sicherer Gerechtigkeit von den erhöhten, dazu
bestellten Richtern jener Zeit, die mit den Schwachen Mitleid haben werden.
- 1. Kor. 6:2; Psalm 96:13; Apg. 17:31
Die Richter werden nicht nur
danach richten, was sie mit Ohren hören und mit Augen sehen, sondern nach
strikter Gerechtigkeit. (Jes. 11:3) Fehlgriffe werden sie nicht tun; keine
böse Tat wird ihrer Vergeltung entgehen; selbst die Versuche, Verbrechen
zu begehen, werden unter solchen Umständen bald aufhören. Jedes Knie
wird sich beugen (vor der alsdann herrschenden Macht), und jede Zunge wird
bekennen (dass die Verfügungen dieser Macht gerecht sind). (Phil.
2:10,11) Dann wird, bei vielen wohl nur allmählich, die neue Ordnung der
Dinge die Herzen und Gemüter der Menschen erweichen, und was zuerst
erzwungener Gehorsam war, wird alsdann Gehorsam aus Liebe, aus Wertschätzung
der Gerechtigkeit werden; und diejenigen, welche diesen Gehorsam nicht
lernen, sondern fortfahren, nur dem Zwang zu gehorchen, werden zur
bestimmten Zeit vom zweiten Tode dahingerafft. - Apg. 3:23; Offb. 20:7-9
Dem Gebot der Liebe wird auf
diese Weise Achtung verschafft, nicht durch Zustimmung der Mehrheit,
sondern gerade gegen den Willen der Mehrheit. Die Menschheit wird auf ihre
republikanischen Ideen verzichten und tausend Jahre unter einer
selbstherrlichen Regierung leben müssen. Eine solche müsste uns Furcht
einflößen, wenn ihr Träger sündhaft oder der Aufgabe nicht gewachsen wäre;
aber Gott verheißt uns ja, dass der Gewalthaber jenes Zeitalters der Fürst
des Friedens sein wird, unser Herr Jesus Christus, dem die Wohlfahrt der
Menschheit so am Herzen lag, dass er sein Leben hingab, damit er sie vom
Tode zurückkaufen, aus ihrer Sündhaftigkeit herausheben und alle zu
vollkommenen, Gott wohlgefälligen Wesen machen könne - alle, welche
seine Gnade durch Unterwerfung unter den Neuen Bund annehmen.
Gleich zu Beginn des tausendjährigen
Reiches wird es allen klar werden, dass dieser Gang der Dinge, den Gott
bestimmt hat, die einzige Methode ist, durch welche die sündenkranke,
selbstsüchtige Welt geheilt werden kann. Ja, jetzt schon sehen viele ein,
dass die Welt einer gleichzeitig starken und gerechten Regierung bedarf,
dass die einzigen Menschen, denen man ohne Gefahr volle Freiheit verleihen
darf, die wahrhaft Bekehrten sind, die einen erneuerten Willen, ein neues
Herz, den Geist Christi haben.
Was
hat ein Kind Gottes zu tun?
Nun möchten wohl einige fragen,
was wir aber, die wir diese Dinge in ihrem wahren Licht sehen, tun sollen?
Sollen wir, falls wir brachliegendes Land besitzen, dasselbe weggeben oder
sonst fahren lassen? Nein! Das würde nichts Gutes stiften, es sei denn,
man schenke es einem armen Nachbarn, der es gerade gebrauchen könnte, und
auch dann muss man gewärtigen, dass, wenn er es nicht zu seinem Nutzen
verwendet hätte, er die Schuld für seinen Misserfolg auf den Geber des
Landes werfen würde.
Sollen wir als Farmer oder
Kaufleute unser Geschäft nach den Grundsätzen führen, welche im
tausendjährigen Reich gelten werden? Nein, das würde uns nur
finanziellen Ruin bringen, der unsere Gläubiger schädigen, unsere Angehörigen
in Not bringen und unsere Angestellten brotlos machen würde.
Wir sind der Meinung, dass alles,
was gegenwärtig in dieser Richtung getan werden kann, darin besteht,
unsere Mäßigung jedermann sehen zu lassen, niemanden zu bedrücken,
angemessene Löhne oder Gewinnanteile auszuzahlen, Unredlichkeit in jeder
Form zu vermeiden, „vorsorglich (zu sein) für das, was ehrbar ist vor
allen Menschen“, ein Beispiel von Gottseligkeit verbunden mit Genügsamkeit
zu geben, durch Wort und Beispiel vor jeder Gewalttätigkeit oder
Unzufriedenheit zu warnen, und die Mühseligen und Beladenen zu Christo
und seinem Wort der Gnade zu führen - durch Glauben und volle Weihung.
