SCHRIFTSTUDIEN
BAND
4 - DER
KRIEG VON
HARMAGEDON
Studie
7
Versammlung
der Nationen und Zubereitung der
Elemente für das große Feuer des Zornes Gottes.
Wie und
warum die Nationen versammelt werden. — Die
sozialen Elemente bereiten sich für das Feuer zu. — Aufhäufung
von Schätzen. — Zunahme
der Armut. — Soziale
Reibung führt zur Feuersbrunst. — Zu harte
Verurteilung der Reichen. — Selbstsucht
und Freiheit. — Gegenwärtige
Verhältnisse können nicht andauern. — Frauenarbeit. —
Vernünftige
und unvernünftige Ansichten der Arbeiter. - Angebot und Nachfrage. —
„Die
gelbe Gefahr.“ — Die
Arbeiterfragen in England. — Die
prophetischen Worte des Ministers Chamberlain. — Liebknecht
über den sozialen und industriellen Kampf in Deutschland. — „Riesen
in diesen Tagen.“ — „Trusts“
und andere Verbindungen. — Sklaverei
und moderne Knechtschaft. — Die Massen
zwischen dem oberen und unteren Mühlstein. — Die Not
allgemein und menschliche Hilfe unzulänglich.
„Darum harret auf mich,
spricht Jehova, auf den Tag, da ich mich aufmache zur Beute! Denn mein
Rechtsspruch ist, die Nationen zu versammeln, die Königreiche
zusammenzubringen, um meinen Grimm über sie auszugießen, die ganze Glut
meines Zornes; denn durch das Feuer meines Eifers wird die ganze Erde
verzehrt werden. Alsdann werde ich die Lippen der Völker in reine Lippen
umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig
dienen.“ - Zeph. 3:8, 9
Die Zusammenbringung der
Nationen in Erfüllung dieser Prophezeiung ist eine Tatsache, die
jedermann sehen kann. Die Erfindungen der Neuzeit haben die entferntesten
Enden der Erde zu Nachbarn gemacht. Eisenbahn, Post, Telegraph, Telephon,
Welthandel und Presse haben eine Gedanken- und Handlungsgemeinschaft unter
den Menschen erzeugt, die vorher unbekannt war und zu internationalen
Vereinbarungen geführt hat, die jede Nation achten muss. Weltkongresse,
Weltausstellungen sind Folgen dieser gegenseitigen Annäherung, und dem
Welthandel vermag kein Sonderbund, kein Sprachunterschied Schranken zu
setzen. Die zivilisierten Nationen sind auf der ganzen Erde zu Hause. Mit
allen Bequemlichkeiten ausgerüstete Schiffe und Eisenbahnwagen führen
ihre Kaufleute, ihre Abgeordneten, ihre Reisenden überall hin, und die
Heidenvölker, aus Jahrhunderte langem Schlaf erwachend, sehen mit Staunen
die Fremden zu ihnen kommen und senden ihre jungen Leute in die Länder,
woher jene kommen, um durch diese der Errungenschaften der Neuzeit
teilhaftig zu werden. Zur Zeit Salomos war es ein Gegenstand der
Verwunderung, dass die Königin von Scheba 800 Kilometer weit herkam, um
Salomos Weisheit zu hören. Heutzutage reisen Tausende, von denen die Öffentlichkeit
nicht einmal den Namen kennt, durch die ganze Welt, und in weniger als 80
Tagen macht man bequem eine Reise um die Erde.
Ja, wahrhaftig, die Nationen
sind versammelt! zwar in einer Weise, wie man es nicht erwartet hat, aber
in der einzigen Weise, wie es geschehen konnte: durch allgemeine Verknüpfung
ihrer Interessen und Tätigkeit. Diesem dient freilich nicht die Liebe,
sondern die Selbstsucht als Triebfeder. Der Unternehmungsgeist, das Kind
der Selbstsucht, hat Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen, unterseeische
Kabel, Telefon usw. entstehen lassen; Selbstsucht ist das Prinzip im
Handel und internationalen Verkehr überhaupt, ja, in jeder Unternehmung,
die Verkündigung des Evangeliums und die Gründung wohltätiger Anstalten
ausgenommen; doch sind auch hier zuweilen andere Triebfedern tätig, als
die Liebe zu Gott und dem Nächsten. Selbstsucht hat also die Nationen
versammelt und bereitet sie dadurch zu für die geweissagte und nun
herannahende Vergeltung, für den anarchistischen Zustand, das „Feuer
des Zornes Gottes,“ das bald die jetzige Welt (2. Petr. 3:7), die gegenwärtige
soziale Ordnung, verzehren wird. So ist es natürlich nur vom menschlichen
Standpunkt aus betrachtet, denn der Prophet beschreibt es als ein
Versammeln der Nationen zu Gott hin. Beide Standpunkte aber sind richtig,
denn, während dem Menschen Handlungsfreiheit zugestanden wird, gestaltet
Gott durch seine überwaltende Vorsorge die Angelegenheiten der Menschen
seinem eigenen weisen Plane gemäß. Während die Menschen mit ihren
Werken und Wegen die Werkzeuge sind, ist Gott der große Befehlshaber, der
jetzt die Nationen und Königreiche versammelt von einem Ende der Erde bis
zu ihrem anderen Ende, als Vorbereitung zur Übergabe der Herrschaft an
den, „dem das Recht gehört“, Immanuel. Der Prophet sagt uns, warum
Gott die Nationen versammelt: „Um meinen Grimm über sie auszugießen,
die ganze Glut meines Zornes; denn durch das Feuer meines Eifers wird die
ganze Erde (das ganze gesellschaftliche Gebäude) verzehrt werden.“
Diese Botschaft würde uns mit Sorge und Angst erfüllen, hätten wir
nicht die Versicherung, dass das Endergebnis Gutes für die Menschen
bewirken wird, den Umsturz der Herrschaft der Selbstsucht und die
Aufrichtung des Millenniums-Königreiches Christi, welches die Herrschaft
der Gerechtigkeit aufrichten wird: „Alsdann will ich die Lippen der Völker
in reine Lippen umwandeln (ihre Verbindung miteinander soll nicht mehr
selbstsüchtig, sondern rein, wahrhaftig, liebevoll sein ...), damit sie
alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.“
Das „Versammeln der Nationen“
wird nicht nur zur Schwere des Gerichts beitragen, es wird auch unmöglich
machen, dass irgendein Volk ihm entgeht; und es wird daher die Trübsal
kurz und gründlich machen, wie geschrieben steht: „Der Herr wird eine
abgekürzte Sache tun auf Erden.“ - Röm. 9:28; Jes. 28:22
Die gesellschaftlichen Elemente für
das „Feuer“ zubereitet
Wenn wir uns in der Welt umsehen,
so gewahren wir, wie die „Elemente“ zubereitet werden. Selbstsucht,
Wissenschaft, Reichtum, Ehrgeiz, Hoffnung, Unzufriedenheit, Angst und
Verzweiflung sind gleichsam Sprengstoffe, deren Reibung gegeneinander die
Leidenschaften in Flammen setzt, in welchen die „Elemente“ vergehen
werden. Man beachte nur, welche Veränderungen in den letzten hundert,
ganz besonders in den letzten 40 Jahren Platz gegriffen haben. Die
Zufriedenheit und Genügsamkeit von ehedem sind überall, bei Mann und
Weib, reich und arm, gebildet und ungebildet, verschwunden. Alles ist
unzufrieden. Alles schreit nach „Rechten“ und beklagt sich über ihm
widerfahrendes „Unrecht.“ Freilich herrscht viel Unrecht, und es gibt
Rechte, die vielen zuerkannt werden sollten; aber in unserer Zeit, wo
Bildung und Unabhängigkeitsdrang so verbreitet sind, ist Selbstsucht fast
ausschließlich das Motiv zu den Klagen und Forderungen, so dass sie die
Rechte der anderen nicht sehen. Wie der Prophet es geweissagt hat, wird
dies schließlich dazu führen, dass eines jeden Hand wider seinen Nächsten
ist, was dann zu der großen Endkatastrophe führen muss. Gottes Wort und
Vorsehung und die Lehren der Vergangenheit geraten in Vergessenheit
infolge der festen Überzeugung, dass ein jeder recht hat mit seinen
Klagen und Forderungen, und so ist es niemand möglich, den Weg der klugen
Mäßigung einzuschlagen oder auch nur zu sehen. Die Liebe ist ein
unbekanntes Ding. Die goldene Regel ist ganz allgemein unbeachtet gelassen
worden, und der Mangel an Weisheit wie auch die Ungerechtigkeit in ihrem
Vorgehen wird sich bald bei allen Klassen in dieser schrecklichen Drangsal
offenbaren, vorab aber besonders bei den Reichen. - Luk. 12:15-20
Ja, die Nacht, von der die Rede
ist, und von der Jes. (21:12; 28:12, 13, 21, 22) und Johannes (9:4)
geweissagt hat, kommt schnell heran und wird die Welt unversehens, wie
eine Schlinge, überfallen. Dann werden die Reichen verzweifelnd ihr
Silber auf die Straße werfen, und ihr Gold wird ihnen genommen werden.
Ihr Silber und ihr Gold, das sie zur Ungerechtigkeit verleitet hat, wird
sie nicht erretten am Tage des Grimmes Jehovas. - Hes. 7:19
Gesammelte Schätze
Dass in unserer Zeit viel größere
Reichtümer aufgehäuft werden, und dass die Reichen sich mehr Außerordentliches
gestatten als je zuvor (Jak. 5:3,5), kann man heute in jeder Zeitung lesen;
das hat schon auf den alten Gladstone großen Eindruck gemacht, so dass er
in einer Rede bemerkte:
„In den
letzten fünfzig Jahren sind mehr Güter produziert worden als in den
neunzehn Jahrhunderten seit Julius Cäsar zusammengerechnet.“
Beachte diese Aussage, die von
einem der bestunterrichteten Männer der Welt stammt. Diese für uns so
schwer verständliche Tatsache, nämlich, dass während der vergangenen fünfzig
Jahre mehr Reichtum hervorgebracht worden ist als während der
vorhergehenden neunzehn Jahrhunderte, beruht gleichwohl, wie uns
Statistiken zeigen, auf noch sehr mäßiger Schätzung, und die Verhältnisse,
welche dadurch geschaffen wurden, sind dazu bestimmt, bei der
Wiederherstellung der sozialen Ordnung in dem kommenden Zeitalter eine
wichtige Rolle zu spielen.
„The Boston Globe“ brachte
vor einigen Jahren folgende Mitteilung über einige der Reichen in den
Vereinigten Staaten:
„Die
einundzwanzig Eisenbahnkönige, die am Montag in New York zusammentrafen,
um die Frage des Eisenbahn-Wettbewerbs zu besprechen, repräsentieren ein
Kapital von 300.000.000 Dollar. Man kann sich noch der Zeit erinnern, da
es kaum ein halbes Dutzend Millionäre im Lande gab. Sie zählen jetzt
gegen 4.600, und es soll einige geben, deren jährliches Einkommen über
eine Million Dollar beträgt.
„In New York City gibt es nach
mäßiger Schätzung 1.157 Personen und Besitzungen, deren jede 1.000.000
Dollar wert ist. In Brooklyn gibt es 162 Personen mit mindestens je
1.000.000 Dollar. In der Doppelstadt gibt es also 1.319 Millionäre, viele
von denselben besitzen jedoch weit mehr als 1.000.000 Dollar, sie sind
Multimillionäre. Von den Berühmtesten wird das Vermögen schätzungsweise
wie folgt verzinst: John D. Rockefeller 6 Prozent, William Waldorf Astor 7
Prozent, J. Goulds Erbschaft 4 Prozent, Cornelius Vanderbilt 5 Prozent und
William K. Vanderbilt 5 Prozent.
Daraus ergibt sich folgende
Aufstellung über das Einkommen:
|
|
jährlich
|
täglich
|
W. Waldorf Astor
|
Dollar
|
8.900.000
|
23.277
|
John D. Rockefeller
|
Dollar
|
7.611.250
|
20.853
|
Jay Goulds Erbschaft
|
Dollar
|
4.040.000
|
11.068
|
Cornelius Vanderbilt
|
Dollar
|
4.048.000
|
11.090
|
William K. Vanderbilt
|
Dollar
|
3.795.000
|
10.397
|
„Die obige Schätzung ist
sicherlich eine sehr mäßige, denn noch vor sechzehn Jahren wurde
berichtet, dass Herrn Rockefellers vierteljährliche Dividende auf seine
Standard Öl-Gesellschaft durch einen Scheck über vier Millionen Dollar
repräsentiert wurde; sie muss sich bis jetzt noch weit vergrößert haben.“
Die „Niagara Falls Review“
erließ noch vor Anbruch des gegenwärtigen Jahrhunderts folgende Warnung:
„Eine der größten Gefahren,
welche die freiheitlichen amerikanischen Einrichtungen bedroht, ist die
Vermehrung der Millionäre und die daraus folgende Konzentration von
Besitzungen und Geld in den Händen weniger. Ein kürzlich in einer
hervorragenden Zeitung des Staates New York erschienener Artikel bringt
Zahlen, die dazu dienen müssen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf die
Entstehung dieser Schwierigkeit zu lenken. Die nachfolgend angeführten
Vermögen sollen die größten in den Vereinigten Staaten sein:
William Waldorf Astor
|
Dollar
|
150.000.000
|
Jay Gould
|
Dollar
|
100.000.000
|
John D. Rockefeller
|
Dollar
|
90.000.000
|
William W. Vanderbilt
|
Dollar
|
90.000.000
|
Cornelius Vanderbilt
|
Dollar
|
80.000.000
|
Henry M. Flagler
|
Dollar
|
60.000.000
|
John. L. Blair
|
Dollar
|
50.000.000
|
Russell Sage
|
Dollar
|
50.000.000
|
Collis P. Huntington
|
Dollar
|
50.000.000
|
Zusammen
|
Dollar
|
720.000.000
|
Eine Schätzung des Ertrages zu
dem durchschnittlich bei anderen ähnlichen Kapitalanlagen erzielten
Zinsfuße würde folgende Zahlen ergeben:
|
|
jährlich
|
täglich
|
Astor
|
Dollar
|
9.735.000
|
25.027
|
Rockefeller
|
Dollar
|
5.481.000
|
16.003
|
Gould
|
Dollar
|
4.040.000
|
11.068
|
Vanderbilt Cornelius
|
Dollar
|
4.554.000
|
12.477
|
Vanderbilt William K.
|
Dollar
|
4.048.000
|
11.090
|
Flagler
|
Dollar
|
3.036.000
|
8.318
|
Blair
|
Dollar
|
3.045.000
|
8.342
|
Sage
|
Dollar
|
3.045.000
|
8.342
|
Huntington
|
Dollar
|
1.510.000
|
4.137
|
„Fast alle diese Männer leben
verhältnismäßig einfach, und es ist klar, dass sie nur einen Teil ihres
riesigen täglichen und jährlichen Einkommens ausgeben können. Das übrige
fließt daher zum Kapital und lässt ihr Vermögen noch höher wachsen.
Die Familie Vanderbilt besitzt jetzt die folgenden riesenhaften Summen
(die sich mit der Zeit noch gewaltig vergrößert haben):
Cornelius Vanderbilt
|
Dollar
|
90.000.000
|
William K. Vanderbilt
|
Dollar
|
80.000.000
|
Frederick W. Vanderbilt
|
Dollar
|
17.000.000
|
George W. Vanderbilt
|
Dollar
|
15.000.000
|
Mrs. Elliot F. Sheppard
|
Dollar
|
13.000.000
|
Mrs. William D. Sloane
|
Dollar
|
13.000.000
|
Mrs. Hamilton Mck. Twombly
|
Dollar
|
13.000.000
|
Mrs. W. Seward Webb
|
Dollar
|
13.000.000
|
Zusammen
|
Dollar
|
254.000.000
|
Noch wunderbarer sind die Aufhäufungen
des großen Standard-Öl-Trusts, dem nach seiner Auflösung die Standard
Öl-Gesellschaft folgte. Die Vermögen belaufen sich wie folgt:
John D. Rockefeller
|
Dollar
|
90.000.000
|
Henry M. Flagler
|
Dollar
|
60.000.000
|
William Rockefeller
|
Dollar
|
40.000.000
|
Benjamin Brewster
|
Dollar
|
25.000.000
|
Henry H. Rogers
|
Dollar
|
25.000.000
|
Oliver H. Payne (Cleveland)
|
Dollar
|
25.000.000
|
Wm. G. Warden (Philadelphia)
|
Dollar
|
25.000.000
|
Chas. Pratt (Brooklyn)
|
Dollar
|
25.000.000
|
John D. Archbold
|
Dollar
|
10.000.000
|
Zusammen
|
Dollar
|
325.000.000
|
„Es
bedurfte gerade eines Zeitraumes von zwanzig Jahren, um diesen Reichtum in
den Händen von acht oder neun Menschen zu vereinen. Hier liegt also die
Gefahr. In den Händen Goulds, der Vanderbilts und Huntingtons befinden
sich die großen Eisenbahnen der Vereinigten Staaten. Zu den Besitzungen
Sages, Astors und anderen gehören große Stadtviertel des Grundstücks
von New York, deren Wert beständig wächst. Vereint und auf natürlichem
Wege angewachsen, würde das Vermögen dieser neun Familien in fünfundzwanzig
Jahren 2 Milliarden 754 Millionen Dollar betragen. William Waldorf Astor
allein wird vor seinem Tode wahrscheinlich gegen eintausend Millionen wert
sein, und sein Geld wird, gleich demjenigen Vanderbilts, in seine Familie
wie in andere übergehen, dadurch eine dem Gemeinwohl äußerst gefährliche
Geldaristokratie schaffen und einen eigenartigen Kommentar bilden zu der
Aristokratie der Geburt, den wir Amerikaner als für England so schädlich
betrachten.
„Andere große Vermögen sind
vorhanden oder im Entstehen begriffen. Wir wollen nur noch einige davon
anführen:
William Astor
|
Dollar
|
40.000.000
|
Levland Stanford
|
Dollar
|
30.000.000
|
Mrs. Hetty Green
|
Dollar
|
30.000.000
|
Philip D. Armour
|
Dollar
|
30.000.000
|
Edward F. Searles
|
Dollar
|
25.000.000
|
J. Pierpont Morgan
|
Dollar
|
25.000.000
|
Charles Crocker
|
Dollar
|
25.000.000
|
Darius O. Mill
|
Dollar
|
25.000.000
|
Andrew Carnegie
|
Dollar
|
25.000.000
|
E.S. Higgins
|
Dollar
|
20.000.000
|
George M. Pullmann
|
Dollar
|
20.000.000
|
Zusammen
|
Dollar
|
295.000.000
|
„So sehen wir, wie das Kapital
sich in den Händen weniger befindet. Es ist notwendigerweise den Vielen
entzogen (diese haben nicht mehr die Gelegenheit des Wettbewerbs). Keine
Macht im Menschen vermag diese beunruhigende Frage friedlich zu schlichten.
Es wird sich vom Schlimmen zum Schlimmeren steigern.“
Einige amerikanische Millionäre, und
wie sie ihre Millionen erwarben
Der Herausgeber der „Review of
Reviews“ bringt in seiner Zeitung etwas, das er bezeichnet als „einige
Auszüge aus einer äußerst belehrenden und unterhaltenden Zeitung, die
nur den Fehler begeht, den plutokratischen Octopus (achtarmiger
Teufelsfisch) zu optimistisch zu beurteilen.“ Wir geben es im folgenden
wieder:
„Ein
Amerikaner, der aus vertrautem, persönlichem Bekanntsein heraus schreibt,
aber ungenannt sein will, erzählt im „Cornhill Magazine“ die
Geschichte verschiedener Millionäre der großen Republik. Er behauptet,
dass, selbst wenn die viertausend Millionäre vierzig Milliarden Dollar
besitzen von den sechsundsiebzig Milliarden, welche das amerikanische
Nationalvermögen ausmachen, für jeden Bürger doch noch 500 Dollar
verbleiben gegen 330 Dollar vor fünfundvierzig Jahren. Er will beweisen,
dass die anderen Klassen durch die Zunahme der Millionäre nicht ärmer,
sondern reicher geworden sind.
