SCHRIFTSTUDIEN
BAND
4 - DER
KRIEG VON
HARMAGEDON
Studie
5
Die
nationale Verwirrung Babylons vor dem höchsten Gerichtshof.
Die
bürgerlichen Mächte beunruhigt, da sie das Gericht über sich kommen
sehen. — In
Furcht und Schrecken streben sie nach Verbündung und schauen vergeblich
auf die Kirche um ihre frühere Macht. —
Sie
vermehren ihre Heere und Flotten. —
Kriegsvorbereitungen
zu Land und Wasser. —
Vollkommene
Kriegswerkzeuge, neue Entdeckungen, Erfindungen, Explosivstoffe usw. —
Erwecket
die Heiden; schmiedet Pflugmesser zu Schwertern usw. —
Die
Vereinigten Staaten von Amerika von noch größeren Übeln bedroht als die
alte Welt. — Der
Ruf: Friede, Friede! und da ist doch kein Friede.
„Das
sind Tage der Rache, dass alles erfüllt werde, was geschrieben steht ...
Auf der Erde Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit bei brausendem Meer
und Wasserwogen, indem die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung
der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte der Himmel
werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Sohn des Menschen
sehen, kommend in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit.“ - Luk.
21:22, 25-27
„Noch
einmal werde ich nicht allein die Erde bewegen, sondern auch den Himmel.
Aber das noch einmal deutet die Verwandlung (Hinwegräumung) der Dinge an,
die erschüttert werden, als die, welche gemacht sind, auf dass die,
welche nicht erschüttert werden, bleiben ... Denn unser Gott ist ein
verzehrendes Feuer.“ - Hebr. 12:26, 27, 29
Dass
die bürgerlichen Gewalten sehr wohl merken, dass das hereinbrechende
Gericht sie treffen wird, und dass sie gar nicht sicher sind, bestehen zu
bleiben, sieht jeder. So sprach schon Disraeli, als er englischer
Ministerpräsident war, am 2. Juli 1874 (mithin ganz am Anfang der
Erntezeit oder des Gerichtstages) im Parlament:
„Die
große Weltkrisis ist näher, als manche glauben. Warum ist die
christliche Welt so bedroht? Ich fürchte, die Zivilisation ist am
Zusammenbrechen ... Blicken wir, wohin wir wollen, überall sehen wir
Unbehagen herrschen, überall die Völker verzweifeln, überall die
Menschen mutlos . . . Niemand kann sich dieser Erkenntnis verschließen.
Wer irgendeine Zeitung zur Hand nimmt, sieht, dass der politische Horizont
von Sturmwolken umzogen ist ... Es muss zu einem fürchterlichen Ausbruch
kommen. Jedes Kabinett in Europa ängstigt sich; jeder Fürst, jeder
Gewalthaber, steht da mit der Hand am Schwertgriff ... Wir stehen vor
einer Zeit voll unerhörter Schrecknisse, wir treiben dem Ende zu!“
Sah
man schon zu Beginn der Zeit der Ernte so deutlich, wie viel bedeutsamer
sind denn die Zeichen jetzt! So lesen wir in einem „Die Beunruhigung
Europas“ betitelten Artikel des „Londoner Spectator“:
„Welcher
Ursache sollen wir die bestehende Unruhe in Europa zuschreiben? Man kann
sie zum Teil der Lage in Italien zuschreiben; aber vorab ist sie doch eine
Folge des Pessimismus, der Europa wie eine Flut überschwemmt. Und dieser
Pessimismus hat seinen Grund zum Teil in den wirtschaftlichen Kämpfen,
zum Teil darin, dass der Anarchismus sich als eine Macht in der Welt
ausgewiesen hat. Diese letzte Erscheinung war auf dem Kontinent viel
folgenschwerer als in England. Die fremden Regierungen zittern beständig
vor der „von unten“ drohenden Gefahr, vor Bombenattentaten. Sie
betrachten die Anarchisten als die Vorhut einer Macht, die der
Zivilisation den Krieg erklärt hat und die gegenwärtige Ordnung
zerschmettern wird, wenn sie nicht besänftigt oder besiegt werden kann.
Die Zukunft erscheint ihnen als durchaus unsicher, weil die gegenwärtige
Ordnung sich zu ausschließlich auf die Bajonette stütze. Bei der
geringsten Hoffnung, die sie auf die innere Lage setzen, flößt ihnen
auch die äußere Besorgnis ein; sie halten dieselbe nicht für dauerhaft
und sehen jede Veränderung als einen Schritt nach dem Ende zu an. Sie übertragen
den Pessimismus, der Literatur und Gesellschaft beherrscht, auf die
Politik, und hier wird er durch den dermaligen wirtschaftlichen Niedergang
verschärft.“
Am
9. März 1895 schrieb derselbe „Spectator“ unter dem Titel: „Die
wahre Gefahr für den Kontinent“:
„Herr
Jules Roche hat uns allen eine rechtzeitige Warnung gegeben. Seine
Donnerstags-Rede, welche in der französischen Kammer Aufsehen erregt hat,
erinnerte Europa noch einmal daran, wie dünn die Kruste ist, welche die
vulkanischen Feuer noch bedeckt. Seine These war, dass Frankreich nach
allen seinen Opfern - Opfern, welche jede weniger wohlhabende Macht
zerschmettert haben würden - noch immer zum Kriege unvorbereitet wäre;
dass es mehr tun müsse, und vor allem, dass es mehr darangeben müsse,
bevor es sich als sicher oder als bereit betrachten könne. Überhaupt
stellt er Deutschland als den schrecklichsten und drohendsten Feind hin,
gegen dessen Einfall Frankreich immer vorbereitet sein müsse, und der in
diesem Augenblick stärker sei als Frankreich. Mit seinem letzten militärischen
Programm ist es dem Kaiser, wie Roche sagt, nicht nur gelungen, das ganze
Volk der Rekrutierung zu unterwerfen, sondern er hat auch das aktive, zum
Marschieren und Kämpfen bereite Heer auf fünfhundertfünfzigtausend Mann
erhöht, mit Offizieren, mit voller Ausrüstung, kunstvoll aufgestellt -
binnen kurzem fertig, wenn auch immer seine Lippen die verhängnisvolle
Entscheidung aussprechen sollten, welche sein Großvater in die zwei Worte
formulierte: „Krieg - Mobil!“ Frankreich dagegen hatte, obwohl das
Netz seiner Rekrutierung ebenso ausgedehnt war, nur vierhunderttausend
Mann in Bereitschaft, und um Geld zu sparen, setzte es sogar dieses
Zahlenverhältnis noch beständig herab. Am Anfang eines Krieges, welcher
jetzt gewöhnlich seinen Ausgang entscheidet, würde Frankreich, das
mindestens an zwei Grenzen Feinde haben würde, hundertfünfzigtausend
Mann weniger haben, und es könnte, bevor seine vollen Hilfsquellen seinen
Generälen zur Verfügung stehen würden, schreckliches und sogar verhängnisvolles
Unheil erleiden. Obwohl die Abgeordneten dem Herrn Jules Roche keineswegs
zugeneigt waren, hörten sie fast von Ehrfurcht ergriffen zu, und Herr
Felix Faure hat beschlossen, seit sechs Jahren das erste Mal, ein
vergessenes, dem Präsidenten der Republik zustehendes Recht auszuüben,
und der Sitzung des Obersten Militärrates vorzustehen, die am 20. März
stattfinden soll. Er beabsichtigt augenscheinlich, als geübter Geschäftsmann
bezüglich der militärischen Lage „Inventur zu machen“ und sich zu
vergewissern, was Frankreich an Kanonen, Pferden und Menschen, die beim
ersten Alarm zum Losrücken bereit sind, besitzt, und darauf zu bestehen,
dass noch mehr gekauft werden, wenn er den Vorrat als bei der großen
Nachfrage zu gering befinden sollte. So reich die Firma auch ist, so mag
er ihr Kapital doch als ungenügend finden für dies Unternehmen, da die
Sammlungen neuer Vorräte über alle Maßen teuer sind; auf alle Fälle
aber will er die genaue Wahrheit wissen.
„Herr
Faure ist ein Geschäftsmann, welch offenbarendes Licht wirft aber seine
Handlungsweise, die Folge der Worte des Herrn Roche, auf die Lage in
Europa. Der Friede soll durch die Furcht vor dem Kriege garantiert sein,
und doch wird der Krieg offen erwähnt; man sieht, dass die Vorbereitungen
dafür jetzt in demselben Maßstabe vorgenommen werden, wie je seit 1870 -
das erste Vorurteil der Staatsmänner. Wir wissen, auf wie wenig
Widerstand der deutsche Kaiser im letzten Jahre stieß, als er sich die Änderung
sicherte, die Herrn Jules Roche so sehr beunruhigte. Das Volk neigte kaum
dazu, trotz der großen Verlockung einer herabgesetzten Dienstzeit, und es
neigte nicht dazu, für die Kosten aufzukommen. Es sah jedoch die
Notwendigkeit ein; es gab nach, und Deutschland ist jetzt in dem Zeitraum
von vierundzwanzig Stunden kriegsbereit. Auch Frankreich wird das neue
Programm annehmen, wenn auch verzweifelt, und wir werden sehen, wie
Vorbereitungen getroffen und Gelder ausgegeben werden, was mit Widerwillen
zurückgewiesen worden wäre, wenn nicht der niederdrückende Gedanke der
Gefahr bestünde. Die Franzosen sind noch mehr des Zahlens müde als die
Deutschen, doch sie werden für alles zahlen, denn sie denken daran, dass
eines Tages eine Armee, die stärker ist als ihre eigene, gegen Paris oder
Lyon marschieren könnte.
„Die
Gelehrten erklären, die Spannung zwischen Frankreich und Deutschland habe
sichtlich abgenommen, die Diplomaten behaupten, es herrsche tiefster
Friede, die Zeitungen rühmen den Kaiser ob seinen Höflichkeitsbezeugungen
gegenüber Frankreich, dieses bereitet sich vor, an einer Feier zur
Verherrlichung der deutschen Marine teilzunehmen, gleichzeitig aber
handelt es, als stünde der Krieg vor der Tür. Es könnte nicht
empfindsamer, aufgeregter, opferwilliger sein, wenn es den Krieg innerhalb
Monatsfrist erwartete. Dabei ist absolut nichts vorgefallen, was die
beiden Völker gegeneinander hetzen könnte! Es ist kein Grenzzwischenfall
zu verzeichnen; der Kaiser hat niemanden bedroht; es gibt nicht einmal in
Paris eine Kriegspartei. Paris scheint sogar seine hasserfüllten und
leidenschaftlichen Blicke von Deutschland weg und auf Großbritannien
gerichtet zu haben. Endlich besteht auch nicht die geringste Spur von
einem Anzeichen dafür, dass der neue Zar den Krieg wünscht und fürchtet
und besonders eifrig vorbereitet, und doch wird Deutschland durch die
leiseste Anspielung auf einen Krieg veranlasst, sich bis aufs äußerste
kriegsbereit zu halten, und Frankreich ängstigt und ärgert sich darüber,
dass es nicht in demselben Maße Schritt halten kann. Besondere Anlässe
kommen gar nicht in Frage; es ist die allgemeine Lage, welche plötzlich,
ganz zufällig, in Frage gestellt werden kann. Das ist es, was die beiden
Mächte zwingt, sich so bereit zu halten, dass sie innerhalb 24 Stunden
mobil machen können. Die Gefahr ist chronisch, so vollständig erkannt
und gründlich als Lebensbedingung betrachtet, dass man sich darob nicht
mehr aufregt. Sie ist stets vorhanden und gerät nur deshalb vorübergehend
in Vergessenheit, weil man nicht immer wieder das gleiche hören mag. Es
herrscht in Frankreich wie in Deutschland ob der Nähe des Krieges nicht
mehr Besorgnis als in Torre del Greco ob der Nähe des Vesuvs. Man gewöhnt
sich an den Gedanken, dass der Vulkan da ist, immer da war und immer da
sein wird, bis endlich ein Ausbruch erfolgt.