Wer durch Gottes Güte Verwalter von mehr oder weniger Reichtum ist, hüte
sich davor, aus diesem Besitz einen Götzen zu machen, auch gehe sein
Bestreben nicht in erster Linie darauf aus, ihn zu vermehren für seine
Erben, sondern er verwende ihn im Dienste Gottes und unter seiner Leitung,
eingedenk dessen, dass er ihn nicht für alle Zeit behalten kann und kein
Recht hat, ihn für sich allein zu gebrauchen, sondern dass Gott ihm
denselben anvertraut hat, damit er ihn freudig gebrauche in seinem Dienst,
zur Ehre unseres himmlischen Königs.
Wir haben überdies diese Frage
schon einmal im „Wachtturm“ besprochen, anlässlich einer an uns
ergangenen brieflichen Anfrage. Wir geben im Folgenden Frage und Antwort
hier wieder.
In der Welt, aber nicht von der Welt
„Lieber Bruder! - In unserer
Zusammenkunft vom letzten Sonntag besprachen wir Röm. 12:1 und kamen
dabei auf die Frage zu sprechen, wie dem Herrn Geweihte ihre Zeit
verwenden sollen. Ich habe einen Spezereihandel und muss, wie die Dinge im
Handel gegenwärtig liegen, beständig über mein Geschäft wachen. Ist es
nun meinerseits recht, solche Anstrengungen zu machen, um mir eine
Kundschaft zu bilden und zu erhalten? Ich versende jede Woche Preislisten
und offeriere dabei manchmal einige Artikel unter ihrem Preis und lasse
auch in abträglicheren Artikeln manches mitlaufen, nicht weil ich persönlich
daran Freude habe, sondern weil meine Konkurrenten ebenso handeln und ich,
da ich nicht reich bin, mein Geschäft in Gang erhalten muss, um meinen
Lebensunterhalt zu finden. Ich muss dies tun, wiewohl es die Schwächeren
unter meinen Konkurrenten schädigt. Ich weiß, dass sich unter denselben
Witwen befinden, die mit einem kleinen Spezereihandel ihr ehrliches
Auskommen zu finden trachten; um gegen dieselben mitzutun, muss ich alle
meine besseren Gefühle in den Wind schlagen. Das ist ein betrübendes
Eingeständnis für jemand, der mit dem Herrn an der Erlösung der
Menschheit aus dem Joch der Selbstsucht arbeiten möchte, an jener Erlösung,
die in einer so nahe bevorstehenden Zeit fällig ist. Ich erwarte nicht
von Ihnen, dass Sie meine Handlungsweise rechtfertigen, aber Ihre Ansicht
möchte ich kennen hinsichtlich der Pflichten und des Verhaltens von
wahren Kindern Gottes, die Geschäftsleute und in der Lage großer Fische
sind, die kleinere auffressen.
Ihr
in Christo verbundener...“
Antwort: Die Lage, von der Sie
sprechen, ist diejenige des Geschäfts überhaupt, und wird es immer mehr
in der ganzen Welt. Sie ist ein Teil der Drangsal unserer Zeit. Die
Regierung der Maschinentätigkeit und die Zunahme der Bevölkerung drückt
die Löhne und macht die Arbeitsgelegenheiten unsicher. Immer mehr
Menschen treiben daher Handel, und Konkurrenz und kleiner Profit sind zwar
ein Vorteil für die Armen, bringen aber den kleinen Geschäftsmann um
sein Auskommen, der teurer verkaufen muss, um zu bestehen. Darum
verschwinden auch die kleinen Geschäfte und Fabriken immer mehr und
machen den großen Platz, die schneller, besser und billiger bedienen können.
Das ist für die Großzahl der Menschen eine Erleichterung, wenn auch
dabei mancher geistig, körperlich oder finanziell Schwächere zu Schaden
kommt, weil er sich den Verhältnissen nicht anpassen kann. Diese Schwächeren
sollten sich der Erleichterung freuen, die der Allgemeinheit erwächst,
auch wenn es sie selbst schädigt. Sie sollten mit den Fröhlichen fröhlich
sein und geduldig auf das Reich Gottes warten, welches die Segnungen
Gottes allen, nicht nur einer Großzahl zuteil werden lassen wird. So
selbstlos können es freilich nur die ansehen, die die „neue Natur“
haben. Die gegenwärtigen Konkurrenzverhältnisse sind daher nicht nur ein
Übel, sondern gleichzeitig eine Belehrung der Welt, dazu bestimmt, diese
vorzubereiten auf das tausendjährige Reich, in welchem die Geschäfte der
Welt im Interesse nicht des Einzelnen, sondern der Gesamtheit besorgt
werden.