„Commodore Vanderbilt, der die
ersten Vanderbiltschen Millionen erwarb, wurde gerade vor einem
Jahrhundert geboren. Sein Kapital bestand aus der traditionellen Barfüssigkeit,
leeren Taschen und dem Glauben an sein Glück, was in Amerika in so vielen
Fällen die Grundlage zum Vermögen gebildet hat. Durch harte Arbeit vom
siebenten bis zum siebzehnten Lebensjahr erwarb er sich ein zweites,
greifbares Kapital, nämlich einhundert Dollar in bar. Dieses Geld legte
er an in einem kleinen Boote, und mit diesem Boote eröffnete er ein
eigenes Geschäft - Gemüsetransport nach New York. Mit zwanzig Jahren
heiratete er, und sowohl Mann als auch Frau wandten sich dem Geldverdienen
zu, er mit seinem Boote, und sie, indem sie einen Gasthof unterhielt. Drei
Jahre später war er dreitausend Dollar wert. Nunmehr floss sein Geld
schnell zusammen, so schnell, dass er, der doch als Knabe mit einem Boote
im Werte von einhundert Dollar angefangen hatte, beim Ausbruch des Bürgerkrieges
der Nation eines seiner Schiffe im Werte von achthunderttausend Dollar
schenken und dabei noch ein reicher Mann bleiben konnte. Als er siebzig
Jahre alt war, schätzte man sein Vermögen auf siebzig Millionen Dollar.
„Das Astorsche Vermögen
verdankt sein Vorhandensein dem Gehirn eines Menschen und dem natürlichen
Wachstum einer großen Nation. John Jakob Astor war während vier
Generationen der einzige, der ein wirklicher Geldverdiener war. Sein Geld
wurde, wie er es verdiente, in die Ländereien von New York City angelegt.
Dieselben hatten einen geringen Wert, weil die Stadt auf einer Insel liegt.
Jedoch machte das Wachstum von New York City, welches das Wachstum der
Republik zur Ursache hatte, das kleine Vermögen des achtzehnten
Jahrhunderts zu dem größten amerikanischen Vermögen des neunzehnten
Jahrhunderts. Der erste und letzte Astor, der als Herr der Millionen der
Studien wert ist, ist daher John Jakob Astor, der, nachdem er der Arbeit
als Metzgergehilfe bei seinem Vater in Waldorf überdrüssig wurde, vor
hundertzehn Jahren auswanderte, um in der neuen Welt sein Glück zu
probieren. Schon auf dem Schiff machte er in Wirklichkeit sein ganzes Vermögen.
Er traf einen alten Pelzhändler, der ihn in die Tricks des indianischen
Pelzhandels einführte. Diesen Handel nahm er auf, und er verdiente Geld
damit. Dann heiratete er Sarah Todd, eine energische, junge Frau. Sarah
und John Jakob Astor verbrachten alle Abende damit, dass sie in ihrem
Laden Pelze sortierten. In fünfzehn Jahren hatten sie es auf zwei und ein
halb Millionen Dollar gebracht; eine glückliche Spekulation in
amerikanischen Staatspapieren verdoppelte ihr Vermögen. Sie legten dann
ihr Vermögen in Bauland an, und seither ist der Wert ins Unermessliche
gestiegen.
„Levland Stanford, Charles
Crooker, Mark Hopkins und Collis P. Huntington gingen im Jahre 1849 im
Goldfieber nach Kalifornien. Als die Transkontinental Eisenbahn gebaut
wurde, „säten diese vier Männer Millionen hinein“, und sie schlossen
sich in der Pacific Union zusammen. Diese vier Männer, die im Jahre 1850
sozusagen noch nichts besaßen, werden jetzt mit ihrem Vermögen zusammen
auf zweihundert Millionen Dollar eingeschätzt.
„Einer
von ihnen, Levland Stanford, wollte vor zehn Jahren eine Familie gründen,
jedoch starb sein einziger Sohn, und zum Andenken an denselben gründete
er eine Universität. Er tat es in fürstlicher Weise, denn, als er „noch
im Fleische“ war, vermachte er Prokuratoren drei Güter von 86000 Morgen.
Im ganzen vermachte er der Universität zweiundzwanzigeinhalb Millionen
Dollar. Seine Frau hat schon die Absicht ausgesprochen, dass sie ihr Vermögen
(gegen 10 Millionen Dollar) der Universität vermachen will.“
Das bemerkenswerteste Beispiel
des Geldsammelns in der Geschichte der amerikanischen Millionäre hat der
Standard Öl Trust geliefert:
„Vor dreißig Jahren
erblickten fünf junge Männer, von denen der größere Teil in der
kleinen Stadt Cleveland (Staat Ohio) lebte, und die alle verhältnismäßig
arm waren (wahrscheinlich konnte die ganze Gesellschaft keine 50.000
Dollar aufweisen), Möglichkeiten des Geldverdienens im Petroleum. Heute
ist dieselbe Gesellschaft von fünf Männern sechshundert Millionen Dollar
wert. John D. Rockefeller, das Gehirn und der Nerv dieses großen Trusts,
ist ein Mann mit frischen Gesichtszügen, mit so mildem Lächeln und mit
so genialem Wesen, dass man ihn nicht als einen habgierigen Monopolisten
bezeichnen kann. Sein „Steckenpferd“ ist gegenwärtig die Erziehung,
und er reitet dieses Steckenpferd rüstig und männlich. Er hat die
Universität zu Chicago unter seine Fittiche genommen, und schon sind
sieben Millionen Dollar aus seiner Tasche in die Schatzmeisterei dieses
Lehrinstituts der zweiten Stadt der Republik geflossen.
„Herr Thomas G. Shearman führt
in einem Artikel, der im „Forum“ erschien, die Namen von siebzig
Amerikanern an, die zusammen ein Vermögen von 2.700.000.000 Dollar,
durchschnittlich je 38.000.000 Dollar besitzen, und er sagt, es könnte
eine Liste von zehn Männern aufgestellt werden, von denen jeder
durchschnittlich 100.000.000 Dollar besitzt. Weiterhin könne man eine
Liste aufstellen von hundert Personen, deren durchschnittliches Vermögen
25.000.000 Dollar beträgt. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der
hundert reichsten Amerikaner könne nicht weniger betragen als (je)
1.200.000 Dollar, wahrscheinlich übersteigt es sogar 1.500.000 Dollar.“
Rev. Josiah Strong, ein befähigter
Schriftsteller, gibt hierzu folgenden Kommentar:
„Wenn
hundert Arbeiter jährlich je eintausend Dollar verdienen könnten, so müssten
sie zwölfhundert oder fünfzehnhundert Jahre arbeiten, um soviel zu
verdienen, als diesen hundert reichsten Amerikanern jährlich zufließt;
und wenn ein Arbeiter täglich hundert Dollar verdienen könnte, so müsste
er hundertsiebenundvierzig Jahre alt werden, und er dürfte keinen Tag
ausruhen, ehe er soviel verdienen könnte, wie manche Amerikaner Werte
besitzen.“
Folgende Tabelle vergleicht das
Nationalvermögen der vier reichsten Nationen der Welt in den Jahren 1830
und 1893, und sie zeigt, wie durch die Völker „Schätze gesammelt“
werden in diesen „letzten Tagen.“
Nationalvermögen
|
von
|
1830
|
1893
|
Großbritannien
|
Dollar
|
16,89 Milliarden
|
50 Milliarden
|
Frankreich
|
Dollar
|
10,645 Milliarden
|
40 Milliarden
|
Deutschland
|
Dollar
|
10,7 Milliarden
|
35 Milliarden
|
U.S.A.
|
Dollar
|
5 Milliarden
|
72 Milliarden
|
Damit der Leser eine Vorstellung
davon erhält, wohin die Statistiker mit ihren Schlüssen kommen, geben
wir eine Schätzung über den Reichtum der Vereinigten Staaten:
Wirkliche Besitzungen in den Städten usw.
|
Dollar
|
15,5 Milliarden
|
Wirkliche Besitztümer, die nicht zu den Städten gehören
|
Dollar
|
12,5 Milliarden
|
Persönliches Eigentum (nicht nochmals
aufgeführt)
|
Dollar
|
8,2 Milliarden
|
Eisenbahnen und deren Ausstattung
|
Dollar
|
8 Milliarden
|
In Fabriken angelegtes Kapital
|
Dollar
|
5,3 Milliarden
|
Fabrikate
|
Dollar
|
5 Milliarden
|
Produkte (einschließlich Wolle)
|
Dollar
|
3,5 Milliarden
|
Im Ausland angelegte Werte und ausländische Besitzungen
|
Dollar
|
3,1 Milliarden
|
Öffentliche Gebäude, Zeughäuser, Kriegsschiffe usw.
|
Dollar
|
3 Milliarden
|
Haustiere auf Bauerngüter
|
Dollar
|
2,48 Milliarden
|
Haustiere in großen und kleinen Städten
|
Dollar
|
1,7 Milliarden
|
Geld, ausländische und eigene Münzen, Banknoten
usw.
|
Dollar
|
2,13 Milliarden
|
Öffentliche Länder (Acker zu 1,25 Dollar)
|
Dollar
|
1 Milliarde
|
Mineral-Produkte (aller Art)
|
Dollar
|
590 Millionen
|
Zusammen
|
Dollar
|
72 Milliarden
|
Vor einigen Jahren wurde
festgestellt, dass sich das Vermögen der Vereinigten Staaten wöchentlich
um vierzig Millionen Dollar vergrößerte.
Das hier erwähnte Sammeln von
Schätzen während der letzten Tage bezieht sich insbesondere auf Amerika,
dasselbe gilt aber auch für alle zivilisierten Staaten der Welt. Großbritannien
ist im Verhältnis reicher als Amerika, es ist das reichste Land der Erde.
Sogar in China und in Japan gibt es Millionäre, die kürzlich
emporgekommen sind. Die Niederlage Chinas Japan gegenüber im Jahr 1894
wird hauptsächlich der Gier der Regierungsbeamten zugeschrieben, welche
minderwertige oder sogar vorgetäuschte Geschütze und Munition geliefert
haben sollen, natürlich zu dem Preis von echten.
Selbstverständlich finden nur
wenige von denen, welche nach Reichtümern suchen, was sie erjagen. Die
Bemühungen zu diesem Erfolg sind nicht immer erfolgreich. Der Bann der
Selbstsucht erstreckt sich viel weiter als auf die Erfolgreichen, wie der
Apostel sagt: „Die aber reich werden wollen (die reich zu werden suchen
auf jede erdenkliche Weise), fallen in Versuchung und Fallstricke und in
viele unvernünftige und schädliche Lüste, welche die Menschen versenken
in Verderben und Untergang. Denn die Geldliebe ist die Wurzel alles Bösen.“
(1. Tim. 6:9, 10) Die unerfahrene Mehrheit übernimmt das Risiko und
erleidet Enttäuschung und Verlust, die wenigen Klügeren übernehmen
wenig Risiko und stecken das meiste von den Gewinnen ein. So bewirkte zum
Beispiel das „südafrikanische Goldfieber“, das sich einst über Großbritannien,
Frankreich und Deutschland erstreckte, dass Hunderte von Millionen aus den
Taschen und von Bankkonten der Mittelklassen hinüberflossen in diejenigen
der reichen Kapitalisten und Bankherren, die wenig Risiko auf sich
genommen hatten. Das Ergebnis bestand unzweifelhaft in einem großen
Verlust für die Törichten der mittleren Klassen, die auf plötzliches
Reichwerden so versessen waren, dass sie ihr Alles aufs Spiels setzten.
Als Folge davon werden viele früher Konservative unzufrieden und binnen
wenigen Jahren reif für die Sozialdemokratie, welche verspricht, ihre
Interessen zu vertreten.
Die Zunahme der Armut
Aber gibt es denn wirklich Not
und Armut in einem Land wie den Vereinigten Staaten, in welchem so riesige
Vermögen erworben werden konnten? Ist es nicht Selbstverschulden derer,
die gesund sind, wenn sie ihr Auskommen nicht finden? So denken manche,
die vor 25 Jahren selbst nichts besaßen. Aber damals gab es eben
Arbeitsgelegenheiten in Hülle und Fülle, indes heutzutage sehr viele nur
für ihre halbe Zeit Arbeit finden, sich kaum ehrlich durchschlagen können
und oft noch arbeitslose Angehörige oder Freunde unterhalten müssen.
Tritt dann noch eine Krisis ein, so wird die Lage vieler unerträglich,
und die öffentlichen Kassen erweisen sich als ganz unzulänglich. Diese
Krisen sind die Wehen, die nach 1.Thess. 5:3 vor der Drangsal über die
Welt kommen wie über eine Schwangere. Das Elend ist so groß, dass die
Wohlhabenden und Reichen, wenigstens diejenigen unter ihnen, die für ihre
Mitmenschen ein Herz haben, sehr wohl einsehen, dass diesem nicht
abzuhelfen ist; sie tun deshalb ihr Bestes, soweit ihre Kräfte reichen,
und suchen das übrige zu vergessen. Aber zur Zeit der großen
Arbeitslosenumzüge in den Vereinigten Staaten befasste sich die ganze
Presse mit diesen schrecklichen Verhältnissen, und man schätze die Zahl
der Arbeitslosen in 119 Städten der Union auf mehr als 800.000, von deren
Verdienst weitere 2 Millionen abhängig waren, dazu kommt, dass in Amerika
für die Notleidenden lange nicht so reichlich gesorgt ist wie in Europa,
wo die lange Übung den Regierungen allmählich gezeigt hat, wie man etwas
zur Linderung der Not tun kann.
Wenn besondere Rückschläge
kommen, wie es in den Jahren 1893-1896 der Fall war, so werden viele der
Arbeitslosen auf die Wohltätigkeit ihrer Freunde angewiesen sein, die
kaum in der Lage sind, diese weitere Last zu tragen, und diejenigen, die
keine Freunde haben, sind auf öffentliche Wohltätigkeit angewiesen, die
zu solchen Zeiten natürlich vollständig unzureichend ist.
Der Rückschlag von 1893 kam wie
eine Meereswoge über die ganze Welt, und noch immer macht sich ihr Druck
in weiten Kreisen fühlbar, obwohl für manche eine Zeit des Aufatmens
wiedergekommen ist. Wie die Heilige Schrift sagt, kommt diese Drangsal in
Wogen oder in Krämpfen, „gleichwie die Geburtswehen über die
Schwangere“. (1. Thess. 5:3) Jeder folgende Krampf wird wahrscheinlich
schwerer sein als der vorhergehende, bis das Ende da ist. Die Wohlhabenden
und Reichen können sich oft schwerlich die Entbehrungen vorstellen, die
bei den Armen immer mehr zunehmen. Tatsache ist, dass selbst diejenigen,
die zu den mittleren Klassen und den Wohlhabenden gehören, die an die
Armen denken und mit ihnen fühlen, erkennen, dass es völlig unmöglich
ist, die gegenwärtige Ordnung der Dinge in einer Weise zu ändern, dass
die Armen dadurch eine dauernde Erleichterung bekämen, und so tut jeder
das wenige, von dem er denkt, dass er es vermag, und dass es seine Pflicht
sei denen gegenüber, die ihm am nächsten stehen; er bemüht sich, das
Elend zu vergessen, von dem er gehört oder das er gesehen hat.
Folgende Auszüge aus
Tageszeitungen vom Jahre 1893 werden daran erinnern, welche Zustände
damals herrschten, und dass sie wahrscheinlich binnen kurzem verdoppelt
zurückkehren werden. The California Advocate“, eine amerikanische
Zeitung, sagt folgendes:
„Die
Ansammlung der arbeitslosen Massen in unseren großen Städten zu ungezählten
Tausenden bietet einen äußerst grausigen Anblick, und ihr Mitleid
erflehender Schrei nach Arbeit und Brot dringt durch das ganze Land. Es
ist das alte, ungelöste Problem der Armut, die durch die noch nie da
gewesenen Rückschläge im Geschäftsleben gesteigert wird. Es ist der
finstere Schatten, der beständig hinter der Zivilisation herkriecht, an
Umfang und Schrecken wachsend, je mehr die Zivilisation vorwärts
schreitet. Sicherlich ist es ein abnormer Zustand der Dinge, wenn Menschen
bereit sind zu arbeiten, da ihr Lebensunterhalt doch davon abhängt, während
sie jedoch keine Arbeit finden können. Viele Theorien sind aufgestellt,
viele Anstrengungen gemacht worden, um das „Recht zu arbeiten“ zu
sichern. Alle diese Versuche jedoch haben als Fehlschläge geendet.
Derjenige, der das Problem, wie man einem Arbeitswilligen Arbeit sichern
und die Menschheit von unfreiwilligem Müßiggang befreien kann, mit
Erfolg zu lösen vermag, wird ein Wohltäter der Menschheit sein.“
Ein anderer Bericht beschreibt,
wie in Chicago eine Menge von vierhundert Arbeitslosen durch die Straßen
marschierte, geführt von jemand, der ein Schild trug mit der Aufschrift:
„Wir suchen Arbeit“. Am nächsten Tage marschierten sie mit vielen
Fahnen umher, welche die folgenden Aufschriften trugen: „Leben und leben
lassen!“ „Wir suchen unsere Familien zu unterhalten!“ „Arbeit und
Brot!“ usw. Eine Schar Arbeitsloser marschierte durch San Francisco mit
Fahnen, die folgende Aufschriften trugen: „Tausende von Häusern sind zu
vermieten, und Tausende von Menschen sind obdachlos.“ „Hungrig und bloß.“
„Durch die Hungerpeitsche zum Betteln gezwungen!“ „Helft uns, so
wollen wir uns selbst helfen!“ usw.
Ein anderer Auszug lautet wie
folgt:
„Newark,
N. J., den 21. August. Unbeschäftigte Arbeiter hielten heute eine große
Parade ab. An der Spitze marschierte ein Mann mit einer schwarzen Flagge,
auf der mit weißen Lettern geschrieben stand: „Zeichen der Zeit - Ich
verschmachte, weil er fett ist.“ Daneben war ein Bild, das einen großen,
korpulenten Herrn mit einem Zylinderhut darstellte, neben dem ein
ausgehungerter Arbeiter stand.“
Mit Bezugnahme auf den Streik
der englischen Bergarbeiter sagt eine andere Zeitung:
„Die
wirkliche Not, selbst Hunger, mehrt sich in ganz England in schrecklichem
Maße. Das Stilliegen der Industrie und die Störungen der Eisenbahnen
nehmen einen Umfang an, der ein nationales Unheil bedeutet. Wie es zu
erwarten war, liegt die wahre Ursache in den ungeheuren Abgaben, welche
die Pächter den Lords für die Pacht des Grundstücks der Minen zu zahlen
haben. Eine beträchtliche Anzahl von Millionären, die große
Kohlenbezirke besitzen, sind auch hervorragende Pairs, und vor der
erregten Öffentlichkeit werden diese beide gleich einem Schnappschloss
verbunden. Radikale Zeitungen stellen schreckliche Listen von Lords
zusammen, die denen der Trusts in Amerika ähneln. Ihre Zahlen zeigen, wie
viel diese Männer von dem Verdienste des Landes erheben.
„Der Schrei nach Brot geht von
der Stadt aus. Er ist tiefgehender, breiter, rauer denn je. Er kommt von
einem knurrenden Magen und einem geschwächten Gemüt. Er kommt von
Menschen, die die Straßen durchlaufen und nach Arbeit suchen. Er kommt
von Frauen, die verzweifelnd in öden Wohnungen sitzen. Er kommt von
Kindern.
„In der City von New York
haben die Armen einen Grad des Entblößtseins erreicht, der alles bisher
Dagewesene übertrifft. Wahrscheinlich versteht kein lebender Mensch, wie
schrecklich das Leiden, wie furchtbar die Armut ist. Eine einzelne Person
kann sich keinen Überblick verschaffen. Keines Menschen Einbildungskraft
reicht dazu aus.
„Wenige von denen, die diese
Zeilen lesen mögen, werden sich vorstellen können, was es bedeutet, ohne
Nahrung zu sein. Es kann ihnen in ihrem Heim nicht verdeutlicht werden.
Sie werden sagen: „Sicherlich werden die Menschen doch irgendwo
irgendetwas zu essen bekommen, jedenfalls doch soviel, als für sie zum
Leben notwendig ist. Sie können ja zu ihren Freunden gehen.“ Ihre
Freunde haben ebenso wenig wie sie selbst. Es gibt Menschen, die durch
Mangel an Nahrung so entkräftet sind, dass sie nicht arbeiten können,
selbst wenn ihnen Arbeit angeboten würde.“
Der Herausgeber des
„Examiner“ in San Francisco sagt:
„Wie kommt es denn? Wir haben
soviel zu essen, dass die Farmer sich beklagen, sie bekämen nichts dafür.