„Aber
es ist gut, dass Europa gelegentlich daran erinnert wird, dass weder Fürsten
noch Völker den Frieden garantieren, dass die Staatsschiffe gleichsam
zwischen Eisbergen hindurchsteuern, und dass man unausgesetzt auf seiner
Hut sein muss. Eine Stunde der Unachtsamkeit kann einen Zusammenstoß und
den Untergang des Panzerfahrzeuges herbeiführen. Es erscheint als eine
schwere Lage für den zivilisierten Teil des Menschengeschlechtes, dass
man von ihm immer größere Anstrengungen, größere Auslagen und größere
Bereitwilligkeit verlangt, mit zerschmetterten Knochen auf freiem Felde zu
liegen; aber wer weiß Abhilfe? Die Völker fänden sie noch so gern, die
Regierungen würden ihnen helfen, wenn sie könnten, und die Fürsten
denken zum ersten Male in der Geschichte mit Unbehagen an einen Krieg, als
wären die guten Aussichten dabei nicht sicher genug, um das große Risiko
aufzunehmen. Aber sie alle zusammen vermögen nicht, die Lage günstiger
zu gestalten, die ihnen allen nichts anderes bringt als mehr Beschwerde,
mehr Unbehagen und mehr Verantwortlichkeit. Der einzige Trost für die Völker
besteht darin, dass es ihnen nicht schlimmer geht als ihren Brüdern in
Amerika, woselbst man zwar weder allgemeine Wehrpflicht noch Kriegsfurcht
noch Grenzschutz kennt, der Staatsschatz aber gleichwohl nicht minder
erschöpft ist als irgendeiner in Europa, das Volk unter den Schwankungen
des Geldwertes so sehr leidet wie zu Kriegszeiten, und jedermann von
Besorgnissen geplagt wird, die der Aussicht, jeden Tag für die
Landesverteidigung unter die Waffen gerufen werden zu können, mindestens
gleichkommen. Die Geschichte weist etwas, das der Lage Europas gleichkäme,
nicht auf, wenigstens nicht, seit das Faustrecht verschwunden ist.
„Wir
gehören keinem Friedensverein an, weil wir an Utopia nicht glauben können.
Gleichwohl sind wir oft geneigt, die Welt für unheilbar verrückt zu
halten, und dass alles besser wäre - selbst der Verzicht Deutschlands
oder Frankreichs auf Elsaß-Lothringen - als diese nimmer endende und
nutzlose Hypothekierung der Zukunft und diese Furcht, von welcher alle,
die damit operieren, einstimmig erklären, sie sei unbegründet. Sie ist
nicht unbegründet, und die Regenten sagen nur so aus Höflichkeitsrücksichten;
kann aber diese Furcht nicht gebannt werden, bevor sie wirklich zur
Katastrophe führt?“
Im
„Christlichen Regenten“ finden wir unter dem Titel „Die Verzweiflung
der Völker“ folgende getreue Schilderung unserer schweren, trüben Zeit:
„Unser
Jahrhundert, das der Kanonendonner von Marengo eröffnet hat, und das
unter Kanonendonner im Osten und Westen zu Ende geht, hatte genau genommen
kein einziges Friedensjahr. Seit 1800 hat England 54, Frankreich 42,
Russland 23, Österreich 14 und Preußen 9 Kriege geführt. Das macht 142
Kriege für fünf Nationen, von denen vier das Christentum als
Staatsreligion anerkennen. Zu Beginn der christlichen Zeitrechnung
beliefen sich die stehenden Truppen des römischen Reiches auf 400.000
Mann, die zudem über den ganzen Kontinent und Vorderasien verteilt waren,
und ein Gebiet, das zwischen Themse und Euphrat lag, zu verteidigen hatten.
Heutzutage übersteigt die Zahl der stehenden Truppen Europas 4.000.000
Mann, und hinter diesen stehen weitere 16 Millionen, die in längerer oder
kürzerer Zeit das Waffenhandwerk gelernt haben. Ein Zehntel der körperlich
gesunden Mannschaft zu Friedenszeiten unter den Waffen, ein Fünftel aller
Frauen, die unterdessen des Mannes Arbeit in der Werkstätte oder auf dem
Felde besorgen, ... ruft man da nicht mit Burke aus: „Das ritterliche
Zeitalter ist vorbei! Der Ruhm Europas ist verschwunden!“ In den letzten
Jahren hat Europa seine Armeen verdoppelt und seine Schulden, die es vorab
zu Kriegszwecken machte, und die es vom Schweiße seiner Völker verzinst,
auf die unglaubliche Summe von 23 Milliarden Dollar gebracht. Wenn der
Aufwand, den der Mensch macht, einen Maßstab abgibt für das Interesse,
das er den Dingen entgegenbringt, so muss man schließen, dass, was dem
zivilisierten Europa an der Neige unseres Jahrhunderts am liebsten ist,
der Krieg sein muss; denn ein Drittel aller Staatseinkünfte dient zur
Verzinsung der aus der Vergangenheit herrührenden Kriegsschuld, ein
weiteres Drittel zur Befriedigung aller übrigen Staatsbedürfnisse.
Speer, Lanze, Schwert und Streitaxt hat die Menschheit als Kinderspielzeug
beiseite gelegt. Sie verfügt jetzt über Feuerwaffen, mit denen man auf
große Entfernung töten kann, ja deren vernickelte Spitzgeschosse auf
ihrer Bahn drei Menschen töten können, bevor sie zum Stehen kommen. Die
Rauchlosigkeit des Pulvers wird zu den Schrecknissen, die schon der
Vergangenheit bekannt waren, die Unheimlichkeit hinzufügen, die darin
liegt, dass der Mann getroffen wird wie vom Blitz, ohne dass man sieht,
woher das Geschoss kommt. Die Treffsicherheit dieser Waffen hat die
Kavallerieattacken absolut unmöglich gemacht. Ein „glänzender Angriff“,
wie der in der Schlacht bei Balaklava ist fortan ein Mythus; die Helden
Picketts würden, falls sie ihre wundervolle Attacke heute wiederholen müssten,
hingemäht, noch bevor sie die Emmisburgstraße überschritten hätten.
Die Zerstörungskraft der modernen Feuerwaffen übertrifft alle bisherigen
Erwartungen. Versuche haben gezeigt, dass die Geschosse die Muskeln zu
Brei, die Knochen zu Pulver machen, ein Schuss in das Bein macht dessen
Amputation nötig, ein Schuss in den Kopf, in die Brust, ist unfehlbar tödlich.
Die moderne Maschinenkanone kann 1860 Schüsse in der Minute, also 31 in
der Sekunde abgeben, das macht einen ununterbrochenen Bleistrom aus,
dessen Rauschen teuflische Musik ist. Eine wahrhaft titanische Waffe ist
das 12-Zoll-Geschütz, das ein Geschoss 13 km weit treibt und 18 Zoll
dicke Stahlplatten glatt durchschlägt, auch wenn sie sonst dem feinsten
Bohrer widerstehen. Von den heutigen Flotten brauchen wir nicht erst zu
reden. Ein einziges Kriegsschiff kostet 4 Millionen Dollar und kann mit
seinen 18 Zoll dicken Stahlplatten, dank seiner 11.000pferdigen Maschine
24 Seemeilen in der Stunde zurücklegen. Ein einziges solches Schiff hätte
bei Trafalgar die vereinigten spanischen, französischen und englischen
Flotten (über 100 Schiffe) wie eine Taubenschar zerstreut, wie ein
Habicht im Taubenschlag, und doch sind solche Hochseeungeheuer in einem
Augenblick durch ein einziges Torpedo total zerstört worden. Wenn diese
Kriegsvorbereitungen irgend etwas bedeuten, so steht die zivilisierte
Menschheit am Vorabend einer fürchterlichen Katastrophe, die sie freilich
so wenig ahnt, wie die Einwohner Pompejis am letzten Tage des Bestehens
ihrer Stadt aus dem Rauch, der dem Vesuv entstieg, auf ihren Untergang
schlossen. Noch kein Zeitalter hat eine solche Drachensaat ausgestreut wie
das unsere, und die Saat reift einer blutigen Ernte entgegen. Es bedarf
nur eines Mannes wie Napoleon, und die Welt steht in Brand. Zu leugnen,
dass das die Folge der Kriegsrüstungen sein wird, käme dem Wahne gleich,
von Disteln Feigen lesen und von gesätem Wind ununterbrochen Sonnenschein
ernten zu wollen. Der japanisch-chinesische Krieg, in welchem nur
teilweise moderne Waffen zur Anwendung kamen, und das erst von Leuten, die
mit deren Gebrauch nur unvollkommen vertraut waren, kann nicht als
Beispiel für das gelten, was uns der Zukunftskrieg bringen wird. Der
bekannte Kriegskorrespondent Archibald Forbes sagte jüngst: „Es ist
einfach unmöglich, sich von der nächsten großen Schlacht, ob der die
Welt staunen und schaudern wird, ein nur annäherndes Bild zu machen. Wir
kennen wohl die Kräfte, die zu ihren Greueln beitragen werden, wir kennen
dieselben aber nur in der Theorie.“
„In
einer der Schlachten um Metz streckte die Mitrailleuse in 10 Minuten 6.000
Deutsche nieder; bei Plewna büßte Skobelew bei einem kurzen Sturmmarsch
von einigen 100 Metern 3.000 Mann ein; seither sind aber Handfeuerwaffen
und Feldgeschütze fünfmal wirksamer gestaltet worden. Da mag einem bei
dem Gedanken an eine zukünftige Schlacht der Verstand und das Herz stille
stehen. Es mag genügen, daran zu erinnern, dass die großen Strategen
Europas behaupten, die künftigen Schlachten würden so blutig sein, dass
es nicht möglich sein wird, alle Verwundeten zu pflegen und alle Toten zu
begraben, und dass einzelne dieser Strategen allen Ernstes das Mitfahren
eines Feldkrematoriums in Vorschlag gebracht haben.