Zuweilen freilich wird der
selbstische Konkurrenzkampf edlen, hochherzigen Menschen, seien sie nun
Christen oder nicht, sehr beschwerlich und widerlich. Es freut uns, dass
Sie zu diesen gehören. Unserer Ansicht nach sollten Sie daher zunächst
sich nach einer weniger von Konkurrenz belasteten Branche umsehen. Können
Sie aber einen Wechsel nicht vollziehen, so harren Sie aus und suchen nach
besten Kräften die widerstreitenden Interessen Ihrer Kunden, Ihrer
Konkurrenten und Ihrer selbst zu vereinigen. Wirft Ihr Geschäft genügend
ab, so suchen Sie es auf der Höhe zu halten, aber führen Sie es nicht
mit der Absicht, reich zu werden, „denn die da reich werden wollen,
fallen in Versuchung und Fallstrick.“ (1. Tim. 6:9) Vermeiden Sie den
Konkurrenten gegenüber alle unredlichen Mittel und den Neid, den Kunden
gegenüber jede unberechtigte Anpreisung einer Ware. Gerechtigkeit und
Redlichkeit muss um jeden Preis festgehalten werden, dazu üben Sie soviel
Mäßigung, wie die Nächstenliebe verlangt und die Umstände gestatten.
Wir vergessen keineswegs das
Gebot: „Du sollst nicht der Menge folgen, die Böses tut“ (2. Mose
23:2), und raten keineswegs zu irgendwelchem Kompromiss mit dem Unrecht.
Wir verstehen Ihre Frage nicht so, ob Sie Unrecht tun dürfen, sondern ob
die Liebe Ihnen gestattet, alles zu tun, wogegen Gerechtigkeit und Brauch
nichts einzuwenden haben. Weltliche Herzen haben solche Kümmernisse nicht;
es ist Ihre neue Natur, deren Gesetz die Liebe ist, der Ihres Konkurrenten
Wohlergehen lieber sähe als seine Not, und die allen Menschen bei jeder
Gelegenheit Gutes tun möchte, besonders den Hausgenossen des Glaubens.
Pflegen Sie diese neue Natur, indem Sie dem Gebot der Liebe gehorchen, wo
es nur irgend angeht. „Wenn möglich, soviel an euch ist, lebet mit
allen Menschen in Frieden“, indem euer Verkehr mit ihnen durch
Gerechtigkeitssinn und Nächstenliebe geregelt wird. Wessen Herz voll
Liebe ist, der plant nichts Böses gegen seinen Konkurrenten, sucht nicht
seine eigene Wohlfahrt allein und freut sich nicht am Misserfolg seines
Konkurrenten.
Die Schwierigkeit liegt darin,
dass die ganze Welt auf der Grundlage der Selbstsucht handelt und wandelt,
mit der die Liebe unvereinbar ist. Einige bleiben dabei doch wenigstens
innerhalb der von der Gerechtigkeit gezogenen Grenzen, andere gehen über
diese hinweg und schrecken vor Unrecht und Unredlichkeit nicht zurück.
Die „Neue Schöpfung“ darf nie unter die Richtlinie der Redlichkeit
und Gerechtigkeit herab gehen und muss stets bestrebt sein, die der Nächstenliebe
zu erreichen. Die Konkurrenzverhältnisse sind schuld an dem Konflikt der
Interessen der Käufer einer- und der Verkäufer andererseits. Darum kann
keine Macht etwas ändern als das verheißene tausendjährige Reich,
welches dem Gebot der Nächstenliebe Achtung verschaffen und alle
diejenigen von den Fesseln und Verlockungen der Selbstsucht frei machen
wird, welche, nachdem sie die bessere Methode kennen gelernt haben die
Hilfe annehmen werden, die in Bereitschaft sein wird.
* * *
Nachdem wir an Hand des
Vorhergehenden erkannt haben, dass unter der gegenwärtigen
gesellschaftlichen Ordnung entweder die ungeheure Mehrzahl der Menschen in
sklavische Abhängigkeit von Reichtum und höherer Intelligenz herabsinken,
oder aber die Anarchie diesen gesellschaftlichen Zuständen durch Zerstörung
ein Ende machen muss; nachdem wir erkannten, dass die Schrift dieses
Letztere vorausgesagt, was eine fürchterliche Vergeltung für alle und
eine eindringliche Belehrung in der Richtung sein wird, dass Selbstsucht
eine Torheit, Liebe aber göttliche Weisheit ist, wollen wir an die
Betrachtung der Schriftstellen gehen, welche uns über den Fall „Babylons“,
der „Namenchristenheit“, in der großen Drangsal, mit der das gegenwärtige
Zeitalter abschließen muss, Auskunft geben. Wir haben gesehen, wie die
Namenchristenheit es unterlassen hat, den Geist der Lehre Christi
anzunehmen; wir haben gesehen, wie die aus der Erweiterung der Kenntnisse
geschöpfte Freiheit vom Geist des Bösen, von der Selbstsucht, beseelt
ist. Wir sehen an den vorausgeworfenen Schatten die schreckliche
Katastrophe heraufziehen.
Wir
sehen in der Zulassung derselben ein gerechtes Gericht, gegründet auf dem
göttlichen Gesetz der Vergeltung. So sehr wir daher die damit verbundenen
Schrecknisse bedauern, rufen wir doch, wissend, dass Gottes
Gnadenabsichten durch diese Schrecknisse ausführbar werden, aus: „Groß
und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger! gerecht und
wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen.“ - Offb. 15:3