Wir haben soviel anzuziehen, dass die Baumwoll- und Wollspinnereien schließen,
weil niemand da ist, der ihre Produkte kauft. Wir haben so viele Kohlen,
dass die Eisenbahnen, welche sie befördern, in die Hände der Empfänger
übergehen. Wir haben so viele Häuser, dass die Erbauer arbeitslos sind.
Alle Bedürfnisse und Bequemlichkeiten des Lebens sind in so großen
Mengen vorhanden, wie es je in den blühendsten Jahren unserer Geschichte
der Fall war. Wenn das Land genügend Nahrung, Kleidung, Heizmaterial und
Schutz besitzt für jedermann, warum sind dann die Zeiten hart? Offenbar
ist die Natur nicht zu tadeln. An wem oder woran liegt es denn?
„Das Problem der Arbeitslosen
ist eines der bedenklichsten, das Amerika bedroht. Der durch Bradstreet
aufgestellten Statistik zufolge gab es zu Anfang des Jahres in den 119 größten
Städten der Vereinigten Staaten 801.000 Arbeitslose, von denen 2
Millionen Menschen hinsichtlich ihres Unterhaltes abhängig waren. Dieses
Verhältnis für das ganze Land angewandt, ergibt die Zahl von über 4
Millionen Arbeitslosen, die 10 Millionen vertreten, welche von ihnen abhängen.
Da nun die Arbeitslosen in den Städten zusammenströmen, geht man sicher,
wenn man ein Viertel von den genannten Zahlen abzieht, aber auch dann ist
die Zahl der Arbeitslosen ungeheuer, herzzerreißend.
„Die harte Straße der Armut,
die im Almosenempfangen endigt, hat man in Europa schon lange verfolgt, so
dass die Behörden der alten Welt besser wissen, wie man sich ihr gegenüber
verhalten muss, als diesseits des Wassers. Die Löhne sind in Europa so
gering, dass in vielen Staaten das Ende des Lebens im Armenhaus verbracht
wird. Kein Fleiß und keine Sparsamkeit ermöglicht es den Arbeitern,
soviel zur Seite zu legen, dass sie für ihr Alter genug hätten. Der
Unterschied zwischen Einnahmen und Ausgaben ist so gering, dass die
Krankheit oder die Arbeitslosigkeit von einigen Tagen zu Entbehrungen führt.
Die Regierung wurde dort gezwungen, mehr oder weniger weise zu handeln, während
man hier in Amerika, wo der Landstreicher ohne Arbeit durchkommt, und wo
der Mensch, der sich selbst achtet, verhungern muss, wenn er in Not kommt,
alles seinen Gang auf gut Glück gehen lässt.“
Der Herausgeber der „Arena“
sagt folgendes:
„Das
tote Meer der Not vergrößert seine Ufer überall, wo ein Bevölkerungsmittelpunkt
ist. Das Murren wütender Unzufriedener wird von Jahr zu Jahr gehässiger.
Die Gerechtigkeit, die dem Schwachen verneint wurde, hat uns einer
furchtbaren Krisis gegenübergestellt, die wir noch überschreiten können,
wenn wir weise genug sind, gerecht und menschlich zu sein. Das Problem
darf aber nicht länger als folgewidrig bespöttelt werden. Es ist nicht
mehr als lokal zu betrachten, sondern vielmehr als eine Bedrohung des
gesamten politischen Gebäudes. Vor wenigen Jahren noch konnte einer der
hervorragendsten Geistlichen sagen, dass es in der Republik keine erwähnenswerte
Armut gäbe. Heute leugnet kein nachdenkender Mensch mehr, dass wir hier
vor einem Problem von größter Wichtigkeit stehen. Ein Herr, den ich vor
einiger Zeit zum Zweck persönlichen Nachforschens anstellte, stellte
fest, dass in New York binnen zwölf Monaten (vom 1. September 1891 bis 1.
September 1892) nicht weniger als 29.720 Mieter wegen Zahlungsunfähigkeit
auf die Gasse gesetzt wurden.“
Im „Forum“ vom Dezember 1892
sagte Herr Jakob Riis über die besonderen Notstände der Armen in New
York: Seit vielen Jahren ist es eine Tatsache, dass in der großen und
reichen Stadt New York ein Zehntel aller Sterbenden auf dem Armenfriedhof
begraben wird. Von den 382.530 Beerdigungen, die in der letzten Dekade
gemeldet wurden, wurden 37.966 auf dem Armenfriedhof vorgenommen. Herr
Riis fährt fort, indem er an die allen Erforschern der sozialen Lage
bekannte Tatsache erinnert, dass dieser Armenfriedhof noch lange nicht der
richtige Maßstab ist, an dem man die Armut einer großen Stadt ablesen
kann. Er sagt folgendes hierüber:
„Jeder,
der ein wenig Bescheid weiß über die Armen, mit welcher Todesangst sie
sich gegen diesen Gipfelpunkt des Elends sträuben, wie sie hin und her
tifteln und suchen, das armselige Recht zu erlangen, ein eigenes Grab zu
besitzen, nachdem sie im Leben niemals einen Schuppen ihr eigen nennen
durften, wird mit mir darin übereinstimmen, wenn ich sage, dass es gering
angesetzt ist zu sagen, dass für jeden, der in diese traurige Grube
gesenkt wird, noch mindestens zwei oder drei stehen, die sich dicht am
Rande derselben festklammern. So müssen wir annehmen, dass zwanzig bis
dreißig Prozent täglich zu kämpfen haben, um sich den Wolf von der Tür
zu halten.
„Im Jahre 1890 wurde von 239
Selbstmorden berichtet, welche in der Stadt New York vorgekommen waren.
Die Berichte des Gerichts werden mit Selbstmorden angefüllt wie nie zuvor.
„Sie sind“, sagte der Berichterstatter Smith zu einem armen Geschöpf
Gottes, welches des Tod gesucht hatte, indem es in den East River
gesprungen war, „der zweite Fall von versuchtem Selbstmord, der heute
bei diesem Gerichtshof angemeldet wird, und niemals habe ich von soviel
Selbstmordversuchen gehört wie in den letzten wenigen Monaten.“
„Die Nacht senkt sich langsam
aber sicher auf Hunderte und Tausende von Menschen - die Nacht der Armut
und der Verzweiflung. Sie sind sich dessen bewusst, aber sie sind machtlos,
dem zu begegnen. „Die Mietpreise steigen, und die Löhne sinken von Jahr
zu Jahr mehr, was können wir dagegen tun?“ So sagte kürzlich ein
Arbeiter, als er über die Aussichten sprach, die die Zukunft ihm bot. „Ich
sehe keinen Ausweg“, fügte er bitter hinzu, und wir müssen zugeben,
dass die Aussichten düstere sind, wenn nicht durchgreifende,
wirtschaftliche Änderungen vorgenommen werden, denn jährlich wächst das
Angebot von Arbeit immer mehr, während dies bei der Nachfrage in lange
nicht demselben Maße der Fall ist. „Zehn Frauen für einen Posten, wie
armselig er sei“, sagte ein Beamter in unparteiischer Weise, nachdem er
sich mit dem Untersuchen der Verhältnisse weiblicher Arbeiter beschäftigt
hatte. „Hunderte von Mädchen“, fährt er fort, „untergraben ihre
Zukunft und zerstören ihre Gesundheit in den staubigen, schlecht gelüfteten
Fabriken und Warenhäusern, gleichwohl drängen ganze Scharen vom Land
nach und von den kleineren Städten in die großen.“ Nehmen wir ja nicht
an, diese Zustände herrschten nur in New York. Was für diese Weltstadt
gilt, ist auch wahr von allen anderen großen Städten Amerikas. Innerhalb
der Schussweite von Beacon Hill, Boston, wo sich der Dom mit Pracht erhebt,
gibt es Hunderte von Familien, die dahinschmachten, Familien, die wacker
um die Bedürfnisse des täglichen Lebens gerungen haben, während die
Verhältnisse von Jahr zu Jahr hoffnungsloser wurden. Der Kampf um das
Brot wird immer heftiger, und die Aussichten werden immer trüber. Einer
dieser sich Abmühenden sagte bei einer Unterredung mit einem gewissen
Ausdruck von Niedergeschlagenheit, welcher Hoffnungslosigkeit offenbarte
oder vielleicht ein abgetötetes Empfindungsvermögen, weshalb er die
grausige Bedeutung seiner eigenen Worte nicht recht zu erfassen vermochte:
„Ich hörte einmal, dass jemand von einem Tyrannen in einen eisernen Käfig
gesperrt wurde und jeden Tag bemerkte, dass die Wände ihm näher und näher
gerückt wurden. Zuletzt kamen sie ihm so nahe, dass sie jeden Tag einen
Teil seines Lebens aus ihm herausquetschten. Es scheint mir, dass wir uns
in einer ganz ähnlichen Lage befinden. Manchmal, wenn wir sahen, wie die
kleinen Kästen fortgetragen wurden, sagte ich zu meiner Frau: Da ist
wieder ein bisschen Leben ausgequetscht worden. Eines Tages wird es auch
bei uns soweit sein.“
„Kürzlich besuchte ich mehr
als zwanzig Mietshäuser, wo das Leben mit dem Tode kämpft. Mit einem Mut,
der dem des Kriegers auf blutigem Schlachtfeld nicht nachsteht, rühren
dort Mütter und Töchter unaufhörlich die Nadel. In verschiedenen Häusern
fand ich Leute, die im Kampf ums Dasein schon zu Krüppeln gemacht waren,
und deren eingesunkene Augen und ausgemergelte Gesichter die Geschichte
von monate- und vielleicht jahrelangem Hungern in schmutzigen und übelriechenden
Kellern erzählen. Hier nimmt man mit Kummer wahr, dass das Gespenst
Hunger und Furcht immer gegenwärtig ist. Ihr ganzes Leben lang tragen
diese Elenden auf dem Herzen einen schweren Druck, der nicht von ihnen
weicht. Der Hauswirt, mit der Zinsquittung in der Hand, steht beständig
vor ihrem geistigen Auge. Furcht vor Krankheit trübt jede gesunde Stunde,
denn Kranksein bedeutet für sie die Unmöglichkeit, sich das zum Leben
Notwendige zu beschaffen. Nicht selten werden sie durch die Verzweiflung
über die Zukunft aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Das ist das Los der
geduldigen Elemente in den untersten Schichten unserer großen Städte.
Auf den meisten Gesichtern kann man den Ausdruck schwermütiger
Traurigkeit und stummer Ergebung wahrnehmen.
„Manchmal führt das Gefühl
erlittenen Unrechts zu einem Aufflackern des Feuers, das noch im
Verborgenen glimmt. Sie fühlen in unbestimmter Weise, dass es den Tieren
auf dem Feld besser geht als ihnen. Selbst wenn sie vom Morgenrot bis tief
in die Nacht hinein arbeiten um ihr Brot und um ein elendes Obdach, ist
ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft genommen mitten in den großen
Städten der Namenchristenheit, deren prachtvolle Kirchen dem Nazarener
geweiht sein sollen, welcher sich vorab der Armen, Verkommenen, Verstoßenen
annahm! Nie sehnte sich das menschliche Herz so sehr nach wahrer Brüderlichkeit
wie heutzutage, nie stand diese der zivilisierten Welt so sehr als Ideal
vor Augen wie heutzutage! Und doch vernimmt man allerorts das Schreien der
Unschuld, des vergewaltigten Rechts, der Millionen, die das Räderwerk der
heutigen Gesellschaftsordnung erdrückt, deutlicher als je zuvor in jedem
zivilisierten Land. Die Seufzer der russischen Stundisten vermengen sich
mit denen der irischen Pächter, und die Verstoßenen in allen großen Städten
beider Kontinente erheben alle den alles erschütternden Ruf nach
Gerechtigkeit. In London allein leben mehr als dreihunderttausend Menschen
am Rande des Abgrundes, Menschen, denen jeder Puls mit der Furcht schlägt,
das elende Verlies, das sie ihr Heim nennen, könnte ihnen genommen werden.
Eine Stufe tiefer leben Zweihunderttausend, die sich nie satt essen können,
und ein Schritt weiter hinab führt uns zu weiteren Dreihunderttausenden,
die langsamen Hungers sterben, und deren Leben nichts als ein Todeskampf
ist. Aber noch sind wir nicht ganz unten angelangt, bei den 33.000, die
keine Wohnung, selbst nicht in den elendsten Löchern, finden können, die
auf den Steinfliesen am Themse-Ufer schlafen, und bei denen der, welcher
sich auf eine Zeitung legen kann, dachte, im Besitze eines Luxusartikels
zu sein.“
Man mag dies für Übertreibung
halten, aber wenn auch nur die Hälfte davon wahr sein sollte, so wäre es
doch noch schrecklich genug.
Unzufriedenheit, Hass und Reibungen,
die die
„Verbrennung“ der Gesellschaft beschleunigen
Wenn man heutzutage den
Arbeitern erklärt, wie viel besser doch jetzt für sie gesorgt werde als
je zuvor, so erhält man oft den nicht unrichtigen Bescheid, man verlange
nicht nach den Wohltaten des Armenhauses, nach unentgeltlicher Verpflegung
im Krankenhaus, sondern nach ehrlicher Arbeit im Schweiße des Angesichts
und danach, dass diese genügend abwerfe, um die eigenen Bedürfnisse und
diejenigen der Familie selber bestreiten zu können. Dabei bemerkt der
Arbeiter sehr wohl, dass es mehr und mehr von der Gunst abhängt, ob er
und seinesgleichen Arbeit finden, dass der Mittelstand und der Kleinhändler
von der Großindustrie und dem Großhändler mehr und mehr erdrückt
werden, dass aber die Zahl der Millionäre zunimmt und das Kapital durch
Beschaffung von Maschinen den Wert der menschlichen Arbeit herabzudrücken
vermag. So kann es uns nicht wundern, dass der 13. Arbeiterkongress in
Chicago die Delegierten mit folgender satirischen Rede willkommen hieß:
„Wir möchten Sie in einer
Stadt des Gedeihens begrüßen, aber wir können es nicht. Die Dinge sind
hier, wie sie sind, nicht, wie sie sein sollten. Wir heißen Sie
willkommen im Namen von hundert Monopolisten und von fünfzigtausend
Bettlern, in einer Stadt, wo der Mammon seine Orgien feiert, indes
Tausenden von Müttern das Herz bricht, Tausende von Kindern hungern,
Tausende von Männern sich umsonst um Arbeit bemühen. Wir heißen Sie
willkommen im Namen von hunderttausend Arbeitslosen, im Namen jener Gebäude,
die dem Namen nach zur Ehre Gottes errichtet sind, deren Türen aber
nachts verschlossen werden, so dass sie den frierenden Obdachlosen nichts
nützen, im Namen der Geistlichen, die sich von den Weinbergen des Herrn sättigen,
aber vergessen, dass ihre Mitmenschen hungern und nicht wissen, wo sie ihr
Haupt hinlegen sollen, im Namen der Stützen des Schwitz-Systems, der
Millionäre und der Pfarrer, deren Seelen wegen ihrer Liebe zum Gold in
ernster Gefahr schweben, im Namen der Lohnarbeiter, die Blut schwitzen,
das in Dukaten ausgemünzt wird, im Namen der Irren- und Armenhäuser,
welche bewohnt sind von Menschen, die von Sorgen in diesem Land des Überflusses
bedrückt sind. Wir werden Ihnen diese Nacht in Chicago zeigen, was man
sonst nicht sieht. Hunderte von Männern werden auf den bloßen Steinen
der Korridore dieses Hauses schlafen, weil sie kein Obdach haben und keine
Arbeit, um sich ein solches zu verdienen.
„Es ist Zeit, sich zu sammeln,
einer Regierung ein Ende zu machen, die die Rechte der Gesamtheit einigen
EisenbahnKön.n, Kohlenbaronen und Spekulanten ausliefert. Wir erwarten
von Ihnen, dass Sie Ihre politischen Rechte zu dem Zweck ausnutzen, die
ungetreuen Diener des Volkes aus ihrer Machtstellung zu verdrängen; denn
sie sind schuld an den bestehenden Verhältnissen.“
Die Hoffnung des Redners, dass
ein Personalwechsel in der Regierung diese Übel beseitigen würde, ist
natürlich trügerisch. Aber darin wird ihm jeder, der gesunden
Menschenverstand hat, beipflichten, dass Verhältnisse, die solche Gegensätze
zwischen Reich und Arm schaffen, ungesund sind. Jedermann gibt dies übrigens
zu, aber in den Abhilfsmitteln sind sie sich nicht alle einig. Die einen
suchen solche in falscher Richtung; viele wollen von Abhilfe erst reden hören,
wenn sie die Verhältnisse selbst ausgenutzt haben. In Übereinstimmung
damit sagte George E. M. Neill in einer Rede vor dem Weltkongress der
Arbeiter:
„Die
Arbeiterbewegung ist von Hunger erzeugt, Hunger nach Nahrung, Obdach,
Kleidung und Genuss. Das Industriesystem der Gegenwart ruht auf der
eisernen Teufelsregel: „Jedermann für sich selbst!“ Ist es so unerklärlich,
dass die, welche am meisten unter dieser selbstsüchtigen Regel zu leiden
haben, sich zusammentun, um des Teufels Regierungsform zu stürzen?“
Können wir uns über solche
Redensarten wundern in einer Zeit, da die Zeitungen sich in Beschreibungen
des Luxus ergehen, den die „oberen Zehntausend“ treiben? Es wird
gemeldet, dass eine Dame kürzlich bei einem Ball in Paris Diamanten im
Werte von 1.600.000 Dollar trug. Weiter hören wir, dass Hundebankette
veranstaltet werden, bei denen die Dienerschaft den Tieren Leckerbissen
aufwarten muss, dass für ein Dessertservice 5.000 Dollar, zwei
rosafarbene Vasen 50.000 Dollar, ein Rassenpferd 350.000 Dollar bezahlt
worden seien, dass eine Witwe in Boston 50.000 Dollar für den Sarg ihres
Gatten, eine andere Dame 5.000 Dollar für den Sarg ihres Pudels
verwendete, dass sich New Yorker Millionäre Privatschiffe bauen für den
Preis von 800.000 Dollar.
Muss solches alles nicht in
denen, die nicht „Neue Schöpfungen“ sind, die nicht wissen, dass
Gottseligkeit mit Genügsamkeit großer Gewinn ist - und derer sind nur
wenige - die selber Not leiden und nur gerade ihr Auskommen finden, Neid,
Hass und Eifersucht erregen, welche Leidenschaften gerade das Feuer sind,
das alle Werke des Fleisches und des Teufels in der kommenden
Drangsalszeit verzehren wird?
