SCHRIFTSTUDIEN
BAND
4 - DER
KRIEG VON
HARMAGEDON
Studie
3
Die
Notwendigkeit und Gerechtigkeit des Tages der Rache.
„Über
dieses Geschlecht“, Vorbild und Gegenbild. —
Die
große Drangsal eine rechtmäßige Folge vorhergegangener Ursachen. —
Die
Verantwortlichkeit der „Christenheit“ und ihr Verhalten dazu. —
Bürgerliche
Mächte; religiöse Führer; die verschiedenen Stände. —
Die
Beziehung der heidnischen Nationen zur „Christenheit“ und zur Drangsal. —
Das
Gericht Gottes. — „Die
Rache ist mein, ich will vergelten.“
„Wahrlich,
ich sage euch, dies alles wird über dieses Geschlecht kommen.“ - Matth.
23:34-36; Luk. 11:50, 51
Wer
nicht gewohnt ist, Grundsätze vom Standpunkt einer gerechten und
sittlichen Philosophie aus zu beurteilen, dem mag es sonderbar erscheinen,
dass eine Generation der Menschheit büßen soll für alles, was viele
vorangegangene Generationen verschuldet haben. Doch da dies das gefällte
Urteil Gottes ist, der nicht irren kann, so müssen wir uns die Sache
reiflich überlegen. Die Gerechtigkeit des Urteils wird uns dann klar
werden.
In
den oben zitierten Bibelstellen erklärt der Herr, dass es der Generation
des fleischlichen Israels, zu der er sprach am Ende des jüdischen
Zeitalters, gerade so gehen werde. „Über euch wird kommen alles
gerechte Blut, das auf Erden vergossen ist, vom Blute des gerechten Abel
bis zum Blute des Zacharias, den ihr zwischen Tempel und Altar ermordet
habt.“ (Matth. 23:35)
Das
war eine schreckliche Prophezeiung: sie fand aber taube Ohren und ungläubige
Herzen, dennoch ist sie wörtlich genau 37 Jahre später in Erfüllung
gegangen, als Bürgerkrieg und feindliche Armeen schreckliche Vergeltung
übten. In jener Zeit war, wie wir lesen, das jüdische Volk durch
Eifersucht in Parteien gespalten, die einander bekriegten, und das
gegenseitige Misstrauen war auf das höchste gesteigert. Freundschaften
wurden zerstört, Familien lösten sich auf, und jedermann war voller
Argwohn gegen seinen Bruder. Diebstahl, Betrug und Mord war sehr
verbreitet, und niemandes Leben war sicher, selbst im Tempel nicht. Der
Hohepriester wurde in Ausübung seines Amtes erschlagen. Da trieb das
Blutbad in Cäsarea das Volk zur Verzweiflung. Es glaubte sich überall
zur Abschlachtung bestimmt und einigte sich nun zu gemeinsamer Abwehr
durch einen Aufstand. So empörte sich das kleine Judäa offen gegen Rom
und forderte damit die ganze zivilisierte Welt von damals in die Schranken.
Vespasian und Titus wurden zu ihrer Züchtigung ausgesandt; eine Stadt
nach der anderen fiel in ihre Hände, bis zuletzt Jerusalem an die Reihe
kam. Eben waren Tausende zum Passahfest in Jerusalem zusammengeströmt,
als Titus (im Frühling 70) die Stadt einschloss. In kurzer Zeit fielen da
die Einwohner dem Hunger, dem Bürgerkrieg und dem Schwert des Feindes zum
Opfer. Wer bei einem Versuch, sich durch die Belagerungslinien
durchzuschleichen, erfasst ward, wurde ans Kreuz geschlagen, und die
Hungersnot war so schrecklich, dass Eltern ihre eigenen Kinder
schlachteten und verzehrten. Josephus gibt die Zahl der Umgekommenen auf
eine Million an, und Stadt und Tempel wurden in Asche gelegt.
So
erfüllte sich die Prophezeiung an dem widerspenstigen fleischlichen
Israel am Ende des Zeitalters, in dem es sich einer besonderen Gunst als
Gottes auserwähltes Volk zu erfreuen hatte. Jetzt, am Ende des
Evangeliums-Zeitalters, wird das Gegenbild zu jener Drangsal über das dem
Namen nach geistliche Israel kommen, in Erfüllung der weiteren Bedeutung
der Prophezeiung. Dieses dem Namen nach geistliche Israel ist die
Namenchristenheit, über welche eine Drangsal hereinbrechen wird, wie sie
nicht gewesen ist, seit es Völker gab auf Erden, eine Drangsal, die also
noch schrecklicher sein wird als die, welche über Judäa und Jerusalem
hereinbrach. Etwas Schrecklicheres können wir uns nun kaum vorstellen, es
sei denn in dem Sinne, dass diese kommende Drangsal allgemeiner und
verbreiteter sein und noch mehr zugrunde richten wird, was man sich denken
kann, wenn man sich der gegenwärtigen Kriegswaffen erinnert. Statt nur
ein Volk oder Land zu treffen, wird das Verderben die ganze Welt treffen,
in erster Linie die zivilisierte Welt, die Namenchristenheit, Babylon. Wir
dürfen daher das Gericht, das über das fleischliche Israel erging, als
das Vorbild jenes viel größeren und schrecklicheren Gerichtes ansehen,
das am Ende des Evangeliums-Zeitalters über die Namenchristenheit
hereinbrechen wird. Wer voreilig diese Verfügung des Allmächtigen gegenüber
dem jetzt lebenden Geschlecht als ungerecht zu betrachten geneigt ist, hat
eben das vollkommene Gesetz der Vergeltung nicht begriffen, welches sicher,
wenn auch oft langsam, zu seinem Ziele führt. Die Gerechtigkeit und
Notwendigkeit dieses Gerichtes ist hingegen allen klar, die nachdenken,
sich beugen und, statt Gott eines Unrechtes zu zeihen, in seinem Worte
Aufklärung suchen.
Die
große Trübsal -
eine
notwendige Folge vorausgehender Ursachen
Wir
stehen gegenwärtig in einer Zeit, welche den Höhepunkt der Entwicklung
darstellt und der ganzen Welt zugute kommen sollte und tatsächlich auch
in mancher Beziehung zugute kommt, besonders demjenigen Teil der Welt,
welcher den Vorteil der Erleuchtung durch die göttliche Wahrheit genoss,
also der Namenchristenheit, deren Verantwortung dadurch jedoch nur um so
größer wird. Gott macht die Menschen nicht nur für das verantwortlich,
was sie wissen, sondern auch für das, was sie wissen könnten, wenn sie
ihre Herzen der Belehrung erschließen wollten, der Belehrung, die sie aus
ihrer eigenen Erfahrung und der der anderen schöpfen sollten, und wenn
die Menschen diese Belehrung nicht beherzigen, sondern wissentlich in den
Wind schlagen, so müssen sie auch die Folgen so törichten Handelns auf
sich nehmen. Vor der Namenchristenheit liegt die Geschichte der
vergangenen Jahrhunderte wie ein offenes Buch, und ebenso die auf göttlicher
Inspiration beruhende Offenbarung. Wie viel Belehrung lässt sich aus
beiden schöpfen! Erfahrung, Klugheit, Kenntnisse, Belohnung und Strafe
heißen die Lehrmeister! Gestützt auf die Erkenntnis der vorangegangenen
Generationen hat die Welt auf industriellem, volkswirtschaftlichem und
noch manchem anderen Gebiet in materieller Beziehung sehr ansehnliche
Fortschritte gemacht. Viele Annehmlichkeiten, die unsere gegenwärtige
Zivilisation in so reichem Maße bietet, schulden wir den aus den
Erfahrungen vergangener Geschlechter geschöpften Lehren. Die
Buchdruckerkunst hat diese jedermann erreichbar gemacht. Schon in diesem
einzigen Punkt hat die heutige Generation einen großen Vorteil vor den
anderen nach jeder Richtung; zu ihren eigenen Erfahrungen hat sie die der
Vergangenheit. Aber die sittlichen Lehren, welche die Menschheit auch hätte
beachten und befolgen sollen, sind fast allgemein übersehen worden, sogar
die, welche sich der öffentlichen Aufmerksamkeit förmlich aufdrängten.
