Studies in the Scriptures

Tabernacle Shadows

 The PhotoDrama of Creation

 

 

SCHRIFTSTUDIEN 

BAND 4 - DER KRIEG VON HARMAGEDON

 

 Studie 4

Babylon angeklagt vor dem höchsten Gerichtshof.

Bürgerliche, soziale und kirchliche Mächte Babylons, der Christenheit, jetzt „auf der Wage gewogen“.Die Anklage gegen die bürgerlichen Mächte; gegen das jetzige soziale System; gegen die kirchlichen Mächte.Schon jetzt inmitten ihrer Feste erscheint die ihr Gericht kündende Handschrift, leicht zu lesen, obwohl die Prüfung nicht zu Ende ist.

„Der Mächtige, Gott, Jehova, hat geredet und die Erde gerufen vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang ... Er ruft dem Himmel droben (den hohen oder regierenden Mächten), und der Erde (den Massen des Volkes), um sein (ihn bekennendes) Volk (die Christenheit) zu richten.“

„Höre, mein Volk, und ich will reden, Israel (das nominelle, geistliche Israel - Babylon, die Christenheit), und ich will wider dich zeugen ... Zu den Gesetzlosen aber spricht Gott: Was hast du meine Satzungen herzusagen und meinen Bund in deinen Mund zu nehmen? Du hast ja die Zucht gehasst und hinter dich geworfen meine Worte. Wenn du einen Dieb sahest, so gingst du gern mit ihm um, und dein Teil war mit Ehebrechern. Deinen Mund ließest du los zu Bösem, und Trug flocht deine Zunge. Du saßest da, redetest wider deinen Bruder (die wahren Heiligen, die Weizenklasse), wider den Sohn deiner Mutter stießest du Schmähung aus. Solches hast du getan, und ich schwieg; du dachtest, ich sei ganz wie du. Ich werde dich strafen und es dir vor Augen stellen!“

„Merket doch dieses, die ihr Gott vergesset, damit ich nicht zerreiße und kein Erretter da sei!“ - Psalm 50:1, 4, 7, 16-22

Infolge der Zunahme von Kenntnissen auf allen Gebieten, für welche die göttliche Vorsehung im gegenwärtigen „Tag der Vorbereitung“ auf Christi Tausendjähriges Reich gesorgt hat, werden heute die bürgerlichen und kirchlichen Gewalten der Namenchristenheit angesichts der ganzen Welt auf der Wage der Gerechtigkeit gewogen. Der Augenblick der Gerichtsverhandlung ist gekommen, der Richter sitzt auf seinem Stuhl, die Zeugen, die ganze Menschheit, sind zugegen, und die angeklagten „Gewalten“ bekommen nun die Anklageakten zu hören und haben sich zu verantworten. Ihr Fall wird in aller Öffentlichkeit verhandelt, und alle Welt sieht und hört mit fieberhaft gespanntem Interesse zu. Der Zweck dieser Gerichtsverhandlung ist freilich nicht, den großen Richter von der Schuld der Gewalten zu überzeugen; denn deren Strafe ist durch die Propheten verbürgt und vorausgesagt, und schon kann man an der Wand ihrer Festsäle die schrecklichen Worte: Mene, mene, tekel, upharsin lesen. Die Verhandlung, in welcher Recht und Unrecht, Lehrsysteme, Autorität usw. besprochen werden, bezweckt vielmehr, allen Menschen den wahren Charakter Babylons klar zu machen, damit die Menschen, nachdem sie lange in ihrem Wahn sich auf eingebildete Rechte gestützt haben, jetzt, beim Sturze Babylons, eine Gelegenheit erhalten, die Gerechtigkeit Gottes zu erkennen. Bei dieser Verhandlung wird der Anspruch, den die Namenkirche auf größere Heiligkeit, göttliche Autorität und den Beruf, über die Welt zu herrschen, erhebt, nicht minder in Frage gezogen als ihre ungeheuerlichen und widerspruchsvollen Lehren. Sichtlich beschämt und verwirrt angesichts einer solchen Menge von Zeugen, bemühen sich die bürgerlichen und kirchlichen Gewalten, vertreten durch die Regenten und Geistlichen, Rechenschaft von ihrem Tun abzulegen. Die Annalen der Geschichte weisen keine Zeit auf, in welcher die Dinge so gestanden hätten. Nie zuvor waren Geistliche, Staatsmänner und überhaupt bürgerliche Regenten der öffentlichen Besprechung, einem wahren Kreuzverhör, dem Tadel ihrer Mitmenschen ausgesetzt wie heute. Das ist die Herzensprüfung, der sie Gott nun zu ihrer Verwirrung unterwirft. Trotz ihrer Entschlossenheit und Bemühung, sich der Prüfung und dem Kreuzverhör durch den Geist unserer Zeit zu entziehen, müssen sie es über sich ergehen lassen, und die Verhandlung dauert fort.

Die Massen fordern heutzutage ganz energisch die bürgerlichen wie die kirchlichen Gewalten in der Namenchristenheit auf, ihren Anspruch auf göttliche Berufung zum Regieren zu beweisen. Dabei übersehen sie aber nicht minder als die Regenten selbst, dass Gott solche Regenten, wie sie die Menschheit im allgemeinen wählen oder erdulden mag, seien sie gut oder schlecht, eine Zeitlang, das heißt bis die Zeiten der Nationen um sind, zugelassen hat (Band 3, Studie 3), dass Gott während dieser Zeit der Welt in weitherzigster Weise gestattete, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen und in ihrer Selbstregierung ihre eigenen Wege zu gehen. Der Zweck dieser der Menschheit gewährten Freiheit war, dass alle Menschen erfahren sollten, dass sie in ihrem gefallenen Zustand nicht fähig sind, sich selbst zu regieren, und dass es nicht gut ist, zu versuchen, von Gott oder voneinander unabhängig zu sein. (Röm. 13:1) Die Regenten und die regierenden Klassen sehen dies zwar nicht. Sie haben die Gelegenheit wahrgenommen, sich an die Spitze zu stellen, und haben dabei die weniger günstige Lage der Mehrzahl ihrer Mitmenschen als Steigbügel benutzt. Diese haben die Macht ihrer Führer, wissentlich oder unwissentlich, lange Zeit zugelassen und gestützt. Die Führer aber missbrauchten dieses Zutrauen dazu, dass sie die ungebildeten Massen mit der Theorie von göttlicher Berufung bürgerlicher und kirchlicher Gewalthaber, vom Gottesgnadentum der Kön., betrogen, und um diese Theorie, die ihren Absichten so trefflich diente, dauerhaft zu machen, haben sie jahrhundertlang Unwissenheit und Aberglauben unter den breiten Massen gehegt und gepflegt. Erst in neuerer Zeit sind Schulbildung und Kenntnisse Gemeingut geworden, allein Kön. und Kirchenfürsten haben daran kein Verdienst; die Vorsehung selbst hat durch zwingende Umstände dazu geführt. Durch die Erfindung der Buchdruckerpresse und Dampfkraft entstanden diese zwingenden Umstände. Vorher war die Mehrzahl der Menschen gar nicht imstande, voneinander zu lernen, miteinander zu verkehren; sie lernten nicht mehr, als sie aus eigener Erfahrung lernten, und konnten dies auch nicht eher, bis Gott eine Zeit größerer Erkenntnis kommen ließ. Diese Mittel haben eine mächtige Zunahme des gesellschaftlichen, des Reise- und Geschäftsverkehrs herbeigeführt, so dass alle, ohne Rücksicht auf ihren Stand oder Wohnort, aus den Erfahrungen der anderen auf der ganzen Welt Vorteil ziehen können.

Jetzt bildet den größten Teil der Menschheit das lesende, reisende und denkende Publikum, und nun ist es auch das unzufriedene und lärmende Publikum geworden, das keinen Respekt mehr hat vor Königen und Gewaltigen, welche sich über Aufrechterhaltung der alten Ordnung untereinander verständigt haben, unter der es jetzt so unausgesetzt zu leiden hat. In Russland merkt man wohl, dass der Zug nach allgemeiner Aufklärung der großen Masse die herrschenden Gewalten bedroht und ihrem Bestand gefährlich ist. Darum hat sich auch der Minister des Inneren vorgenommen, zur Bekämpfung des Nihilismus der höheren Bildung aller derer vorzubeugen, die den ärmeren Klassen angehören, indem er 1887 verfügte, dass Gymnasien und Hochschulen den Kindern von Dienstboten, Bauern, Krämern, Pächtern und dergl. verschlossen bleiben sollten, weil es nicht gut sei, dass diese Kinder aus den Verhältnissen, denen sie angehören, herausgerissen und, wie die Erfahrung lehrt, mit ihrem Lose unzufrieden gemacht und mit Zorn gegen die unvermeidlichen Ungleichheiten in den gesellschaft­lichen Stellungen erfüllt würden.