„Siehe, dies war die Missetat
Sodoms, ... Hoffart, Fülle von Brot und sorglose Ruhe hatte sie mit ihren
Töchtern, aber die Hand des Elenden und des Armen stärkte sie nicht“
usw. - Hes. 16:49, 50
Der „Christian Advocate“ in
Kalifornien sagt über einen der prachtvollsten Bälle in New York
folgendes:
„Der verschwenderische Luxus
und der blendende Aufwand der reichen Griechen und Röm. aus alter Zeit
ist geschichtlich bekannt. Ein gleich toller Aufwand wird jetzt in diesem
Land bei der sogenannten modernen Gesellschaft eingeführt. Uns wird erzählt,
dass eine Dame in New York 125.000 Dollar für Unterhaltungen ausgab während
einer einzigen Saison.Die Art und der Wert dieser Unterhaltungen können
von der Tatsche aus beurteilt werden, dass die Dame die Gesellschaft
lehrte - wie man römischen Punsch gefrieren lässt in karmesinroten und
gelben Tulpen, und wie man Schildkröte mit goldenen Löffeln aus
silbernen Baumkähnen isst. Andere Gesellschaftsgeber bedeckten ihre
Tafeln mit kostbaren Rosen, und einer von den „Vierhundert“ soll für
einen einzigen Unterhaltungsabend 50.000 Dollar ausgegeben haben. So
verschwenderische Ausgaben zu so armseligen Zwecken sind sündhaft und
schandhaft, ganz einerlei, wie reich man sein mag.“
Der „Messias Herald“ schrieb
folgendes:
„Hundertvierundvierzig Geldfürsten
hielten einen großen Ball ab. Niemals haben Kön. sie übertroffen. Der
Wein floss wie Wasser. Die Pracht verlieh ihren Zauber. Weder Mark
Antonius noch Kleopatra entfalteten je einen solchen Glanz. Es war eine
Sammlung von Millionären. Der Welt war ihr Reichtum abgezapft worden, und
man hatte ihn in Perlen und in Diamanten angelegt. Halsketten, von denen
die Edelsteine je 200.000 Dollar und darunter kosteten, waren bei mehr als
zwanzig zu sehen. Der Tanz begann mit aladinischer Pracht. Die Freude war
unbegrenzt. Zur selben Zeit, sagt uns ein Journalist, irrten
hunderttausend Bergarbeiter in Pennsylvanien hungernd auf den Landstraßen
umher, wie Vieh nach Futter suchend. Viele von ihnen lebten von Katzen,
und viele verübten Selbstmord, um die eigenen Kinder nicht verhungern
sehen zu müssen; und doch würde eine einzige Halskette alle diese vom
Hunger errettet haben. Es war dies eines der großen Ereignisse im Schoße
einer sich christlich nennenden Nation. Welch ein Gegensatz! Und da gibt
es keine Abhilfe? So wird es ein, bis er kommt!“
„Bis er kommt?“ Nein,
vielmehr gerade in jenen Tagen, da er gekommen sein wird, da er seine
Auserwählten sammelt, um sein Reich aufzurichten, dessen Beginn die
Zerschmetterung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse in der
Zeit der großen Drangsal und allgemeinen Anarchie sein wird. (Offb. 2:26,
27; 19:15) Wie es war in den Tagen Lots, also wird es sein in den Tagen
des Menschensohnes; wie es war in den Tagen Noahs, also wird es sein zur
Zeit der Gegenwart des Menschensohnes. - Matth. 24:37; Luk. 17:26, 28
Werden
die Reichen zu hart beurteilt?
Neulich wurde in der in San
Francisco erscheinenden Zeitung „Examiner“ geschrieben:
„Herrn W. K. Vanderbilts große
Dampfjacht Valiante traf mit Herrn F. W. Vanderbilts Dampfjacht Conqueror
in dem Hafen von New York zusammen. Die Valiante kostete 800.000 Dollar.
Dies stellt den Reinertrag von einer Ernte von 15.000.000 Bushel je
sechzig Cent Weizen dar, oder den ganzen Ertrag von wenigstens achttausend
160 Morgen Farmen. Mit anderen Worten: Achttausend Farmer, welche
vierzigtausend Menschen vertreten, Frauen und Kinder, haben bei Sonne und
Wetter gearbeitet, damit Herr Vanderbilt ein solches Vergnügungsfahrzeug
erbaut bekäme, wie es kein Monarch in Europa besitzt. Der Bau des
Schiffes erforderte die Arbeit von mindestens tausend Handwerkern während
eines Jahres. Wenn das Geld, welches sie kostete, unter unsere Arbeiter
verteilt worden wäre, so hätte dies einen merklichen Einfluss auf den
zeitlichen Zustand in manchen Vierteln gehabt.“
„The Literary Digest“
schrieb:
„Vor einiger Zeit schrieb ein
neuenglischer Geistlicher an Herrn Samuel Gompers, den Vorsitzenden des
Arbeitervereinigung in Amerika, einen Brief, in welchem er anfragte,
weshalb seiner Meinung nach so viele denkende Arbeiter nicht in die Kirche
gingen. Herr Gompers antwortete, ein Grund dafür wäre der, dass die
Kirchen nicht mehr in Fühlung stehen mit den Wünschen und Bestrebungen
der Arbeiter, und dass sie kein Mitgefühl haben mit ihrem Elend und ihren
Lasten. Entweder wüssten die Pastoren nicht das Recht und das Unrecht der
sich abmühenden Millionen von den Kanzeln zu verkünden, oder sie hätten
nicht den Mut dazu. Die Arbeiterorganisationen beschäftigen sich mit der
Verbesserung der Verhältnisse, für die die Geistlichen nur ein
Stirnrunzeln gehabt hätten. Die Aufmerksamkeit der Arbeiter sei auf die
„süße Zukunft“ gelenkt worden, so dass sie die Verhältnisse, die
aus der „bitteren Gegenwart“ erwuchsen, übersehen sollten. Die Kirche
und die Geistlichen seien die Verteidiger des Unrechts gewesen, welches
dem Volke zugefügt wurde, nur weil ihre Stützen die Reichen seien. Als
Herr Gompers gefragt wurde, wie er über eine Versöhnung zwischen der
Kirche und den Massen denke, antwortete er, diese könne nur auf Grund
einer Umkehrung der gegenwärtigen Haltung der Kirche geschehen. „Wer
mit der Arbeiterbewegung zu sympathisieren verfehlt“, sagte er, „wer
nur mit Behaglichkeit, oder wer gleichgültig über die gegenwärtigen
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse nachdenkt, widersetzt sich
nicht nur den besten Interessen des Menschengeschlechtes, sondern er ist
auch mitteilhaftig an dem verbrecherischen Unrecht, welches Männern,
Frauen und Kindern der heutigen Zeit und den Männern und Frauen der
Zukunft zugefügt wird.“
Während wir sehen, dass die
allgemeine Meinung die Reichen als Klasse verurteilt, und während wir
auch wissen, dass der Herr diese Klasse als ganze verurteilt und ihre
Strafe vorhergesagt hat, so ist es doch nur vernünftig, dass Gottes
Kinder sich davor hüten, über die einzelnen Reichen ein hartes Urteil zu
fällen. Der Herr verfährt sehr streng mit ihnen als Klasse; aber den
einzelnen wird er gnädig sein, nachdem er ihre silbernen und goldenen Götzen
zertrümmert, ihren Hochmut gebeugt haben wird. Er wird alle diejenigen
reich segnen, die ihrer Selbstsucht und ihrem Stolz entsagen. Was uns
helfen wird, gerecht und maßvoll zu sein in unserem Urteil, ist die
Tatsache, dass nicht nur der als reich gilt, der unermesslich reich ist,
sondern bei vielen auch der, welchen die Reichsten als arm betrachten, und
dass zu denen, welche in den Augen der Armen reich sind, sehr viele gehören,
welche zu den bestgesinnten Leuten gezählt werden müssen, und die ihre
Gesinnung auch betätigen. Wenn es auch nicht alle dahin bringt, sich
selbst zu opfern, so ist es doch nicht das Recht solcher, die sich auch
nicht zum Segen anderer opfern, jene abzuurteilen. Wer es aber zur
Selbstaufopferung gebracht hat, weiß, was das bei reich oder bei arm heißen
will, und er schätzt schon die ersten Schritte zur Selbstaufopferung hoch.
Man sollte nicht vergessen, dass
die Reichen nicht nur, was recht ist, ihrem Vermögen entsprechend Steuern
bezahlen und damit öffentliche Einrichtungen unterhalten müssen, die
auch den Armen zugute kommen, sondern oft auch die Werke freiwilliger
Liebestätigkeit freudig und reichlich bedenken. Wer so handelt aus Liebe
und nicht um des Lobes und Ruhmes von Menschen willen, wird seinen Lohn
empfangen und hat vollen Anspruch auf die Achtung seiner Mitmenschen.
Man ist allgemein geneigt, über
Millionäre abfällig zu urteilen. Unsere Leser möchten wir bitten: „Seid
auch ihnen gegenüber liebreich.“ Auch sie sind wie die Armen in dem
gegenwärtigen sozialen System gefangen. Sitte und Brauch haben ihnen Herz
und Sinne in Fesseln geschlagen. Die falsche Auffassung des Christentums,
die Jahrhunderte hindurch bei reich und arm herrschte, beherrscht noch
vollständig ihre Denkweise. Sie glauben recht zu handeln, wenn sie es
machen wie die anderen, wie diese ihre Zeit und ihre Fähigkeiten für das
Geschäft brauchen. Dabei wird ihr Profit größer als der, den der Hände
Arbeit einbringt.
Im Besitz des Reichtums halten
sie sich für verpflichtet, ihn nicht ganz aufzuhäufen, sondern andere
davon profitieren zu lassen, sei es durch Beschäftigung von Arbeitern und
Angestellten, sei es durch Vereinigung weniger begüterter Freunde zu
allerlei Festlichkeiten. Haben sie hierin so ganz unrecht? Ein Bankett um
12.000 Dollar, eine Jacht um 600.000 Dollar, die sich einer leisten kann,
kommt vielen Fleischern, Bäckern, Blumenhändlern, Modisten,
Schneiderinnen, Juwelieren, Bauarbeitern, Mechanikern, Tapezierern usw.
zugute, und die Bemannung der Jacht selbst versorgt wieder eine Anzahl auf
Verdienst angewiesene Leute.
So wie die Dinge jetzt liegen,
ist es also für die wenig Bemittelten und Armen vorteilhafter, wenn die
Reichen Luxus treiben, als wenn sie geizig wären. Einzig die Liebhaberei
für Diamanten verschafft Tausenden ihr täglich Brot, welche sonst
arbeitslos darben müssten. Aber sich mit ihren tollen Ausgaben zu rühmen,
als wären sie die Betätigung der Nächstenliebe, dazu haben die Reichen
ebenso wenig ein Recht wie der Mittelstand, wenn er sogenannte Wohltätigkeitsfeste
veranstaltet. Wir wollen dieselben auch nicht gutheißen, sondern nur
feststellen, dass diese tollen Ausgaben nicht auf Lieblosigkeit zurückzuführen
sind. Sie verstehen es eben nicht besser, und mancher mag denken, dass,
wenn er den Gewinn, den er täglich einheimst, verteilen wollte, er gar
nicht sicher wäre, dass derselbe zu denen gelangen würde, die es am nötigsten
hätten. Diese selber aufsuchen in den elenden Quartieren der Großstädte,
dafür ist man zu fein; dafür müsste man Leute haben, und die könnten
am Ende einen Teil des für Almosen bestimmten Geldes einstecken! Bevor
sie so reich waren, mögen solche sich den Reichtum gewünscht haben, um
Gutes zu tun; aber dieser, der Hochmut, die Selbstsucht und
gesellschaftliche Vorurteile haben diese edleren Gefühle erstickt, so
dass die Frucht ausbleibt.
Soviel nur, um zu zeigen, dass
wir die tollen Ausgaben der Reichen, soweit sie auf Selbstsucht beruhen,
nicht gutheißen. Auch die Schrift verurteilt dieselben. (Jak. 5:5) Sie
sind eine Frage, die viele Seiten hat, und wenn man sie alle in Betracht
zieht, so hilft das dazu, sich ein ruhiges und gesundes Urteil zu bilden
und Mitleid zu haben mit denen, welche der Gott dieser Welt mit seinen Gütern
verblendet hat, bis sie ungerecht wurden, und für welche der Herr so
schwere Züchtigungen bereit hat. Der Gott dieser Welt verblendet auch
Arme, so dass ihnen üblen Wege als gerecht erscheinen, und so führt es
beide Parteien in den großen Kampf.
Wir müssen eben bedenken, dass,
wenn wir auch Entschuldigungen finden für die Vereinigung großer Reichtümer
in den Händen von wenigen, wenn auch einige unter den Begüterten,
namentlich die weniger Reichen, Liebe üben, wenn sie auch ihre Reichtümer
nach den gleichen Gesetzen erwerben, wie alle ihre Mitmenschen, wenn auch
nicht wenige unter den Armen von Natur weniger freigebig sind und weniger
bereit zur Gerechtigkeit als der oder jener Reiche, und vielleicht bei
vertauschten Rollen sich ungleich härter erweisen würden, als es jetzt
viele Reiche tun, der Herr gleichwohl erklärt, dass er mit den Besitzern
von Reichtum deshalb ins Gericht gehen wird, weil sie, nachdem sie
eingesehen haben, wohin die Verhältnisse, die sie reich gemacht haben, führten,
sich nicht nach Abhilfe auf ihre Kosten umsahen, wie etwa die Beteiligung
ihrer Helfer an diesem Verdienst.
Der Gedanke, dass alle gleichmäßigen
Anspruch haben auf Erde, Luft und Wasser, und dass, wo der Besitz dieser
Elemente in den Händen von wenigen konzentriert ist, die Gesamtheit jedem
einzelnen eine Gelegenheit schuldet, sich das Nötige zu verschaffen, ist
überaus verbreitet.
Um zu zeigen, wie schnell weite
Kreise der Bevölkerung dem Gedanken zuneigen über die Pflicht der
gesellschaftlichen Ordnung, die entweder alle Gelegenheiten und Reichtümer,
welche die Natur bietet (Erde, Luft und Wasser), allen erschließen oder
die bei Monopolisierung derselben dafür sorgen soll, dass sich alle Außenstehenden
durch tägliche Arbeit unterhalten können, führen wir folgenden Auszug
aus einer Zeitung an:
„Es ist
wohl kaum ein mehr rührender Vorfall je gedruckt worden, als der folgende,
der von einer Kindergarten-Lehrerin berichtet wurde: „Ein kleines Mädchen,
das in dem armseligsten Stadtteil New Yorks einen Kindergarten besucht,
kam kürzlich eines Morgens zur Schule, dünn gekleidet und verfroren
aussehend. Nachdem es sich ein Weilchen gewärmt hatte, blickte das Kind
die Lehrerin an, und es fragte ernstlich: „Lieben Sie Gott?“ - Ja,
freilich, antwortete die Lehrerin. - „Nun, ich nicht“, entgegnete das
Kind mit Heftigkeit, „ich hasse ihn!“ - Ja, warum denn? - „Weil er
den Wind blasen lässt, da ich doch keine warmen Kleider habe; weil er
schneien lässt, da meine Schuhe doch Löcher haben; weil er kaltes Wetter
schickt, da wir doch zu Hause kein Feuer machen können; weil er uns
hungrig macht, da doch Mama kein Brot hat für unser Frühstück.“
In einem Kommentar sagt die
Zeitung:
„Wenn
wir betrachten, wie überreich Gott die Menschenkinder mit Gütern
versorgt hat, so wird es einem, wenn man diese Geschichte gelesen hat,
schwer, noch mit Geduld auf die Behaglichkeit der reichen Lästerer zu
blicken, die, gleich diesem unschuldigen Kind, die Armut Gott zuschreiben.“
Von den Mammonsanbetern wollen
wir hier gar nicht reden; denn Selbstsucht ist der Geist dieser Welt. Wir
sehen aber auf die Reichen, welche Christen sein wollen. Auch sie legen
weder Reichtum noch Leben nieder auf Gottes Altar zum Dienst an seinem
Evangelium oder zur Linderung zeitlicher Not. Freilich, das Evangelium
vorab; es hat den ersten Anspruch auf unsere Zeit, Fähigkeiten und Mittel.
Wo dieses aber nicht erkannt wird, wo falsche Begriffe ein Herz hindern,
sich seiner Leitung ganz zu überlassen, da bleibt immer viel zu tun in Übung
der Liebe, wie Temperenz- Sittlichkeitsbewegung, Verbesserung der
Wohnungsverhältnisse usw. Aber die Reichen, die sich für dergleichen
interessieren, bilden die Ausnahme. Wollten sie alle sich in dieser
Richtung betätigen mit Zeit und Geld, mit eigener Kraft und der Hilfe
geeigneter Mitarbeiter, wie viel könnte binnen Jahresfrist in dieser
Richtung geleistet werden! Die Industrie-„Ringe“, überhaupt alles,
was den einzelnen vor der Masse begünstigt, würden fallen, und das
Interesse für alle wird dann zuerst kommen anstatt für wenige. Aber es
ist Torheit, von den reichen Namenchristen solches zu erwarten; denn sie
haben den Geist des wahren Christentums nicht. Sie wollen wohl lieber
Christen heißen als Juden oder Heiden, weil der Name „Christ“ jetzt
landläufig ist, während es mit Christi wahren Lehren noch nicht anders
bestellt ist, als es zur Zeit seiner Kreuzigung der Fall war.
Das
stimmt auch überein mit dem Worte Gottes, in welchem wir lesen, dass Gott
nur wenige Reiche und Weise zu Erben seines Reiches auserwählt hat, dass
seine Wahl vielmehr auf die fällt, welche arm und verachtet sind in den
Augen der Welt. „Schwerlich (das heißt mit großer Mühe) wird ein
Reicher in das Reich der Himmel eingehen ... Es ist leichter, dass ein
Kamel durch ein Nadelöhr (Anmerkung:
Wenn unter dem „Nadelöhr“ das Tor dieses Namens in Jerusalem gemeint
ist, was wahrscheinlich ist, so besagt die Stelle, dass die Reichen, um
ins Reich Gottes einzugehen, erst gebeugt und entlastet werden müssen wie
die Kamele, die nachts, wenn die anderen Tore verschlossen waren, durch
jenes „Nadelöhr“ eingelassen wurden)
eingehe, als (dass) ein Reicher in das Reich Gottes (eingehe).“ - Matth.
19:23, 24
Die armen Reichen! Sie gehen
schrecklichen Erfahrungen entgegen. Nicht nur wird ihr Reichtum für sie
ein Hindernis sein, in Gottes Königreich Ehre und Ruhm zu finden, sondern
schon in dieser Weltordnung werden sie bald um ihre Vorteile kommen. „Wohlan
nun, ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommt!
... Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen.“ Das Weinen und
Heulen der Reichen wird bald vernommen werden. Diese Gewissheit sollte
Neid und Begehrlichkeit in allen Herzen vernichten und diese mit Mitgefühl
mit den armen Reichen erfüllen, ein Mitgefühl, das freilich die Gerichte
Gottes nicht wegwünscht, weil mit ihm die Erkenntnis verbunden ist, dass
diese Gerichte die Herzen erneuern, die Augen öffnen werden für alles,
was Liebe und Gerechtigkeit heißt, bei reich und arm. Die Reichen werden
diese Gerichte schwerer empfinden, weil für sie die Änderung eine viel
größere und dazu gewaltsame sein wird.
Warum aber können die Verhältnisse
nicht allmählich so geändert werden, dass Güter und Bequemlichkeiten
Allgemeingut werden? Weil die Welt nicht vom königlichen Gesetz der Liebe,
sondern vom Gesetz der Selbstsucht regiert wird.
Selbstsucht verbunden mit Freiheit
Das Christentum lehrt die
Freiheit, und Freiheit führt zur Erwerbung von Kenntnissen. Freiheit aber
und Kenntnisse sind eine Gefahr für die Wohlfahrt der Menschheit, solange
das göttliche Gesetz der Liebe nicht die Welt regiert. Darum hat denn
auch die Namenchristenheit Freiheit und Kenntnisse dazu verwertet, ihre
Selbstsucht kräftiger wirken zu lassen. Darum ist denn auch in der
Namenchristenheit die Unzufriedenheit am größten, und die übrigen
Nationen werden derselben in dem Grade teilhaftig, als sie Freiheit und
Bildung der Namenchristenheit ohne den Geist Christi, den Geist der Liebe
sich aneignen.
Das Alte und das Neue Testament
begünstigen den Geist der Freiheit, aber nicht direkt, sondern indirekt.
Das Gesetz verpflichtete die Knechte zum Gehorsam, drohte aber den
Meistern mit der Strafe Gottes, wenn sie sich als ungerechte Herren
erweisen würden. Das Neue Testament tut desgleichen. (Kol. 3:22-25; 4:1)
Aber die Schrift versichert allen, dass, wenn die Menschen auch jetzt nach
materiellen und geistigen Gaben verschieden sind, Gott eine vollständige
Wiederherstellung aller, der Reichen und Armen, der Knechte und Freien,
der Weisen und Unweisen auf gemeinsamer Stufe vorhat.
Es ist daher kein Wunder, dass
die Juden ein freiheitsliebendes Volk, eine widerspenstige Nation, waren
und die Fremdherrschaft nicht ertrugen, so dass ihre Besieger sich schließlich
nicht anders zu helfen wussten, als ihrem Volkstum durch Zerstreuung ein
Ende zu machen; kein Wunder, dass auch nichtchristliche Staatsmänner die
Bibel als den Grundstein der bürgerlichen Freiheiten bezeichnen, dass mit
der Bibel auch die Freiheit, mit dieser aber die Bildung und Kultur
verschwindet. So hat auch das Papsttum durch Unterdrückung der Bibel das
finstere Mittelalter heraufgeführt. Kaum aber wurde durch die Reformation
die Bibel wieder in ihre Rechte eingesetzt, so erstanden Freiheitsliebe,
Bildung und Fortschritt unter den Massen. Wo ein Volk die Bibel hat,
herrscht Freiheit und Aufklärung, und je freier in einem Land die Bibel
ist, um so freier, aufgeklärter, allgemeiner gebildet und allen
Fortschritten zugänglicher ist das Volk.