Die Geschichte birgt deren viel für diejenigen, deren Herzen
Rechtschaffenheit suchen, und die heutige Menschheit hat deren Lehren mehr
denn alle früheren Generationen. Von Zeit zu Zeit haben denkende Menschen
darauf aufmerksam gemacht. So sagt zum Beispiel Prof. Fischer im Vorwort
zu seinem Werk „Entstehung, Entwicklung und Auflösung der Reiche“,
ganz richtig: „Dass die Aufeinanderfolge der die Menschheit betreffenden
Ereignisse eine gesetzmäßige ist, wird durch gewissenhafte Beobachtung
der Tatsachen bezeugt. Die Ereignisse sind stets das Ergebnis derer die
vorangingen; sie sind als natürliche Folge der Vergangenheit deutlich
erkennbar. Frühere haben die späteren gleichsam abgeschattet.“ Das ist
durchaus richtig; das Gesetz von Ursache und Wirkung tritt nirgends so
sichtlich in Erscheinung wie in der Geschichte. Nach diesem Gesetz, das göttlich
ist, muss die Saat der Vergangenheit aufgehen und Frucht tragen, und eine
Ernte ist daher unvermeidlich. Im 2. Band ist gezeigt worden, dass die
Erntezeit des Evangeliums-Zeitalters bereits da ist, dass sie 1874 begann,
als die Gegenwart des Herrn der Ernte fällig war, und dass wir jetzt,
nachdem ein großer Teil des Erntewerkes seit jenem Jahr vollbracht wurde,
uns mit schnellen Schritten der Zeit nähern, wo die letzte Verrichtung
des Erntewerkes, die Verbrennung der Bündel Scheinweizen und die
Einsammlung und das Keltern der ausgereiften Trauben am „Weinstock der
Erde“ (Offb. 14:18), das heißt der reifen Früchte des unrechten
Weinstocks (im Gegensatz zu Johannes 15:1) an die Reihe kommen muss.
Babylon,
die Christenheit, hat eine lange Gnaden- und Prüfungszeit gehabt und
manche Gelegenheit, das Gute zu lernen und in die Tat umzusetzen, sowie
manche Warnung vor dem kommenden Gericht. Durch das ganze
Evangeliums-Zeitalter hindurch haben die Heiligen Gottes unter ihr gewohnt,
hingebende, opferfreudige, christusähnliche Männer und Frauen, das Salz
der Erde. Sie hat die Botschaft von der Erlösung aus dem Mund dieser
Zeugen vernommen; sie hat gesehen, wie dieselben der Wahrheit und
Rechtschaffenheit durch ihren Wandel Ausdruck gaben, und gehört, wie sie
die Welt Rechtschaffenheit lehren und vom kommenden Gericht überzeugen
wollten. Aber sie hat diese lebendigen Zeugnisse, diese Sendboten Gottes,
missachtet. Daran nicht genug, haben die sogenannten christlichen Völker
in ihrer Gewinnsucht den Christennamen vor der Heidenwelt in Unehre
gebracht, indem sie den Spuren der Missionare mit dem Handel mit
berauschenden Getränken und anderen „zivilisierten“ Übeln folgten,
und die Heiligen Gottes in ihrer Mitte, den Keim des Reiches Gottes,
Gewalt leiden ließen. Sie hat diese Heiligen gehasst, verfolgt, getötet;
ihrer Tausende haben im Laufe der Jahrhunderte ihr Zeugnis mit ihrem Blut
besiegelt, und zwar infolge der Maßregeln der Namenchristenheit. Wie ihr
Meister, so sind auch sie ohne Grund verhasst gewesen; um ihrer
Rechtschaffenheit willen waren sie als der Auswurf der Menschheit verstoßen;
immer und immer wieder wurde ihr Licht gelöscht, damit die Finsternis
fortdauere und der Namenchristenheit das Unrechttun erleichtere. So düster
sieht es in der Geschichte der Namenchristenheit aus! Das Muttersystem ist
trunken vom Blut der Heiligen und Blutzeugen Jesu, und es ist samt den
noch verblendeten Tochtersystemen auch heute noch bereit, alle die zu
verfolgen und zu enthaupten (Offb. 20:4), wenn auch in feinerer Weise, die
Gott und seinem Worte glauben und es wagen, wenn auch mit Güte, ihm aus
dem Worte Gottes den Beweis, dass es im Unrecht ist, zu bringen. Die bürgerlichen
Gewalten in der Namenchristenheit sind ihrerseits oft gewarnt worden,
indem von Zeit zu Zeit Reiche und Königshäuser infolge ihrer
Verderbtheit zusammenbrachen. Und heute noch könnten diese Gewalten, wenn
sie nur wollten, eine letzte Warnung von Gottes Wort vernehmen:
„Seid
verständig, ihr Könige, lasset euch zurechtweisen, ihr Richter der Erde!
Dienet Jehova mit Furcht, und freuet euch mit Zittern! Küsset den Sohn,
auf dass er nicht zürne, und ihr umkommet auf dem Wege, wenn nur ein
wenig entbrennt sein Zorn! ... Warum toben die Nationen und sinnen Eitles
die Völkerschaften? Es treten auf die Könige der Erde, und die Fürsten
ratschlagen miteinander wider Jehova und wider seinen Gesalbten: Lasset
uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile! Der im Himmel
thront, lacht, der Herr spottet ihrer. Dann wird er zu ihnen reden in
seinem Zorn, und in seiner Zornglut wird er sie schrecken.“ - Psalm 2
Eine
andere Warnung ergeht an die Gewalthaber in Psalm 82:
„Gott
steht in der Versammlung der Gewaltigen und ist Richter unter den Göttern
(den Herrschern - und spricht zu ihnen): Wie lange wollt ihr unrecht
richten und die Person der Gottlosen vorziehen? Schaffet Recht dem Armen
und der Waise und helfet dem Elenden und Dürftigen zum Recht. Errettet
den Geringen und Armen und erlöset ihn aus der Gewalt der Gottlosen.“
Dass
dieser Rat für die Gegenwart von großer Wichtigkeit und sehr zutreffend
ist und sich den Inhabern der Gewalt mit Macht aufdrängt, davon liefert
uns die Tagespresse manchen Beweis, und es hat auch unter allen Weltleuten,
die der Zukunft nur vom Nützlichkeitsstandpunkt aus Aufmerksamkeit
schenken, nicht an solchen gefehlt, welche erkannt haben, dass eine
Befolgung der Ratschläge der Propheten nützlich und notwendig wäre. Zu
diesen ist der alte Kaiser Wilhelm I. zu zählen, von dem einst (1880) der
Berliner Korrespondent des „Osservatore Romano“ folgendes schrieb:
„Als
der deutsche Kaiser die Nachricht vom Attentat im Speisesaal des
Winterpalais zu Petersburg empfing, ward er sehr nachdenklich und bemerkte
erst nach Verlauf einiger im tiefsten Schweigen verbrachten Minuten in
traurigem Ton, aber mit einer gewissen Entschlossenheit: Wenn wir unserer
Politik nicht eine andere Richtung geben, wenn wir nicht ernstlich daran
gehen, dem aufwachsenden Geschlecht einen gesunden Unterricht zu geben,
wenn wir in demselben nicht der Religion den ersten Platz einräumen, wenn
wir nur mit Augenblicksmitteln, deren Wahl sich von Tag zu Tag ändert, zu
regieren versuchen - dann werden unsere Throne umgeworfen, und die
menschliche Gesellschaft wird die Beute der allerschrecklichsten
Heimsuchung werden. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, und es wird
von schwerem Nachteil sein, wenn nicht alle Regierungen sich zu
gemeinsamer Bekämpfung des Umsturzes entschließen können.“
In
seinem 1895 unter dem Titel „Reform oder Revolution“ in Deutschland
erschienenen Buch beschuldigt von Massow, welcher der konservativen Partei
angehört und Präsident des Zentralkomitees für Arbeiterkolonien ist,
seine Landsleute, sie trieben Vogel-Strauß-Politik, schlössen die Augen
vor der nahenden Gefahr und glaubten ihr dadurch zu entrinnen. Er schreibt:
„Wir
können Tatsachen ignorieren, aber ändern können wir sie nicht. Es
besteht darüber gar kein Zweifel, dass wir am Vorabend einer Revolution
stehen. Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, muss dies zugeben. Nur
eine in Egoismus, Selbstgefälligkeit und Vergnügungssucht versunkene
Gesellschaft kann es leugnen; nur eine solche Gesellschaft kann fortfahren,
über dem grollenden Krater zu tanzen, kann sich weigern, das „Menetekel“
zu sehen, und kann weiter auf die Bajonette vertrauen. Man hat in der großen
Menge der Gebildeten und Besitzenden keine Ahnung davon, welcher
furchtbare Hass in breiten Schichten des Volkes gärt. Man stellt sich die
sozialdemokratische Partei als politische Partei vor wie die übrigen
politischen Parteien und vergisst, dass sie eine soziale Partei ist, dass
es sich bei ihrer Aktion nicht um politische Bestrebungen, sondern um das
brennende Verlangen der unteren Schichten handelt, an dem Glück und
Wohlsein der oberen teilzunehmen, einem Glück und Wohlsein, von dem sich
die Menschen, die nie einen Hundertmarkschein ihr eigen genannt haben, ein
ganz falsches Bild machen ... Die Ordnung wird freilich nach einer
gewaltsamen Erhebung bald wiederhergestellt sein. Doch in welchem Zustand
wird sich alsdann das Land befinden! Ungeheuer wird die Zahl der Krüppel,
Witwen und Waisen sein; öffentliche und private Banken werden geplündert,
Eisenbahnen, Telegraphen, Straßen, Brücken, Paläste, Fabriken, Denkmäler
werden zerstört sein. Wo sollen dann Reich, Einzelstaaten und Kommunen
die zur Wiederherstellung des Zerstörten oder auch nur eines Teiles
dessen erforderlichen Milliarden aufbringen?