„Nun
mag der Leser hoffen, dass diese fürchterliche Heimsuchung das
friedfertige Amerika nicht treffen werde, ähnlich wie einst der Engel des
Herrn, der die Erstgeburt der Ägypter schlug, die Erstgeburt der
Israeliten verschonte. Gebe Gott, dass dem so sei. Aber woher nehmen wir
eine Garantie dafür? Dampfkraft und Elektrizität haben die Menschheit so
zu einem Ganzen gemacht, ihre Anschauungen, Interessen und Absichten
derart miteinander verknüpft, dass ein großer Krieg auf dem Kontinent,
in den auch England verwickelt werden müsste, die ganze zivilisierte Welt
in ein Flammenmeer verwandeln würde. Doch auch abgesehen davon steigt am
Horizont eine kleine Wolke auf, zurzeit nicht größer als eine Hand, die
aber einmal den ganzen Himmel bedecken könnte. Im fernen Osten leben zwei
Nationen, die Chinesen und Japaner, die zusammen gegen 500 Millionen
Seelen zählen. Bis jetzt waren diese Völker ohne Kenntnis der
Kriegskunst. Es ist beschämend für uns, dass die Völker, welche seit
der Geburt Christi den Spruch „Friede auf Erden!“ am wenigsten Lügen
straften, gerade jene gegen alles Fremde sich so abschließenden Völker
waren, über denen die Sonne der christlichen Lehre noch nicht geschienen
hat. Vor fast vier Jahrzehnten aber erzwang sich eine Handvoll Franzosen
und Engländer mit dem Bajonett den Weg nach Peking. Seither ist alles
anders geworden. Die zivilisierte Westen hat dem Orient Bibeln und
Bleikugeln, Mitren und Mitrailleusen, Gottseligkeit und Gatlingkanonen,
Kreuze und Kruppkanonen. St. Peter und Salpeter gebracht. Eines Tages wird
dann der Orient zum Westen sagen, wie Schylock: „Die Schlechtigkeit, die
ihr mich gelehrt, will ich begehen; es wird zwar schwer sein, doch will
ich’s besser lernen!“ Sie haben schon genug gelernt, um eine
regelrechte Kanonade zu inszenieren. Sollte der Orient nach seinem
jahrhundertlangen Schlaf zu gleicher Kriegslust erwachen wie sie den
Okzident auszeichnet, wer garantiert uns dann dafür, dass nicht ein neuer
Tschingis-Khan an der Spitze von Millionen wilder Krieger sich wie eine
Lawine mit Elementargewalt über Europa ergießt?
„Man
kann erwidern, dass die Rüstungen nichts bedeuten, dass sie eher eine
Friedensgewähr als eine neue Kriegsgefahr sind, und dass gerade die Fürchterlichkeit
der neuen Waffen den Krieg unwahrscheinlich mache. Wiewohl nun dieses
Argument seine Richtigkeit hat, so widersprechen doch die Tatsachen den
daraus abgeleiteten Folgerungen; denn die Nationen mit den kleinsten
Armeen erfreuen sich des gesichertsten Friedens, und die Völker, die über
die größten Streitkräfte verfügen, schwanken bereits am Rande des
Abgrundes. Die Schweiz, Holland, Belgien, Schweden, Norwegen, die
Vereinigten Staaten von Nordamerika unterhalten zur ganzen Welt
freundschaftliche Beziehungen; Frankreich, Russland, Deutschland, Österreich-Ungarn
und Italien, die bis an die Zähne bewaffnet sind und unter der Last ihrer
Rüstungen fast zusammenbrechen, sehen sich gegenseitig immer mit
drohenden Blicken an. Sie häufen Kriegslast und Völkerhass, so dass es
nur eines jämmerlichen Vorwandes bedarf, um einen Ausbruch herbeizuführen.
Schon der harmlose Besuch der Kaiserin Friedrich in Paris regte die Welt
auf, verursachte Kursstürze an den Börsen und ließ jede europäische
Regierung sich ernstlich beraten. Eine Beleidigung, deren sich der
geringste Pariser der Kaiserin gegenüber schuldig gemacht hätte, würde
ihren kaiserlichen Sohn bewogen haben, zum Schwert zu greifen. Es lag
mithin damals im Bereich eines müßigen Gassenjungen, das europäische
Gleichgewicht zu stören. Welch schreckliche Begleiterscheinung für
unsere Zivilisation ist es doch, dass das Wohlergehen, ja das Leben von
Millionen unserer Mitmenschen vom Belieben oder der mehr oder weniger großen
Friedfertigkeit eines einzelnen Mannes abhängen kann! Nichts ist
deutlicher erkennbar, als dass die Menschheit gegenwärtig an einem
Scheideweg steht. Die Rüstungen haben ihren Höhepunkt erreicht; in
Europa ist ein Mehr nicht mehr denkbar. Italien ist bereits infolge seines
Kriegsbudgets dem Bankrott nahe und kann jeden Tag von einer Revolution
heimgesucht werden. Viele denkende Publizisten halten dafür, dass die Völker
Europas entweder abrüsten oder losschlagen müssen. Wie richtig hat doch
unser Herr prophezeit: Auf Erden wird den Leuten bange sein, sie werden
zagen, und der Menschen Herzen vergehen vor Furcht und Erwartung der Dinge,
die da kommen sollen auf Erden.“ - Luk. 21:26
Die
Kundgebungen der Sozialdemokraten des Deutschen Reiches, Belgiens und
Frankreichs sind auch keineswegs dazu angetan, die Befürchtungen der
Inhaber der Gewalt zu zerstreuen. Die sozialdemokratischen Abgeordneten im
Deutschen Reichstag stimmen in das Hoch auf den Kaiser nicht ein und
bleiben demonstrativ sitzen; in Belgien beantworteten einmal ihre
Parteigenossen in der Kammer ein Hoch auf den König, der auf Seiten der
Aristokraten und Plutokraten stehen soll, durch Hochrufe auf das Volk und
Pereatrufe für die Kapitalisten, und in Frankreich erklärten einmal die
Kollektivisten in der Kammer, als einer ihrer sozialpolitischen Anträge
abgelehnt wurde, die Revolution werde vollbringen, was der Gesetzgeber auf
friedlichem Wege durchzuführen sich geweigert hat.
Es
ist auch von Bedeutung, dass ein Gesetz, welches das Aufhalten der
sozialistischen Bewegung in Deutschland bewirken sollte, vom Reichstag,
als es dort vorgeschlagen wurde, abgelehnt wurde. Die Presse berichtet,
dass die Ablehnung des Gesetzes folgende Ursache hatte:
„Die
Ablehnung des gegenrevolutionären Gesetzes, der letzten durch die
deutsche Regierung zur Bekämpfung des Sozialismus ausgearbeiteten Maßregeln,
macht ein interessantes Kapitel in der Geschichte einer Nation aus, die
trotz anderer Sprache und Einrichtungen mit uns selbst so vieles gemein
hat.
„Es
ist nun schon viele Jahre her, dass die Aufmerksamkeit auf die auffällige
Zunahme der sozialistischen Partei gelenkt wurde. Erst im Jahre 1878 aber,
als zwei Anschläge auf das Leben des Kaisers gemacht wurden, entschloss
sich die Regierung zu Unterdrückungsmaßregeln. Das erste Gesetz gegen
die Sozialisten wurde im Jahre 1878 für eine Zeit von zwei Jahren
durchgebracht, und es wurde in den Jahren 1880, 1882, 1884 und 1886
erneuert.
„Zu
dieser Zeit wurde eine ergänzende Gesetzgebung als notwendig betrachtet,
und im Jahre 1887 schlug Bismarck dem Reichstag ein Gesetz vor, welches
den Behörden die Macht geben sollte, die sozialistischen Führer auf
gewisse Örtlichkeiten zu beschränken, ihnen ihre Rechte als Bürger zu
entziehen und sie aus dem Lande auszutreiben. Das Parlament stimmte dem
Vorschlage des Kanzlers nicht zu; es begnügte sich mit der Erneuerung des
alten Gesetzes.
„Zum
Teil hoffte man nun, dass die Veranlassung zu weiteren Unterdrückungsgesetzen
aufhören würde. Das fortwährende Wachstum der sozialistischen Partei,
die vermehrte Kühnheit ihrer Propaganda, zusammen mit Vorfällen von
anarchistischen Gewalttaten in Deutschland und in anderen Teilen Europas
trieben die Regierung jedoch zu weiterem Dazwischentreten. Im Dezember
1894 deutete der Kaiser an, dass beabsichtigt sei, mit neuer Gesetzgebung
dem Wirken derjenigen entgegenzutreten, die sich bemühten, innere Unruhen
hervorzurufen.
„Noch
vor Ablauf des Jahres wurde das gegenrevolutionäre Gesetz der
Volksversammlung unterbreitet. Es bestand aus einer Reihe von
Verbesserungen des allgemeinen Strafgesetzbuches und wurde als bleibender
Teil des Strafgesetzes vorgeschlagen. Es wurden darin Geld- und Gefängnisstrafen
angedroht für alle, die in einer dem allgemeinen Frieden gefährlichen
Weise die Religion, die Monarchie, die Ehe, die Familie oder das
Eigentumsrecht mit dem Ausdruck der Beschimpfung öffentlich angegriffen
haben, oder die öffentlich Aussagen unterstützt oder verbreitet haben,
von welchen sie wussten, oder von denen sie aus den Umständen schließen
mussten, dass sie erfunden oder entstellt waren, wenn sie es in der
Absicht taten, die Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der Behörden
herabzusetzen.
„Das
neue Gesetz enthielt auch Vorkehrungen ähnlicher Art, die gegen die
sozialistische Propaganda im Heer und in der Marine gerichtet sind.
„Wenn
der Widerstand nur vom Sozialismus inner- und außerhalb des Parlaments
gekommen wäre, so würde die Regierung mit ihrem Gesetz triumphiert haben.
Die Art aber, in welcher die Vergehen einzeln angeführt wurden, zusammen
mit dem Umstand, dass die Auslegung des Gesetzes in so weitgehendem Maße
den Richtern überlassen war, erweckte das Misstrauen, ja, sogar die
Beunruhigung weiter Teile des Volkes, welche in den Bestimmungen eine
Bedrohung der Rede-, der Lehr- und der öffentlichen Versammlungsfreiheit
erblickten.
„Als
der Reichstag die Besprechung der Maßregeln aufnahm, begann demgemäss im
Vaterland eine Bewegung einzusetzen, dergleichen man noch niemals gesehen
hatte. Petitionen von Autoren, Verlegern, Universitätsprofessoren,
Studenten und Bürgern ergossen sich über das Parlament, bis, wie
versichert wurde, mehr als 1,5 Millionen Protestunterschriften eingereicht
worden waren.