Aber in unseren Tagen können solche Maßregeln keinen dauernden Erfolg mehr haben, selbst in Russland nicht. Das war die Politik des Papsttums in den Tagen seiner Macht. Aber was jene hinterlistige Gewalt jetzt zu verwirklichen sucht, wird ihr nicht gelingen, und sie wird selbst den Schaden von ihren Versuchen haben. Licht ist in den Köpfen der Menge aufgedämmert, so dass sie sich mit der Finsternis nicht mehr zufrieden gibt. Die Zunahme und Verbreitung der Kenntnisse führte zur Forderung der republikanischen Staatsform, und die noch bestehenden Monarchien haben derselben auf Verlangen der Völker viele Zugeständnisse machen müssen. Im heraufdämmernden Lichte des neuen Tages haben die Menschen erkennen gelernt, dass unter dem Schutze unbegründeter Ansprüche, gegen die die Völker sich früher, im Zustand der Unwissenheit, nicht erhoben, die herrschenden Klassen die natürlichen Rechte und Vorzüge aller übrigen Menschen zu selbstsüchtigen Zwecken verkauft haben. Die Ansprüche der herrschenden Klassen nun einer Untersuchung unterwerfend und ihre Berechtigung abwägend, haben sie, ungeachtet ihrer kläglichen Entschuldigungsversuche, bald ihre eigenen Schlüsse daraus gezogen. Aber da ihre Beweggründe um kein Haar besser, der Wahrheit und Gerechtigkeit näher sind als die der herrschenden Klassen, so ist das Gericht, das sie herbeiführen, eben soweit von Recht und Gerechtigkeit entfernt, als der Zustand, über den das Gericht ergeht. Denn ihre Tendenz geht dahin, jede gesetzliche Ordnung zu verschmähen, statt kühl und leidenschaftslos die Forderungen der Gerechtigkeit auf allen Gebieten im Lichte des Wortes Gottes in Erwägung zu ziehen.

Immerhin hat die Betrachtung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Ordnung, vertreten durch bürgerliche und kirchliche Machthaber -das Abwägen Babylons, der Namenchristenheit - im Licht der öffentlichen Meinung, die Grundlosigkeit und Verwerflichkeit ihrer vielfach ungeheuerlichen Ansprüche und die schweren Anklagen, die sich gegen sie erheben, erkennen lassen. Die Selbstsucht und das Nichtübereinstimmen mit der goldenen Regel Christi, auf dessen Namen und Autorität sie sich berufen, haben die Wagschale schon so hoch steigen lassen, dass die Welt kaum mehr aufgelegt ist, auf weitere Beweise des wahrhaft widerchristlichen Charakters der Namenchristenheit zu warten. Dennoch aber muntern deren Repräsentanten die Welt auf, dass sie den Glanz ihrer Reiche, die Triumphe ihrer Waffen, die Pracht ihrer Städte und öffentlichen Gebäude, den hohen Wert und die Festigkeit ihrer Institutionen, der bürgerlichen wie der kirchlichen, bewundern soll. Sie bemühen sich, den Geist vergangener Zeit, den Geist des blinden Patriotismus und Aberglaubens, neu zu erwecken, der sich früher unterwürfig und betend vor denen beugte, die gerade in Amt und Würden standen, der die Leute fröhlich: „Es lebe der König!“ rufen und respektvoll zu jenen Personen empor sehen ließ, welche als Statthalter Gottes gelten wollten. Doch umsonst! Jene Zeit ist vorbei. Die Überreste der früheren Unwissenheit, des früheren Aberglaubens sind verschwunden, und mit ihnen auch die Gefühle von blindem Patriotismus und blind religiöser Verehrung, und an deren Stelle sind Unabhängigkeitsdrang, Argwohn und Misstrauen getreten, welche binnen kurzem zu einem die Welt umfassenden Konflikt, zur Anarchie zu führen versprechen. Zornig und drohend sprechen in den verschiedenen Staatsschiffen die Völker zu ihren Kapitänen und Steuerleuten, und bisweilen meutern sie geradezu. Sie behaupten, dass die Politik der gegenwärtigen Machthaber darauf hinausläuft, die Völker auf die Sklavenmärkte der Zukunft zu bringen, der Völker sämtliche natürliche Rechte zu verkaufen und die Völker in die Leibeigenschaft zurückzuzwingen, in der ihre Väter standen. Und viele verlangen immer lauter und lauter die Absetzung der Kapitäne und Steuerleute und wollen, dass man den Schiffen ihren Lauf lasse, bis sie unter sich ausgemacht haben, wer an die Stelle der Abgesetzten zu treten habe. Diesem wilden und gefährlichen Treiben gegenüber klammern sich Kapitäne und Steuerleute, die Kön. und anderen Staatsoberhäupter an ihre machtvolle Stellung und rufen den Völkern zu: „Hände weg, ihr werdet das Schiff auf Klippen auffahren lassen!“ Dann kommen die Vertreter der Religion und raten dem Volk zur Unterwürfigkeit; sie berufen sich dabei auf ihre angeblich von Gott verliehene Autorität, um ihrem Rat mehr Gewicht zu verleihen, und unterstützen so die bürgerliche Gewalt in ihrem Bestreben, die Völker niederzuhalten. Doch werden sie dabei gewahr, dass es auch mit ihrer Macht aus ist, und sie sehen sich daher im Geiste nach neuen Stützen um. So reden sie untereinander von Zusammenschluss und Zusammenwirken und suchen die Unterstützung der Staatsgewalt, ihr als Gegendienst die Unterstützung der bürgerlichen Ordnung durch ihren (schwindenden!) Einfluss zusichernd. Doch während der Sturm sich ankündigt, und die Massen, die Gefahr nicht bemerkend, zu murren fortfahren, entfällt denen, die auf den Masten und Rahen stehen und die drohenden Anzeichen sehen, das Herz. Die kirchlichen Gewalten aber fühlen, dass sie nun bald zur Rechenschaft gezogen werden. So sind sie denn bestrebt, sich im günstigsten Lichte darzustellen und dadurch, wenn möglich, die revolutionäre, ihnen feindliche Strömung im Publikum einzudämmen. Wenn sie aber als Milderungsgrund die guten Wirkungen ihres Einflusses in vergangenen Zeiten geltend machen wollen, so machen sie ihre eigene Verwirrung und Verlegenheit nur deutlicher und lenken die Aufmerksamkeit auf den wahren Stand der Dinge. Solche Selbstrechtfertigungen erscheinen fortwährend in weltlichen und religiösen Blättern. Im schneidenden Gegensatz dazu steht dann die schonungslose Kritik, welche die Welt in weitestem Maße an den bürgerlichen und kirchlichen Gewalten in der Namenchristenheit übt. Hievon nur einige Beispiele.

Die New Yorker „Abendpost“ schreibt:

Unter den befremdlichen Glaubensartikeln ist sicher der befremdlichste der, dass Gott, der Allmächtige, mit großer Sorgfalt einige sehr gewöhnliche Glieder der Menschheit, oft gar kranke, dumme oder lasterhafte, auserwählt und ihnen das Regiment großer Völker unter seinem speziellen Schutz anvertraut habe, als wären sie seine Stellvertreter auf Erden. Es besteht kein Thron in Europa, auf dem nicht die Sünden des Vaters am Sohne heimgesucht würden, und eine Generation oder zwei weiter wird es wohl weder Bourbonen noch Habsburger, noch Romanow, noch Welfen mehr geben, die die Welt ärgern und doch regieren. Blaues Blut von der Sorte kann 1900 auf keine Auszeichnung rechnen. Es schafft sich selbst für alle Berechnungen der Zukunft beiseite.“

Ein anderer in der Tagespresse tätiger Publizist hat einmal eine Kostenberechnung für das englische Königshaus aufgestellt und fand einen Gesamtaufwand von 29.583.974 Pfd. Sterling oder rund 590.000.000 Mark, für den die britische Nation von 1837-1888 aufzukommen hatte. Dazu bemerkt er:

Ist die Pfeife nicht zu teuer bezahlt? Es kommt einer Prämie für den Stillstand gleich, denn es bedeutet, dass die Steuerkraft des Volkes in Anspruch genommen wird, um einer Anzahl von Personen ein müßiges Dasein zu ermöglichen, welche dem Lande mehr nützen würden, wenn sie redlich ihren Lebensunterhalt verdienten.“

Die Krönungsfeier für den gegenwärtigen Zaren Nikolaus II. war wiederum eine Illustration zu den Extravaganzen, welche die Monarchen für notwendig halten, um den Volksmassen die Idee beizubringen, dass die Regenten so hoch über ihnen stehen, dass ihnen Verehrung als höheren Wesen gebührt und unterwürfigster Gehorsam geschuldet werden müsse. Jene große Schaustellung kaiserlicher Macht soll 100 Millionen Mark gekostet haben. Der Gegensatz, in dem dieser Luxus zu der verzweifelten Lage der Millionen von Bauern steht, über deren Elend die ganze Welt im Hungerjahre 1893 auf dem Laufenden gehalten worden ist, hat dem Londoner „Spectator“ folgendes in die Feder diktiert:

„Es ist schwer, die Schlussrechnung über die Krönungsfeier in Moskau, welche sich liest, als wäre sie wert, in goldenen Lettern auf purpurne Seide gedruckt zu werden, zu studieren, ohne dass einem das Gefühl des Ekels aufsteigt, besonders wenn man gleichzeitig die Berichte über die Armenier-Massaker liest, welche die Russen, obwohl sie es vermocht hätten, nicht verhindert haben. Wir können uns, mit einiger Anstrengung unserer Phantasie, die wundervollen Szenen in Moskau vorstellen, die Kunstwerke asiatischer Architektur, die blitzenden Kuppeln, auf den Straßen die prunkvollen europäischen und die noch prunkvolleren asiatischen Uniformen, weiße Fürsten in rot, gelbe Fürsten in blau, braune Fürsten in Gold, die Gewalthaber aus dem fernen Osten, den chinesischen Bismarck und den braunen japanischen General, der jenen gedemütigt, Schulter an Schulter mit Angehörigen aller Fürstenhäuser Europas, Vertreter aller Kirchen, die Mormonen ausgenommen, aller Völker, die dem Zaren untertan sind - es sind deren, glaube ich, achtzig - aller Armeen des Westens; dazu ungezählte Regimenter in den verschiedensten Uniformen und Millionen einfacher Leute, die nur halb Europäer und halb Asiaten, aber von Begeisterung und Ergebung ihrem irdischen Herrn gegenüber erfüllt sind. Wir können uns das Brausen der endlosen Volksmassen vorstellen, die Chorgesänge der Mönchsscharen, die Artilleriesalven, die von Ort zu Ort sich wiederholend im ganzen Norden unserer Hemisphäre, von Riga bis Wladiwostok, es jedermann im gleichen Augenblick verkünden, dass der Zar sich die Krone aufsetzt. Der Engländer liest das alles wie etwa ein Gedicht von Moore und findet es gleichzeitig großartig und krankhaft. Ist das nicht zu großartig für wahre Größe? Gehört das nicht eher auf die Bühne als ins wirkliche Leben? Ist es denn recht, in einem Reiche wie Russland, wo die Unglücklichen nach Millionen zählen, solche riesigen Ausgaben zu machen, nur um den Glanz der Purpurs heller strahlen zu lassen? Fünf Millionen Pfund für ein Fest! Gibt es eine annehmbare Rechtfertigung für eine derartige Verschwendung? Ist das nicht die Vergeudung eines Belsazar, eine Schaustellung wahnsinnigen Hochmuts, ein Hinauswerfen von Schätzen, wie es etwa bei orientalischen Fürsten üblich ist, wenn sie ihrem blasierten Herzen einmal das Gefühl des Ruhmes gönnen wollen? Nichts könnte einen Engländer bestimmen, eine solche Summe für einen derartigen Zweck zu bewilligen, und doch könnte sich England eine solche Ausgabe zehnmal besser leisten als Russland.“

Die Tatsache, dass die Regenten in den sogenannten christlichen Reichen aller wahrhaft christlichen Gefühle und sogar des rein menschlichen Erbarmens bar sind, wird durch ihr Verhalten in der armenischen Frage in vollem Umfange bestätigt. Sie, die Geld mit vollen Händen hinauswerfen zum Unterhalt des Königtums, seines eitlen Glanzes und Scheines, die über Millionen von Soldaten zu Land und zu Wasser und eine staunenserregende Ausrüstung zum Krieg verfügen, haben kein Ohr für die verzweifelten Hilferufe der armen armenischen Christen, welche von den Türken zu Zehntausenden gemartert und hingemordet werden. Die prächtigen Armeen sind also nicht für das Wohl der Menschheit bestimmt, sondern für die selbstsüchtigen Zwecke der politischen und finanziellen Machthaber in der Welt, zur Wegnahme von Ländern, zum Schutze der Interessen der Staatsgläubiger. Mit diesen Armeen wollen sich die Machthaber gleichsam bei der Gurgel packen können, wenn sich Gelegenheit bietet, ihr Gebiet zu erweitern oder Reichtümer an sich zu reißen.

In schneidendem Gegensatz zu der Verschwendung in allen monarchisch regierten Ländern zugunsten der Hofhaltung steht die ungeheuere Verschuldung der europäischen Staaten:

Geldmangel“, sagt der „London-Telegraph“, „heißt die dunkle Gewitterwolke, welche alle europäischen Staaten bedroht. Die Zeiten sind überhaupt schlecht für die Mächte, am allerschlechtesten aber für die kleinen Staaten. Gründliche Berichte über die Finanzlage zeigen, dass die Mehrzahl der Finanzministerien Mühe haben, die Einnahmen mit den Ausgaben in Einklang zu bringen, eine Erscheinung, die noch nie so allgemein war, jetzt aber auf der ganzen Welt beobachtet wird. Sehen wir über unseren Kontinent hinaus, so bemerken wir, dass die Vereinigten Staaten, Indien, Japan und andere an derselben Misere leiden. Die große Republik der Vereinigten Staaten ist fast zu ausgedehnt und zu reich, um an einer Finanzklemme zugrunde zu gehen; gleichwohl ist sie sehr krank. Auch Großbritannien sieht sich demnächst vor ein Budgetdefizit gestellt, und der wahnsinnige Kohlenstreik hat ihm schweren vielleicht nicht wieder gut zu machenden Schaden zugefügt. Auch Frankreich kann man sich, so wenig als Großbritannien oder die Vereinigten Staaten von Nordamerika, nicht gut zahlungsunfähig denken, weil sein Boden so fruchtbar, seine Bevölkerung so arbeitsam ist; gleichwohl hat seine Staatsschuld eine schreckliche Höhe erreicht - dazu lasten die Ausgaben für Armee und Marine schwer auf dem Gewerbefleiß des Volkes. Deutschland gehört ebenfalls in die Kategorie der Staaten, welche zu fest und stark dastehen, um in mehr als vorübergehende Verlegenheit zu geraten; gleichwohl hat man im vergangenen Jahre einen Verlust von 500 Millionen Mark nachgerechnet, was der Hälfte des Staatsvermögens gleichkommt. Ein großer Teil dieser Verluste ist auf Anlagen in Portugal, Griechenland, den südamerikanischen Republiken, Mexiko, Italien und Serbien erlitten worden. Gleichzeitig hatte Deutschland durch die Schwankungen auf dem Silbermarkt schwer zu leiden. Und dabei wälzt der bewaffnete Friede dem Volk erdrückende Lasten auf die Schultern! Am meisten Sicherheit unter den naturgemäß zahlungsfähigen Staaten weist immer noch Österreich-Ungarn auf.

„Nun kommen die von Insolvenz bedrohten Staaten. Da ist zunächst Italien, das sich an seiner Großmachtstellung beinahe verblutet. Jahr um Jahr gehen seine Einkünfte zurück und nehmen seine Ausgaben zu. Vor 6 Jahren war sein Außenhandel noch 2080 Millionen Mark wert, jetzt ist er auf 1680 Millionen herabgegangen. Zur Verzinsung seiner Staatsschuld bedarf es nicht weniger als 600 Millionen, wobei das Goldagio nicht einmal berechnet ist. Seine Obligationen sind unverkäufliche Ware; seine maßlose Banknotenemission hat das Hartgeldagio auf eine unglaubliche Höhe getrieben. Seine Bevölkerung befindet sich in so großer Armut, so schrecklicher Mittellosigkeit, dass man hier (in England) davon keinen Begriff hat, und wenn eine neue Regierung neue Steuern einführt, so antwortet das Volk mit Aufläufen, die blutig niedergeworfen werden müssen.