Es
ist einfach unglaublich, dass nichts geschieht, um der Gefahr vorzubeugen.
Nicht der Wohltätigkeit bedarf es, sondern warmer Herzen, die willig sind,
auf die unteren Klassen ein wenig Rücksicht zu nehmen. Liebe,
allumfassende Liebe allein, wird viel von dem gärenden Hass überwinden.
Viele mögen freilich schon so verirrt sein, dass nichts sie zurückzubringen
vermag; daneben sind aber Millionen, die man ganz gut für Gesetz und
Ordnung wiedergewinnen kann, wenn man ihnen zu menschenwürdigem Dasein
verhilft, wenn man ihnen zeigt, dass sie nicht, wie es jetzt tatsächlich
der Fall ist, schlechter dran sein müssen als das Vieh, das wenigstens
Obdach und Nahrung hat.“
Aber
wissen die heutigen Machthaber die Warnungen und eindringlichen Lehren der
gegenwärtigen Stunde zu schätzen? Gewiss nicht, sondern „sie wissen
nichts und verstehen nichts, in Finsternis wandeln sie einher: es wanken
alle Grundfesten der Erde“ - die Grundlagen der Gesellschaft, die bis
jetzt geltenden Grundsätze von Gesetz und Ordnung werden schrecklich
erschüttert werden, so erschüttert, dass sie verschwinden. - Psalm 82:5.
vergleiche Hebr. 12:26; Jes. 2:19
Der
nunmehrige deutsche Kaiser lässt sich durch die Besorgnisse seines Großvaters
nicht anfechten. Als er dem Fürsten Bismarck ein prächtiges Schwert in
goldener Scheide überreichte, sagte er:
„Vor
den Augen dieser Truppen überreiche ich Euer Exzellenz meine Gabe. Ich
fand nichts Besseres denn ein Schwert, die edelste Waffe des Deutschen,
ein Sinnbild jenes Werkzeugs, das Eure Exzellenz im Dienste meines Großvaters
schmieden, schärfen und schwingen half, ein Andenken an jene große Zeit
der Aufrichtung des Reiches, da Blut und Eisen als Mörtel dienten, ein
Mittel, das nie versagt, und das in der Hand von Kön.n und Fürsten im
Notfall die Einheit des Reiches gegen den inneren Feind schützen wird, so
gut wie es auf fremder Erde zur Herstellung jener Einheit geführt hat.“
Der
Londoner „Spectator“ fügte dieser Ansprache des Kaisers an seinen
einstigen Kanzler folgende inhaltsschwere Bemerkungen bei:
„Das
sind Worte, die zu allen Befürchtungen berechtigen. Zwei Erklärungen
derselben werden in Deutschland dafür gegeben. Nach der einen richtet
sich der Ausspruch gegen jeden Staat, der den Anspruch erheben sollte, aus
dem Bund ausscheiden zu können. Nach der anderen liegt in diesen Worten
der Entschluss des Kaisers und der mit ihm verbündeten Fürsten, die
Sozialdemokraten und Anarchisten nötigenfalls mit Waffengewalt zu bekämpfen.
In beiden Fällen wäre die Ankündigung unnötig und voreilig. Niemand
zweifelt daran, dass das Reich, zu dem auf den Schlachtfeldern von 1866
und 1870 der Grund gelegt ward, die militärische Besetzung eines
Bundesgliedes anordnen würde, das sich selbständig machen wollte. Aber
irgendeiner Partei, und wäre es die der Sozialdemokraten, mit der
Proklamation des Kriegsrechts zu drohen, während sie nur mit dem
Stimmzettel in den Kampf zieht, das heißt die Verfassung zugunsten des
Belagerungszustandes aufheben. Wir setzen nicht voraus, dass der Kaiser
irgendetwas Derartiges im Ernst beabsichtigt; aber seine Worte bezeugen,
dass er über die Lage nachgedacht, dabei den Widerstand der
Sozialdemokraten als ein Hindernis auf dem Wege, den er sich vorgezeichnet,
empfunden hat und so schließlich zu dem Ergebnis gekommen ist: Noch habe
ich mein Schwert, und das ist ein Mittel, das nie versagt. Viele Kön.
sind vor ihm zu diesem Ergebnis gekommen; aber wenige sind soweit gegangen,
darüber laut zu denken; wenn auch in ihrem Herzen derselbe Gedanke
aufstieg und als letzte Zuflucht sich ihnen aufzudrängen suchte, so
hielten sie es doch nicht für klug, ihn auszusprechen. Die Worte bedeuten,
mag man sie so oder anders auslegen, eine Drohung, und kluge Monarchen
drohen nicht, bevor die Stunde auch wirklich gekommen ist, dreinzuschlagen.
Noch weniger drohen sie, inneren Schwierigkeiten mit dem Schwert als
Heilmittel zu begegnen. „Das Schwert ein Heilmittel“ für innere
Schwierigkeiten, „ein Mittel, das nie versagt!“ Mit demselben Recht könnte
der Chirurg sein Messer als ein unfehlbares Mittel gegen Fieber bezeichnen!
Fürst Schwarzenberg hat an der Spitze einer mächtigen Armee das Mittel
unter viel günstigeren Umständen anzuwenden gesucht, ist aber nach
jahrelanger Erfahrung zu der Überzeugung gekommen, dass man mit
Bajonetten alles kann, nur nicht darauf sitzen. Kaiser Wilhelm II. täte
wohl daran, sich daran zu erinnern. Was könnte ein römischer Imperator
Stärkeres gesagt haben als: „Das Schwert ist ein Heilmittel, das nie
versagt?“ In einem solchen Satz liegt die Quintessenz der Willkürherrschaft.