„Große
Zeitungen, wie das Berliner Tageblatt, übersandten dem Reichstage
Bittschriften ihrer Leser, die zwanzig- bis hunderttausend Unterschriften
enthielten. Inzwischen war der Widerstand von vierhundert deutschen
Hochschulen bei einer Hauptversammlung von Delegierten, welche in der
Hauptstadt abgehalten wurde, gegen die Gesetzesvorlage gerichtet worden.
„Die
Ablehnung einer Vorlage, die in so weiten Kreisen auf Widerstand stieß,
war unvermeidlich und die sozialistische Partei trug zweifellos den
Hauptteil zu der Niederlage der Regierung bei. Gleichwohl lehnte der
Reichstag die Vorlage nicht ab, weil die Sozialisten dies anstrebten,
sondern weil man glaubte, dass der Entwurf in beinahe gesetzloser Weise
die Rechte des Volkes im allgemeinen gefährde.“
In
London soll der Sozialismus beständig Boden gewinnen, während der
Anarchismus anscheinend still liegt. Die unabhängige Arbeiterpartei,
welche die größte Macht der organisierten Arbeiter in England darstellte,
ist jetzt zugestandenermaßen eine sozialistische Organisation. Sie
erwartet, dass binnen kurzem ein blutiger Umsturz komme, dessen Folge die
Errichtung einer sozialistischen Republik auf den Trümmern der gegenwärtigen
Monarchie sein wird.
Diese
Erscheinungen veranlassen natürlich Fürsten und Regierungen, besondere
Vorkehrungen zu ihrem Schutz und zur Wahrung ihrer Interessen der
drohenden Revolution und allgemeinen Anarchie gegenüber zu treffen. Sie
suchen sich untereinander zu verbünden; allein sie trauen einander so
wenig, dass kein Bündnis ihnen wieder Zuversicht zu geben vermag. Die Völker
zürnen und hassen einander und sinnen auf Rache, und wenn sie miteinander
verkehren, so tun sie es nur um des eigenen Vorteils willen. Darum werden
auch ihre Bündnisse nur so lange Bestand haben, wie ihre selbstsüchtigen
Pläne damit vereinbar sind. Zuneigung und Wohlwollen liegt ihnen nicht
zugrunde und die Tagespresse lässt erkennen, dass es gar nicht möglich
sein wird, eine Politik zu finden, welche alle Nationen unter einen Hut
bringt. Die Hoffnung, welche auf die Bündnisses der Mächte abstellt, ist
daher eitel!
Die
Geistlichkeit nicht länger ein Bollwerk!
Freilich
richten sich die Blicke der Mächte, nachdem sie bis zu einem gewissen
Grade erkannten, dass sie sich aufeinander nicht verlassen können,
angstvoll auf die Kirche, nun aber nicht auf die wahre Kirche, deren
wenige Angehörige Gott allein kennt, sondern auf die große Namenkirche,
von der allein die Welt weiß. Sie soll ihren moralischen Einfluss, ihre
geistliche Autorität in dem Streit zwischen Regierenden und Regierten in
den Dienst der ersteren stellen. Die Kirche ist hierzu nur zu gerne bereit.
Sie tritt gern in die Bresche und würde gerne freundschaftlichere
Beziehungen zwischen den streitenden Parteien herstellen; denn die
Vorteile der politisch Mächtigen sind auch die der kirchlich Mächtigen.
Aber von daher ist keine Hilfe zu erwarten; die Masse hat keinen Respekt
mehr vor Priestertum und Staatsgewalt. Nichtsdestoweniger wird mit diesem
Notbehelf wenigstens ein Versuch gemacht. So hat zum Beispiel der Deutsche
Reichstag, der seiner Zeit unter dem Einfluss Bismarcks den Jesuitenorden
als staatgefährlich vom Reichsgebiet verbannte, das Verbot der
Redemptoristen widerrufen, in der Hoffnung, dadurch das Zentrum zu
verpflichten und für die Wehrgesetzgebung zu gewinnen. Bei der Debatte,
die dem Beschluss voranging, ist die Bemerkung gefallen, dass die Rückkehr
der Redemptoristen ungefährlich sei, weil auch diese von der
bevorstehenden Flut (der sozialdemokratischen Revolution) hinweggefegt
werden würden. Das Haus lachte, die Bemerkung wird sich aber als
Prophezeiung erweisen.
Die
Furcht vor dem Umsichgreifen der Anarchie und dem sozialen Krieg ist es
auch, welche die Versuche der weltlichen Macht in Italien veranlasst haben,
sich mit der Kirche auszusöhnen. So ist eine Rede Crispis zu verstehen,
worin er sagte, dass die gegenwärtige Gesellschaftsordnung einer Krisis
entgegentreibe, dass es Pflicht und geraten sei, dass bürgerliche und
kirchliche Gewalt mit vereinten Kräften der infamen
gesellschaftsfeindlichen Bande Widerstand leiste, die auf ihre Fahne die
Devise: „Kein Gott! Kein König!“ geschrieben habe, dass endlich die
Gesellschaft den Kampf mit dem Feldgeschrei: „Für Gott, König und
Vaterland!“ aufnehmen müsse.
Diese
Furcht ist es, welche alle zivilisierten Nationen bewogen hat, ihren
Frieden mit dem Papste zu machen. Dieser gibt sich daher bereits der
Hoffnung hin, einen guten Teil seiner verlorenen weltlichen Macht wieder
zu gewinnen. Er darf dies um so mehr, als bei seinem Priesterjubiläum
alle Staatsoberhäupter der Namenchristenheit, mit Ausnahme des Königs
von Schweden, ihm wertvolle Geschenke haben übermitteln lassen. Dieselben
fühlen sich eben der furchtbaren Macht der erwachenden Welt nicht
gewachsen, und darum appellieren sie verzweifelnd an die einstige Macht
des Papstes, des Tyrannen, der seiner Zeit die ganze Namenchristenheit in
seiner Gewalt hatte. Zwar hassen sie diesen Tyrannen, doch wenn sie mit
seiner Hilfe die unzufriedenen Völker niederzuhalten vermöchten, wären
sie zu den weitgehendsten Zugeständnissen bereit.
Viele
erkennen die Berechtigung der römischen Kirche an, sich als Bollwerk
gegen die steigende Flut des Sozialismus und Anarchismus zu betrachten.
Diesen möge dienen, was der zum Protestantismus übergetretene frühere
Jesuit Graf Hönsbröch in den „Preußischen Jahrbüchern“ (1895) über
die Fortschritte der Sozialdemokratie in dem stockkatholischen Belgien
sagt:
„Belgien
ist seit Jahrhunderten katholisch und ultramontan bis ins Mark. Unter
seinen rund 6 Millionen Einwohnern zählte man nur etwa 15.000
Protestanten und 3.000 Juden. Die katholische Kirche beherrscht in Belgien
das öffentliche Leben. Hier feiert sie ihre größten Triumphe und rühmt
sich ihrer. Mit ganz wenigen Ausnahmen beherrscht sie den Unterricht,
namentlich in den öffentlichen Volksschulen. Nun, wie steht es mit dem
Sozialismus in diesem gut katholischen Belgien? Die letzten Wahlen haben
ergeben, dass ein Fünftel aller abgegebenen Stimmen auf
sozialdemokratische Kandidaten fiel, und dabei muss berücksichtigt werden,
dass die nichtsozialistischen Parteien über viel mehr Anhänger mit
doppeltem oder dreifachem Stimmrecht verfügen als die sozialdemokratische
Partei. Nun beschuldigen freilich die Ultramontanen den Liberalismus, er
sei am Wachstum der Sozialdemokratie schuld; das ist bis zu einem gewissen
Grade richtig; wo bleibt aber die Schutzwehr, welche die Klerikalen gegen
Sozialismus, Religionsfeindlichkeit und sittlichen Verfall sein wollen? Wo
kommen die Liberalen her in einem Lande, wo die katholische Kirche der
Arzt für alle Übel ist, denen Staat und Gesellschaft ausgesetzt sind?
Der Katholizismus kann ebenso wenig vor dem atheistischen Liberalismus wie
vor dem Sozialismus schützen. Bei einer Umfrage, die im Jahre 1886 erging,
um über die Lage der Arbeiter einiges zu erfahren, lauteten von vier
Antworten je drei dahin, dass das religiöse Gefühl beim Volk entweder
verkümmert oder ganz abhanden gekommen sei, und dass die katholische
Kirche ihren Einfluss immer mehr einbüße. Aus Lüttich, der Stadt mit
den 38 Kirchen und 35 Klöstern, lautete der Bescheid ganz hoffnungslos;
aus Brüssel wurde berichtet, dass in der Arbeiterklasse neun Kinder von
zehn illegitim seien und die sittlichen Begriffe jeder Beschreibung
spotten. So sieht es in einem Land aus, wo auch der Sozialdemokrat, wenn
er überhaupt in die Schule gegangen ist, dies bei den Ultramontanen getan
hat, in einem Land, wo alljährlich mehr als eine halbe Million
katholische Predigten und Katechismusstunden gehalten werden! Das Land,
das mit Fug und Recht den Namen „Land der Klöster und Pfaffen“
erhalten hat, ist jetzt das Eldorado der sozialen Revolution geworden!“
Außerordentliche
Kriegsrüstungen
Gerade
die Furcht vor dieser Revolution ist es auch, welche die Nationen der
Namenchristenheit zu so außerordentlichen Kriegsvorbereitungen treibt.
Ein Londoner Blatt berichtet:
„Fünf
Nationen in Europa haben Kriegsfonds im Gesamtbetrag von 6 1/4 Milliarden
(Frank) angelegt, um zum männermordenden und länderverwüstenden Kriege
stets bereit zu sein. Deutschland ist hier mit seinem Beispiel
vorangegangen, indem es 1500 Millionen in einem festen Turm vergraben hat.
Frankreich hat 2 Milliarden, Russland trotz seiner Hungersnot 2 1/4
Milliarden, Österreich 3/4 und Italien immerhin noch 1/4 Milliarde zum
gleichen Zwecke hinterlegt. Diese riesigen Geldsummen liegen einfach brach.