„Das Finanzwesen Russlands ist in so undurchdringliches Dunkel gehüllt, dass man nichts Sicheres darüber wissen kann; aber es ist kaum zu bezweifeln, dass einzig die Größe des Zarenreiches es vor dem Bankbruch bewahrt. Aus der Industrie ist auch der letzte Tropfen Lebenssaft herausgepresst worden. Selbst der rücksichts- und erbarmungsloseste Finanzminister wagt es kaum, die Steuerschraube weiter anzuziehen, eine maßvolle und gewissenhafte Autorität schildert die Zustände Russlands wie folgt: „Jede Kopeke, die der Bauer zu verdienen sich abmüht, muss zur Zahlung von Steuerrückständen und kann nicht zum Unterhalt des eigenen Besitzes verwendet werden. Was der Bauer als Steuer zahlt, entspricht zwei Dritteln bis drei Vierteln des Bruttoertrages des Bodens, wobei noch derjenige mitberechnet ist, den er als Tagelöhner auf fremdem Boden fördert.“ Der Kredit der Regierung wird durch künstliche Mittel aufrecht erhalten. Leute, die die Zustände aus der nächsten Nähe beobachten können, erwarten nicht nur einen sozialen, sondern auch einen finanziellen Krach. Auch die Last des bewaffneten Friedens liegt lähmend auf Handel und Gewerbe.

„Portugal können wir bei dieser Umschau auf der Seite lassen, denn wenn auch das einst berühmte Königreich heute bankbrüchig ist, so ist doch seine missliche Lage nicht die Folge von Sucht nach Kriegsruhm oder von unbedachten Ausgaben. An Griechenland hingegen, das zwar mit seinen zwei Millionen Einwohnern unter den Mächten kaum zählt, haben wir ein frappantes Beispiel dafür, wie schnell unvernünftiger Aufwand und hochfliegende Pläne den Ruin eines Volkes herbeiführen. Die „große Idee“ war der Leitstern des kleinen Landes und hat es schließlich genötigt, sich seiner Schuld auf die unehrenhafteste Weise zu entledigen, wobei der Protest Europas nur von beschränkter Wirkung war. Die für Heer und Flotte verwendeten Summen hätten ebenso gut ins Meer geworfen werden können. Die Politik hat sich in Griechenland zu einer Seuche ausgewachsen, von der selbst seine besten und tüchtigsten Elemente ergriffen wurden. Ein gewöhnliches Volk, das sich für die Arbeit zu gebildet vorkommt, mehr Studenten als Bauarbeiter, öffentliche und Privatschulden, an deren Zahlung niemand denkt, Heer und Flotte in einem wahrhaft beschämenden Zustand, trotzdem sie ungezählte Tausende kostete, Unehrenhaftigkeit der Grundzug aller Politik, geheime Absichten, die entweder neue Anleihen oder eine unlautere und gefährliche Geschäftsverbindung mit Russland nötig machen werden - das sind die Charakterzüge des modernen Griechenland.

„Dieser Rundgang durch die Kontinente hat als Resultat unleugbar ergeben, dass die Aussichten für die Wohlfahrt der Völker und die Bilanz der Staatsrechnungen sehr trübe sind. Freilich ist eine der hauptsächlichsten und sichtlichsten Ursachen dafür der bewaffnete Friede, der wie ein Alp auf Europa lastet und den ganzen Kontinent in ein ständiges Feldlager verwandelt hat. Man sehe sich nur das ernste und verständige Deutsche Reich an! Das Kriegsbudget, das 1880 noch 350 Millionen Mark war, ist 1893 auf 570 Millionen gestiegen, und unter dem neuen Reichswehrgesetz sind jährlich weitere 60 Millionen dazugekommen. Und Frankreich hat nichts Eiligeres zu tun, als es seinem mächtigen Rivalen gleichzumachen und war dadurch zu den krampfhaftesten Anstrengungen genötigt.

„Man braucht nicht erst zu betonen, welch wichtigen Anteil diese Rüstungen an der gegenwärtigen verzweifelten Lage der Völker Europas haben. Nicht nur entziehen dieselben dem Erwerb der Nationen die kolossalen Summen, von welchen Munition gekauft und Festungen gebaut werden, sondern sie entziehen auch der Industrie Millionen junger Arbeiter in den besten Jahren, die während der Zeit ihres Dienstes für die Familie und die Verstärkung der Bevölkerung verloren sind. Die Welt hat noch kein besseres Verkaufslokal für Schuldscheine von Volk zu Volk erfunden als den schrecklichen und kostspieligen Janustempel.“

Alles in allem beläuft sich der Aufwand, den Europa mit seinen Armeen und Flotten, seinen Garnisonen treibt, wenn man den Entzug von Produktivkräften, den die Industrie erleidet, mitrechnet, auf jährlich sechs Milliarden Mark - für verschuldete und von finanziellen Schwierigkeiten bedrohte Staaten eine schwere Last. Dazu sind noch die 2.188.800 Menschenleben zu rechnen, welche die Kriege in den 25 Jahren von 1855-1880 gekostet haben, und das unter Schrecknissen, die jeder Beschreibung spotten. So schreibt C. Dickens mit vollem Recht:

Wir sprechen mit Begeisterung, mit einem gewissen Feuer, von einem prächtigen Angriff, von einem glänzenden Angriff, aber die wenigsten denken an die greulichen Dinge, welche sich hinter diesen hohlen Worten verbergen. Der „glänzende Angriff“ ist das Durchbrausen einer Kolonie von Reitern auf Pferden, die zu ihrem schnellen Galopp angefeuert sind und alles vor sich nieder reiten sollen. Hier bleibt des Lesers Gedanke stehen; er ist zufrieden, dass die feindliche Linie durchbrochen worden ist. Das ist aber nicht sehr anschaulich. Der Leser möge daher einen Augenblick mit mir bei dem „glänzenden Angriff“ verharren. Wenn derselbe seine Wirkung getan hat und glücklich vorbei ist, so bietet sich uns ein Bild ungefähr wie nach einem schrecklichen Eisenbahnunglück: entzwei gebrochene Rümpfe, verrenkte Arme, an ihren eigenen Bajonetten aufgespießte Leute, wie Brennholz zersplitterte Beine, von den Hufeisen der Pferde wie Äpfel entzweigespaltene oder zu Brei zertretene Köpfe, bis zur Unkenntlichkeit zerstampfte Angesichter. Das alles verbirgt sich hinter dem „glänzenden Angriff“; so kommt es heraus, wenn „unsere Leute regelmäßig chargiert“ und sich durch Besiegung des Feindes mit Ruhm bedeckt haben.“ - Ein anderer moderner Schriftsteller schreibt: „Da gehen Millionen Arbeiter in ganz Europa Tag für Tag an die Arbeit und harren vom frühen Morgen bis zum späten Abend dabei aus, sei es dass sie dem Boden seine Erzeugnisse abgewinnen, dass sie die Produkte der Fabrik herstellen, dass sie den Austausch der Bedarfsartikel besorgen, sei es dass sie in Bergwerken, Kaufhäusern, Stahlwerken, Lagerhäusern, Werkstätten, Kaufläden, bei der Eisenbahn, Schifffahrt auf Flüssen, Seen und Meeren beschäftigt sind, dass sie in die Eingeweide der Erde dringen, die rohe Materie brauchbar gestalten, die Naturkräfte bewältigen; sie alle werden damit Diener am Wohl und an der Bequemlichkeit der Menschheit und bringen dabei eine Menge Werte hervor, welche für reichliches Auskommen und Annehmlichkeiten in einem jeden Haushalt genügen würden; und nun greift eine mächtige Hand in dies alles und nimmt etwa 6.000 Millionen jährlich von den meisten erarbeiteten Werten weg und schleudert sie in den nimmersatten Rachen des Militärmolochs.“ - Im „Harrisburger Telegramm“ lesen wir diesbezüglich: „Es kostet die „christlichen“ Völker Europas ein hübsches Stück Geld zu zeigen, wie sie das „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ verstehen; das heißt es kostet sie ein hübsches Stück Geld, jederzeit bereit zu sein, einander zu vernichten.“

In einem Brief an den französischen Deputierten F. Passy schrieb das nun verstorbene Parlamentsmitglied John Bright:

Gegenwärtig werden alle Mittel Europas vom Militärmoloch verschlungen. Die wahren Interessen der Völker werden den elendesten und verbrecherischsten Liebhabereien der auswärtigen Politik geopfert; sie werden mit Füßen getreten, falschen Begriffen von Ruhm und Nationalehre zuliebe. Ich kann mich des Gedankens nicht verwehren, dass Europa einer großen Katastrophe entgegengeht, unter deren Wucht es zusammenbrechen wird. Der Militarismus wird auf die Länge die Geduld der Völker erschöpfen und diese zur Verzweiflung treiben, so dass sie, vielleicht in nicht zu ferner Zeit, Königen und Regenten, die sich den Namen „Staatsmänner“ anmaßen, wenn sie im Auftrag der Völker regieren, stürzen.“

So ist denn das Gericht über die bürgerlichen Gewalten im Herannahen. Nicht nur die Presse spricht so, sondern die Massen selber protestieren laut gegen die bestehenden Gewalten. Die Unruhe ist allgemein und wird mit jedem Jahre gefährlicher.