Wenn der Kaiser denselben wohlüberlegt ausgesprochen hat, so hat
Deutschland nicht einen Regenten in ihm, sondern einen absoluten Herrscher,
wie sie die neuere Geschichte nicht mehr erträgt. Es mag ja sein, dass
der Kaiser unbedacht gesprochen hat, unter dem Einfluss seines starken
Selbstbewusstseins, seiner Hinneigung zur Bildersprache, die man schon früher
an ihm bemerkte. Wenn aber seine Worte als ein Manifest an sein Volk
gelten sollten, dann kann man nur sagen: „Wie schade, welch schöne
Hoffnungen sind zu Wasser geworden!“
Die
Erklärung des jungen Zaren, dass er am Absolutismus ebenso stark
festgehalten werde wie sein Vater, ist ein Beweis dafür, dass die Fürsten
die dringlichen Warnungen der bedeutungsvollen Gegenwart und des Wortes
Gottes nicht beachten. Wie ist diese Erklärung von seinen Untertanen begrüßt
worden trotz aller Bemühungen, das freie Wort zu knebeln? Ein Manifest
wurde von der russischen „Gesellschaft für Volksrechte“ veröffentlicht
und im ganzen Reich in Zirkulation gesetzt. Das Manifest war ein offener
Brief an den Zaren und zeichnete sich durch deutliche und kräftige
Sprache aus. Nachdem es den Ausspruch über den Absolutismus getadelt
hatte, fährt es fort:
„Die
kühnsten Semstwos haben nur die Redefreiheit und den Schutz der Gesetze
gegen die Willkürakte der ausführenden Organe verlangt. Höflinge und
Beamte täuschen Sie und erschrecken Sie durch ihre Vorstellungen. Die
Gesellschaft merkt sehr wohl, dass das Beamtentum, das eifersüchtig über
seine Allmacht wacht, Ihnen diese Worte eingegeben hat. Das Beamtentum,
vom Minister abwärts bis zum letzten Gendarm im kleinsten Dorf, hasst
jeden Fortschritt, den gesellschaftlichen wie den persönlichen, und verhütet
sorgfältig den direkten Verkehr des Monarchen mit Vertretern seines
Volkes, es sei denn, dieselben kommen im Galaanzug und bringen Glückwünsche
oder Geschenke dar. Ihre Worte beweisen, dass jeder Versuch, selbst in der
loyalsten Form, vor dem Thron von den schreienden Notständen zu reden,
auf nichts Anderes als eine schroffe Abweisung zu rechnen hat. Die
Gesellschaft erhoffte von Ihnen Ermutigung und Unterstützung; stattdessen
bekam sie einen Ausspruch zu hören, der Ihre Allmacht ins Gedächtnis
rief und dadurch den Schein erweckte, als sei der Zar seinem Volk ganz
entfremdet. Damit haben Sie Ihre Popularität verscherzt und sich
demjenigen Teil der Gesellschaft entfremdet, der friedlich vorwärts
strebt. Es gibt freilich solche, die über Ihre Sprache frohlocken. Sie
werden aber deren Machtlosigkeit bald inne werden! In einem anderen Teil
der Gesellschaft haben Ihre Worte ein Gefühl des Beleidigt- und Unterdrücktseins
geweckt, welches zwar die besten gesellschaftlichen Kräfte bald überwinden
werden; dann wird derselbe hartnäckig und planmäßig den friedlichen
Kampf für die Freiheit aufnehmen. In einem dritten Teil aber werden Ihre
Worte den Entschluss zur Reife bringen, jedes Mittel anzuwenden, das zur
Beseitigung des verhassten Zustandes führen kann. Sie haben diesen Kampf
heraufbeschworen, Sie werden ihn in kurzem haben!“
So
tappen alle Nationen der „Christenheit“ sorglos in der seit langem dem
Licht vorgezogenen Finsternis umher. Selbst das auf seine Freiheit so
stolze Amerika, dessen Volk in mancher Hinsicht in so reichlichem Maße
wie kein anderes begünstigt ist, bildet keine Ausnahme und hat auch seine
Warner gehabt. Wir denken dabei an die Worte, die Präsident Lincoln kurz
vor seiner Ermordung an einen Freund in Illinois richtete:
„Ja,
wir mögen uns allen dazu Glück wünschen, dass dieser blutige Krieg zu
Ende geht. Er hat einen großen Aufwand an Gut und Blut gekostet. Das
beste Blut der Auslese der amerikanischen Jugend ist freiwillig auf dem
Altar des Vaterlandes geopfert worden, um den Fortbestand der Nation zu
sichern. Es war für die Vereinigten Staaten eine schwere Prüfungszeit.
Aber in nicht ferner Zeit sehe ich eine andere Krisis drohen, welche mich
mutlos macht und um das Wohl unseres Staates zittern lässt. Infolge des
Krieges ist das Korporationswesen zu Macht und Ansehen gelangt. Das wird
die Korruption in den obersten Gesellschaftsklassen herbeiführen, und die
Geldmächte im Land werden versuchen, ihre Herrschaft auf die Vorurteile
des Volkes zu gründen und so lange zu erhalten, bis aller Besitz in
wenigen Händen konzentriert sein wird. Dann wird unsere Republik nicht
mehr sein! Im Blick auf diese Zukunft bin ich jetzt um das Wohl des
Staates in schwererer Sorge als mitten im Krieg.“
Diesem
Ausspruch lassen wir solche aus näherliegender Vergangenheit folgen. Im
Jahre 1896 sagte der Abgeordnete Hatch (Missouri) im Kongress bei einer
Besprechung finanzieller und sozialer Fragen:
„Geben
Sie acht! Wenn das unerbittliche Gesetz von Ursache und Wirkung nicht aus
dem Gesetzbuch des Allmächtigen getilgt worden ist, werden sie binnen
kurzem, vor Ablauf von zehn Jahren, wenn nicht schleunigst Gegenmaßregeln
getroffen werden, die Greuel der französischen Revolution sich in Amerika
wiederholen sehen, schrecklicher gemacht durch alle modernen Erfindungen.
Das ist nicht nur meine Meinung. Astor, der vor einiger Zeit nach England
auswanderte, sich dort ansiedelte und englischer Bürger ward, sah, was
kommen wird, so deutlich als ich. Daher ergriff er eine sich bietende
Gelegenheit beim Schopf und entwich, und das zu einer Zeit, als der
Wettlauf nach einer Prunkkabine noch lange nicht so lebhaft war, wie er es
nach einiger Zeit sein wird. Er wusste sehr wohl, dass, wenn die Dinge so
bleiben würden, wie wir, Sie und ich, sie in der jüngsten Vergangenheit
gesehen haben, die Zeit nicht mehr fern sein könnte, in welcher solche
Scharen von Leuten seinesgleichen jeden zur Abfahrt bereiten Ozeandampfer
stürmen werden, dass er Gefahr laufen würde, von der Landungsbrücke
herabgestoßen zu werden.“
In
einer Rede, die er am 30. April 1896 zu Cleveland vor einer Versammlung
von Geschäftsleuten hielt, äußerte der Staatssekretär der Unionsmarine,
H. R. Herbert, sich wie folgt:
„Wir
stehen an der Schwelle einer Zeit, die riesige Unternehmungen
hervorbringen wird, Unternehmungen, welche unter Ausschließung aller
anderen sämtliche Wege in Beschlag nehmen werden, die zum Fortschritt führen.