Aber die Namenchristenheit hat
eben, wie oben bemerkt, nur die Freiheit und die Aufklärung der Bibel
sich angeeignet, das Gesetz der Liebe, der rechten Freiheit (Jak. 1:25)
aber beiseite gelassen. Denkende Menschen haben jetzt eben erkannt, dass
Freiheit und Bildung, wenn von der Liebe geleitet und beherrscht, viel
Gutes, wenn aber im Dienste der Selbstsucht ausgenützt, unendlich viel Böses
stiften. Dieses Böse ist nun gestiftet und bereitet die Elemente vor für
das „Feuer“ des Tages der Rache und der Vergeltung.
In der Chemie vermag eine
Verschiebung des Verhältnisses unter den verschiedenen verbundenen
Elementen, die eine nützliche Zusammensetzung ausmachen, diese zu einem
Gift zu machen. Gerade so ist es mit den Segnungen der Freiheit und
Bildung, wenn sich Selbstsucht damit verbindet. Bis zu einem gewissen
Grade hat diese Verbindung der Menschheit nicht zu unterschätzende
Vorteile gebracht. Aber die plötzliche Steigerung der Kenntnisse hat nun
nicht der Wissenschaft, sondern der Selbstsucht auf den Herrscherthron
hinaufgeholfen. Sie ist König, und Freiheit und Bildung sind ihre Diener.
Mit ihnen beherrscht sie die Welt und bringt sie dabei in Gegensatz zur
Gerechtigkeit und Friedsamkeit. Die Wissenschaft dient vorab dem eigenen
Interesse, und die Freiheit wird zur Ungebundenheit, die über die Rechte
und Freiheiten der anderen hinwegsieht. So bilden denn heutzutage
Selbstsucht, Freiheit und Wissenschaft ein Triumvirat böser Mächte,
unter deren Herrschaft die Namenchristenheit seufzt. Jetzt sind die
Reichen und Maßgebenden seine Werkzeuge; aber seine Herrschaft wird nicht
weniger drückend sein, wenn er die besitzlosen Massen als seine Werkzeuge
braucht.
In den zivilisierten Ländern
beherrscht er eben jeden einzelnen, ob reich, ob arm, gelehrt oder
unwissend, klug oder töricht, Mann oder Weib, in allem, was er in diesem
Leben tut. Er zeugt in allen seinen Untertanen eine leidenschaftliche
Begierde nach Macht, Profit und Verbesserung der Stellung. Die wenigen
Heiligen, die nur das gegenwärtige und zukünftige Gute für ihren Nächsten
wünschen, bilden eine so verschwindende Minderheit, dass sie als
handelnder Faktor in der Gegenwart kaum gezählt werden können. Sie
werden auch das Gute, das sie tun möchten, nicht tun können, bevor ihr
Herr und Meister sie erhöht und ihnen die Macht verliehen hat, die Welt
als Gottes Königreich zu segnen. Solange sie im Fleische sind, werden sie
stets zu wachen und zu beten haben, damit nicht ihre höhere Bildung und
Freiheit unter die Herrschaft der Selbstsucht geraten und ihnen dadurch
verderblich werden.
Wie reich und arm Unabhängigkeit
versteht
Die Massen sind genau genommen
erst vor nicht sehr langer Zeit zur Freiheit gelangt. Bildung hat die persönlichen
und politischen Fesseln gesprengt; politische Gleichheit wurde nicht
freiwillig zuerkannt, sondern von den Massen Zoll um Zoll erstritten. Wie
früher Privilegien, so scheiden heute Hochmut und Selbstsucht die
Menschheit in zwei feindliche Lager, in deren einem für die Erhaltung und
Vermehrung von Besitz und Macht, in deren anderem um das Recht auf Arbeit,
um einen bescheidenen Anteil an den Bequemlichkeiten modernen Lebens gekämpft
wird. (Amos 8:4-8) Unter den Besitzenden denken viele: „Nun, die Massen
haben ja Freiheit und den Stimmzettel. Möge es ihnen damit gut gehen! Sie
werden bald merken, dass die Begabung im Leben eine große Rolle spielt,
und dass dieselbe vorab die Reichen begünstigt. Wenn sie nur ihre
Freiheit mit Maß und im Rahmen des Gesetzes gebrauchen, so sind wir einen
Teil unserer Verantwortlichkeit los. Ehedem, als die Massen Untertanen
waren, hatte jeder Adlige auch für diese zu sorgen, soweit sie seine
Untertanen waren. Jetzt sind wir diese Sorge los und sind frei, für
unseren eigenen Vorteil zu sorgen. Ihre Freiheit ist für uns ein großer
Profit; jeder Herr hat seinen Nutzen von dem Wechsel, und das Volk, nun,
es wird eben sein Möglichstes tun, auch seinen Vorteil zu finden wie wir.
Die Massen sind nun nicht mehr unsere Schutzbefohlenen, sondern unsere
Konkurrenten. Sie werden es dabei nach und nach erfahren, dass politische
Gleichheit die Menschen noch nicht gleich macht, und an die Stelle der
Erbaristokratie wird eine Aristokratie der Intelligenz und des Reichtums
treten.“
In den Massen antworten die
Kraftvolleren gedankenlos: „Wir nehmen den Kampf auf; wir sind frei und
stark genug, für uns selbst zu sorgen. Wir werden euch den Meister zeigen.
Das Leben ist ein Kampf um den Besitz, und wir haben die numerische Übermacht;
wir organisieren Arbeitseinstellungen und Boykotts und werden schon
unseren Weg gehen!“
Ist die Voraussetzung richtig,
dass die Menschen von einander unabhängig sind, und dass jeder für sich
allein sorgen darf, ohne sich um die anderen und ihr Wohl zu kümmern,
dann ist natürlich das Leben ein Kampf um den Besitz. Die Menschheit
macht zur Zeit mit dieser Anschauung bitter ernst. Die Kapitalisten (mit
Ausnahmen natürlich) sehen auf das Ihre und zahlen so wenig wie möglich
für die Arbeit; die Arbeiter (mit Ausnahmen natürlich) sehen auf das
Ihre und verlangen möglichst viel Lohn für ihre Dienste. Wie kann nun
eine Klasse dies der anderen zum Vorwurf machen, da sie beide genau aus
den gleichen Beweggründen handeln?
Der schöne Brauch, dass
Gebildete und Begüterte die Armen zu Hause aufsuchen und ihnen mit Rat
und Tat beistehen, ist bei diesem Kriegszustand verschwunden. Jeder sorgt
für sich und lässt die anderen für sich sorgen. Das mag bei einigen
ganz gut sein und in mancher Hinsicht von Nutzen, aber andere bringt es in
bittere Verlegenheit, weil sie die Opfer der Unerfahrenheit,
Unvorsichtigkeit, Verschwendungssucht, Gleichgültigkeit, Schwachheit und
des Missgeschicks werden und dann der Öffentlichkeit und ihren Anstalten
zur Last fallen.
Tatsache ist eben, dass weder
Reich noch Arm unabhängig ist. Darum sollten die Menschen sich auch nicht
gebärden, als wären sie es. Die Menschheit ist eine Familie. „Gott hat
aus einem Blute alle Nationen der Erde gemacht.“ (Apg. 17:26) Wir sind
dem Fleische nach alle Brüder, Kinder eines Vaters, Adams, der selbst ein
Sohn Gottes war. (Luk. 3:38) Uns allen ist die Erde mit allem, was
darinnen ist, zur gemeinsamen Besorgung anvertraut wie ein Lehen. Alle
haben somit Anspruch auf diese Gabe Gottes; denn noch „ist die Erde des
Herrn und alles, was darinnen ist“. Der Sündenfall und seine Strafe,
der Tod, der allmähliche, körperliche, intellektuelle und moralische
Verfall hat alle Menschen mehr oder weniger unvollkommen gemacht, so dass
jeder des anderen bedarf nach Maßgabe des Grades seiner Unvollkommenheit
und daher rührenden körperlichen, intellektuellen und moralischen Abhängigkeit.
Wäre die Liebe die Triebfeder
in allen Menschen, so würde ein jeder sich freuen, in seinem Teil
mitzuwirken an der Wohlfahrt der Gesamtheit, und allen wäre das
Notwendige und einige Bequemlichkeit im Leben gesichert. Dieses setzte ein
wenig Sozialismus voraus. Aber Liebe ist eben die Triebfeder nicht, und
darum kann ein solcher Zustand jetzt nicht Platz greifen; vielmehr regiert
die Selbstsucht fast die ganze Namenchristenheit, und nun reifen ihre
Herlinge schnell heran für die große Kelter des Zornes Gottes. - Offb.
14:19, 20
Nur Massenbekehrung oder das
Eingreifen einer höheren Macht werden die Welt von der Bahn der
Selbstsucht auf den Pfad der Liebe zurückführen. An Massenbekehrungen
glaubt heute auch der Hoffnungsvollste nicht mehr; denn die Mission entreißt
dem Heidentum nur wenige Hunderte, und die wahren Bekehrungen vom
selbstischen Geist der Welt zur liebenden christlichen Gesinnung beziffern
sich nicht einmal so hoch. Diese Hoffnung ist daher aufzugeben. So bleibt
also nur das Eingreifen einer höheren Macht übrig, und für dieses
gerade hat Gott durch das Tausendjährige Reich seines Christus gesorgt.
Gott hat eben vorausgesehen, dass tausend Jahre nötig sein würden, um
die Selbstsucht auszurotten und die Liebe ihre Stelle ganz ausfüllen zu
lassen. Darum hat er sich eine solche Zeit zur Wiederherstellung (Apg.
3:21) vorgenommen. Unterdessen aber sehen die wenigen, die sich nach
dieser Herrschaft der Liebe sehnen, völlig ein, dass menschliche Mittel
dieselbe nicht herbeizuführen vermögen, weil die Reichen ihren Überfluss
nicht freiwillig hergeben wollen, und die Armen ohne den Stachel der
bitteren Not oder der Begehrlichkeit nicht einmal ihren Unterhalt
verdienen würden.
Warum die jetzigen günstigen Verhältnisse
nicht von Dauer sind
Viele möchten sich sagen,
nachdem Reich und Arm sechstausend Jahre nebeneinander gelebt haben, sei
die Gefahr, dass die Reichen die Armen erdrücken und aushungern, oder die
Armen durch Herbeiführung anarchistischer Zustände die Reichen
vernichten, heutzutage nicht größer als je zuvor. Aber das ist eine trügerische
Hoffnung. Die Verhältnisse sind durchaus andere geworden. Die Massen
haben die Vorteile der Kultur und Bildung zu schmecken bekommen und lassen
sich dieselben nicht rauben. Der Verdacht allein, dass man etwa
beabsichtigen könnte, ihre Kinder derselben zu berauben, würde sie zur
Revolution treiben, und gerade die Furcht vor dahin zielenden Versuchen
treibt sie zu immer schärferer Opposition.
Aber sind denn solche Versuche
überhaupt zu fürchten? Wird nicht vielmehr das Wohlergehen aller immer
mehr Steigerung erfahren wie in den letzten 100 oder 50 Jahren?
Wir glauben das nicht, halten
vielmehr solche Hoffnungen für trügerisch. Das Gedeihen des nun zu Ende
gehenden Jahrhunderts war eine Gott gewollte (Daniel 12:4) Frucht des
Erwachens der Völker, der Presse, der Dampfkraft, der Elektrizität, der
Maschinen überhaupt.
Die Nachfrage nach Bedürfnis-
und Luxusartikeln stieg plötzlich in ungeahnter Weise, so dass ihr die
Produktion erst nicht Schritt zu halten vermochte. Als der Bedarf im
eigenen Land aber gedeckt war, erwachten andere Nationen aus langem Schlaf
und verlangten auch nach ihrem Anteil an den Segnungen des Fortschritts.
Eine Zeitlang profitierten alle Klassen, und alle zivilisierten Völker
erlangten einen größeren Reichtum und vermehrte Bequemlichkeiten, wie es
nie zuvor gewesen war; denn für den Maschinenlauf wurden Former gebraucht,
sowie Maschinisten und Zimmerleute; diese bedurften der Hilfe der
Holzarbeiter, der Ziegelarbeiter, Schmelzofensetzer und der Heizer; und
als die Maschinen fertig waren, brauchten sie viele Kohlen, und so wuchs
die Nachfrage nach Bergarbeitern, nach Ingenieuren, Heizern usw. In der
ganzen Welt wurden Dampfschiffe und Eisenbahnen gebraucht, und es wurden
Tausende von Arbeitern angestellt, welche sie bauten, ausrüsteten und führten.
So wurden denn plötzlich allgemein Arbeiter gesucht, und die Nachfrage
trieb die Löhne in die Höhe. Indirekt hatten auch noch andere Vorteil
davon, denn wie die Arbeiter besser bezahlt wurden, aßen sie bessere
Speisen, trugen sie bessere Kleider und wohnten sie in besseren Häusern,
die auch behaglicher ausgestattet waren. Die Gutsbesitzer mussten nicht
nur mehr Arbeitslohn bezahlen, sie erhielten auch mehr für das, was sie
verkauften, und so war es mit allen Erwerbszweigen. Die Gerber, die
Schuhmacher, der Strumpfwirker, die Uhrmacher, die Juweliere usw. hatten
alle Vorteil, denn je besser die Massen bezahlt wurden, umso mehr konnten
sie für Bedarfs- und für Luxusartikel ausgeben. Die, welche einst barfüßig
gingen, kauften Schuhe; die früher keine Strümpfe trugen, betrachteten
Strümpfe als notwendig, und so gediehen alle Zweige; da alle diese
Nachfragen plötzlich aufkamen, war ein schnelles und allgemeines Aufblühen
unvermeidlich.
Der Erfindungsgeist wurde durch
die beständige Nachfrage angeregt, und er brachte eine Arbeit sparende
Maschine nach der anderen hervor, so dass es jetzt in Fabriken, zu Hause
oder auf Bauerngütern kaum möglich ist, ohne moderne Maschinen den
Lebensunterhalt zu verdienen. Alles dieses, zusammen mit dem später
entstandenen Auslandshandel, hat die Lage der Arbeiterklasse beständig
verbessert, während die Kaufleute und Fabrikanten der Christenheit
fabelhaft reich wurden.
Jetzt aber sind wir am
Gipfelpunkt des Gedeihens angelangt. Die Produktion übersteigt vielfach
die Nachfrage oder wenigstens die Kaufkraft von vielen. China, Japan und
Indien produzieren jetzt selbst mehr als das Doppelte von dem, was sie
zuvor in Europa und den Vereinigten Staaten kauften, und die Staaten Südamerikas
sind dem Ruin nahe und führen nur wenig mehr ein. Dies muss zu einer
Krisis führen und hätte in Europa längst dazu geführt, wenn nicht der
dortige Überfluss an Kräften und brach liegenden Kapitalien einen
Abfluss nach den Vereinigten Staaten gefunden hätte, wo er nun dieselbe
Krisis heraufzubeschwören droht. Dazu haben Kriege die Reihen der
Arbeitsbedürftigen gelichtet und durch Zerstörung neue
Arbeitsgelegenheiten geschaffen. Und jetzt, seit 25 Jahren, sind die
stehenden Armeen große Abnehmer, und sie hinderten Hunderttausende, durch
Konkurrenz ihren Brüdern zu schaden.
Sind wir aber am Gipfelpunkt
angelangt, so muss ein Niedergang folgen, der, menschlich gesprochen und
vom Standpunkt der Weissagung aus betrachtet, zu der großen Krisis der
Weltgeschichte führen muss. Die Löhne beginnen trotz aller Anstrengungen,
sie zu halten, wieder zu sinken; die Erzeugnisse werden billiger, bringen
daher immer weniger ein. Was wird die Folge davon sein, und wie lange
werden wir darauf noch warten müssen?
Der Zusammenbruch wird ein
gewaltsamer, plötzlicher sein. Wie ein Matrose, der sich langsam zur
Mastspitze hinaufgearbeitet hat, plötzlich stürzen kann, wie ein
schwerer Gegenstand, der von Maschinen mit Zahnrädern und Flaschenzügen
hochgewunden wurde, sich plötzlich losmachen und mit zermalmender Wucht
herabstürzen kann, mehr Schaden stiftend, als wenn er nie gehoben worden
wäre, so hat die Menschheit, nachdem sie durch die Zahnräder und Hebel
der Erfindung und Verbesserung über jeden früheren Höhengrad
emporgehoben worden ist, eine Stellung erreicht, wo sie (wegen der
Selbstsucht) nicht noch höher steigen kann, wo etwas plötzlich nachgibt.
Sie wird einen Augenblick (ein paar Jahre) stillstehen, bis die Zahnräder
und Hebel zerbrechen, dann wird sie stürzen und der Zerstörung
anheimfallen.
Dass die Befürchtungen, die anfänglich
an die Einführung der Maschinen geknüpft wurden, sich nicht sofort erfüllten,
hat in manchen den Wahn erzeugt, sie seien kein Feind der menschlichen
Arbeit. Die Herstellung der Maschinen machte eben weitere Arme
unentbehrlich, so dass diese neue Industrie Beschäftigung für viele
schuf. Aber die Zeit wird kommen, da auch diese spärlicher wird. Mag auch
die Nachfrage in den letzten 50 Jahren auf das Fünffache gestiegen sein,
die Maschinen haben dafür die Produktion verzehnfacht, und von dem
Augenblick an, wo die Maschinen den Bedarf ganz decken, werden sie
Konkurrenten der Menschen, selbst wenn nicht immer neue entstünden,
selbst wenn die Menschheit sich nicht so rasch vermehrte! In diesem
Konkurrenzkampf ist der Mensch bald besiegt! Maschinen sind eben Sklaven
von Eisen, Stahl und Holz, in die der Dampf oder die Elektrizität Leben
bringt. Sie können nicht nur mehr, sondern auch Besseres herstellen als
die Menschen. Sie haben kein Gemüt, das Pflege erfordert, keine bösen
Neigungen, gegen die man ankämpfen muss, nicht Weib und Kind, für die
ihnen die Sorge obliegt. Sie kennen keinen Ehrgeiz; sie bilden keine
Vereine und fordern keine Lohnerhöhungen. Sie streiken nicht und leisten
Extrastunden ohne Mehrbezahlung. Sie sind deshalb begehrter denn weiße
oder schwarze Sklaven, und ihre Besitzer sind recht froh, dass ihre
Mitmenschen frei und unabhängig und nicht ihrer Obhut anvertraut sind, so
dass sie nicht für sie zu sorgen brauchen.
Die Arbeiter ihrerseits sind
auch nicht blind. Sie sehen, wenigstens undeutlich, wohin das gegenwärtige
System der Selbstsucht, das sie selber haben heraufführen helfen, und
unter dem sie sich jetzt wohl oder übel behelfen müssen, schließlich führen
muss. Sie sehen noch nicht, dass es unvermeidlich ist, und dass es sie
bald in die entsetzliche Knechtschaft bringen muss, wenn es nicht
beseitigt werden kann; aber sie sehen, dass ihr Kampf um einen Platz an
der Maschine von Jahr zu Jahr grimmiger wird.
Die Maschinen, ein Faktor bei der
Zubereitung für das „Feuer“
Die letzten Jahre nur ein Vorspiel des noch Kommenden
Wir führen einige Artikel an
von Leuten, die aufwachen und erkennen, wie es um die Zukunft bestellt ist.
Ein unbekannter Schriftsteller sagt:
„Der
Glanz der alten Städte-Demokratien Griechenlands, die wie Lichtflecken
auf dem dunklen Hintergrund des umgebenden Barbarentums leuchteten, ist
letzthin oft die Quelle geworden, aus welcher Verteidiger der
verschiedenen Regierungsformen schöpften. Die Gegner der Volksherrschaft
haben behauptet, dass die alten Städte überhaupt nicht demokratisch
gewesen seien, sondern vielmehr aristokratisch, da sie Sklaven für sich
arbeiten ließen, wodurch allein sie Muße fanden, sich mit Politik zu
beschäftigen. Jener Anschauung gemäß müsse es eine Klasse geben,
welche den Packesel des Gemeinwesens bildet, und eine Politik, welche den
Arbeitern einen Anteil am Regieren verleiht, könne nicht von Dauer sein.