Sie sollen und dürfen nur im Kriegsfall angetastet werden. Kaiser Wilhelm
hat sogar gesagt, eher werde Deutschland seinen Verpflichtungen nicht
nachkommen, als dass auch nur eine Mark aus seinem Kriegsfond hervorgeholt
werde.“
In
einer Veröffentlichung des Washingtoner Kriegsdepartements vom Februar
1895 sind die Streitkräfte einiger Staaten wie folgt angegeben:
„Österreich-Ungarn
1.794.175 Mann; Belgien 140.000; England 662.000; Frankreich 3.200.000;
Deutschland 3.700.000; Italien 3.155.036; Russland 13.014.865; Spanien (Spezialtruppen)
400.000; Schweiz (mit Landsturm) 486.000. Demgegenüber haben die
Vereinigten Staaten 141.846 ausgebildete Truppen; 9.582.806 könnte man
bewaffnen.“
Angesichts
dieser Zahlen muss man dem „New York Herald“ beistimmen, wenn er sagt:
„Der
nächste Krieg in Europa, wann er auch kommen mag, wird von einer
vernichtenden Heftigkeit sein, wie dieselbe bis auf den heutigen Tag noch
nicht bekannt war. Jede Einnahmequelle ist herangezogen, wenn nicht
ausgezehrt worden für den kriegerischen Zweck. Es wäre unnütz zu sagen,
dass die Welt dergleichen noch nicht gesehen hat, denn es hat nie zuvor so
mörderische Kriegsmittel gegeben. Europa ist ein großes Heerlager. Die
Hauptmächte sind bis an die Zähne bewaffnet. Nicht zum Zweck von Paraden
und Belustigung werden diese gewaltigen Anstrengungen gemacht. Riesenhafte
Armeen mit höchster Disziplin und mit vollendeter Bewaffnung, die sich
auf ihre Gewehre lehnen oder die Zügel in der Hand haben, warten im Lager
oder auf dem Felde auf das Signal, um gegeneinander loszurücken. Ein
Krieg in Europa bringt nur in einer Hinsicht etwas zustande, und das ist
die Notwendigkeit eines weiteren Krieges.
„Man
sagt, dass große stehende Heere für den Frieden garantieren. Dies mag für
eine Weile der Fall sein, aber nicht auf die Dauer, denn die bewaffnete
Untätigkeit in so großem Maßstabe erfordert zu viele Opfer, und schließlich
wird die Welt einen Krieg dem erdrückenden bewaffneten Frieden vorziehen.“
Moderne
Kriegswaffen
„Die
Kriegsmaterialausstellung im Kriegs- und Marinedepartement in
Washington“, sagt ein Pittsburger Blatt, „muss auch dem Sorg- und
Gedankenlosesten den bangen Gedanken aufdrängen, wohin uns die stets
neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Feuerwaffen noch führen werden.
Haben es denn die Regenten auf die Vernichtung statt auf die Erhaltung und
Vermehrung des Menschengeschlechtes abgesehen? Da sind Erfindungen, die es
einem einzelnen Manne möglich machen, 1.000 Mann umzubringen, ohne mit
der Wimper zu zucken. Nicht nur Schwert, Speer und Schild, nein alle
Waffen, die im amerikanischen Bürgerkrieg noch Verwendung fanden, sind
bereits veraltet. Sollte morgen ein innerer oder äußerer Krieg
ausbrechen, so könnten wir ebenso gut unternehmen, uns mit Flügeln zu
versehen und die Schlachten in der Luft zu schlagen, als mit den Waffen in
den Krieg zu ziehen, die ein Vierteljahrhundert alt sind. Einige Geschütze
und Schiffe, die am Ende des Bürgerkrieges aufkamen, könnten vielleicht
in annähernd genügender Weise für die modernen Kriegsbedürfnisse
umgestaltet werden, das meiste aber würde sich neuen, so weit überlegenen
Kriegsmaschinen gegenüber sehen, dass es soviel wie wertlos wäre. Man
denke nur an die automatische Maxim-Mitrailleuse, das ingeniöseste und fürchterlichste
der modernen Geschütze. Man will dieselbe gar in großem Kaliber (6-zöllig)
herstellen und so einrichten, dass sie 10 Schüsse in der Sekunde abgeben
und von einem einzelnen Manne, ja einer Frau, einem Kinde bedient werden
kann. Eine Handfeuerwaffe Maxims ist so leicht konstruiert, dass ein
einzelner Schütze neben der Waffe Munition genug zu tragen vermag, um
eine ganze Straße von aufrührerischem Pöbel zu säubern. (Es ist
auffallend, dass die Erfinder von Feuerwaffen die Straßenkämpfe und
Revolutionen als sicher bevorstehend ansehen. Seit wann sind sie Propheten?)
Auch diese Handkanone kann 10 Schüsse in der Sekunde abgeben und ihr Träger
ist zudem durch einen Schild gegen feindliche Kugeln geschützt. (Es sei
denn, dass der Pöbel ihm die Maschine raube. Überhaupt scheinen die
Geschützerfinder davon überzeugt zu sein, der Pöbel werde sich
widerstandslos niederschießen lassen, als gebe es keine Bombenwerfer und
Brandstifter bei einem Aufruhr! Immerhin haben die Erfinder ihr Teil zur
Abwehr des Pöbels getan!) Eine Ladung dieses kleinen Geschützes genügt,
um eine Straße zu säubern. Dasselbe kann auch oben auf einer Mauer oder
in einem Fenster gleich wirksam aufgestellt werden. Eine Kurbeldrehung
bringt das Geschützrohr stets in die richtige Lage; nie ist der Schütze
selber gefährdet. So vollkommen diese Waffe nun erscheinen mag, so darf
man doch nicht wähnen, sie bilde den Schluss der Serie derartiger
Erfindungen. Im Gegenteil, sie bildet gerade den Anfang. Umsonst hat man
Schutzmittel gegen die vervollkommneten Geschütze zu konstruieren gesucht.
Die Herstellung eines Kriegsfahrzeuges, das einem platzenden Torpedo
standhalten könnte, ist einfach nicht denkbar. Kein Fort kann fest genug
erstellt werden, dass es den neuesten Dynamit-Sprenggeschossen widerstehen
könnte. Auch die lenkbaren Luftschiffe werden kommen und mit leichten
einfachen Geschützen armiert, mittelst deren ein einzelner Mann einen
Hagel von Geschossen auf eine ganze Armee oder eine Festung ausgießen und
diese vernichten wird. Der Krieg wird mithin gegenseitiger Vernichtung
gleichkommen. Die Armeen, Kriegsschiffe und Kriegsballons werden einander
einfach verschwinden lassen.“
Über
die obenerwähnten Dynamit-Geschosse (Maxim Schupphaus) berichtet die
„World“:
„Sie
können durch eine eigens konstruierte Kanone 10 Meilen weit geschleudert
werden und, wo sie platzen, alles im Umkreis von mehreren hundert Fuß
vollständig zertrümmern. Die Sprengladung der Kanone ist so eingerichtet,
dass der Druck bei deren Entzündung nicht nur wie bisher ein momentaner
ist und schon während der Zeit, da das Geschoss im Laufe der Kanone nach
vorn rückt, abnimmt, sondern vielmehr während dieser Zeit zunimmt; das
wird dadurch erreicht, dass die brennende Zündmasse im Moment, wo das
Geschoss die Mündung erreicht, schon 16 mal größer ist als im Moment,
wo das Geschütz abgefeuert wurde. So verlässt das Geschoss den Lauf mit
der denkbar größten Anfangsgeschwindigkeit. Bei Versuchen mit dieser
Ladung, die an 10-Zoll-Strandgeschützen gemacht wurden, sind 571 Pfund
schwere Geschosse 13 km weit befördert worden. Hauptvorteil des gleichmäßigen
Abbrennens der Ladung ist die Verteilung des Druckes auf das ganze Rohr.
Das ermöglicht vorab viel genaueres Zielen, und sodann gestattet es, die
Wände des Laufes viel dünner zu halten. So denken sich Maxim und
Schupphaus ihr projektiertes 20-Zoll-Strandgeschütz ungefähr 30 Fuß
lang, aber mit nur 2 Zoll dicken Laufwänden, während die Mörser eine
Laufdocke von 8-10 Zoll aufweisen. Den Rückstoß sollen hydraulische
Vorrichtungen aufheben. Mit je einem solchen Geschütz zu beiden Seiten
des Hafeneinganges beherrscht New York das Meer vollständig auf einen
Umkreis von 16 km. Ein Schiff, das sich in diesen Umkreis wagen würde, wäre
rettungslos verloren; das Sprenggeschoss würde das Schiff vollständig
zerstören, selbst wenn es auf 50 Fuß Distanz im Wasser platzen würde,
und auf 150 Fuß noch würde die Explosion das Schiff schwer genug beschädigen,
um es kampfunfähig zu machen.
„Dazu
kommt noch das rauchlose Pulver. Von ihm sagt der Kriegstechniker R. J.
Gatling, dass die Völker sich noch gar keinen Begriff machen von der Umwälzung,
welche das rauchlose Pulver in der Kriegführung herbeiführen muss. Es
hat drei bis vier Millionen Gewehre, die für Schwarzpulverpatronen gebaut
sind, und ungezählte Millionen Schwarzpulverpatronen wertlos gemacht. Das
ist eine Kapitalverschwendung, die beim Fortschritt der Technik nicht zu
umgehen ist. Auch die Kanonen müssen dem neuen Sprengstoff angepasst
werden, der die Geschosse gerade doppelt so weit befördert wie das
Schwarzpulver. Ferner muss die Taktik eine ganz andere werden. Vorrücken
geschlossener Truppenmassen unter feindlichem Feuer wäre absolut unmöglich.
Der amerikanische Bürgerkrieg hätte, wäre damals rauchloses Pulver zur
Anwendung gelangt, keine drei Monate gedauert.“
Ganz
richtig bemerkt daher der „Cincinnati Enquirer“:
„Der
nächste Krieg wird ganz neue Formen annehmen und wird so fürchterlich
sein, dass die zivilisierte Welt auf immer dafür gebrandmarkt bleiben
wird. Die ungeheuren Volksheere, das unwiderstehliche rauchlose Pulver,
die Magazingewehre und die furchtbare Artillerie, welche ganze Armeen hinmähen
wird, wie wenn ein Sturm den Apfelbaum schüttelt, die Beobachtungsballons,
die Artillerieluftschiffe, die Städte und Festungen schneller zerstören
werden, als ein Bombardement auf fester Erde es vermöchte, die
Feldeisenbahn für die schwere Artillerie, das elektrische Licht und das
Telephon, alles das wird die Kriegführung ganz und gar umgestalten. Da
der Versuch damit noch gar nicht gemacht worden ist, werden wir die
entsetzlichsten Überraschungen erleben.
Jede
Nation behauptet, sie wappne sich nur zu Verteidigungszwecken; je stärker
sie sei, um so weniger werde man wagen, sie anzugreifen. Der Friede wird
mithin gerade durch die Fürchterlichkeit der Kriegsrüstungen erhalten.