Der Optimist mag glauben, dass dies zur Hebung der Lebensbedingungen der
Menschheit führen wird, dass große Unternehmungen den Preis der Produkte
und ihres Verkehrs herabdrücken. Das Riesenmagazin, in welchem Sie alle
Bedarfsartikel billig bekommen, taucht überall auf; die mit
Millionen-Kapital arbeitende Großindustrie verdrängt den Kleinbetrieb
von Gebiet zu Gebiet. Menschlicher Witz scheint nicht imstande zu sein,
ohne die Freiheit des einzelnen in bedrohlicher Weise zu beschneiden,
diesen Monopolbildungen vorzubeugen, und die unmittelbare Folge davon ist
die Anhäufung gewaltigen Reichtums in den Händen weniger, die
Erschwerung der Lebensbedingungen der großen Mehrzahl und die Verbreitung
der Unzufriedenheit. Daher dürften die Kämpfe zwischen Arbeit und
Kapital künftig folgenschwerer sein als bis jetzt. Weitsichtige Männer
haben vorausgesagt, dass aus den steten Kämpfen zwischen Kapital und
Arbeit schließlich ein Konflikt hervorgehen werde, welcher die
republikanische Staatsform in unserem Land mit dem Untergang bedroht, ein
Konflikt, der zunächst zu anarchistischen Zuständen, zu greulichem
Blutvergießen, hernach aber zur Monarchie führen werde, indem irgendein
energischer Mann an der Spitze der bewaffneten Macht die Ordnung wieder
wird herstellen können. Oder wir treiben dem Sozialismus zu, der
bisweilen als die logische Folge der gegenwärtigen Lage erscheint. Die
ersten Versuche in dieser Richtung werden, so sagt man, in den Städten
gemacht werden. Die Arbeitgeber, denen unbegrenzte Hilfsmittel zur Verfügung
stehen, und die Arbeitnehmer, die neben dem Stimmzettel sich kaum eines
Hilfsmittels erfreuen, um weiter zu kommen, werden als geschlossene Körperschaften
um die Lokalregierung ringen. Das ist aber nur eine der kommenden Gefahren.
Früher hielt man den Farmer für ein Bollwerk, das den gegenwärtigen
Stand der Dinge auf immer schützen werde, aber jetzt ist ein anderer
Geist über viele Farmer gekommen.“
Auch
den kirchlichen Gewalten im Schoße der Christenheit sind Winke und
Warnungen zuteil geworden. Sie sind gewarnt worden durch die Heimsuchungen,
die Gott seinem Volk in vergangenen Zeiten geschickt hat, und auch von
Zeit zu Zeit durch Reformatoren. Doch wenige, sehr wenige nur sind
imstande, die Inschrift an der Wand (Daniel 5) zu lesen und die Strömung
im Volk zu überwinden oder ihr auch nur standzuhalten. De Witt Talmage
scheint das zu sehen und bis zu einem gewissen Grade zu verstehen; denn er
sagte kürzlich in einer Rede:
„Es
sei denn, dass die Kirche Christi sich aufmache und als Dienerin Gottes
sich erweise, als eine, die es mit den Volksmassen gut meint und ihren
Verständnis entgegenbringt, jenen Massen, die sich im Kampf um das liebe
Brot für sich und die Ihren aufreiben, so wird sie in ihrer gegenwärtigen
Gestalt eine nutzlose Einrichtung werden, und Christus wird abermals ans
Gestade herabsteigen und einfache, ehrliche Fischer als Apostel, als Verkündiger
dessen berufen, was Gott und den Menschen gegenüber recht ist. Die Zeit
ist nun da, wo alle Klassen im Volk die gleichen Rechte im Kampf ums
Dasein beanspruchen dürfen.“
Doch
scheint es der Sprecher dieser Worte, der dank seiner Begabung einen
Einfluss ausüben könnte wie wenige, nicht eilig zu haben, seiner eigenen
Überzeugung von der Art der Pflichten hochstehender Christen in der
Stunde der Gefahr nachzuleben.
Die
Warnungen ergehen weiter und die richtige Ansicht darüber, was Pflicht
und Gunst der Umstände gebieten, drängt sich manchem auf, aber es ist
nutzlos und bleibt unbeachtet. Große Macht lag und liegt noch heutzutage
zum Teil in den Händen der Diener der Kirche, aber sie wurde und wird in
eigennütziger Weise, wiewohl im Namen Christi und seines Evangeliums,
ausgenutzt und missbraucht. „Sie nehmen Ehre voneinander, sie sitzen
gern oben an in den Schulen, sie wollen Meister genannt werden“ (oder
Doktor oder Hochehrwürden, wie heute die Titel lauten) und suchen Gewinn,
jeder in seinem Gebiet (seiner Kirche). (Joh. 5:44; Matth. 23:6-12; Jes.
56:11) Menschenfurcht wird ihnen zum Fallstrick. Dies alles hindert manche,
selbst unter den wahren Dienern Gottes, zur Wahrheit durchzudringen. Von
den Unterhirten aber suchen viele bei der Besorgung der Herde des Herrn
offenbar vorab das goldene Vlies in Sicherheit zu bringen.
Wir
erkennen freilich dankbar an, dass viele gründlich gebildete und fromme Männer
sich unter den Geistlichen aller möglichen Namenkirchen befunden haben
und noch befinden, da dieselben nach Matth. 13:30 das ganze
Evangeliums-Zeitalter Weizen und Scheinweizen umschlossen haben. Doch ist
nicht zu bestreiten, dass viele, die zur Scheinweizen-Klasse gerechnet
werden müssen, Lehrstühle und Kanzeln inne hatten und noch haben. Damit
verbundene angesehene Stellung und in vielen Fällen auch die materiellen
Vorteile haben eben auf begabte junge Leute eine mächtige Anziehung ausüben
müssen. Von allen Berufen hat wohl der geistliche am schnellsten und
bequemsten zu gutem Namen geführt.
So
ist es denn gekommen, dass so viele „Mietlinge“ (Jes. 56:11; Hes.
34:2-16; Joh. 10:11-14) zu den Lehrstühlen gelangt sind. Ihre
Verantwortung aber, wenn sie ihr geistliches Amt im Namen Christi ausüben
wollen, ist sehr groß. Sie erscheinen dem Volk als Vertreter Christi, als
Ausleger seines Wortes, gleichsam als „Auswäger“ seiner Wahrheit. Sie
haben mehr Gelegenheit als andere, diese Wahrheit auch kennen zu lernen.
Leider hat weitaus die größte Mehrzahl der Geistlichen diese Vergünstigung
nicht auszunützen verstanden! Daher sind sie denn auch heute „blinde
Blindenleiter“ und geraten mit ihren Gemeinden auf die Abwege des
Skeptizismus („fallen in die Grube“). Sie haben die Wahrheit verborgen
gehalten, weil sie nicht gern gehört wird; sie haben Irrtümer an ihrer
Statt verkündet, weil dieselben den „Gläubigen“ passten, und
Menschensatzungen gelehrt, weil sie dafür bezahlt waren. Sie haben durch
ihr ganzes Gebaren und oft auch durch ihre Predigten dem Volk gesagt: „Glaubet,
was wir verkündigen, weil wir es wissen“, statt dass sie die ihnen
anvertrauten Seelen angeleitet hätten, alles dies an Hand der
inspirierten Worte der Apostel und Propheten zu prüfen und das Beste zu
behalten. Jahrhunderte lang verbarg die katholische Kirche den Inhalt des
Wortes Gottes, indem sie die Übersetzung desselben in die lebendigen
Sprachen verhinderte. Was sie dabei leitete, war die Furcht, die Leute möchten
in der Schrift forschen und dabei die Unhaltbarkeit der Ansprüche der
Geistlichen finden. Allein im Laufe der Zeit erstanden aus ihrer Mitte
selbst einige Reformatoren, welche die Bibel der Vergessenheit entrissen
und sie den Völkern darboten. Sie gaben damit den Anstoß zu der
protestantischen Bewegung, die Protest einlegte gegen die Irrlehren und
Missbräuche der Kirche Roms. Aber bald riss die Verderbnis auch im
Protestantismus ein, und die Geistlichen, die sich dazu bekannten,
stellten Glaubensbekenntnisse auf und lehrten die Völker, an diese zu
glauben, als wären sie der Ausfluss der biblischen Lehre und von unumstößlicher
Geltung. So lehrten sie, dass die Kinder ganz klein getauft und in einem
Alter in der christlichen Lehre unterwiesen werden müssten, wo sie noch
nicht denken können; die Erwachsenen aber haben sie eingelullt, indem sie
ihnen zu verstehen gaben, dass das Sicherste in Religionssachen sei, alle
Fragen der Lehre ihnen, den Geistlichen, zu überlassen und ihrer
Anleitung zu folgen, da die Geistlichen allein mit dem Nötigen ausgerüstet
seien, um die göttliche Wahrheit zu verstehen, und demnach als Autorität
in allen solchen Fragen gelten könnten ohne Zuziehung des Wortes Gottes.