Wie die bürgerlichen Gewalten, so ist auch die gesellschaftliche Organisation in der Namenchristenheit nunmehr einer Prüfung unterzogen, ihre ganze Finanzwirtschaft sowie die Frucht derselben, die egoistische Profitpolitik, die Unterscheidung der Klassen nach dem Portemonnaie mit aller Ungerechtigkeit und Härte, die diese Unterscheidung für die Großzahl der Menschen mit sich bringt. Darüber wird die Gegenwart nicht minder energisch zur Rechenschaft gezogen als wegen ihrer Staatsinstitutionen. Man beachte nur die endlosen Streitereien über den Silberwert und die Goldwährung, die stets erneuten Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit. Wie das Brausen erregter Meereswogen tönt das Murren unzählbarer Scharen über das gegenwärtige Gesellschaftssystem, besonders soweit man die Unvereinbarkeit desselben mit den sittlichen Grundsätzen der Bibel erkennt, deren Autorität anzuerkennen und deren Lehren im allgemeinen zu befolgen sich doch die Namenchristenheit rühmt. Es ist eine beachtenswerte Tatsache, dass selbst die Welt bei ihrem Urteil über die Namenchristenheit sich das Wort Gottes als Richtschnur nimmt. Die Heiden heben die Bibel hoch und erklären keck: „Ihr seid nicht so gut wie euer Buch!“ Sie deuten auf Christum hin und sagen: „Ihr wandelt nicht in den Wegen dessen, nach dessen Namen ihr euch nennt!“ Die Heiden und die Massen in der Namenchristenheit greifen die goldene Regel, das Gebot der Liebe auf, und beurteilen danach die Lehren, Verhältnisse, das Verfahren und Verhalten der Namenchristenheit, und alle bezeugen es, wie die geheimnisvolle Inschrift im Festsaale zu Babylon: Gewogen, gewogen, und zu leicht erfunden.

Das Zeugnis der Welt gegen die dermalige Gesellschaftsordnung wird in jedem Lande vernommen. Jedermann bezeichnet dieselbe als verkehrt, und die Opposition, die sich dagegen erhebt, ist immer tätiger und verbreitet Furcht über die ganze Welt, indem sie das Vertrauen in alles Bestehende erschüttert und die Industrie immer von neuem durch Lohnbewegungen, Börsenpaniken usw. lähmt. Es gibt in der ganzen Namenchristenheit kein Volk, bei dem nicht gegen die Gesellschaftsordnung protestiert wird, das nicht hartnäckig und stets mehr durch diesen Protest geängstigt wird. Man höre Carlyle:

Die Existenz des englischen Industriearbeiters wird bald derjenigen in einem endlosen Sumpf gleichen, aus dem verpestete Dünste aufsteigen, eine Stätte, da Tausende lebendig begraben werden. Dreißigtausend Näherinnen arbeiten sich schnell zu Tode; drei Millionen Arme, die in gezwungener Muße dahinsiechen, helfen ihnen sterben. Das sind nur Einzelheiten aus dem großen Hauptbuch der Verzweiflung.“

Im „Jungen Mann“ lesen wir unter dem Titel „Wird die Welt besser?“ folgende Stelle:

„Starke Männer, zu jeder ehrbaren Arbeit bereit, leiden Hunger und mancherlei Not, und oft drückt sie noch der Kummer, den ihnen der Mangel in ihrem Haushalt verursacht. Auf der anderen Seite stehen Reichtum und Überfluss, oft im Bunde mit Geiz und Unsittlichkeit, und während der Arme gleichsam Zoll um Zoll dahinstirbt, weiß der Reiche meistenteils nichts von den Leiden seiner Brüder und sorgt nur dafür, dass der arme Lazarus sich nicht gar zu sehr hervorwage und störe. Tausende von jungen Männern führen in vollgepfropften Lokalen und hässlichen Warenhäusern das Dasein von Sklaven; sie arbeiten 70-80 Stunden die Woche, ohne dass körperliche oder geistige Erholung das Einerlei ihrer Existenz unterbräche. Im Ostend nähen Frauen Schürzen oder machen Kartonschachteln um einen Lohn, der nicht hinreicht, um sich ein Bett, geschweige denn ein eigenes Zimmer zu mieten; sie haben die Wahl, Hungers zu sterben oder vom Laster zu leben. Im Westend dagegen sind ganze Straßen im Besitze geschminkter Dirnen, von denen eine jede ein lebender Vorwurf ist für das schwache und schlechte Männergeschlecht. Von den jungen Männern dagegen bringen sich viele selbst ins Gefängnis oder trinken sich frühzeitig zu Tode, und gleichwohl ist jedes „anständige“ Blatt voll von Berichten über Wettrennen, und christliche (?) Regierungen lassen den Betrieb öffentlicher Wirtschaften an jeder Straßenecke zu. Ja, es wird jedem das Sündigen leicht gemacht; selbst das Laster sinkt im Preis, Betrug herrscht vor im Verkehr, Härte in der Politik, Gleichgültigkeit in der Religion.“

Vor einiger Zeit schrieb die „Philadelphia Presse“:

Gefahr im Anzug! Es besteht kein Zweifel darüber, dass New York in zwei große Klassen gespalten ist, die der sehr Reichen und die der sehr Armen. Der Mittelstand, ehrbare, fleißige, arbeitsstolze Leute umfassend, ist am Verschwinden; die einen erheben sich zur Klasse der Vermögenden, die anderen verfallen der Armut und Not. Zwischen beiden Klassen greift ein deutlich zutage tretender Hass Platz, der, von böswilligen Leuten geschürt, stets und schnell wächst. Es gibt Leute in der Stadt, von denen man es nicht glauben sollte, die 10-20 Millionen Dollar besitzen. Ich kenne eine Frau, die in einem prachtvollen Hause wohnt, und deren Leben so ruhig dahinfließt wie dasjenige eines Pfarrherrn; sie hat in 5 Jahren nicht weniger als 3 Millionen Dollar weggegeben und wird noch zu Lebzeiten weitere Millionen für wohltätige Zwecke opfern. Dabei hat sie zu Hause Gemälde und Statuen, Diamanten und andere Edelsteine, herrliches Gold- und Silbergeschirr, dazu Kunstwerke der verschiedensten Art, kurz ein Inventar, das auf 1 1/2 Millionen geschätzt ist; und doch ist sie noch um mehrere Millionen weniger reich als manche ihrer Nachbarn. Es gibt Leute in unserer Stadt, die vor 20 Jahren noch Kleider verkauften in der Chatham-Straße, und die heute auf einem Fuße leben, der einen Jahresaufwand von 100.000 Dollar kostet, und Kleinodien mit sich herumtragen, die 25.000 Dollar wert sind. Kommen Sie mit mir zu einer Wagenfahrt in der Madison Avenue: da will ich Ihnen jeden Tag, ob Sonnenschein, ob Regen, gegen 10 Uhr vormittags und 5 oder 6 Uhr abends ganze Reihen von Equipagen zeigen, in denen Damen sitzen, deren Ohrringe 500-5.000 Dollar wert sind, an deren roten, aufgedunsenen Händen Ringe blitzen, die einem Vermögen gleichkommen. Machen Sie einen Spaziergang mit mir, zwischen Stewarts altem Warenhaus an der Kreuzung der neunten Straße mit dem Broadway, nicht an einem Sonn- oder Feiertag oder sonst bei besonderer Gelegenheit, sondern zu ganz gewöhnlicher Zeit, und ich will Ihnen zahllose Gruppen von Frauen zeigen, die von Kopf bis zu Fuß in Robbenfelle gehüllt sind, für die sie 500-1.000 Dollar bezahlt haben, von deren Ohren und Fingern Diamantringe oder ähnliche Kleinodien strahlen, und die dann noch dicke Portemonnaies in der Hand tragen. Diese geben ein Bild von den Reichgewordenen, mit denen sich New York immer mehr bevölkert. In derselben Straße aber und zu derselben Zeit kann ich Ihnen Leute zeigen, für die ein Dollar schon ein Vermögen bedeuten würde, deren zerrissene, zerlumpte Beinkleider mit einem Strick, einer Schnur oder mit Stecknadeln an der Taille befestigt sind, die unsicheren Schritts über das Pflaster wanken, deren bloße Füße in so zerrissenen Schuhen stecken, dass sie sie nicht vom Pflaster aufheben dürfen, deren Angesichter voller Flecken, deren Bärte und Haupthaar lang und struppig sind, deren rotangelaufene Hände in magere Klauen auslaufen. Wie lange wird es noch dauern, bis diese Klauen die neugebackenen Reichen ergreifen? Täuschen wir uns nicht. Die Absicht verbreitet sich immer mehr und wird früher oder später ausgeführt werden. In der letzten Nacht noch kam ich durch die 14. Straße, in der nur wenige prunkvolle Privathäuser stehen. Vor einem derselben war von der Haustür bis zum Rande des Fußgängerweges ein Baldachin errichtet, unter dessen Schutz geschmackvoll gekleidete Damen in Begleitung ihrer Kavaliere sich vom Wagen ins Haus begaben, aus dem eine Fülle von Licht strömte und in dem lustige Musik erklang. Ich stand einen Augenblick in der Menge der Neugierigen, eine drohende Menge war es, und da kam mir die Überzeugung, dass es unabweislich zu einem gewaltsamen Ausbruch kommen werde, wenn nicht etwas geschieht, und bald geschieht, um den Hass zu beseitigen, der zwischen Reich und Arm existiert und absichtlich noch geschürt wird. Sie würden schaudern, wollte ich Ihnen erzählen, wie die Weiber redeten. Neid, Eifersucht, zu jedem Greuel fähige Wildheit, alles, was zu einem Ausbruch von Gewalttätigkeit nötig ist, war in diesem Haufen vertreten, alles, mit Ausnahme des Führers.“