„Dieser wohl erdachten Begründung
stellte sich Herr Charles H. Loring in seiner Präsidentenansprache an die
amerikanische Vereinigung der Maschineningenieure im Jahre 1892 in
geistreicher Weise gegenüber. „Die Schande der altertümlichen
Zivilisation“, sagte er, „war, dass letztere aller Menschlichkeit bar
war. Gerechtigkeit, Wohlwollen und Barmherzigkeit machten sich nur in
geringem Maße bemerkbar, um so mehr aber Gewalttätigkeit, Betrügerei
und Grausamkeit. Man hätte ja auch nichts Besseres erwarten sollen von
einem System, welches auf der schlimmsten Art der Sklaverei fußte, die
sich ein Mensch vorstellen kann. Solange die Sklaverei der Ursprung einer
Zivilisation war, musste letztere brutal sein, denn der Strom konnte nicht
über die Höhe seiner eigenen Quelle ansteigen. Eine solche Zivilisation
musste nach raschem Aufstieg zum Höhepunkt wieder verfallen, und die
Geschichte zeigt, wenn auch nur unbestimmt, wie sie zurückkehrte zu
demselben finsteren Barbarentum, aus welchem sie gekommen war.“
„Auch die moderne Zivilisation
hat ihre Sklaven, diese unterscheiden sich aber gewaltig von denen des
Altertums. Sie besitzen keine Nerven und kennen keine Ermüdung. Sie
brauchen ihre Arbeit nicht zu unterbrechen, und sie leisten weit mehr als
menschliche Sklaven. Sie sind nicht nur viel stärker, sondern auch viel
billiger. Sie arbeiten unbeschränkt, sie sind für das Feinste wie für
das Gröbste gleich gut anwendbar. Sie bringen für den Menschen alles in
solchem Übermaße hervor, dass derselbe der schwereren Arbeiten völlig
enthoben wird und zum ersten Male erkennt, dass er der Herr der Schöpfung
ist. Die Produkte aller großen Künste der Zivilisation, der Gebrauch
billiger und schneller Verkehrs- und Transportmittel zu Wasser und zu
Lande, die Druckerkunst, die Werkzeuge des Krieges und des Friedens, die
Fertigkeiten und Kenntnisse, alles das wird allen möglich und zum
Besitztum gemacht durch die Arbeit jenes gehorsamen Sklaven, den wir
Dampfmaschine nennen.
„Es ist buchstäblich wahr,
dass die modernen Maschinen Sklaven sind, die viele hundertmal soviel
Produktionskraft besitzen, als es bei den früheren menschlichen Sklaven
der Fall war, und dass wir darum jetzt die materielle Grundlage besitzen für
eine Zivilisation, bei welcher die gesamte Bevölkerung jene Klasse
ausmachen kann, die genug Muße hat - wie die freien Bürger des alten
Athen - eine Klasse von Freien, allerdings nicht, um die Zeit mit lässigem
Nichtstun totzuschlagen, sondern um, befreit von den größten
Lastarbeiten, sich mit Bequemlichkeit versorgen zu können, mit nicht mehr
Arbeit, als es sich vereinbaren lässt mit der Gesundheit und mit der
Pflege des Geistes und mit vernünftiger Unterhaltung. Man schätzt, dass
in Großbritannien allein die Dampfkraft die Arbeit von 156.000.000
Menschen ersetzt, das ist mehr als fünfmal soviel als es früher in der
ganzen zivilisierten Welt gab, Sklaven und Freie zusammengenommen. In den
Vereinigten Staaten verrichtet der Dampf die Arbeit von 230.000.000
Menschen, beinahe die ganze arbeitende Bevölkerung der Erde darstellend,
und wir ziehen jetzt Wasserfälle zu Elektromotoren heran in einem Maße,
das sogar diese Anhäufung bei weitem übertrifft.
„Während wir aber die
materielle Grundlage haben für eine solche Zivilisation mit größter
Bequemlichkeit, freier Zeit und mit Kenntnissen, haben wir unglücklicherweise
noch nicht gelernt, den rechten Gebrauch davon zu machen. Wir verbessern
zwar manches, aber wir sind noch immer Bürger, die sich glücklich schätzen,
wenn sie Gelegenheit finden, die ganze Zeit, während welcher sie nicht
schlafen, mit ermüdender Arbeit zu verbringen - Bürger, die in der
politischen Anschauung jedem anderen ebenbürtig sind, um die Politik der
Regierung zu entscheiden zu können, die aber nicht Zeit haben, weiter zu
denken als bis zur nächsten Mahlzeit.
„Die Wissenschaft, besonders
die physikalische, hat uns gelehrt, wie wir die größte, die glänzendste,
die glücklichste und die dauerndste Zivilisation errichten können,
welche die Geschichte kennt. Der sozialen Wissenschaft bleibt es überlassen,
uns zu lehren, wie wir alles Erworbene gebrauchen müssen. Jeder Versuch,
welcher in dieser Hinsicht gemacht wird, ist von Wert, mag er nun gelingen
oder fehlschlagen. In der Chemie werden tausend fruchtlose Experimente
gemacht, ehe eines zu einer Erfindung führt.“
Der „Schwarze Diamant“, eine
Kohlenhändler-Zeitung in Amerika, schreibt folgendes:
„Ein
Umstand, der den Kohlenbohrmaschinen besondere Bedeutung verleiht, ist der,
dass die Maschine beständig arbeiten kann. Die Aussichten auf Streiks
sind daher weit geringer geworden, und es ist bemerkenswert, dass in der
letzten Zeit auf Streiks gewöhnlich eine Ausdehnung der Anwendung von
Maschinen stattgefunden hat. Die Anwendung der mechanischen Mittel wird
die Streiks noch fast unmöglich machen. Die Elektrizität befindet sich
noch in den Kinderschuhen; wo sie aber erst das Feld erobert, bleibt sie für
dauernd, und die Kohlenbergarbeiter werden sich bald der ernsten Tatsache
gegenüber sehen, dass dort, wo jetzt Tausende beschäftigt sind, Hunderte
mit Hilfe der elektrischen Bohrer dieselbe Arbeit leisten werden.“
Die „Olyphante Gazette“
schreibt:
„Die wunderbaren
Errungenschaften und die unzähligen Vermächtnisse dieses
erfindungsreichen Zeitalters treiben immer schneller menschliche Arbeitskräfte
aus vielen Teilen der Industrie, und Tausende von Arbeitern, die noch vor
einigen Jahren lohnende Beschäftigung fanden, suchen jetzt vergeblich
nach Arbeit. Wo Hunderte in einer Fabrik beschäftigt waren, werden jetzt
etliche zwanzig mit Hilfe von Maschinen weit mehr vollbringen. Die
Setzmaschinen haben Tausende von Setzern ihrer Beschäftigung beraubt,
denn die Maschinen arbeiten schneller, mit weniger Unkosten und
befriedigender.
„Es ist vorauszusehen, dass in
wenigen Jahren die Kohlen zum größten Teil mit elektrischen Maschinen
befördert werden, und dass dann die Menschen nur noch letztere zu
beaufsichtigen brauchen.“
Eine andere Zeitung schreibt
folgendes:
„Ein
Arbeiter und zwei Lehrlinge verrichten jetzt die Arbeit, die vor wenigen
Jahren 1.100 Spinner beschäftigte. Ein Mann leistet in der Weberei soviel,
als zur Zeit seiner Großväter fünfzig leisteten. Jede Kattunmaschine
hat 1.500 Arbeiter überflüssig gemacht, jede Nagelmaschine deren tausend,
jede mechanische Töpferei ebenfalls tausend. Beim Laden und Ausladen der
Schiffe verrichtet ein Mann jetzt die Arbeit von zwei Tausenden, ein Mann
kann Baumwolle beschaffen zur Kleidung von zweihundertundfünfzig, Wolle für
dreihundert, Schuhe für tausend, Brot für zweihundert Personen, und
dabei gibt es Tausende, die diese Gegenstände nicht kaufen können. Da
muss etwas nicht in Ordnung sein! Das sind anarchistische Zustände, aus
denen wir heraus müssen. Aber wo ist der Ausweg?“
„The Topeka State Journal“
schreibt:
„Professor
Hertzka, ein österreichischer Wirtschaftspolitiker und Staatsmann, hat
gefunden, dass zur Erhaltung der verschiedenen Industriezweige, welche die
zweiundzwanzig Millionen Österreicher mit den Bedarfsartikeln des täglichen
Lebens versehen, bei den modernen Maschinen die Arbeit von
sechshundertundfünfzehntausend Männern genügen würde. Um alle mit
Luxusgegenständen zu versorgen, wären nur weitere dreihundertundfünfzehntausend
Arbeiter notwendig. Weiter rechnet er aus, dass von der Bevölkerung Österreichs
fünf Millionen beiderlei Geschlechts, im Alter von 16-50 Jahren, arbeiten.
Seine Berechnungen führten ihn zu der Behauptung, dass, wenn alle diese
Arbeiter mit modernen Maschinen und Arbeitsmethoden ausgerüstet wären,
die ganze Bevölkerung mit Bedarfs- und Luxusartikeln versorgt werden könnte,
ohne dass jemand bei den jetzt üblichen Arbeitsstunden länger als
siebenunddreißig Tage im Jahre zu arbeiten brauchte. Wenn die Arbeiter es
dann vorziehen würden, dreihundert Tage vom Jahr zu arbeiten, so würden
sie täglich nicht länger als eine Stunde und zwanzig Minuten zu arbeiten
brauchen.
„Professor Hertzkas Zahlen
sind, wenn sie stimmen, mit mehr oder weniger Abänderung für jedes Land
anwendbar, einschließlich auch für Amerika. In Kalifornien arbeitet eine
Dampferntemaschine, welche bei Beaufsichtigung von drei Männern täglich
neunzig Morgen Landes mäht und bindet. Ein Bäcker in Brooklyn beschäftigt
350 Männer und stellt täglich 70.000 Brote her, das sind 200 auf einen
Angestellten. Mit der McKay-Maschine vermag ein Mann in derselben Zeit
dreihundert Paar Schuhe herzustellen, in welcher ein anderer mit der Hand
fünf Paar herstellen würde. In einer Fabrik für landwirtschaftliche Geräte
verrichten jetzt fünfhundert Menschen dasselbe, was früher 2.500 getan hätten.
„Vor 1879 musste man siebzehn
geschickte Arbeiter anstellen, wenn man wöchentlich fünfhundert Dutzend
Besen fertig stellen wollte. Jetzt verfertigen neun Männer 1.200 Dutzend
in derselben Zeit. Ein Mann stellt täglich 2.500 Zweipfund-Blechbüchsen
her. Eine Uhrenfabrik in New York verfertigt täglich über 1.400 Uhren, jährlich
511.000, oder im Durchschnitt zwei oder drei Uhren in der Minute. In einer
Schneiderei kann ein Mann mit Hilfe der Elektrizität täglich fünfhundert
Kleider herstellen. In den Stahlwerken von Carnegie verrichten acht Mann
mit Hilfe der Elektrizität die Arbeit von dreihundert. Eine
Streichholzmaschine, die ein Junge beaufsichtigen kann, stellt täglich
zehn Millionen Hölzer her. Der neueste Webstuhl kann ohne Beaufsichtigung
während der Mittagspause 1 1/2 Stunden lang nach Beendigung der
Arbeitszeit arbeiten, da das Weben automatisch vor sich geht.
„Hier haben wir das Problem
des Zeitalters, welches noch seiner Lösung wartet. Wie können wir unsere
Kräfte und unsere Bedürfnisse so verbinden, dass keine Energie vergeudet
wird und kein Mangel entsteht? Es ist klar, dass es bei der Lösung dieses
Problems keine überanstrengten Arbeiter mehr geben kann, keine Armut,
keinen Hunger, keine Entbehrung, keine Landstreicher. Es sind schon viele
Lösungen ausgedacht worden, aber es scheint sich darunter keine einzige
zu finden, die anwendbar wäre, ohne dass jemand wirklich oder scheinbar
Unrecht getan würde. Der Mann, der das Volk in dieser Hinsicht zum Lichte
führen wird, wird der größte Held und der größte Wohltäter seines
Geschlechtes sein, von dem die Geschichte je gehört hat.“
Die Frauenarbeit
Im Jahre 1880 wies die Volkszählung
in den Vereinigten Staaten 2.477.157 Frauen in Lohnarbeit auf, im Jahre
1890 waren es schon 3.914.711; jetzt (1897) dürften fünf Millionen schon
stark überschritten sein. Nun wird auch dieser Verdienst von der Maschine
bedroht. So hat zum Beispiel eine Kaffeerösterei in Pittsburgh durch
Aufstellung von zwei Packmaschinen von 56 Arbeiterinnen 52 überflüssig
gemacht.
Ja, die Maschine nimmt den
Menschen die Arbeit ab, aber jede wertvolle Erfindung vergrößert die
Schwierigkeit; denn wer versorgt denn die, welche arbeitslos bleiben müssen?
Vernünftige und unvernünftige
Ansichten und Abhilfemittel der Arbeiter
Um dem Sinken der Löhne zu
wehren, haben die Arbeiter ihre Vereine gegründet, die viel dazu
beigetragen haben, die Selbständigkeit der einzelnen Arbeiter und seine
Interessen überhaupt zu schützen. Aber sie haben auch schlimme Früchte
gezeitigt. Sie haben die Leute dazu gebracht, nur auf die eigene Kraft zu
trauen, statt auf Gott und seinen uns in seinem Wort geoffenbarten Rat. Hätten
sie sich nach diesem umgesehen, so hätte ihnen Gott den richtigen Weg
gewiesen. Aber sie glaubten eben nicht an Gott, misstrauten ihm wie den
Menschen, und gaben sich immer mehr der Unzufriedenheit und Selbstsucht
hin. So haben die Vereine die Arbeiter oft zu willkürlichem Handeln
veranlasst und ihrer Bewegung die Herzen sonst guter Arbeitgeber
entfremdet, jetzt aber die Arbeiter böse Erfahrungen mit den Vereinen
machen lassen.
Die Arbeiter haben ganz recht,
wenn sie verlangen, dass die Segnungen und Bequemlichkeiten der Gegenwart
allen gleichmäßig zugute kommen sollten, nicht nur denen, die reich
genug sind, um sich in den Besitz von Land und Maschinen zu setzen und
davon zu profitieren. Sie sind der Meinung, dass diese den Profit nicht
allein einstecken, sondern mit ihnen teilen sollten. Dies gebietet die Nächstenliebe;
darum zitieren sie auch oft die Worte des Herrn.
Aber sie scheinen zu vergessen,
dass sie wohl von den Reichen verlangen, dass sie sich dem Gebot der Nächstenliebe
unterwerfen, während sie selbst unter der Herrschaft der Selbstsucht
bleiben wollen. Ist es vernünftig, von anderen zu verlangen, was man
selber den anderen nicht tun will? Sicherlich nicht! Gewöhnlich sind die
lautesten Schreier um das Gut der anderen am wenigsten geneigt, andere an
dem teilnehmen zu lassen, dessen sie sich selbst schon etwa erfreuen.
Ein anderer Nachteil, den die
Selbstsucht hat, ist, dass die Mehrheit unter den wenigen, welche ein
gesundes Urteil haben, von ihren eigenen Geschäften voll und ganz in
Anspruch genommen wird, so dass die Arbeiter vielfach die Opfer mittelmäßiger
oder schlechter Ratgeber werden. Gute Ratschläge würden überdies kaum
mehr Anklang finden. Die Arbeiter sind misstrauisch geworden und halten
gute Ratgeber für Spione und Kundschafter der Arbeitgeber und ihrer
Partei. Die Mehrzahl der Arbeiter ist unverständig und fällt daher den
gewissenlosen Ausbeutern zu, welche ihre Unwissenheit ausnützen und sich
für angebliche Dienste sehr gut bezahlen lassen.
Es ist sicher, ob nun wegen der
Unwissenheit oder Urteilslosigkeit, dass mehr als die Hälfte der den
Arbeitern erteilten und von ihnen befolgten Ratschläge gerade zu ihrem
Schaden ausgeschlagen haben. Zum großen Teil kommt das freilich daher,
dass sie „Fleisch für ihren Arm halten“, dass sie sich auf ihre Zahl,
ihren Mut verlassen und die Weisheit von oben verschmähen, welche „aufs
erste rein ist, sodann friedsam, gelinde, folgsam, voll Barmherzigkeit und
guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.“ Folglich haben sie nicht
„einen Geist (Gesinnung) ... des gesunden Sinnes.“ - Jak. 3:17; 2.
Tim. 1:7
Sie denken, mit Vereinen,
Streiks, Boykottierungen usw. den Preis der Arbeit auf einzelnen Gebieten
zwei- oder dreimal so hoch festhalten zu können als auf anderen Gebieten,
und bemerken dabei nicht, dass heutzutage eine Arbeit viel rascher gelernt
wird als früher, dass Schule und Presse jedem Kenntnisse vermitteln, die
die Massen befähigen zu erlernen, was früher nur einzelne konnten, dass
das Massenarbeitsangebot, nachdem es auf einem Gebiet die Löhne auf das
Niveau des Notwendigen heruntergedrückt, sich auf noch „gute“ Gebiete
wirft und diese damit ebenfalls ruiniert. Dann müssen Massen von Männern
entweder müßig sein und hungern und ihre Familien darben lassen, oder
Arbeit um die Hälfte oder ein Drittel des früher erzielten Lohnes
annehmen.
Die Vereine haben, solange die
Nachfrage das Angebot überstieg, ihren Mitgliedern vielen Nutzen gebracht,
indem sie gute Löhne, mäßige Arbeitszeit und Abwehr der gesundheitsschädlichen
Einflüsse erzielten; aber gegen das eiserne Gesetz von Angebot und
Nachfrage vermögen sie gar nichts. Die Arbeiter haben nur von einer Seite
Hilfe zu erwarten, von Gott, und nicht von Fleisch und Blut.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage
lastet auf allen
Das „Geschäft“ beruht
heutzutage, ob von reich oder arm, groß oder klein betrieben, auf
Lieblosigkeit, Selbstsucht, Profitmacherei. Die Ware und die Arbeit wird
so teuer als möglich verkauft; ihr wahrer Wert kommt meistens nicht in
Frage, es sei denn etwa Eigennutz im Spiele.
An den Wirkungen von Angebot und
Nachfrage kann niemand etwas ändern; unter den gegenwärtigen
gesellschaftlichen Verhältnissen werden alle davon betroffen. Wenn ein
Farmer sich in den Kopf setzen würde, seinen Weizen nicht unter 1 Dollar
per Bushel (ca. 1/2 hl.) zu verkaufen, was wäre die Folge? Sein Weizen würde
schlecht, seine Familie hätte kein Geld für Kleider, seine Knechte
keinen Lohn, sein Gläubiger keinen Zins, und dieser würde ihm Haus, Feld
und Weizen verkaufen, um sein Geld zu erhalten.
Wenn ein Farmer sich vornehmen würde,
seine Knechte statt zwölf Stunden täglich um monatlich 30 Dollar nur
acht Stunden täglich um monatlich 60 Dollar arbeiten zu lassen wie die
Arbeiter in den Städten, so wäre er bald tief verschuldet. Ja, wenn alle
Farmer so handeln und ihr Getreide nicht anders als teuer verkaufen
wollten, so würden sie ihre Scheunen nicht leeren können, und Russland,
Indien und Südamerika würden in der Union billiges Getreide verkaufen.
Die große Kapitalbedürftigkeit
der Union zur Zeit des Eisenbahnbaues und beim Beginn des
Maschinenbetriebes in der Industrie verschaffte vielen Millionen in Europa
nutzbringende Anlagen, und diese Millionen schufen die Blüte der Union.
Aber ihre Blütezeit ist vorbei, sie steigt langsam herab, und nichts als
ein Krieg oder andere schwere Unglücksfälle können der Industrie wieder
aufhelfen, indem sie den friedlichen Nationen viel Arbeit verschaffen. So
hat zum Beispiel der japanisch-chinesische Krieg die beiden Staaten zu großen
Abnehmern von Kriegsmaterial gemacht, und jetzt verwendet Japan die
chinesische Kriegsentschädigung zum Bau großer Kriegsschiffe, was die
anderen Mächte veranlasst, ebenfalls ihre Flotten zu vermehren. Das gibt
Arbeit und Verdienst, und so sehr wir den Krieg verabscheuen, wir sehen
diese Rüstungen lieber als den Arbeitsmangel, der Menschen aushungert.