Wer die Berechtigung dieses Anspruches in Zweifel zu ziehen und anderer
Meinung zu sein sich erdreistete, der wurde als Irrlehrer oder Abtrünniger
betrachtet. Die gelehrtesten und hervorragendsten Theologen haben dicke Bände
geschrieben über das, was sie systematische Theologie nennen; diese
bezwecken ebenso gut wie der Talmud der Juden, das Wort Gottes im
Hintergrund verschwinden zu lassen und Menschensatzungen an seine Stelle
zu setzen. (Matth. 15:6; Jes. 29:13) Andere haben in der angesehenen und
einträglichen Stellung eines Professors der Theologie dem Namen nach
junge Leute für den geistlichen Stand, für den Dienst an der
christlichen Kirche, herangebildet, in Wahrheit aber denselben nur die
Anschauungen der sogenannten systematischen Theologie, noch dazu der
verschiedensten Schulen, eingeimpft, dem freien Denken Fesseln angelegt
und das aufrichtige, ehrerbietige Forschen in der Schrift, mit der Absicht,
an die dort gefundene Wahrheit in Reinheit und ohne Rücksicht auf
menschliche Überlieferungen zu glauben, verhindert. So wandelte denn
„die Geistlichkeit“ von Geschlecht zu Geschlecht die abgetretenen
Pfade überlieferter Irrtümer, und nur hier und da war jemand einsichtig,
ehrlich und aufrichtig genug, den Irrtum wahrzunehmen und nach
Verbesserung zu rufen. Es war ja so viel bequemer, mit dem großen Haufen
zu gehen, zumal wenn große Männer denselben Weg gingen.
So
sind Macht und Vorzüge der Geistlichkeit für Gottes Sache unbenutzt
geblieben, was freilich nicht hinderte, dass sich in ihren Reihen eine
Anzahl ernstgesinnter und frommer Seelen fand und noch findet, die fest
daran glaubt, sie diene Gott, wenn sie den Irrtum festhält, in dem sie
selbst aufgezogen und durch den sie selbst so stark geblendet worden ist.
Die
Hochmütigen und Selbstgefälligen unter den Geistlichen werden nun
freilich an diesen Ausführungen Anstoß nehmen, die Sanftmütigen aber
werden die Offenheit und Aufrichtigkeit, die in diesen Ausführungen
liegen, zu schätzen wissen, die Wahrheit erkennen, sie demütig annehmen,
im Lichte Gottes, das von seinem Worte ausgeht, zu wandeln entschlossen
sein, alle Menschenfurcht fahren lassen und großen Segen davon haben. Es
freut uns, bei der Gelegenheit sagen zu können, dass wir solche gerade in
der gegenwärtigen Erntezeit getroffen haben, die, als die nun fällige
Wahrheit ihnen erschien, den Irrtum fahren ließen und der Wahrheit
dienten. Aber leider gehört die Mehrzahl der Geistlichen nicht zu den
Sanftmütigen, was ganz jenem Worte des Herrn entspricht: „Wie
schwerlich werden die Reichen ins Reich Gottes kommen!“ - seien sie
reich an Ehre, Ruhm, Gelehrsamkeit oder Geld, oder möge es ihnen nur
sonst wohl gehen.
Das
gewöhnliche Volk darf sich nicht verwundern, wenn die Geistlichkeit als
solche für die in der nunmehrigen Erntezeit fällige Wahrheit blind ist.
Gerade so erging es in der Erntezeit des jüdischen Zeitalters den
anerkannten Meistern und Lehrern des Glaubens, welche sich der damals fälligen
Wahrheit ebenfalls widersetzten. Ihre Blindheit ist eine Strafe dafür,
dass sie von den ihnen verliehenen Geistesgaben und sonstigen Vergünstigungen
nicht den richtigen Gebrauch gemacht haben. Daraus folgt aber, dass wir
Wahrheit und Licht nicht von ihnen erwarten dürfen. In der Erntezeit des
jüdischen Zeitalters veranlassten die religiösen Führer die Leute zu
der Frage: „Glaubt auch einer der Obersten und Pharisäer an ihn?“ (Joh.
7:48) Wer sich daran stieß und blind den Führern folgte, verlor sein
Vorrecht und ward der Segnungen der neuen Ordnung nicht teilhaftig. So
wird es auch in unseren Tagen des Evangeliums-Zeitalters gehen; wer
blindlings der Führung der Geistlichen folgt, wird mit dieser auf Abwege
geraten, und nur wer wahrhaft vor Gott wandelt, an seinem Geist Anteil hat
und demütig sich auf nichts Anderes stützt als auf alle Zeugnisse seines
so unendlich wertvollen Wortes, wird imstande sein, die Spreu des Irrtums,
die so lange mit dem Kern der Wahrheit vermengt war, zu erkennen und
auszuscheiden und mutig festzustehen im Glauben an das Evangelium und in
wahrer Herzenstreue zu Gott, indem die Massen, von der Strömung
fortgerissen, in die verschiedensten Irrtümer verfallen, wie die
Evolutionslehre, die „höhere“ Kritik, die Theosophie, die „christliche“
Wissenschaft, den Spiritismus und andere Lehrsysteme, welche die
Notwendigkeit und Wirksamkeit des Opfers auf Golgatha leugnen. Wer an
diesem bösen Tag (Eph. 6:13) fest zu bleiben vermag, wird dadurch
erweisen, von welchem Metall sein Christencharakter ist (1. Kor. 3:11-13),
da die feindliche Strömung so stark sein wird, dass nur die wahre
christliche Gottergebenheit, Eifer, Mut und Tapferkeit bis zum Ende werden
auszuharren vermögen. Die steigende Flut des Unglaubens wird alle anderen
hinwegschwemmen. Es steht geschrieben: „Tausend fallen zu deiner Rechten,
dich aber wird es nicht treffen; denn der Herr ist deine Zuversicht und
der Höchste ist deine Zuflucht. Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt
(als sein Jünger sich ihm weiht und mit ihm in Gemeinschaft lebt) und
unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, den wird er mit seinen
Fittichen bedecken, und dessen Zuversicht wird unter seinen Flügeln sein.
Seine Wahrheit ist ihm Schirm und Schild.“ - Psalm 91:7, 9, 1, 4
Der
Christ kann seine persönliche Verantwortlichkeit nicht auf Pastoren,
Lehrer, Konzile oder Glaubensbekenntnisse abladen. Wir werden nur nach dem
Worte Gottes beurteilt werden (Joh. 12:48-50; Offb. 20:12) und nicht nach
den Ansichten oder Vorschriften unserer Mitmenschen, mögen dieselben noch
so bedeutend sein. Wir müssen es daher machen wie die von Beröa, welche
täglich in der Schrift forschten, um zu kontrollieren, ob es auch wahr
sei, was ihnen vorgetragen wurde. (Apg. 17:11) Es ist geradezu unsere
Christenpflicht, selbst alles zu prüfen, was uns geboten wird, und nur
das Gute festzuhalten. (1. Thess. 5:21) „Zum Gesetz und zum Zeugnis!
Wenn sie nicht nach diesem Wort sprechen, so gibt es für sie keine
Morgenröte (keine Erleuchtung).“ - Jes. 8:20
In
geistlichen wie in weltlichen Dingen ist oft dasselbe Verfahren von Nutzen.