Ja! Furchtbare Gegensätze weist die Welt auf. Auf der einen Seite essen Millionen ihr Sklavenbrot im Schweiße ihres Angesichtes, während ein ganzes Heer neben ihnen umsonst Verdienst sucht, und ein zweites sich mit ungenügender Löhnung abspeisen lassen muss; auf der anderen gestattet riesiger Reichtum Ausschweifungen jeder Art. Als Beispiel diene, was ein Londoner Journal über Vanderbilts Haushalt schreibt:

Cornelius Vanderbilt, der bekannte New Yorker Millionär und Eisenbahnkönig, hat, wie man uns aus New York meldet, jüngst sein neues Palais mit einem großen Ball eingeweiht. Dieses bescheidene Heim, welches 10 Personen während 6 Monaten des Jahres Obdach gewährt, die anderen 6 Monate geschlossen bleibt, steht an der Kreuzung der 57. Straße mit der 5. Avenue. Seine Herstellung kostet 5 Millionen Dollar. Es ist in spanischem Stile gebaut, aus grauem Stein mit teilweiser roter Fassade und ebensolchen Türmchen und Zinnen. Es hat drei Stockwerke und ein hohes Dachgeschoss. Der Ballsaal, den es aufweist, ist der größte private Saal in New York; er ist 75 Fuß lang und 50 breit, weiß und golden dekoriert im Stile Ludwigs XIV. Schon das Täfelwerk allein kostet ein ganz ansehnliches Vermögen, sein Motiv ist der Doppelkegel, und die Wandmalerei besteht aus Nymphen und Amoren. Um den Plafond zieht sich eine Girlande hübsch geschnitzter Blumen, in deren Innern je ein elektrisches Lämpchen glüht. In der Mitte des Saales hängt ein prachtvoller kristallener Kronleuchter. In der Nacht des Eröffnungsballes waren die Wände vom Fußboden bis zur Decke mit natürlichen Blumen bedeckt, welche 5.000 Dollar gekostet hatten; für das Ballvergnügen selber soll der Gastgeber 25.000 Dollar ausgegeben haben. Vor dem Hause ist der verhältnismäßig kostspieligste Garten der Welt, denn wiewohl er nicht größer ist als eine übliche städtische Parzelle, kostete er 350.000 Dollar, wozu noch die Abbruchskosten für ein Haus, das um 125.000 Dollar erstellt worden war, kommen, an dessen Stelle nur ein paar Gartenbeete sich ausbreiten!“

Die „Industrie“ in San Francisco knüpfte an einen Bericht über die Extravaganzen zweier reicher Amerikaner folgendes:

Das Diner, das Wanamaker in Paris, und dasjenige, das Vanderbilt in Newport offeriert hat, kosten zusammen 40.000 Dollar, vielleicht auch noch bedeutend mehr. Das sind Zeichen der Zeit, die Umwälzungen in unserem Lande ankündigen. Beispiele, wie diese, wo es auf eine neue großartige Schaustellung des Reichtums, über den man verfügt, ankommt, könnten noch zu Hunderten angeführt werden. Sie erinnern an die Feste, die das alte Rom feierte, bevor es unterging, an die Ausschweifungen in Frankreich, auf die vor 100 Jahren die Revolution folgte. Die Summe, die jährlich von Amerikanern in der Fremde für Luxus und schlimmere Zwecke ausgegeben wird, schätzt man auf ein Drittel des Staatseinkommens der Union.“

Ward McAllister, ein Führer der New Yorker „Gesellschaft“ taxierte jüngst in einem Artikel in der „National Review“ den Durchschnittsaufwand einer Familie in Durchschnittsverhältnissen, bestehend aus Mann, Frau und drei Kindern, auf 146.945 Dollar, die er folgendermaßen spezifiziert:

29.000 für den Hauszins in der Stadt, 14.000 für den Hauszins auf dem Lande, 6.000 für den Unterhalt des Landbesitzes, 8.016 für Dienstbotenlöhne, 18.954 für den Haushalt, 10.000 für die Kleider der Gemahlin, 2.000 für die Garderobe des Hausherrn, 4.500 für Garderobe und Taschengeld der Kinder, 3.600 für den Unterricht der drei Kinder; Gesellschaften, Bälle, Diners usw. 13.600: Theater mit Nebenausgaben 5.700; Zeitungen und illustrierte Zeitschriften 100; Juwelier 1.000; Schreibmaterialien 300; Bücher 500; Geschenke 1.400; Kirchengroschen 300; Vereinsbeiträge 425; Arztkosten 800; Zahnarztkosten 500; Umzug von der Stadtwohnung in die Landwohnung und umgekehrt je 125; Reisen in Europa 9.000; Marstall 7.000.“

Chauncey M. Depew soll einmal gesagt haben:

50 Männer in den Vereinigten Staaten haben es in ihrer Macht, dank dem Reichtum, über den sie verfügen, den gesamten Handel und Verkehr stillstehen zu lassen, jeden Weg, dessen der Handel bedarf, zu sperren, und jeden Elektromotor zum Stehen zu bringen. Sie können innerhalb 24 Stunden zusammenkommen und sich verständigen; sie können auch die Zirkulation des Bargeldes beherrschen und jeden Moment eine Panik hervorrufen.“

Die an der Kirche geübte Kritik ist mindestens ebenso scharf als die, welche sich gegen die Herrschaft eines einzelnen oder der oberen Zehntausend richtet, und insofern ebenso berechtigt, als die Kirche ihre Interessen mit denen der weltlichen Gewalten verknüpft hat. Wir geben in folgendem einige Pressestimmen, aus denen die Richtigkeit des Gesagten hervorgeht.