So ironisch das klingen mag, verschlingen aber diese Rüstungen allmählich
allen öffentlichen Wohlstand. Sie gleichen einem grundlosen Krater, den
man mit Explosivstoffen zu füllen sucht. So erstaunlich es klingt, es ist
tatsächlich so: Europa hat sich einen ungeheuren Krater gegraben und ist
nun bemüht, ihn wieder auszufüllen; als Füllung aber gebraucht es die
feuergefährlichsten Stoffe, ist dann aber ängstlich besorgt, den
Feuerbrand vom Krater ferne zu halten. Sollte aber einmal in einem
unbewachten Augenblick der Ausbruch erfolgen, dann wird die ganze Welt die
Erschütterung verspüren und schaudern. Der Krieg wird dann so
entsetzlich sein, dass sich eine Strömung von Volk zu Volk Bahn brechen
wird zugunsten neuerer, unserer Zeit würdigerer Mittel, um internationale
Fragen zu lösen. Dann wird der Krieg selbst angesichts des angerichteten
Zerstörungswerkes auf immer in Acht und Bann erklärt werden.
„Eine
kleine Probe mit modernen Kriegsmitteln ist im japanisch-chinesischen
Kriege gemacht worden. Ein auf chinesischer Seite stehender Marineoffizier
berichtet über seine Erlebnisse an Bord des Panzerkreuzers Chen Yuen: Die
Luft in den geschlossenen Räumen war sehr kärglich zugemessen. Der Lärm,
den das Aufprallen feindlicher Geschosse gegen die Panzer verursachte,
spottet jeder Beschreibung. Ich hatte zwar Baumwolle in die Ohren gestopft,
doch bin ich jetzt noch taub infolge jenes Höllenlärms. Die Mannschaft,
welche die Maschinen bediente, musste bei Temperaturen bis 200 Grad
Fahrenheit arbeiten! Dabei wurde ihr die Haut von den Armen und Händen
weggebrannt, und jeder Mann verlor sein Augenlicht! Im Verlauf der
Schlacht, als auch mein Haar verbrannt, und meine Augen so blutrünstig
waren, dass ich nur noch mit dem einen sehen konnte, und auch mit dem nur,
wenn ich das Lid mit dem Finger hob, wollte ich mal den Feind feuern sehen.
Wie ich nun um das geschützte Deck herumging, schlug eben ein
zentnerschweres Geschoss durch den Panzer, nahe genug, dass ich die
Bruchstelle mit der Hand erreichen konnte: ich zog sie schwer verbrannt
zurück; die Haut haftete am Panzer! So groß ist die vom Durchschlagen
des Panzers erzeugte Hitze! Im Anfang des Gefechts hatte ein Geschoss, das
auf die geöffnete Tür der Schießluke gefallen war, seinen Weg in den
Schießraum gefunden und dort 7 Mann getötet und 15 verwundet. Die
Mannschaft des Maximgeschützes am Vorderbug des Schiffes wurde, wiewohl
durch eine Blendung gedeckt, durch einen einzigen Schuss niedergestreckt
und grässlich verstümmelt.“
Von
diesen Kriegsvorbereitungen schreibt schon der Prophet Joel (3:9-11):
„Rufet
dies aus unter den Nationen: heiliget einen Krieg, erwecket die Helden; es
sollen herankommen und heraufziehen alle Kriegsmänner. Schmiedet eure
Pflugmesser zu Schwertern und eure Winzermesser zu Speeren“ Der Schwache
sage: Ich bin ein Held! Eilet und kommet her, alle ihr Nationen ringsum,
und versammelt euch!“
Geht
nicht heute dieser Ruf durch die ganze Welt? Sind nicht Starke und
Schwache gleichmäßig bemüht, sich bis zum kommenden Streit schlagfertig
zu machen? Ist nicht sogar die Namenkirche bestrebt, ihren Einfluss auf
die Jungmannschaft zur Erweckung kriegerischer Tüchtigkeit zu gebrauchen?
Was bedeuten denn die machtvollen Armeen und die maßlosen Kriegsbudgets,
die auf allen Völkern lasten, anderes, als dass diese selbst den Krieg,
die große Drangsal kommen sehen und dafür gerüstet dastehen wollen?
Ein
Blick auf die Vereinigten Staaten
Nun
möchte jemand meinen, unter den zivilisierten Staaten nehme die
nordamerikanische Union eine gesonderte Stellung ein, dass sie jedenfalls
der großen Drangsal entrinnen werde. Dem ist jedoch nicht so, sie ist
vielmehr, wie wir in folgendem zu zeigen versuchen werden, von noch
schwereren Schlägen bedroht als die alte Welt. Die Annahme, dass sie
gleichsam das Schoßkind der göttlichen Vorsehung sei und der die Welt
umfassenden Umwälzung entgehen werde, ist unvereinbar mit dem richtigen
Verständnis der Zeichen der Zeit und jener Rechtsgrundsätze, nach
welchen die Vergeltung an den Nationen geübt werden wird.
Freilich
kann kein ehrlicher Denker daran zweifeln, dass die Umstände, unter denen
Amerika entdeckt und sein jungfräulicher Boden besiedelt worden ist, eine
Entwicklungsstufe im Plane der göttlichen Vorsehung bedeutet. Es war, wie
Emerson irgendwo sagt, gleichsam ein letzter Versuch der Vorsehung, dem
Menschengeschlecht Gelegenheit zu geben, in der Luft der Freiheit die
Hilfsmittel der sichtbaren Welt so recht zu entwickeln. Das Urteil ist
richtig, nur dass es nicht der letzte Versuch ist; Emerson hätte dieses
Wort weggelassen, wenn er den göttlichen Plan der Zeitalter erkannt hätte;
er hätte es noch richtiger als ein Glied in der Kette bezeichnet, deren
letzte Glied die Aufrichtung des Reiches Gottes auf Erden bedeutet. In den
Vereinigten Staaten schuf die Vorsehung eine Zufluchtsstätte für alle,
die anderswo der Tyrannei bürgerlicher und kirchlicher Gewalthaber
verfallen waren und entrinnen wollten. Durch den Ozean von den
despotischen Systemen der alten Welt getrennt, konnte der Geist der
Freiheit hier atmen und ein Versuch der Selbstregierung der Völker
gelingen. Diese Umstände haben das große Werk des Evangeliums-
Zeitalters, die Auswahl der wahren Kirche, mächtig gefördert; es besteht
daher begründete Hoffnung, dass auch hier die Ernte am reichlichsten
ausfallen wird. In keinem anderen Lande konnte das Ernte-Evangelium, der
Plan der Zeitalter, seine Zeiten Zeitabschnitte und Vorzüge so
ungehindert und frei verkündet und verbreitet werden. In keinem anderen
Land sind so viele Geister so frei von den Banden des Aberglaubens und der
Menschensatzungen, dass sie die jetzt fällige Wahrheit leicht erfassen,
gerne annehmen und ihrerseits weiter verbreiten. Das ist, soweit wir sehen,
die besondere Mission Amerikas im göttlichen Plane. Es musste etwas
geschehen für sein Volk, das anderswo nicht so leicht geschehen konnte.
Darum erweckte, als die Hand des Bedrückers den Geist der Freiheit zu erwürgen
suchte, die Vorsehung einen Washington, der die zwar armen, aber
freiheitsliebenden Bürger der dreizehn Kolonien zur nationalen Unabhängigkeit
führte. Als die Zeit erfüllt war, dass vier Millionen Sklaven die
Freiheit erhalten sollten, und als die Union auseinander zufallen drohte,
da erweckte Gott einen anderen wackeren und energischen Mann in der Person
Abraham Lincolns, der die Ketten der Sklaven zerriss und den Staat
zusammenzuhalten wusste.
Die
Nation aber als solche hat nicht und hatte nie einen Anspruch auf die göttliche
Vorsehung. Was die Vorsehung in diesen Ereignissen tat, geschah einzig im
Interesse des Volkes Gottes. Die Nation als solche hat keinen Grund und
keine Aussicht, auf immer fortzubestehen. Sie wird bleiben, bis Gott durch
sie seine Vorsätze mit Bezug auf sein Volk durchgeführt, bis er seine
Auserwählten ausgeschieden und beisammen haben wird. Dann werden die Stürme
der großen Drangsal auch über sie dahinbrausen, da auch sie eines der
Reiche dieser Welt ist, die dem Reiche des eingeborenen und geliebten
Sohnes Gottes werden Platz machen müssen.
Die
günstigen Verhältnisse, unter denen dort die breiten Volksmassen leben,
lassen auch den ärmeren Klassen die Annehmlichkeiten des Lebens und die
persönlichen Rechte in anderem Lichte erscheinen. Hier entstammten schon
wiederholt hervorragende Männer, Präsidenten, Kongressmitglieder,
Rechtsgelehrte usw., den bescheidensten Familienverhältnissen.
Freiheitsdrang, Ehrgeiz, Fleiß und Intelligenz hatten sie gehoben. Keine
erbliche Aristokratie befindet sich im ausschließlichen Besitz großer
Vorzüge; das Kind des Ärmsten kann Ehrenstellen und Reichtum begehren
und gewinnen. Welchem Schuljungen in der Union hat man nicht gesagt, dass
er einmal Präsident werden könnte? Alle Vorzüge, deren große Männer
in allen möglichen Stellungen sich erfreuen, erfüllen die Zukunftsträume
der amerikanischen Jugend. Die Staatseinrichtungen, weit entfernt,
Hoffnungen dieser Art zu knicken, dienen dazu, sie zu fördern und ihre
Erfüllung in den Bereich der Möglichkeit zu rücken. Indem jedem der Weg
zu den hohen und höchsten Ämtern und Würden offen steht, ist das ganze
Volk auf ein höheres Niveau gehoben, sein Drang nach Bildung und
Gesittung verstärkt. Die Schule, durch keine Gesetze gebunden, kam diesem
Drange freudig entgegen. Zeitungen, Zeitschriften, Bücher usw. stellten
die Verbindung aller Klassen untereinander her und machten es jedem
einzelnen möglich, sich über alles ein eigenes Urteil zu bilden und mit
dem Stimmzettel es bewusst zu betätigen.
Aber
ein souveränes Volk, das sich so geachtet fühlt und die Menschenrechte
so hoch schätzt, wird auch ganz natürlich allen Versuchen, seinem
Streben oder seiner Handlungsfreiheit Fesseln anzulegen, in sehr
entschlossener Weise widerstehen. Gerade jetzt beginnen die Massen, trotz
der freiheitlichen Staatseinrichtungen und der großen Vorteile, welche
diese allen Bevölkerungskreisen verschaffen, zu wittern, dass gewisse Mächte
an der Arbeit sind, um sie möglichst bald in Abhängigkeit zu bringen,
sie ihrer Rechte als freie Bürger zu berauben und um die Segnungen einer
gütigen Natur zu bringen. Aber das Volk sieht die Gefahren, die ihm
drohen, nur undeutlich. Klar ist ihm nur, dass die Anhäufung großen
Reichtums in den Händen weniger die Masse verarmen lässt, dass die
Millionäre alles tun, um die Gesetzgebung zu ihren Gunsten und ihrem
Vorteil zu beeinflussen, und dass auf diese Weise eine Geldaristokratie
sich herausbildet, welche sich binnen kurzer Zeit als eben so hart und rücksichtslos
erweisen wird als irgendeine selbstherrliche Gewalt in der alten Welt.