Nun, da die verschiedenen Staatsschiffe ihrem Untergang zueilen, können
die, welche die vor ihnen liegenden Klippen zwar sehen, aber den Kurs der
Schiffe nicht zu ändern vermögen, wenigstens in gewissem Maße sich auf
die unausbleibliche Katastrophe gefasst machen und ihr eigenes Verhalten
danach einrichten. Sie können gleichsam Rettungsboote und Rettungsringe
klar machen, so dass, wenn die Staaten im Strudel der Anarchie untergehen,
sie sich über Wasser halten und noch eine Zuflucht finden können. Mit
anderen Worten, es ist weise, um von grundsätzlicher Pflicht nicht zu
reden, in unseren Tagen gerecht, großmütig und gütig mit allen unseren
Nebenmenschen ohne Rücksicht auf ihre Lebensstellung zu verkehren; denn
die große Drangsal wird aus dem grimmigen Zorn der geplagten Völker
hervorgehen, aus der Unzufriedenheit und Erbitterung der durch gute
Schulen gegangenen breiten Volksschichten über die mehr begüterten,
vornehmen, herrschenden Kreise. Die Ursachen der Unzufriedenheit werden
gegenwärtig überall besprochen, und jetzt, bevor der Sturm der
Leidenschaften ausbricht, ist der Moment für jeden, sich zu seinen
Grundanschauungen nicht durch Worte, sondern durch sein ganzes Verhalten
zu seinen Mitmenschen zu bekennen. Jetzt ist der Moment, der goldenen
Regel nachzuforschen und nachzuleben, unseren Nächsten wie uns selbst zu
lieben und mit ihm in Frieden leben zu lernen. Wenn die Menschen weise
genug wären, die unmittelbar bevorstehenden unausbleiblichen Folgen der
gegenwärtigen Zeitläufe so recht ins Auge zu fassen, so würden sie das
schon aus Klugheit und Berechnung, wenn nicht gewissenshalber tun. Denn es
ist vernunftgemäß anzunehmen, dass selbst mitten in der wildesten
Verwirrung diejenigen weniger zu leiden haben werden, welche gerecht, großmütig
und gütig gewesen sind, während die schrecklichste Rache diejenigen
treffen wird, welche die Unterdrückung ihrer Mitmenschen praktiziert oder
gutgeheißen haben. So war es wenigstens mitten in den Greueln der französischen
Revolution, und dass es wieder so sein wird, geht aus dem Rate des Wortes
Gottes hervor, nach Gerechtigkeit und Sanftmut zu trachten, auf dass wir
am Tage des Zornes des Herrn geborgen sein mögen (Zeph. 2:3), und (Psalm
34:15-17): „Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm
nach; die Augen des Herrn merken auf die Gerechten, und seine Ohren auf
ihr Schreien. Das Antlitz des Herrn aber steht wider die, so Böses tun,
dass er ihr Gedächtnis ausrotte von der Erde.“ Diese Worte sind eine
Ermahnung zur Klugheit und eine Warnung an alle Welt; den Heiligen aber,
der kleinen Herde, den Überwindern, ist hingegen verheißen, dass sie würdig
befunden werden, allen diesen schweren Prüfungen zu entgehen, die über
die Welt kommen sollen. - Luk. 21:36
Die
Beziehung der heidnischen Nationen zur Christenheit und der großen Trübsal
Der
schreckliche Grimm des Herrn wird zwar in erster Linie die Nationen der
Namenchristenheit treffen, weil diese trotz der ihnen zuteil gewordenen
Erleuchtung und Begünstigung gesündigt haben. Doch lehrt die Schrift
deutlich, dass auch die Heidenvölker ihre Verantwortung tragen und ihre
Strafe erdulden werden. Von Geschlecht zu Geschlecht haben sie
jahrhundertlang am Unrecht Gefallen gefunden. Ihre Stammväter in der
Urzeit vergaßen Gott, weil es ihnen nicht passte und nicht daran gelegen
war, sich seiner gerechten Leitung zu erinnern; sie zogen die Finsternis
dem Lichte vor, und wandelten wissentlich und willentlich auf den törichten
Wegen ihrer eigenen Wahl, und ihre Nachkommen gingen unentwegt dieselbe
abwärts führende Bahn bis auf den heutigen Tag. Der Apostel Paulus sagt
uns in Röm. 1:18-32 deutlich, wie Gott diese Verantwortlichkeit der
Heidenvölker versteht. Dort lesen wir:
„Denn
es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit
und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit
aufhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, denn
Gott hat es ihnen geoffenbart, - denn das Unsichtbare von ihm, sowohl
seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von der Erschaffung
der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut, - damit (da
sie dieses von der Natur stammende Licht, dieses Zeugnis, das die Natur
von der Existenz der Macht und der Güte Gottes ablegt, besitzen) sie ohne
Entschuldigung seien, weil sie, Gott kennend, (wenigstens in gewisser
Hinsicht) ihn weder als Gott verherrlichten, noch ihm Dank darbrachten,
sondern in ihren Überlegungen in Torheit verfielen, und ihr unverständiges
Herz verfinstert wurde (eine natürliche Folge ihres bösen Wandels):
indem sie sich für Weise ausgaben, sind sie zu Narren geworden und haben
die Herrlichkeit des unverweslichen Gottes verwandelt in die Gleichheit
eines Bildes von einem verweslichen Menschen und von Vögeln und von vierfüßigen
und kriechenden Tieren. Darum hat Gott sie auch dahingegeben in den Gelüsten
ihrer Herzen in Unreinigkeit, ihre Leiber untereinander zu schänden;
welche die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem Geschöpf mehr
Verehrung dargebracht haben als dem Schöpfer, welcher gepriesen ist in
Ewigkeit. Amen.“
„Deswegen
hat sie Gott auch dahingegeben in schändlichen Leidenschaften (das heißt
Gott hat sich ihnen nicht widersetzt, noch versucht, sie zurückzuhalten,
sondern hat sie in aller Freiheit ihre bösen Wege wandeln lassen, damit
sie durch die üblen Folgen bestraft und durch Erfahrung klug würden),
denn sowohl ihre Weiber haben den natürlichen Gebrauch in den unnatürlichen
verwandelt, als auch gleicherweise die Männer, den natürlichen Gebrauch
des Weibes verlassend, in ihrer Wollust zueinander entbrannt sind, indem
sie Männer mit Männern Schande getrieben und den gebührenden Lohn ihrer
Verirrung (wie es denn auch sein sollte), an sich selbst empfingen. Und
gleichwie sie es nicht für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat
Gott sie dahingegeben in einem verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht
geziemt, erfüllt mit aller Ungerechtigkeit, Bosheit, Habsucht,
Schlechtigkeit, voll von Neid, Mord, Streit, List, Tücke, Ohrenbläser,
Verleumder, Gottverhasste, Gewalttäter, Hochmütige, Prahler, Erfinder böser
Dinge, Eltern Ungehorsame, Unverständige, Treulose, ohne natürliche
Liebe, Unbarmherzige, die, wiewohl sie Gottes gerechtes Urteil erkennen,
dass, die solches tun, des Todes würdig sind, es nicht allein ausüben,
sondern auch Wohlgefallen haben an denen, die es tun.“
In
diesen Worten zeigt Paulus, dass vor alters die Heidenvölker unterdrückt
haben, was sie zu ihrer Zeit Wahres von Gott und seiner Gerechtigkeit
wissen konnten. Sie zogen eben die Finsternis dem Lichte vor, weil ihre
Taten böse waren, und durch dieses Unrechttun irregeleitet, ersann ihre
Einbildungskraft falsche Religionen, vor welchen sie ihre bösen Wege
rechtfertigen konnten. Diese Religionen pflanzten sich fort von Geschlecht
zu Geschlecht und mit ihnen der böse Wandel, den jede Generation von der
vorhergehenden mit übernahm und guthieß. Indem sie aber in der Weise in
die Fußstapfen ihrer Väter traten, luden die Heidenvölker die ganze
Schuldenlast der Vergangenheit auf sich und werden demnach auch die Strafe
dafür zu tragen haben, ganz entsprechend den gegenwärtigen Nationen der
Namenchristenheit, welche die Schuld der vorangegangenen Generationen
ebenfalls übernommen haben.