In einem im November 1873 in der „Nord-Amerika-Revue“ veröffentlichten Artikel schreibt John Edgarton Raymond:

Die christliche Kirche ist von Gefahren umringt. Noch nie ist ihr eine so große Zahl Feinde gleichzeitig erwachsen. Was gewisse Theologen als weltliche Macht bezeichnen, ist jetzt stärker als je. Es sind nicht mehr wilde Völker, abergläubische Philosophen, Priester mythologischer Religionen, die ihr widerstehen, sondern eine hochentwickelte Kultur, tiefgründigste Gelehrsamkeit und klarste Erkenntnis der erleuchteten Nationen. Auf der ganzen Linie stößt sie auf den Widerstand der „weltlichen Macht“, welche von den höchsten Geistesgaben und Idealen des Menschen repräsentiert wird. Allein nicht nur außer ihrem Bereich hat sie Feinde; in ihrem Schoß sind viele, die, wiewohl sie ihr Kleid tragen, ihre Gebote verkündigen und sie vor der Welt vertreten, bereit sind, ihre Autorität zu verwerfen und ihr Herrscherrecht anzufechten. Viele, die heute zwar noch vor ihren Geboten sich beugen, beginnen zu zweifeln, und Zweifel sind der erste Schritt zu Ungehorsam und Abfall. Die Welt wird nie wissen, wie viele aufrichtige Seelen im Schoße der Kirche im Geiste seufzen und bekümmert sind, aus Gewissensgründen aber, und um ihren Brüdern nicht Ärgernis zu geben, ihren Mund geschlossen, ihre Zähne im Zaume halten. Sie schweigen aber nicht aus Furcht vor Tadel, denn die Zeit, wo ein freies Wort Verfolgung zuzog, ist vorbei, und die Unfehlbarkeit der Kirche in Zweifel zu ziehen, gilt nicht mehr als Kennzeichen des Unglaubens. Sie verlangen kein neues Evangelium, wohl aber das alte in neuer Deutung. Überall wird die genauere und wahrheitsgetreue Verkündigung der Lehre des Gründers der christlichen Religion gefordert. Die Bergpredigt ist vielen die Quintessenz göttlicher Weisheit. Predigt diese! Predigt diese! rufen Anhänger der verschiedensten Richtungen allüberall; aber predigt sie nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Tat. Zeigt uns, dass eure Handlungen mit dieser Predigt übereinstimmen, und wir werden euch glauben. Folgt Christo, so werden wir euch folgen! Aber gerade hierin widersprechen sich Kirche und Welt. Jene behauptet, sie verkündige die Gebote Christi, sie predige das Evangelium, diese aber erwidert: „Nein, ihr verkehrt die Wahrheit in ihr Gegenteil!“ So lehrt die ungläubige Welt die gläubige Kirche die wahren Grundlagen der Lehre, die diese verkündigt! Das ist eines der auffallendsten und bedeutsamsten Zeichen der Zeit, und zudem ist es völlig neu. Bis jetzt hatte sich die Welt damit begnügt zu sagen: „Arzt, hilf dir selber!“ nun aber sagt sie: „Arzt, ich will dir die Arznei verschreiben!“ Als die Armen und Notleidenden, die Bedrängten und von Sorgen Erdrückten, von denen man verlangt, sie sollen Belohnung im Himmel erwarten, geweihte Priester und in Gunst stehende Kirchenfürsten in Purpur und köstlicher Leinwand einhergehen, alle Tage herrlich und in Freuden leben, trotz Motten, Rost und Dieben Schätze auf Erden sammeln und ohne Skrupel Gott und dem Mammon dienen sahen, begannen sie an der Aufrichtigkeit dieser Diener des Herrn zu zweifeln. Sie behaupten, die ganze Wahrheit wohne nicht unter einem Kirchendach, die Kirche vermöge nichts, sie könne nicht Ungemach verhüten, Kranke gesund machen, Hungrige speisen, Nackende kleiden, Tote auferwecken und die Seelen retten, sie sei mithin keine göttliche Institution, da sie jeder Kraft ermangle. So blieben sie ihren Altären fern und erklärten, die Unfehlbarkeit der Kirche, die Wirksamkeit ihrer Vorschriften, die Richtigkeit ihrer Glaubenssätze leugnen, heiße nicht die Wirksamkeit der Religion leugnen, ihr Opposition machen, heiße nicht, dem Christentum, sondern der kirchlichen Auslegung der christlichen Lehre Opposition machen; Achtung vor der göttlichen Wahrheit sei ganz vereinbar mit tiefster Verachtung der Kirchlichkeit. Nur für die erhabene Person Christi, der in seinem Leben auf Erden durch Handauflegen heilte und Leben gab, dessen Lächeln Heil und Rettung bedeute, hätten sie Verehrung und Liebe, nicht aber für die Institution, die ihn zu vertreten sich anmaße.

„Die Kirche denunziert nun diese ihre Ankläger als Ungläubige und fährt fort, Schätze zu sammeln, Gotteshäuser und Paläste zu bauen, sich mit Fürsten zu verbrüdern und mit den Mächtigen auf Erden zu verbinden; das hindert aber nicht, dass die gegen sie auftretenden Kräfte immer zahlreicher und mächtiger werden. Sie hat eben ihre Obergewalt eingebüßt, mit ihrer Autorität ist es vorbei. Sie ist nur noch ein Schatten von dem, was sie war. Sie kann auch ihren Einfluss nicht wiedergewinnen, sie kann zu dem Throne, auf dem sie einst saß, nicht zurückkehren. Ihre Hoffnung, einst die Welt zu beherrschen, ist ein eitler Traum; ihr Zepter ist auf immer zerbrochen. Schon stehen wir in einer Übergangsperiode. Die Umsturzbewegung unserer Zeit ist allgemein und unwiderstehlich. Die Throne beginnen zu wanken. Ein Vulkan brodelt unter den Königspalästen, und wenn die Throne stürzen, wird das Schicksal der Kirche besiegelt sein. Die Vergangenheit hat Massenerweckungen erlebt, wenn sie auch mehr lokaler und vorübergehender Natur waren. Auch jetzt steht eine solche bevor, doch wird sie die ganze Welt umfassen. Der Glaube an Gott und die Liebe zu den Mitmenschen soll wiederhergestellt werden, dann wird der schöne Traum allgemeiner Brüderlichkeit zur herrlichen Wirklichkeit geworden sein. Doch das wird die Reaktion gegen die Willkürherrschaft der Geistlichen, ein Protest gegen das eitle Formenwesen der Kirche sein.“

In einer Besprechung des Vorschlages, den die „Katholische Rundschau“ und andere Blätter machen, es sollte in den Gefängnissen Seelsorge getrieben werden, sagt eine Zeitung:

So ist es recht. Nur würden wir weitergehen. Es soll Unterweisung in den Lehren der christlichen Religion nicht nur in Gefängnissen erteilt werden, sondern vorab in den Familien und in den Sonntagsschulen, in der Kirche. Ein Strafanstaltsgeistlicher sagte einmal, vor zwanzig Jahren hätten sich unter den Sträflingen nur 5 Prozent befunden, die in einer Sonntagsschule gewesen seien; jetzt aber bilden die ehemaligen Sonntagsschüler 75 Prozent der Sträflinge oder Untersuchungsgefangenen. Ein anderer Geistlicher hat in einem Trinkerasyl 80, in einer Anstalt für gefallene Mädchen 100 Prozent ehemaliger Sonntagsschulkinder gefunden. Die Presse bemerkt daher mit Recht, dass die der Sonntagsschule zugebilligte Bezeichnung „Kinderstube der Kirche“ ein blutiger Hohn sei.“

Bei der Besprechung der Frage, ob die Chicagoer Weltausstellung Sonntags geöffnet sein solle, wurde ganz richtig bemerkt, dass, wenn Böses aus Bösem resultiere, und Theater und andere Vergnügungslokale in Chicago offen ständen, kein Amerikaner gezwungen sei hinzugehen. Die Apostel, die ersten Christen überhaupt, konnten über keine Polizeimacht, über keine römischen Legionen verfügen, um ihren Anschauungen Geltung zu verschaffen oder gar ihre Nebenmenschen zu zwingen, frömmer zu sein, als ihnen behagte, dennoch war es gerade die erste Christenheit, weit entfernt, von der Staatsgewalt unterstützt zu sein, vielmehr von derselben verfolgt und geplagt ward, die die Welt eroberte.