Die Schulden der Welt mögen nur Anleihepapiere werden; sie werden in der
kommenden Drangsal gerade so viel wert sein als Gold und Silber. - Hes.
7:19; Zeph. 1:18
Viele sehen ein, dass die
Konkurrenz eine Gefahr ist; darum hat auch die Union der Einwanderung der
Chinesen oder analphabetischer Europäer einen Riegel vorgeschoben. Sie möchte
damit verhindern, die Löhne auf das europäische oder asiatische Niveau
herunterzudrücken.
Andere meinen, man könnte die
Fabrikanten durch Gesetze zwingen, die Löhne so hoch zu bemessen, dass
sie nur noch einen kleinen Gewinn machen würden. Diese vergessen aber,
dass sich das Kapital zurückziehen würde, sobald der Profit ausbliebe,
und Unternehmungen suchen würde, bei denen weniger Lohn bezahlt werden müsste.
Wie wird es in 15 Jahren sein,
wenn es so weitergeht, dass das Arbeitsangebot sich immer dahin wendet, wo
die Löhne am besten sind, indes das Kapital sich gerade von da zurückzieht,
weil es nicht genügend Vorteil haben würde! Der Maschinenbetrieb hat ihm
freilich bis jetzt genützt, aber die Überproduktion muss kommen und die
Preise hinunterdrücken. Dagegen sind auf die Länge selbst die Trusts
machtlos, und die Staaten werden nicht immer Monopole bewilligen.
Der drohende Wettbewerb ausländischer
Industrie
Aber eben an diesem Zeitpunkt eröffnet
sich ein neues Feld für Unternehmung und Kapital, nicht aber für die
Arbeit. Japan und China wachen vom Schlaf der Jahrhunderte auf zur
westlichen Zivilisation. Sie lernen Dampfkraft, Elektrizität, Maschinen
und sonstige Erfindungen kennen. Wir sollten uns dessen erinnern, dass die
Bevölkerung Japans ungefähr der Großbritanniens gleichkommt, während
die Bevölkerung Chinas die der Vereinigten Staaten um mehr als das Fünffache
übertrifft. Lasst uns aber dessen eingedenk sein, dass diese Millionen
keine Wilden sind, sondern lesen und schreiben können. Ihre Zivilisation
ist, wenn auch ganz anders, so doch viel älter als unsere. Sie waren
schon zivilisiert, sie stellten schon chinesische Waren und Seide her, als
in Großbritannien noch Wilde wohnten. Wir brauchen uns daher nicht zu
verwundern, dass das Kapital in China Anlage sucht, und besonders in
Japan, indem es dort Eisenbahnen baut, Maschinen einführt und große
Fabrikanlagen errichtet, um so die geschickten, fleißigen, gehorsamen und
genügsamen Kräfte auszunutzen.
Das Kapital erblickt großen
Gewinn in einem Land, in welchem die Arbeit zu einem Preis von 6-15 Cent für
den Tag vergeben werden kann, der nicht mit Murren, sondern mit
Dankbarkeit angenommen wird. Beträchtliche Summen sind bereits nach Japan
geflossen, und noch weitere werden nach China fließen. Wer könnte nicht
sehen, dass es nicht länger dauern wird als fünfzehn Jahre, bis die
ganze produzierende Welt in Wettbewerb getreten ist mit diesen geschickten
und lernbegierigen Millionen? Wenn die gegenwärtigen Löhne in Europa als
ungenügend betrachtet werden, und wenn wir sie im Vergleich zu den früheren
(im Verhältnis zu Europa und Asien) freigebigen Löhnen als „Hungerlöhne“
betrachten (obgleich sie noch doppelt so hoch sind als in Europa und Asien),
welches würde dann erst die beweinenswerte Lage der Arbeit in der ganzen
zivilisierten Welt sein, wenn Erfindung und Bau von arbeitsparenden
Maschinen noch dreißig Jahre weitergehen, und wenn die Arbeit der ganzen
Welt mit der billigen Arbeit des Ostens in Wettbewerb getreten sein wird?
Es würde nicht nur bedeuten, dass dann für den Tag 15 Cent bezahlt
werden, sondern auch, dass sich sechs Mann für dieses armselige Bisschen
um jeden kleinen Posten reißen würden. Die Zeitungen veröffentlichten
neulich, dass eine Baumwoll-Spinnerei von Connecticut nach Japan verlegt
wurde, und wir müssen erwarten, dass binnen kurzem andere folgen werden,
um sich billigere Arbeitskräfte zu sichern und dementsprechend umso größeren
Verdienst zu haben.
Diese
„gelbe Gefahr“ ist es auch, auf welche der deutsche Kaiser mit einem
Bild für den Zaren anspielte. Die europäischen Mächte stehen, als
bewaffnete Frauen, auf einer Bergeshöhe im Schein eines am Himmel über
ihnen leuchtenden Kreuzes, mit dem Blick der Hand des Engels Michael
folgend, die nach einem schwarzen Gewölk weist, das in China aufsteigt,
und aus dem bereits Blitze zucken. Darunter die Aufschrift: „Europa, hüte
deine heiligsten Güter!“(Anmerkung: So lautet die Aufschrift. Auch ist der
Feind, den der Kaiser fürchtet, der Buddhismus, das heißt der Abfall vom
Christentum, der die Massen aufrührerisch machen werde. Das Bild ist eine
Aufforderung, das Volk durch die „christliche Lehre“ niederzuhalten)
Der gelbe Mann mit dem weißen Geld
Der folgende Artikel ist dem
„Journal of the Imperial Colonial Institute“ entnommen. Er ist
geschrieben von Herrn Whitehead, einem Mitglied des Rates der Gesetzgebung,
und daher in jeder Weise zuverlässig. Er lautet wie folgt:
„Der
Bau der Spinnereien und Webereien in China ist erst im Anfang begriffen.
Am Jangtse-Strom und in der Umgegend von Schanghai arbeiten bereits gegen
fünf Webereien, und andere sind im Entstehen begriffen. Man schätzt,
dass sie gegen 200.000 Spindeln umfassen werden, und manche haben die
Arbeit bereits begonnen. Das angelegte Kapital ist ausschließlich inländisches,
und wenn in jenen Gebieten der Frieden wiederhergestellt sein wird, während
in unserem Land das alte Geldsystem fortbesteht, dann ist der Ausbreitung
und der Entwicklung der Industrie in den orientalischen Ländern wirklich
keine Schranke gesetzt.“
Unsere Aufmerksamkeit wird auf
denselben Gegenstand gelenkt durch eine Mitteilung des Generalkonsuls
Jernigau, Schanghai, demzufolge seit 1890 in Schanghai Baumwollspinnereien
mit großem Erfolg eingeführt werden. Eine Baumwoll-Seiden-Öl-Plantage
ist in Aussicht genommen, und da der Boden in China für Baumwollkultur
geeignet ist, so ist dieselbe angesichts der billigen Arbeitskraft fast
unbeschränkt. „Es kann darüber keinen Zweifel geben“, sagt Herr
Jernigau, „dass China bald zu den größten Baumwolländern der Welt zählen
wird.“
Herr Whitehead spricht über den
letzten Krieg zwischen China und Japan, und er erklärt, dass in demselben
Chinas Haupthoffnung auf das Wideraufblühen der chinesischen Industrie
liegt. Er fährt fort:
„Der
Ausgang des Krieges könnte das Volk aus der Bevormundung der Mandarinen
erlösen. Es ist bekannt, dass die chinesischen Mineralien und andere
chinesische Quellen ungeheuer reich sind, dazu hat China Millionen Morgen
Landes, welches sich zum Baumwollbau eignet. Zwar hat die chinesische
Baumwolle nur kurze Fäden, aber sie eignet sich zur Vermischung mit
anderen Arten. Schon im Jahre 1893 wurden im Schanghai-Strom nicht weniger
als fünf Ozeandampfer mit Baumwolle beladen, welche in Japan zu Garn und
Tuch verarbeitet wird. Jetzt beziehen die Japaner die Baumwolle für ihre
Spinnereien noch direkt von Amerika oder sonst woher. Es ist unmöglich,
sich alle Folgen auszumalen, die entstehen werden, wenn China mit seinen
dreihundert Millionen arbeitsamen Einwohnern sein Innenland erschließen
wird durch den Bau von Eisenbahnen, durch seine inneren Wasserwege, die
sich zum Dampfschiffverkehr eignen, und durch seine fast unerschöpflichen
Quellen. Es würde praktisch genommen die Entdeckung einer neuen, mit
einer fleißigen Rasse dicht bevölkerten Halbkugel bedeuten, die in
Landwirtschaft, an Mineralien usw. überreich ist. Die Erschließung
Chinas, auf die wir vernünftigerweise schon warten können, wird aber
weit davon entfernt sein, einen Segen für die englischen Fabrikanten zu
bedeuten, wenn nicht irgendwelche Änderung vorgenommen wird. Unserer
finanziellen Lage angemessen wird das Reich der Mitte, welches so viele
unserer industriellen Siege geschaut hat, das Feld sein, auf dem wir
unsere größte Niederlage erleiden.“
Herr Whitehead beurteilt die
Frage nur von dem Standpunkt des Kapitals aus, wenn er von einer „Niederlage“
spricht. Am schwersten wird die Niederlage die Arbeiter Englands treffen.
Im Hinblick auf Japan fährt er fort, wie folgt:
„Die
Umgebung von Osaka und Kioto bieten jetzt den überraschenden Anblick
industrieller Tätigkeit. In ganz kurzer Zeit sind mit inländischem
Kapital nicht weniger als 59 Spinnereien und Webereien entstanden, dessen
erste mit 770.874 Spindeln arbeiten und jährlich 500.000 Ballen Garn im
Wert von 160 Millionen Mark herstellen. Binnen kurzem werden sich alle
Zweige der Industrie in Japan entwickelt haben, nicht nur die
Baumwollindustrie. Schon jetzt braucht Japan die Konkurrenz Englands nicht
mehr zu fürchten.“
Herr Whitehead zeigt, dass die
Kapitalisten in Europa und in den Vereinigten Staaten den Vorteil Chinas
und Japans noch nahezu verdoppelt haben, indem sie nämlich das Silber
entwerteten, um dadurch den Wert des Goldes um fast das Doppelte zu erhöhen.
Er sagte:
„Das
Silber hat im Orient noch dieselbe Kaufkraft wie vor dreißig bis vierzig
Jahren. Die Unzulänglichkeit unseres Finanzsystems ermöglicht es daher
den Ländern des Ostens, für einen gegebenen Goldbetrag wenigstens
hundert Prozent Arbeiter mehr zu löhnen als vor fünfundzwanzig Jahren.
Um diese bedeutungsvolle Behauptung klarzulegen, will ich ein Beispiel anführen.
Im Jahre 1870 waren zehn Rupien gleich einem Sovereign bei gleichem Wert
von Gold und Silber, und man bezahlte damit zwanzig Arbeiter für einen
Tag. Heute sind zwanzig (Silber)-Rupien gleich einem (Gold)-Sovereign, so
dass mit zwanzig Rupien im Verhältnis zu früher vierzig Mann für die
Arbeit eines Tages bezahlt werden können. Dagegen wird die britische
Arbeit nicht ankämpfen können.
„Im Orient wird man mit Silber
also noch dieselbe Arbeit bezahlen können wie früher. Dort, wo man aber
jetzt die Goldwährung eingeführt hat, ist das Silber nur noch halb
soviel wert als das Gold, während früher die beiden Metalle gleichwertig
waren. Eine gewisse Arbeit hätte zum Beispiel in England vor zwanzig
Jahren mit - sagen wir - acht Schilling bezahlt werden können. Mit acht
Schilling wird in England heute nicht mehr Arbeit bezahlt als früher, da
die Löhne sich wenig verändert haben, und durch unser Gesetz haben sie
noch genau denselben Geldwert wie früher, obgleich ihr metallischer Wert
durch die Anerkennung des Goldes auf ungefähr die Hälfte herabgesunken
ist. Die zwei Dollarstücke gelten als Arbeitslohn ebensoviel wie früher,
zu dem gegenwärtigen Preis des Goldes sind sie aber nur soviel wert wie
vier Schilling (früher wie acht). Aus diesem Grund kann man in Asien für
vier Schilling unseres Geldes oder für den Gleichwert derselben in
Silbermetall die gleiche Arbeit verlangen wie vor zwanzig Jahren für acht
Schilling oder deren Gleichwert in Silbermetall. Der Preis der
orientalischen Arbeit ist auf diese Weise um mehr als fünfzig Prozent
herabgesetzt worden, darum werden die orientalischen Fabrikate und Waren
um 50 Prozent billiger sein können als in Goldwährungsländern. Wenn
daher entweder unser Finanzgesetz nicht geändert wird, oder wenn die
britischen Arbeiter nicht bereit sind, sich große Lohnherabsetzungen
gefallen zu lassen, so müssen die britische Industrie und der britische
Handel unbedingt in England lahmgelegt werden, weil die Erzeugnisse durch
die Einrichtung von Industrie in Silberwährungsländern beiseite gesetzt
werden.“
Herr Whitehead würde auch die
Wahrheit gesagt haben, wenn er noch hinzugefügt hätte, dass die Silberwährungsländer
bald nicht mehr in der Lage sein werden, ihre eigenen Bedürfnisse zu
decken, sondern auch nach den Goldwährungsländern auszuführen. So könnten
zum Beispiel die Japaner ihre Waren in England um ein Drittel billiger
verkaufen als in Japan, und durch Umwechseln des dadurch erworbenen Goldes
in Silber könnten sie einen großen Gewinn mit nach Hause nehmen. So
werden die amerikanischen und europäischen Arbeiter nicht nur in
Wettbewerb treten müssen mit der billigen, genügsamen und geschickten
Arbeit Asiens, sondern sie werden wegen des Währungsunterschiedes dazu
noch gewaltig im Nachteil sein.
„The Daily Chronicle“
(London) lenkt in einem Kommentar über die Worte des Herrn Whitehead die
Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Indien jetzt schon den englischen
Baumwollhandel gewaltig vergrößert hat. Es heißt dort:
„Die
Worte des Herrn T. H. Whitehead in der gestrigen Abendnummer des Colonial
Institute lenkten die Aufmerksamkeit auf einige überraschende Zahlen in
Verbindung mit unserem östlichen Handel. Die Tatsache, dass während der
letzten vier Jahre unsere Ausfuhr eine Abnahme von 54.000.000 Pfund (engl.)
zeigte, widerspricht den Darlegungen des Herrn Whitehead unglücklicherweise
durchaus nicht. Die Bilanz der siebenundsechzig Spinnereigesellschaften
zeigt einen Verlust von 411.000 Pfund. Im Gegensatz hierzu hat die Ausfuhr
indischer Garne und Stückgüter nach Japan in einfach riesigem Maße
zugenommen, und die Baumwollspinnereien in Hiogo, Japan, wiesen einen
durchschnittlichen Jahresgewinn von siebzehn Prozent auf. Herr Thomas
Sutherland sagte, dass die Peninsular and Oriental Company bald auf dem
Jangtse Schiffe bauen kann, und Herr Whitehead glaubt, dass orientalische
Länder bald als Konkurrenten auf dem Markt erscheinen werden. Aussagen,
die wie die erwähnten aus dem Mund von Fachmännern kommen, sollten uns
darüber zu denken geben, wie weit wir von den gesuchten Auswegen entfernt
sind.“
Eine deutsche Zeitung, das
„Berliner Tageblatt,“ betrachtete den Sieg, den die Japaner kürzlich
über China davon getragen haben, und ist überrascht über die
vorgefundene Intelligenz. Es bezeichnete den Grafen Ito, den japanischen
Premierminister als einen zweiten Bismarck, und die Japaner im allgemeinen
als sehr zivilisiert. Es schließt mit einer beachtenswerten Bemerkung über
den Wirtschaftskrieg, den wir soeben betrachteten, indem es schreibt:
„Der
Graf Ito zeigt viel Interesse für die industrielle Entwicklung seines
Vaterlandes. Er glaubt, dass die meisten Ausländer die Aussichten, welche
Japan in dem internationalen Kampf um wirtschaftliche Überlegenheit hat,
unterschätzen. Die japanischen Frauen, meint er, sind den Männern auf
jedem Arbeitsfeld ebenbürtig, und sie verdoppeln die Arbeitsfähigkeit
des Volkes.“
Der Herausgeber des „Economiste
Francais“ Paris, sagt über Japan und die japanischen Verhältnisse
folgendes:
„Die Welt ist in ein neues
Stadium eingetreten. Die Europäer müssen mit den neuen Faktoren der
Zivilisation rechnen. Die Mächte müssen aufhören, gegeneinander zu kämpfen,
und sie müssen eine gemeinsame Front bilden, stets eingedenk, dass jene
Hunderte von Millionen im fernen Osten von nun an unsere Nebenbuhler sein
werden.“
Herr George Jamison, britischer
Generalkonsul in Schanghai, sagt, indem er über den orientalischen
Wettbewerb schreibt, dass die Entwertung des Silbers, bei der das Gold in
zivilisierten Ländern denselben Wert behielt, dazu beiträgt, die Arbeit
und den Gewinn des Kapitals herabzudrücken. Seine Worte lauten
folgendermaßen:
„Das
beständige Steigen des Goldwertes im Vergleich zu dem Wert des Silbers
hat alles verändert. Die britischen Waren wurden in der Silberwährung
des Orients so teuer, dass der Osten gezwungen wurde, seine Waren selbst
herzustellen; der geringere Wert des weißen Metalls ermöglichte es ihm
nicht nur, sich selbst völlig zu versorgen, sondern sogar noch auszuführen.
Das Steigen des Preises des Goldes hat den Silberpreis der britischen
Waren im Osten verdoppelt und ihren Gebrauch fast verboten, im Gegensatz
dazu hat das Sinken des Silberwertes den Goldpreis der orientalischen
Waren in Goldwährungsländern um fast die Hälfte verringert und die
Nachfrage nach diesen Waren beständig vergrößert. Die Bedingungen sind
so ungleich, dass es unmöglich scheint, den Kampf noch lange fortzusetzen.
Es ist geradeso, als wenn bei einem Wettrennen dem einen Teilnehmer die Hälfte
der Distanz erlassen würde.
„Es hat sich in Amerika gezeigt, wie unmöglich es für
Europa ist, sich mit dem Orient auf offenem Feld im Wettbewerb zu messen.
Durch die billige Arbeit rissen die Chinesen die Arbeit in so einseitiger
Weise an sich, dass sie aus dem Land ausgeschlossen werden mussten, sonst
wären die europäischen Arbeiter entweder verhungert, oder sie wären
ihrerseits vertrieben worden. Die europäischen Länder sind aber nicht so
vom Arbeiter bedroht, wie es in Amerika der Fall war (derselbe kannte den
Preis der europäischen Arbeit, und er wusste, wie viel er selbst zu
verlangen hatte), wohl aber durch die Erzeugnisse der Waren, welche zu
orientalischen Löhnen hergestellt wurden. Es wäre außerdem leicht genug,
sich zu weigern, einen Orientalen zu beschäftigen, während es schwer ist,
die Waren, die er hergestellt hat, abzulehnen, besonders da sie gleich gut
und bedeutend billiger sind. Die Versuchung, dieselben zu kaufen, wird um
so größer, je weniger Geld der Engländer verdient; um so mehr ist er
geneigt, sein eigenes, aber teureres Fabrikat abzulehnen. Länder mit
Schutzzoll fahren weit besser. Sie können sich davor schützen, dass ihr
Markt mit orientalischen Waren überschwemmt wird, indem sie einen
vermehrten Zoll auf dieselben schlagen, aber England mit seinem
Freihandelssystem hat keinen Schutz, und die Last der Bürde wird auf den
Arbeiter fallen. Der Notstand wird immer ärger. Jeder Pfennig, um den der
Wert des Goldes wächst im Vergleich zu dem des Silbers, macht die
englischen Waren im Osten um ein Prozent teurer, während jeder Pfennig,
um den der Wert des Silbers sinkt, die orientalischen Waren in den Goldwährungsländern
um ein Prozent billiger macht. Die neuen Industriezweige wachsen mit
Geschwindigkeit in Japan, und was in Japan geschieht, kann und wird auch
in China, in Indien und an anderen Orten geschehen. Wenn der Orient erst
einmal richtig entwickelt ist, so wird kein Widerstand mehr etwas nützen,
und wenn nicht schnellstens Abhilfe gefunden wird in dem Währungssystem
der Welt, dann werden die orientalischen Produkte bald die Welt überschwemmen
und Tausende und Abertausende in Europa brotlos machen.“
Herr Lefcadio Hearn, der mehrere
Jahre lang als Lehrer in Japan gewesen war, weist in einem Artikel des
„Atlantic Monthly“ vom Oktober 1895 darauf hin, weshalb die japanische
Konkurrenz so scharf sein wird. Er erzählt, dass die Armen nach ihren
eigenen Begriffen bequem leben, ohne dass es sie etwas kostet. Eine
japanische Stadt besteht aus Häusern, die sich jeder Eigentümer in einem
Zeitraum von fünf Tagen mit Lehm, Bambus und Papier aufgebaut hat, und
die er immer wieder flickt, da sie nur solange zu halten brauchen, als er
selbst darin zu wohnen wünscht. Einige große Festungen ausgenommen,
welche zur Zeit des japanischen Lehenwesens von den Adligen gebaut wurden,
gibt es überhaupt gar keine größeren Gebäude in Japan. Selbst die
modernen Fabriken, wie ausgedehnt ihre Geschäftsbeziehungen oder wie schön
und kostbar ihre Erzeugnisse auch sein mögen, sind nichts als niedrige
Schuppen. Der Japaner sitzt nirgends fest. Wünscht er aus einer Provinz
in die andere zu ziehen, so nimmt er sein Haus auseinander, wandert mit
Weib und Kind dahin, ohne dass ihn die Reise, selbst wenn sie ihn 800
Kilometer weit führen würde, mehr als 1,20 Dollar kostet. Für ein paar
weitere Cent baut er sich ein neues Haus, und alsbald ist er wieder ein
angesehener Staatsbürger. Wir geben im folgenden die eigenen Worte des
Herrn Hearn wieder:
„Ganz
Japan ist ständig auf diese Weise auf der Wanderschaft, Veränderung ist
der japanischen Zivilisation eigen. In dem großen industriellen
Wettbewerb ist Bedürfnislosigkeit das Geheimnis der japanischen Kraft.