Zu
keinen Zeiten war den Heidenvölkern die Möglichkeit genommen, das Licht
vorzuziehen. Vor Christi Geburt wussten viele von dem wunderbaren Gott
Israels infolge ihres Verkehrs mit diesem Volk, und seit Christi Geburt
haben sie nie ganz vergessen, dass durch Jesum Christum ein großes Licht
in die Welt gekommen ist, indem zu allen Zeiten des Evangeliums-Zeitalters
die Heiligen Gottes die gute Botschaft unter ihnen verkündigt haben. Aber
nur hier und da haben einige wenige die Wahrheit beachtet, die Nationen
aber als solche haben sie verschmäht und sind in Finsternis weiter
gewandelt. Deshalb ist der Herr zornig über alle Nationen. (Jes. 34:2)
Die Heidenvölker sind jetzt, abgeschnitten vom Evangelium und den
Vorteilen, die es bietet, unwürdig befunden, eine herrschende Rolle zu
spielen; die Nationen der Namenchristenheit aber sind dessen unwürdig
befunden, weil sie, obwohl sie im Besitz des Lichtes und der damit
verbundenen Vorteile waren, desselben unwürdig wandelten.
So
ist es recht vor dem Gott der Wahrheit und Gerechtigkeit. Jedermanns Mund
ist gestopft, und die ganze Welt steht schuldbeladen vor Gott. Unter allen
Nationen gibt es keine, die verständig wäre und nach Gott fragt. Sie
sind alle vom Wege abgewichen und allesamt untüchtig. Da ist keiner, der
Gutes tue, auch nicht einer. - Psalm 14:2, 3
Die
Gerechtigkeit Gottes zeigt sich somit auch in der Bestrafung aller
Nationen. Auch in der Zuerkennung größerer oder geringerer
Verantwortlichkeit wird sie hervortreten. Die Heidenvölker werden
empfangen, was ihre Taten wert sind; die Nationen der Namenchristenheit
aber werden sich außerdem dafür zu verantworten haben, da sie, wie einst
die Juden im Vergleich zu den Gojim, da jenen anvertraut war, was Gott
geredet hat (Röm. 3:2), in jeder Beziehung bevorzugt gewesen sind und vor
den Juden noch das voraus gehabt haben, dass ihnen nebst dem Gesetz auch
das Evangelium zuteil geworden war. Das darf nicht vergessen werden. Dazu
kommt noch, was leider heute auch von der Namenchristenheit gilt, wie in Röm.
2:24 unter Bezugnahme auf Jes. 52:5 und Hes. 36:20 von den Juden gesagt
ist, dass der Name Gottes ihrethalben gelästert wird unter den Heiden.
Man denke nur daran, dass ja „christliche“ Nationen um schnöden
Gewinnes willen den Heidenvölkern den Handel mit Opium und berauschenden
Getränken aufgezwungen haben. Ein bedeutender Zeuge, der es selbst
gesehen hat, schrieb vor einiger Zeit in der New Yorker „Stimme“:
„Nach
meinen Wahrnehmungen am Kongo und an der Westküste von Afrika, sowie nach
den Versicherungen vieler Missionare und anderer glaubwürdiger Zeugen,
richtet der Trunk unter den dortigen Eingeborenen mehr Schaden an, als es
früher der Sklavenhandel tat. Er rafft die Leute hinweg und entvölkert
ganze Dorfschaften; Tausende erliegen dem Laster, das ganze Völkerschaften
an Leib und Seele entnervt und zugrunde richtet und schon dem Neugeborenen
den Stempel der Entnervung aufdrückt. Jeder Arbeiter erhält täglich
eine große Quantität Rum zum Mittagsmahl und muss jeden Samstag Abend
zwei Flaschen Gin als Zahlung für seine Arbeit annehmen; viele Fabriken
zwingen ihre Arbeiter, wenn der auf 1 bis 3 Jahre abgeschlossene
Anstellungsvertrag abläuft, ein Fässchen Rum oder Gin mit nach Hause zu
nehmen. Eingeborene Kaufleute werden gezwungen, bei Ablieferung ihrer
einheimischen Produkte Fässchen gebrannten Wassers an Zahlungs Statt
anzunehmen, selbst wenn sie sich dagegen verwahren und schließlich sogar
den Inhalt in den Strom laufen lassen. Da heißt es einfach: Der Schwarze
muss Rum nehmen; wir können beim Verkauf von Salz und Kleidern nicht Geld
genug machen, um das Mutterhaus zufrieden zu stellen. Die Städte erfüllt
infolge der Trunksucht jeden Sonntag ein schrecklicher Hexensabbat. Es
gibt Dörfer, wo alles, Männer, Weiber und Kinder, blödsinnig geworden
ist, und jeder Gottesdienst aufgehört hat. Traurig sagen die Häuptlinge
zu den Missionaren: Warum seid ihr Gottesmänner nicht vor der Trunksucht
gekommen? Nun sind diese unsere Völker dumm gemacht worden und ihr Herz
ist verstockt; sie verstehen nichts, und das Gute ist ihnen gleichgültig.“
Es
wird sogar behauptet, dass schon Heiden einem Christen die Bibel
vorgehalten und dazu gesagt haben: „Dein Verhalten stimmt nicht mit der
Lehre deines heiligen Buches.“ Ein Bramahne soll einmal einem Missionar
geschrieben haben: „Wir haben euch durchschaut. Ihr seid nicht so gut
wie euer Buch. Wenn eure Volksgenossen nur so gut wären wie euer Buch, würdet
ihr ganz Indien in fünf Jahren gewonnen haben.“ - Hes. 22:4
Ebenso
sicher wie die Leute von Ninive und die Königin von Scheba auftreten
werden im Gericht über die Generation des Volkes Israel, zu der der Herr
sprach (Matth. 12:41,42), werden auch Israel und jede frühere Generation
und die Heidenvölker auftreten im Gericht, das über die gegenwärtige
Generation der Namenchristenheit ergehen wird. Jedem, dem viel gegeben ist,
von dem wird man viel fordern. (Luk. 12:48) Gleichwohl werden die Heidenvölker
durch den Untergang der Namenchristenheit (Babylon) in Mitleidenschaft
gezogen werden. Dank dem Worte Gottes haben die sogenannten christlichen
Nationen auf allen Gebieten große Fortschritte gemacht. Die Zivilisation
hat ihnen Reichtum, Annehmlichkeiten, Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten,
Schulbildung, freiheitliche Regierung gebracht, Wissenschaft, Kunst und
Handwerk, Handel und Industrie empor blühen lassen; Vorteile, welche den
heidnischen Nationen, die nicht so mit dem zivilisierenden Einfluss des
Wortes Gottes begünstigt wurden, vorenthalten geblieben sind. Ja, gewisse
Völker sind eigentlich verkommen, so dass sie heute nur noch die Trümmer
ihrer einstigen Blüte aufweisen. Das gilt zum Beispiel von Griechenland,
das einst der Brennpunkt der gebildeten Welt war, und von Ägypten, das
einst das erste Volk der Erde bildete. Infolge dieses Verkommens
heidnischer Völker und Aufblühens der christlichen Nationen sind erstere
für manches die Schuldner der letzteren geworden, so für die Wohltaten
des Handels, des Weltverkehrs, der Erweiterung des Gedankenkreises usw.
Zudem hat der Fortschritt der letzten Jahre alle Völker der Erde durch
verschiedene gemeinsame Interessen aneinander gekettet, Interessen, die
nicht bei einer oder mehreren Nationen verletzt werden können, ohne dass
bald alle davon betroffen werden. Daher wird, wenn Babylon, die
Namenchristenheit, plötzlich untergeht, der Rückschlag alle mehr oder
weniger von ihr abhängigen Völker sehr schwer treffen, was in der
Bildersprache der Offenbarung (18:9-19) als das „Beweinen und Beklagen
der großen Stadt“ bezeichnet wird. Die tosenden Wogen politischer und
sozialer Erschütterungen werden auch diese Völker erreichen, umringen
und verschlingen, auf dass die ganze Erde mit dem Besen der Zerstörung
gesäubert und der Hochmut der Menschheit gedemütigt werde, denn es steht
geschrieben: „Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der
Herr.“ (Röm. 12:19; 5. Mose 23:35) Diese Vergeltung an Heiden- und
Christenvölkern wird eine durchaus gerechte in jeder Hinsicht sein.