Diese Gefahr besteht leider, das ist nur zu wahr, aber sie ist nicht die
einzige Gefahr. Selbst ein kirchlicher Despotismus droht uns, und was das
bedeuten will, lehrt uns die Weltgeschichte zur Genüge. Die Kirche,
welche die Union zu unterwerfen sich anschickt, ist die päpstliche. Noch
sieht man die Gefahr nicht allgemein ein, denn Rom macht seine Eroberungen
mittels Verschlagenheit und kriechender Schmeichelei. Es heuchelt große
Bewunderung für die freiheitlichen Institutionen der Vereinigten Staaten,
das Selbstbestimmungsrecht seines Volkes; es schmeichelt und scharwänzelt
den protestantischen Ketzern, welche in dem intelligenten Teil der Bevölkerung
die große Mehrzahl sind; es nennt sie abgetrennte Brüder und versichert
sie seiner unverbrüchlichen Liebe. Gleichzeitig bemächtigt es sich aber
der Schulen, um durch den Jugendunterricht seine Irrlehren zu verbreiten
und seinen Einfluss zu verstärken. In politischen und kirchlichen Kreisen
macht sich Rom geltend, und zudem sucht es durch Förderung der
Auswanderung nach Amerika das katholische Element daselbst zu stärken.
Schon Lafayette, der doch Katholik war, hat, nachdem er die Freiheit der
Kolonien erkämpfen half, erklärt, wenn die Unabhängigkeit der Völker
Amerikas einst Gefahr laufen sollte, so werde es von Seiten der
katholischen Kirche sein.
Anhäufung
großen Privatreichtums, Klerikalismus und Einwanderung heißen mithin die
Gefahren, die den Vereinigten Staaten drohen. Aber die Abhilfe, welche die
Massen zu versuchen sich anschicken, wird schlimmer sein als das Übel
selbst. Wenn die soziale Revolution auch in den Vereinigten Staaten
ausbrechen wird, dann wird sie mit aller Kraft wüten, die amerikanische
Energie und Freiheitsliebe ihr verleihen wird. Man hat daher kein Recht
anzunehmen, dass die Vereinigten Staaten der großen Drangsal entgehen
werden, die über alle Nationen der Namenchristenheit kommen wird. Wie
alle anderen werden sie zerfallen und dem Umsturz und der Anarchie
preisgegeben werden; denn auch sie sind ein Teil der großen Babel. Der
Geist der Freiheit, der hier seit Generationen herrschte, droht bereits
mit einer Heftigkeit und Schnelligkeit über die Stränge zu schlagen, von
der man im alten Europa nichts weiß, wo die monarchischen Gewalten viel mächtiger
sind. Viele Millionäre sehen dies ein und fürchten sogar, dass die
nahende Trübsal gerade in Amerika zuerst Platz greifen werde. Daher kommt
es, dass Leute wie Gordon Bennet, der steinreiche Besitzer des „New York
Herald“, Pulitzer, der Eigentümer der „World“, in Frankreich leben,
der Eisenkönig Carnegie sich in Schottland ein Schloss gekauft hat, dass
Henry Villard, der Großaktionär der Nordpazifikbahn, seine
Liegenschaften verkauft und mit seinen 8 Millionen Dollar nach Europa
ausgewandert ist, dass W. Astor seinen Wohnsitz von New York nach London
verlegt hat und sich um das englische Bürgerrecht bewirbt, dass sogar ein
amerikanischer Gesandter, Van Alan in Rom, sich von seiner alten Heimat
losgesagt und dieselbe als für einen Gentleman nicht bewohnbar erklärt
hat! Aber die Hoffnung, dass die Königreiche dieser Welt irgendeine
Sicherheit bieten, ist eitel. In allen herrscht Angst und Bangen und das
unabweisliche Gefühl, man werde mit den mächtigen, jetzt noch im Zaum
gehaltenen Gewalten bei der schrecklichen Krisis nicht fertig werden.
„Der
Hochmut des Menschen wird gebeugt, und die Hoffart des Mannes erniedrigt
werden ... An jenem Tage (der nun so nahe ist) wird der Mensch seine Götzen
von Silber und seine Götzen von Gold ... den Maulwürfen und den Fledermäusen
hinwerfen, um sich in die Spalten der Felsen und in die Felsklüfte zu
verkriechen vor dem Schrecken Jehovas und vor der Pracht seiner Majestät,
wenn er sich aufmacht, die Erde zu schrecken.“
„Alle
Hände werden erschlaffen, und alle Knie werden zerfließen wie Wasser.
Und sie werden sich Sacktuch umgürten, und Schauder wird sie bedecken,
und auf allen Angesichtern wird Scham sein, und Kahlheit auf allen ihren Häuptern.
Ihr Silber werden sie auf die Gassen werfen, und ihr Gold wird als Unflat
gelten; ihr Silber und ihr Gold wird sie nicht erretten können am Tage
des Grimmes Jehovas.“ - Jes. 2:17-21; Hes. 7:17-19
Aber
auch die Regierungsgewalten werden sie nicht schützen; denn auch über
sie wird kommen das Gericht des Herrn und die böse Frucht ihrer Torheit.
Sie haben Zorn aufgehäuft auf den Tag des Zornes; sie haben den Vorteil
weniger gefördert und auf das Schreien der Armen und Notleidenden nicht
geachtet; der Herr der Heerscharen aber hat es gehört und sich ihrer
angenommen, und er erklärt (Jes. 13:11,12):
„Ich
werde heimsuchen an dem Erdkreis die Bosheit, an den Gesetzlosen ihre
Missetat; und ich werde ein Ende machen dem Hochmut der Stolzen und die
Hoffart der Gewalttätigen erniedrigen. Ich will den Sterblichen kostbarer
machen, als gediegenes Gold, und den Menschen als Gold von Ophir.“
Daraus
sehen wir, dass Gottes alles lenkende Vorsehung bei der Endkatastrophe den
Bedrängten Freiheit verschaffen wird. Das Leben der Massen wird ihr nicht
zum Opfer fallen, dagegen wird sie mit allen Ungleichheiten der gegenwärtigen
Gesellschaft gründlich aufräumen. Wahrlich, das ist die geweissagte Zeit
von der Furcht und dem Zittern der Nationen. Die Stimme der unzufriedenen
Massen ist vorgeschattet durch das Brausen des Meeres, und den denkenden
Menschen entfällt das Herz ob der Furcht vor dem schrecklichen Verhängnis,
dessen schnelles Herannahen jedermann sehen kann; denn die „Kräfte des
Himmels“ das heißt eben die gegenwärtig herrschenden Gewalten, sind
schon stark erschüttert. Einige lassen sich durch die Zeichen der Zeit
belehren und erinnern sich des Spruches: „Siehe, er kommt in den Wolken!“
Sie ahnen daher die Gegenwart des Menschensohnes, doch verstehen sie sie
nicht recht. Immerhin hat ein Professor Herron unlängst in einem Vortrag
über „die christlichen Erweckungen“ in San Francisco ausgerufen:
„Christus
ist hier, und jetzt gerade ergeht sein Gericht! Das beste Zeichen dafür
ist, dass wir uns als menschliche Gesellschaft für das Unrecht, das
einzelne begehen, solidarisch fühlen. Das ist die schwere Hand Gottes,
die sich auf unser Gewissen legt. Die Menschheit und alle ihre
Einrichtungen werden jetzt im Lichte der Lehre des Herrn beurteilt.“
Aber
inmitten der Erschütterung der Erde (der organisierten Gesellschaft) und
der Himmel (der kirchlichen Gewalten) sind diejenigen, welche darin die
Ausführung des göttlichen Planes erkennen, fröhlich in der festen
Zuversicht, dass diese schreckliche Erschütterung das letzte Leid sein
wird, das über diese Erde kommt. Denn der Apostel Paulus versichert uns,
dass diese Erschütterung die ganze gegenwärtige Ordnung der Dinge
beseitigen wird, damit das einzige, das da nicht erschüttert werden kann,
das Reich Gottes, das Reich des Lichtes und des Friedens, Raum finde auf
Erden, wo es ewiglich bleiben wird. Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer;
in seinem Zorn wird er alle Systeme der Bosheit und Unterdrückung
verzehren und Wahrheit und Gerechtigkeit fest gründen auf Erden.
Der
Ruf: „Friede!
Friede!“
Doch
trotz des sittlichen Gerichtes Gottes über alle Nationen, trotz der
Tatsache, dass das Zeugnis einer Wolke von Zeugen sich mit
unwiderstehlicher Gewalt und Folgerichtigkeit gegen die ganze jetzige
Ordnung der Dinge erhebt, dass schon jetzt das drohende Urteil und die
Strafe die ganze Welt erzittern lässt, sucht diese ihre Befürchtungen zu
verbergen durch den Ruf: „Friede! Friede!“ da doch kein Friede ist!
Dieser Ruf ging aus von der großen Flottenversammlung bei der Eröffnung
des Nordostseekanals, an der sich alle zivilisierten Nationen beteiligten.
Kaiser Wilhelm II., dessen Großvater den Kanalbau angeordnet, und dessen
Vater ihn begonnen hatte, wollte in Übereinstimmung mit seiner Ansicht,
dass das Schwert das beste Mittel gegen den Friedensbruch bilde, dass die
Eröffnungsfeier einer großen internationalen Friedensproklamation und
gleichzeitig einer Ausstellung der Machtfaktoren, auf denen der Friede
beruhen müsse, gleichkomme. So entbot er denn die Schlachtschiffe (diese
Friedensboten!) aller Nationen auf den 20. Juni 1895 nach Kiel. Und sie
kamen, die schwimmenden, stahlgepanzerten Festungen, über 100 an der Zahl,
darunter 20 riesige Schlachtschiffe, sämtlich vollständig armiert und
mit Maschinen versehen, mit denen sie 17 Seemeilen per Stunde zurücklegen
können.
„Man
kann sich“, erzählte hernach der Londoner „Spectator“, „diese
Ansammlung von Machtmitteln kaum vorstellen. Die in Kiel versammelte
Flotte hätte genügt, um innerhalb weniger Stunden den mächtigsten
Seehafen in einen Trümmerhaufen zu verwandeln und die vereinigten
Handelsflotten der Welt in den Grund zu bohren. Keine noch so gut
befestigte oder verteidigte Küste könnte einer solchen Macht Widerstand
leisten, und Europa kann sich stolz als zur See unbesiegbar und
unangreifbar betrachten. Die in Kiel versammelte Flotte kann füglich als
die Verkörperung der gewaltigsten Kriegsmittel gelten, vorausgesetzt, die
Schlacht dauere nicht länger, als der Schießvorrat vorhält.“
Diese
Schiffe haben mit ihrer Ausrüstung Hunderte von Millionen Dollar gekostet.