Von dem bangen Staunen, das zu unserer Zeit ob der herrschenden Verwirrung viele kirchliche wie weltliche Leute befallen hat, gab die „New York Sun“ kürzlich folgendes Zeugnis:

Die Frage: Wo stehen wir? wird allmählich zur Gewissensfrage. Auf den Lehrstühlen vertreten Professoren Lehren, die so weit von ihrem Ausgangspunkt entfernt sind, dass sich die Rechtschaffenen früherer Zeiten darüber im Grabe umdrehen müssten. Geistliche unterzeichnen bei ihrer Einsetzung ins Amt Verpflichtungen, von denen sie wahrscheinlich wissen, dass sie die Behörde, die sie einsetzt, selbst nicht ernst nimmt; die damit übernommene Richtschnur gleicht in vielen Fällen den Bojen, an denen man sehen kann, wie weit das Schiff der Kirche bereits von dem vorgeschriebenen Kurs abgewichen ist. Es ist die Zeit des „Mach, was du willst“ oder des „Jeder ist sich selbst der Nächste“ und dergleichen mehr. Niemand weiß, wo das noch hinaus will, und diejenigen, für die die Antwort auf diese Frage am wichtigsten ist, scheinen sich am wenigsten darum zu kümmern.“

Doch bei der Kritik des äußerlichen Auftretens und des Mangels an Einfluss der Kirche bleibt die Gegenwart nicht stehen; sie greift ebenso die wichtigsten Lehren der Kirche selbst an. Man beachte vorab, wie die gotteslästerliche Lehre von der ewigen Qual, der die Mehrzahl der Menschen verfallen soll, jene Lehre, durch die lange Zeit die Kirche den Menschen einzuschüchtern suchte, von den Denkenden durchweg verworfen wird. In dieser Frage empfindet die Geistlichkeit ein immer dringenderes Bedürfnis, die Lehre mit Nachdruck zu verfechten, um der um sich greifenden freieren Anschauung einen Damm entgegenzusetzen. Sie spricht von der ewigen Qual, der ihre Mitmenschen verfallen sollen, als wäre sie eine Kleinigkeit, die man so obenhin behandeln könne, und erklären eine Lehre für wahr, ohne sie auf ihre Wahrscheinlichkeit oder ihre Übereinstimmung mit der Bibel (Anmerkung: Siehe die Schrift: „Die Hölle. Was ist sie? Wer ist dort?“) auch nur zu prüfen. Die Welt zieht aus dieser Anmaßung ihre eigenen Schlüsse, wie sich aus folgenden Pressestimmen ergibt. Der „Globe Demokrat“ sagt:

Gute Kunde kommt aus New York. Die Amerikanische Traktat-Gesellschaft beabsichtigt, die geistige Nahrung, die sie seit 50 Jahren dem Volke vorgelegt hat, zurückzuziehen und ihre Religionslehre zu revidieren. Das kommt daher, dass die Welt keinen Gefallen mehr findet an den heißen und gepfefferten Gerichten, welche dem Geschmack der früheren Generation entsprechen, und dagegen vermögen die paar feierlichen Herren von der Geistlichkeit gar nichts. Die Kirche macht sich nur den Spaß, den Menschen Toleranz, Menschlichkeit, Vergebung, Liebe und Gnade zu predigen. Das kann alles ebenso falsch sein, und es kann auch sein, dass wir besser täten, alle die Voraussagungen zu einem aschgrauen Schicksal weiter zu lesen und zu glauben. Aber das Volk glaubt es nicht und will es nicht glauben.“

In einem anderen Blatt begründet Dr. Rossiter W. Raymond seine Weigerung, weitere Beiträge an die amerikanische Heidenmission zu leisten, mit folgenden Sätzen.

Ich mag nicht mehr zum Unterhalt von Missionaren beitragen, welche an die Verdammung aller Heiden zur Hölle und die verabscheuungswürdige Irrlehre glauben, dass Gott die Heiden nicht liebe. Ich habe diesen ganzen erbärmlichen Humbug satt und will keinen Pfennig für Verbreitung der Lehre von der ewigen Verdammnis hergeben ... Mit meinem Gelde soll dieselbe nicht verbreitet werden. Dass Gott gut ist, das ist eine gute Botschaft, aber dieselbe wird in eitlen Quark verwandelt durch jene Männer, welche nicht besser sind als die, die Juggernauts Wagen über die Heiden rollen lassen und die Leichen der Getöteten den Bestien, die den Wagen zogen, als Speise vorwerfen. Es ist meine Christenpflicht, nicht das Geringste zu tun zur Verbreitung einer Lehre, welche die Heiden glauben machen soll, ihre Väter seien zur Hölle gefahren.“

So sehen wir, dass die gesamte gegenwärtige Ordnung der Dinge gleichsam auf der Wage der öffentlichen Meinung auf und ab schwankt. Da die Zeit für ihren Untergang vorhanden ist, hält der Richter der ganzen Welt die Gewichte „Wahrheit“ und „Gerechtigkeit“, lässt das Licht vermehrter Erkenntnis darauf fallen und fordert die Welt auf, die Gerechtigkeit seines Entschlusses - die Zerstörung der Karikatur des Christentums, wie wir sie haben - zu erproben und zu prüfen. Allmählich, aber in schneller Steigerung, macht gegenwärtig die Welt die Probe, und am Ende wird alles einig sein, und wie ein großer Mühlstein wird Babylon, die große Stadt der Verwirrung, mit aller ihrer gerühmten bürgerlichen und kirchlichen Macht, mit aller ihrer Selbsterhebung, mit ihrem Reichtum, ihren Titeln, ihrem Einfluss, ihren Ehrenstellen, überhaupt mit allem ihrem eitlen Schaugepränge, ins Meer, ins aufgeregte Meer der Anarchie stürzen und darin auf immer verschwinden. - Offb. 18:21; Jer. 51:61-64

Ihre Zerstörung wird 1914, in welchem Jahre die Zeiten der Nationen zu Ende gehen, beginnen. Die Ereignisse spitzen sich zur Zeit schon schnell auf eine solche Krisis zu. Wiewohl die Prüfungszeit noch nicht zu Ende ist, kann doch schon mancher die Handschrift lesen, die ihr Urteil bedeutet: „Gewogen und zu leicht erfunden!“ und allmählich wird sich das schreckliche Schicksal Babylons, der Namenchristenheit, erfüllen. Der alte Aberglaube, der sie so lange stützte, ist im Verschwinden begriffen; alte Glaubenssätze und bürgerliche Gesetzbücher, die man bisher hochhielt und ohne Zaudern aus der Vergangenheit herübernahm, werden nun keck in Frage gestellt; ihre Ungereimtheiten werden hervorgehoben, ihre greifbaren Irrtümer lächerlich gemacht. Doch richtet sich das Denken der Massen nicht gegen die Bibel, ihre Wahrheit und ihre gesunde Logik, sondern gegen den Unglauben. Der Unglaube nimmt zu sowohl innerhalb als auch außerhalb der Namenkirche; in der Bekenner-Kirche ist das Wort Gottes nicht mehr die Grundlage des Glaubens und der Führer durch das Leben. An seine Stelle sind menschliche Lehren getreten, und selbst heidnische Einbildungen blühen im Schoße der Kirche auf.

Aber nur wenige sind es im Schoße der Namenkirche, die wachsam und nüchtern genug sind, um ihren bejammernswerten Zustand zu erkennen, wenn man sie nicht nach ihrem Reichtum oder der Zahl ihrer Anhänger beurteilt; denn ihre Geistlichen und Professoren sind vom Geist dieser Welt so sehr umgarnt und geblendet, so offenkundig getränkt, dass sie den Verfall der Kirche gar nicht merken. Aber auch in finanzieller und quantitativer Hinsicht geht es mit ihr sichtbar bergab; denn mit ihrer Erhaltung sind die Interessen, Aussichten und Annehmlichkeiten des gegenwärtigen Lebens eng verkettet, und um diese sicherzustellen, empfindet sie den Drang, den Schein zu erwecken, sie erfülle die Mission, die Welt zu bekehren, was sie als ihre göttliche Mission betrachtet. Wie viel ihrer Bemühungen nach dieser Richtung gewirkt haben, werden wir in einer späteren Studie sehen.

Wenn wir Babylon in dieser Weise vor aller Welt zur Verantwortung gezogen sehen, drängt sich uns mächtig die auf dieses Ereignis gehende Prophezeiung des Psalmisten auf, auf die wir am Anfang dieser Studie verwiesen haben. Wiewohl Gott Jahrhunderte lang, in denen das Böse in seinem Namen triumphierte und seine wahren Getreuen allerlei Verfolgung zu erdulden hatten, dazu schwieg, so hat er doch nichts vergessen, und jetzt ist die Zeit da, von der er durch den Mund seines Propheten gesagt hat: „Ich will dich strafen und es dir vor Augen stellen!“ - Psalm 50:21

Wer wach ist und auf der rechten Seite steht in diesen Zeiten von schrecklicher Bedeutung, merke auf diese Dinge und überzeuge sich davon, wie genau sich Prophezeiung und Erfüllung entsprechen.

 

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