Ein einziger Salutschuss aus den 2.500 vorhandenen Geschützen verbrauchte
für mehrere tausend Dollar Schießpulver, und für den Unterhalt der
vornehmen Gäste bei jener Feier musste das deutsche Volk 8 Millionen Mark
hergeben. Die Tischreden des Kaisers und der Vertreter der fremden
Nationen handelten von der neuen Friedenszeit, deren Beginn die Eröffnung
des großen Kanals und die Mitwirkung aller Nationen bei dessen Eröffnung
bedeute. Aber diese stolzen Reden und der Donner der Kanonen, mit dem Kön.
und Fürsten „Friede! Friede!“ riefen und allen gleichzeitig mit
Strafe drohten, die den Feind anders verstehen sollten, ward von den Völkern
keineswegs als die Erfüllung der Verheißung: „Friede auf Erden und an
den Menschen ein Wohlgefallen!“ aufgefasst. Es besänftige nicht die
Sozialdemokraten; es offenbarte kein Universalheilmittel gegen alle
sozialen Schäden; es stillte keine Sorgen und erleichterte nicht die
Lasten, die die Massen der Armen und Unglücklichen zu tragen haben. Es
lag darin keine Verheißung des Wohlgefallens an den Menschen, keine
Andeutung darüber, wie das Wohlgefallen in den Beziehungen von Volk zu
Volk, im Verhältnis von Regierenden zu Regierten zur Herrschaft kommen könne.
Es war mithin nichts als nur elendes Blendwerk, eine große, kecke Lüge
von Volk zu Volk, und so fassten es auch die Nationen auf. Dafür rufen
wir wieder den Londoner „Spectator“ zum Zeugen auf. Er schreibt:
„Die
Ironie der Lage liegt klar zutage; es war ein großes Friedensmahl, ein
Fest der Bauarbeit! Aber den Glanzpunkt desselben bildete die Gegenwart
der Flotten, die mit viel Aufwand an Geld und Kraft einzig den Krieg und
die Zerstörung bezwecken. Ein Panzerschiff hat gar keinen Sinn, wenn es
nicht als Machtmittel in einer Schlacht gedacht ist. Diese Friedensflotte
kann ja in einem Tage jeden Seehafen der Welt zerstören und alle
Handelsschiffe der Welt auf den Grund des Meeres versinken lassen. Welche
Abgründe des Hasses unter den Menschen verdeckte diese stolze
Schaustellung freundschaftlicher Beziehungen! Die Offiziere der französischen
Schiffe lechzen ja nach Rache für den Verlust, den ihr Vaterland erlitten
hat; die russischen mussten sich sagen, dass die Macht, der sie alle Ehre
erwiesen, ihr größter Nebenbuhler und Feind sei; die österreichischen,
dass ihr Vaterland von der festgebenden Macht aus der Mitherrschaft über
die Gebiete, durch die der Kanal sich windet, und aus dem deutschen Bunde
hinausgedrängt worden sei; die dänischen, dass ihnen Preußen einst dies
Land entriss; die holländischen, dass sie keinen Augenblick davor sicher
seien, dass Deutschland den holländischen Handel vernichte, das holländische
Kolonialreich wegnehme und ihrer Laufbahn ein Ende bereite. Der Kaiser
sprach von Frieden, die Admiräle hofften auf Frieden, die Zeitungen in
aller Welt verkündeten im Chor den Frieden, aber alles und jedes in jener
Veranstaltung spricht von kaum vergangenem oder eines schönen Tages
kommendem Kriege. Nie hat es in der Welt eine großartigere Feier gegeben;
aber auch nie eine solche, welche so durch und durch unaufrichtig war.“
Die
„New Yorker Abendpost“ ihrerseits schrieb:
„Schon
die Konzentration von Kriegsschiffen beweist das gerade Gegenteil von
Friedensliebe. Jede Nation entsandte ihre größten Schiffe und schwersten
Geschütze, nicht nur, um dem Gastgeber Ehre anzutun, sondern um den
anderen gleichsam die Zähne zu zeigen. Großbritannien hatte zehn seiner
mächtigsten Fahrzeuge abgeordnet, um zu zeigen, über welche Machtmittel
es verfüge und die anderen Nationen zu warnen, sich ja nicht an der
Beherrscherin des Meeres zu vergreifen. Die Geschwader Frankreichs und
Russlands ließen gleichsam die giftigsten Blicke schießen, damit ihnen
der gastfreie Kaiser Wilhelm nicht gar zu freundlich begegne. Selbst die
amerikanischen Offiziere und Seeleute mochten insgeheim den Gedanken haben,
den hochmütigen Europäern zu zeigen, dass jenseits des Ozeans eine
Seemacht erwachse, die nicht mit sich spaßen lasse. Besonders komisch
machte sich die Anwesenheit der Franzosen und Russen als Freunde des
Friedens oder gar Deutschlands! In einem großen Teile Frankreichs war man
darüber empört. Aber die größte Unaufrichtigkeit liegt in der Eröffnung
des Kanals selbst. Er soll dem Welthandel dienen; daher seine
internationale Bedeutung, daher soviel des Rühmens und Sich-Freuens! Aber
was halten Deutschland und Frankreich und die anderen Mächte des
Kontinents in Wirklichkeit vom Welthandel? Warum sind sie heute noch, wie
vor 20 Jahren bestrebt, dem freien Austausch unter den Nationen
Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg zu legen? Solange die
feindliche Absicht im Handel gegeneinander und die allgemeine Missgunst
besteht, können sie noch so viele Kanäle von Meer zu Meer ziehen; nie
wird man hier Phrasen von den guten Beziehungen von Volk zu Volk und von
der Friedensliebe überhaupt ernst nehmen, sondern stets als Worte
betrachten, welche die Gedanken verbergen sollen.“
Ganz
ähnlich äußerte sich das „Chicago Chronicle“:
„Es
war die reinste Heuchelei, dieser Mummenschanz zu Kiel. Veranstaltet zu
Ehren eines Friedenswerkes gestaltete er sich zu einer Apotheose des
Krieges. Todfeinde trafen sich hier und stellten ihre Waffen zur Schau und
taten sich dabei Gewalt an, um sich freundlich zu begegnen. Aus lauter Höflichkeit
ließ man die Kriegskanonen donnern. Der Kaiser aber bezeichnete die große
Flottenschau im Kieler Hafen als ein Symbol des Friedens und der
Gemeinsamkeit der europäischen Bestrebungen für Verbreitung und
Erhaltung der Zivilisation. Die Erfahrung lehrt freilich das Gegenteil.
Wer ein Gewehr hat, wünscht es abzufeuern. So ist auch für die Völker,
die auf den Krieg vorbereitet sind, der Krieg ein Bedürfnis. Die
Kriegsbereitschaft der europäischen Mächte ist das einzige, was den
Frieden ernstlich bedroht. Mit dem Kanalbau war der Zivilisation ein
trefflicher Dienst geleistet; mit der Feier in Kiel wurde der Barbarei
wieder Tribut gezollt. Der Kanal sollte den Seehandel erleichtern; seine
Vollendung aber feierte man durch die Versammlung von Handelszerstörern!“
Wir
müssen dem „St. Paul Globe“ Recht geben, wenn er nach dem Nutzen der
Panzerschiffe für die Zivilisation, nach den Seeräuberflotten, von denen
es das Meer zu säubern gelte, nach den wilden Völkern, die wir mit
elektrischen Scheinwerfern aufklären könnten, fragt und auf die betrübende
Tatsache hinweist, dass keine der in Kiel vertretenen Nationen es wagen würde,
eine Allianz zur Vertreibung der Türken aus Europa vorzuschlagen. Der
wahre Zweck sei eben bei allen Rüstungen die Niederhaltung des eigenen
Volkes. Nicht minder hart urteilt die „Times“ von Minneapolis, wenn
sie feststellt, dass es einem Anklageakt gegen die Zivilisation
gleichkomme, wenn die Eröffnung des Nordostseekanals besonders wegen
seiner strategischen Bedeutung und mit dem Donner der Kanonen sämtlicher
Flotten der Welt gefeiert wurde. „Denn
wenn die sogenannten zivilisierten Nationen solcher Bauten für militärische
Zwecke bedürfen und auf Kosten der Steuerzahler so große Flotten
unterhalten, dann hat die kaukasische Rasse seit der Zeit des Columbus
keine Fortschritte gemacht und sich durch dessen Entdeckung nicht fördern
lassen. Mit solcher Kriegsbereitschaft ist die Freiheit unvereinbar und
die Staatsgewalt übermächtig.“
Die
Repräsentanten der Völker aber fahren fort, „Friede! Friede!“ zu
rufen, da doch kein Friede ist. So wird erfüllt, was Jeremia 6:13-15
geschrieben steht:
„Denn
von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten sind sie insgesamt der
Gewinnsucht ergeben; und vom Propheten bis zum Priester üben sie allesamt
Falschheit, und sie heilen die Wunden der Tochter meines Volkes leichthin
und sprechen Friede! Friede! - und da ist doch kein Friede. Sie werden
beschämt werden, weil sie Greuel verübt haben. Ja, sie schämen sich
keineswegs, ja, Beschämung kennen sie nicht. Darum werden sie fallen
unter den Fallenden; zur Zeit, da ich sie heimsuchen werde, werden sie
straucheln, spricht Jehova.“
Der
Dichter John G. Whittier hat dieser großen, allgemeinen, aber den Stempel
der Unaufrichtigkeit tragenden Verkündigung des Friedens folgenden
beredten Ausdruck gegeben:
Vom
Tiber bis zu der Donau Gebiet –
In ganz Europa herrscht Ordnung und Fried!
Das ist, was uns Priester und Kön. sagen
Und Lügenpropheten in unseren Tagen.
Geh,
leg auf die Erd’ dich mit lauschendem Ohr
Und höre mit Schaudern den grausigen Chor:
Der Bataillone eisernen Schritt
Und des Gewehrfeuers mörderisch Lied.
Das
Roll’n der Geschütze, der „Halt“ - Rufe Schall,
Der Wachen Alarm und Trompeten Signal!
Vom Eismeer bis fern in das Tropenland
Das Seufzen und Stöhn’n derer, die man verbannt’,
Galeeren und Kerker, von Menschen gefüllt
Und blut’ge Schafotte - welch entsetzlich Bild!
Ordnung
- jawohl, weil die Sklaven schweigen!
Friede - wie Kerker und Grab ihn dir zeigen!
Sagt, König, Zar, Priester, sagt insgemein:
Was mag, wenn dies Friede ist, Krieg wohl erst sein?
O
ernster Herold von besseren Zeiten,
Um vor dir der Freiheit den Weg zu bereiten,
Musst grau du, vernarbt und im Haargewand
Mit blutenden Füßen durchs Wüstenland.
Ach,
dass doch seiner Stimm’ es möcht gelingen,
Der Fürsten und Priester Ohr zu durchdringen
Mit Johannes’, des Täufers, Prophetengeschrei:
„Tut Buße, denn Gottes Reich kommt herbei.“ |