Der Arbeiter verlegt ohne weiteres seine Wohnung dahin, wo er am meisten
gesucht ist. Eine Fabrik kann in acht Tagen verlegt werden, die Werkstatt
eines Handwerkers in einem halben. Es gibt kein Gepäck zu tragen, es ist
praktisch genommen nichts zu bauen, die Ausgaben bei einer Reise betragen
nur wenig Kupfergeld.
„Der japanische Mann aus dem
Volk, der geschickte Arbeiter, der sich mit jedem westlichen Handwerker
desselben Gewerbes mit Leichtigkeit messen kann, braucht weder Schneider
noch Schuhmacher. Er ist trotzdem gut beschuht, er hat einen gesunden Körper
und einen freien Sinn. Wenn er eine Reise von tausend Kilometern zu machen
hat, so kann er seine Vorbereitung hierfür in fünf Minuten treffen.
Seine ganze Ausstattung kostet ihn keine 75 Cent, und sein ganzes Gepäck
kann er in ein Taschentuch wickeln. Mit 10 Dollar kann er ein ganzes Jahr
leben, ohne zu arbeiten, oder er kann auch reisen, auf seine
Arbeitsfertigkeit hin oder als Wanderer. Sie mögen vielleicht erwidern,
dass jeder Wilde dies auch kann. Gewiss, nicht aber ein zivilisierter
Mensch, und der Japaner ist seit wenigstens tausend Jahren ein hoch
zivilisierter Mensch gewesen. Darum also kann er eine solche Gefahr bilden
für die westlichen Fabrikanten.“
Hierzu sagt der „London Spectator“:
„Das
ist eine sehr beachtenswerte Schilderung, und wir geben frei zu, wie wir
dies auch schon früher getan haben, dass die japanische Konkurrenz etwas
Furchtbares ist, das eines Tages die Lage der gesamten europäischen
industriellen Zivilisation beeinflussen kann.“
Die Art dieser Konkurrenz, die
wir zu erwarten haben, wird geschildert in dem folgenden Auszug aus dem
„Literary Digest“, wo es wie folgt heißt:
Die Arbeitsverhältnisse in Japan
„Japan hat einen überraschenden
Fortschritt gemacht in der Entwicklung seiner Industrie. Dies liegt zum
großen Teil an dem Scharfsinn und an dem Fleiß der japanischen Arbeiter,
die oft während des Tages vierzehn Stunden arbeiten, ohne sich zu
beklagen. Leider wird ihre Gefälligkeit in weitgehendem Maße durch die
Arbeitgeber ausgenutzt, deren ganzes Ziel zu sein scheint, den ausländischen
Wettbewerb zu überflügeln.“
Ein Artikel aus dem „Echo“,
Berlin, beschreibt die Art und Weise, in welcher die japanischen Fabriken
betrieben werden, folgendermaßen:
„Gewöhnlich beginnen die
Fabriken um sechs Uhr morgens mit ihrer Arbeit, die Arbeiter kommen aber
zu jeder gewünschten Zeit, und sie beschweren sich nicht, wenn sie
bereits um vier Uhr morgens anfangen sollen. Die Löhne sind überraschend
niedrig, selbst in den größten Industriezentren erhalten Weber und
Spinner durchschnittlich nicht mehr als 15 Cent den Tag. Frauen erhalten
nur 6 Cent. Die ersten Fabriken wurden von der Regierung erbaut, später
wurden sie in Aktien-Gesellschaften umgewandelt. Die gedeihlichste
Industrie ist die Baumwollindustrie. Eine einzige Niederlassung, nämlich
diejenige zu Kanegafuchi, beschäftigt 2.100 Männer und 3.700 Frauen. Die
Fabrikzeit ist eingeteilt in Tag- und Nachtschichten, von denen jede 12
Stunden dauert mit nur 40 Minuten Unterbrechung zum Einnehmen der Mahlzeit.
Neben der Niederlassung befinden sich Wohnungen, wo die Arbeiter Essen
kaufen können für nicht ganz 1 1/2 Cent. Die Osaka-Spinnereien sind ganz
ähnlich. Alle diese Niederlassungen besitzen ausgezeichnete englische
Maschinen, die Tag und Nacht arbeiten, weshalb natürlich große
Dividenden erzielt werden. Viele der Fabriken gründen Zweigstellen, die
verwandte Fabrikate herstellen, oder sie vergrößern sich direkt, dennoch
kommt die Herstellung dem Verbrauch nicht gleich.
„Wie schnell die Fabrikanten
gelernt haben, weibliche Arbeitskräfte als billige Wettbewerber der männlichen
einzustellen, zeigen die Statistiken. Die 35 Spinnereien beschäftigen
16.879 Frauen und nur 5.730 Männer. Die Arbeitgeber haben sich zu einem mächtigen
Syndikat zusammengeschlossen und missbrauchen oft die Milde der Regierung,
welche die Industrie nicht hindern will. Kleine Mädchen von acht bis neun
Jahren werden gezwungen, neun bis zwölf Stunden zu arbeiten. Dem Gesetze
nach sollten diese Kinder in der Schule sein, aber wenn sich die Lehrer
beschweren, so drückt die Regierung beide Augen zu. Der große Gehorsam
und die Unterwürfigkeit der Arbeiter haben zu einer anderen Methode geführt,
die sie völlig in die Hand ihrer Arbeitgeber überliefert. Keine
Spinnerei nimmt einen Arbeiter aus einer anderen Niederlassung an, wenn er
nicht einen geschriebenen Erlaubnisschein von seinem letzten Arbeitgeber
vorzeigen kann. Diese Regel wird so genau angewandt, dass eine neue
Arbeitskraft genau überwacht wird, und wenn es sich erweist, dass der
Betreffende schon etwas von dem Handwerk versteht, aber keinen
Abkehrschein hat, so wird er sofort entlassen.“
In Osaka ist die Gewerbetätigkeit
schon auf einer Stufe angelangt, dass ein australisches Blatt diese Stadt
das „Manchester des fernen Ostens“ genannt hat. Dort arbeiten eine
Fabrik mit 2 Millionen, 4 mit je 1 Million, über 30 mit mehr als 100000
Yen (Yen = 50 Cent) Betriebskapital, von ungezählten kleinen Fabriken gar
nicht zu reden: Seiden-, Woll-, Baumwollspinnereien und Webereien,
Glasfabriken, Papierfabriken, Ziegeleien, Zement-, Seifen-, Zucker-, Büsten-,
Kamm-, Regenschirm-, Messer-, Kupfer-, Lederwaren- und
Phantasiewarenfabriken, alles das hat der Nachahmungstrieb und die
Unternehmungslust der Japaner geschaffen und schon so weit entwickelt,
dass seine Produkte denen der zivilisierten Nationen des Westens ebenbürtig
sind. Zehn Baumwollspinnereien arbeiten mit dem modernsten
Maschinenmaterial, nachts elektrisch beleuchtet, und sie verteilen bis 18
Prozent Dividende.
In den Vereinigten Staaten hält
man diese Entwicklung der japanischen Industrie für eine sehr ernste
Gefahr. Herr Robert P. Porter berichtete nach seiner Rückkehr von einer
Reise nach Japan, die zum Zweck unternommen war, diese Gefahr kennen zu
lernen, dass binnen zehn Jahren die japanische Textilausfuhr von 511.000
auf 23 Millionen Dollar, die Ausfuhr überhaupt von 78 auf 300 Millionen
Dollar gestiegen sei. Im Jahre 1895 kaufte Japan für 1,5 Millionen Dollar
rohe Baumwolle in Amerika, verkaufte aber dorthin für mehr als 54
Millionen Dollar Waren aller Art. Einzig zur besseren Bewältigung des
Baumwolltransportes aus Amerika nach Japan haben sich dort während des
Aufenthaltes des Herrn Porter drei Transportgesellschaften mit 5 Millionen
Dollar Aktienkapital gebildet, und ein japanischer Begleiter des Herrn
Porter, Mitglied dieser Transportgesellschaften, erklärte, sie werden die
Frachttaxen möglichst niedrig halten und Passagiere schon zum Preis von 9
Dollar von Yokohama nach San Francisco führen.
Ein
Kongress der Vereinigten Staaten zur
Prüfung der Frage der japanischen Konkurrenz
Das Folgende, das wir dem
Bericht eines Kongresskomitees entnehmen, sollte als völlig zweifelsfrei
gelten. Es bestätigt das zuvor Gesagte vollständig:
„Washington,
den 9. Juni 1896. - Der Vorsitzende Dingley machte heute Mitteilungen über
die Bedrohung, der sich amerikanische Fabrikanten gegenübersehen, wenn
das Land mit orientalischen Waren überschwemmt wird, die wegen der
niedrigen Löhne der Arbeit, deren Produkt sie sind, die wegen der
ungleichen Währungsverhältnisse zwischen den Gold- und Silberländern außerordentlich
billig kommen. Diese Bedrohung betrifft in gleicher Weise die
landwirtschaftlichen Interessen unseres Staates. Ein beauftragtes Komitee
beschäftigte sich mit diesen Fragen.
„Der Bericht sagt, dass das plötzliche
Erwachen Japans zur Folge hat, dass die Methoden dieses Landes nach denen
des Westens verbessert werden. Während die Japaner nicht den
Erfindungsgeist besitzen, der den Amerikanern eigen ist, so haben sie doch
eine wunderbare Befähigung zur Nachahmung. Die Art, in welcher die
japanischen Arbeiter ihr Leben unterhalten, würde von amerikanischen als
reines Dahinhungern bezeichnet werden. Bei einer Arbeitszeit von zwölf
Stunden täglich erhalten geschickte Handwerker, wie Zimmerleute, Maurer,
Schmiede, auch Schriftsetzer, Stuckarbeiter usw. in japanischen Städten für
den Tag nicht mehr als 26-33 Cent. Fabrikarbeiter erhalten 5-20 Cent und
ungefähr das Doppelte nach japanischem Geld. Landwirtschaftliche Arbeiter
erhalten monatlich 1,44 Dollar.
„Der Bericht fährt fort:
Europäer wie Amerikaner betrachten Japan als ein sehr günstiges Land, in
dem sie Kapital anlegen können durch Fabrikenbau. 61 Baumwollspinnereien
werden offiziell von japanischen Gesellschaften geleitet, sie wurden aber
durch Europäer ins Dasein gerufen. Außerdem arbeiten dort mehrere
Seidenfabriken mit über einer halben Million Spindeln. Japan stellt die
Baumwollwaren größtenteils zur Deckung des japanischen Bedarfs her, und
es fängt an, billige Seidenwaren und Taschentücher auszuführen.
„Kürzlich wurde eine
Uhrenfabrik mit amerikanischen Maschinen eingerichtet unter dem Namen von
Japanern, da bis zum Jahre 1899 Fremde unter eigenem Namen in Japan keine
Fabrikation unternehmen dürfen. Durch den Fortschritt, den das
Unternehmen machte, erwies es sich als Erfolg
„Wahrscheinlich wird die
schnelle Einführung der Maschinen nach Japan, verbunden mit den billigen
Arbeitskräften, dieses Land in feinen Seiden-, Baumwoll- und anderen
Waren auf unserem Markt zu einem gefährlicheren Konkurrenten machen, als
selbst Großbritannien, Frankreich und Deutschland es waren.
„Nach Herrn Dingley wird sich
der Wettbewerb nicht in der Art, sondern in dem Maße unterscheiden. Das
Komitee kennt keine Mittel zur Abhilfe, außer dem Schutzzoll, der den
Preisunterschied zwischen eingeführten Waren und den im eigenen Land
hergestellten auszugleichen hätte. Man hat schon eine solche Politik begründet,
indem man sagte, dass sie einen zweifachen Zweck erfüllen würde,
vermehrte Einnahmen für die Regierung und die Erhöhung der Löhne. Man
sagt, dies geschähe dann nicht den Fabrikanten zum Nutzen, denn diese
brauchen nur nach England oder Japan zu gehen, um dieselben Gewinne zu
haben, die sie hier haben werden nach Einführung der Schutzzölle, die
den Unterschied der Löhne auszugleichen hätten, vielmehr geschähe es,
um dem Volk die Vorteile zu sichern, die aus der eigenen Produktion vor
der fremder Länder entspringen.“
Die japanische Regierung gewährt
ausländischen Patenten keinen Schutz. Die wunderbaren arbeitsparenden
Maschinen werden von den Japanern angekauft und auf billige Weise von
ihren Handwerkern vervielfältigt, da diese geschickte Nachahmer sind,
ebenso wie die Chinesen. So werden ihre Maschinen nicht einmal halb soviel
kosten wie sie anderswo kosten würden, und Japan wird der Christenheit
bald die selbsthergestellten Maschinen oder die Produkte derselben
verkaufen können.
„The San Francisco
Chronicle“ sagt unter der Überschrift: Der japanische Wettbewerb:
„Woher
der Wind des japanischen Wettbewerbs weht, geht auch daraus hervor, dass
eine große Strohmattenfabrik von Milford nach Kobe, einem
Industriemittelpunkt Japans verlegt wurde. Diejenigen, welche über den
japanischen Wettbewerb spotten und stolz von der überlegenen westlichen
Intelligenz sprechen, übersehen ganz, dass das Kapital mit Leichtigkeit
nach Ländern verlegt werden kann, in denen billigere Arbeitskräfte
angeboten werden. Alles, was die überlegene amerikanische und europäische
Intelligenz zu tun hätte, wäre daher, Maschinen zu erfinden, welche die
Kapitalisten ankaufen und nach Ländern ausführen würden, in denen sie
am billigsten betrieben werden könnten.“
Robert
P. Porter schrieb in der „North American Review“ vom August 1896 unter
Bezugnahme auf obiges einen Artikel, in welchem er ausführt, dass die
Japaner trotz des Schutzzolls der Vereinigten Staaten mit zunehmender
Geschwindigkeit gegen die amerikanischen Fabrikanten anlaufen. Sie können
dies 1. wegen ihrer billigen und geduldigen Arbeitskräfte, und 2. weil
die Silberländer einen Vorteil von einhundert Prozent über die Goldwährungsländer
haben, was den als ausführbar zu betrachtenden Schutzzoll mehr als
ausgleicht.
Wir führen aus dem Artikel
folgende Auszüge an:
„Die
Japaner haben, bildlich gesprochen, ihre Hüte auf den amerikanischen
Markt geworfen und unsere Arbeit und unser Kapital mit Waren
herausgefordert, die gegenwärtig durch Vorzüglichkeit und Billigkeit
jedem Wettbewerb, auch wenn er an Hand der modernsten Maschinen
vorgenommen wird, zu trotzen scheinen.“
Nach Anführung einer Statistik
über die verschiedenen aus Japan eingeführten Artikel sagt Porter:
„Während
der letzten Monate habe ich die Bezirke in Japan besucht und die in obiger
Tabelle angeführten Industriezweige besichtigt. Die Textilwarenausfuhr,
die sich in zehn Jahren vervierzigfacht hat, war die Folge davon, dass
Japan eine Nation von Webern ist.
„Die Japaner haben anscheinend
große Mengen billiger Seidenwaren und anderer Artikel nach Amerika
gesandt; was sie getan haben, wird aber gar nichts sein im Vergleich mit
dem, was sie zu tun im Begriffe sind. Die Japaner treffen durch Bildung
von Innungen und Gesellschaften alle Vorbereitungen, die Beschaffenheit
und Gleichförmigkeit ihrer Waren zu verbessern und zu fördern.“
Beiläufig deutet Porter an,
dass die Baumwoll-Spinnereien in Lancashire, England, die keinen Schutz
genießen, zugrunde gerichtet werden. Er sagt:
„In Japan beschäftigte die
Baumwollspinnerei im Jahre 1889 nur 5.394 Frauen und 2.539 Männer. Im
Jahr 1895 wurden schon 30.000 Frauen und 10.000 Männer beschäftigt in
Spinnereien, die in ihrer Ausstattung und Ausrüstung denjenigen jeden
anderen Landes gleich sind. Der zukünftige Sitz der Baumwollindustrie,
wenigstens zur Unterhaltung des asiatischen Handels, werden Japan und
China sein. England wird, soweit sein Handel in Betracht kommt, zugrunde
gerichtet, nichts kann es retten. Baumwollspinnereien blühen in Osaka und
Schanghai schnell auf, und nur die wirkliche Erfahrung während der
Zeitperiode von einigen Jahren wird zeigen, welche der beiden Städte eine
günstigere Lage hat. Nach Prüfung aller Dinge, die bei der Produktion in
Frage kommen, ist mein eigenes Urteil auf Japan gefallen.
„Wenn Japan die Herstellung
von Woll- oder Kammgarnwaren aufnehmen würde, wie es die Herstellung von
Baumwollwaren aufgenommen hat, so würden die japanischen Weber den Europäern
und Amerikanern manche Überraschung bereiten und diejenigen zum Schweigen
bringen, die behauptet haben, von der japanischen Konkurrenz sei nichts zu
befürchten. Ein beständiges Angebot von billiger Wolle aus Australien
macht es möglich, und die Muster japanischer Wollkleider, die ich gesehen
habe, zeigen, dass die Japaner in diesem Zweig ebenso zu Hause sind, wie
in Seiden- und Baumwollbearbeitung. Sie leisten auch in der Herstellung
von feiner Leinwand Vorzügliches, wenn dieselbe bisher auch noch nicht in
großen Mengen erfolgte.
„Die plötzliche Überschwemmung
mit Regenschirmen, von denen Japan im Jahre 1894 ungefähr zwei Millionen
ausführte, hat unter den Schirmfabrikanten der Vereinigten Staaten
Besorgnis erregt.“
Die Japaner zögern nicht, sich
über den nahenden Triumph im „Wirtschaftkrieg“ zu brüsten. Porter
sagt:
„Als
ich in Japan war, hatte ich das Vergnügen, unter anderen Staatsmännern
und Beamten auch Herrn Kaneko, Vizeminister für Landwirtschaft und
Handel, zu begegnen. Ich lernte ihn als einen Menschen von Intelligenz und
Fernblick und von großer Erfahrung in ökonomischen und statistischen
Dingen kennen. Auf einer der großen Universitäten Europas ausgebildet,
ist er in allem, was Japan und seine Zukunft in Industrie und Handel
betrifft, auf der Höhe.“
Herr Kaneko sagte neulich in
einer Rede an die Handelskammer:
„Es ist bekannt, dass die
Baumwollspinner von Manchester (England) gesagt haben, dass die Japaner in
zehn Jahren die notwendige Geschicklichkeit in der Baumwollindustrie
erlangt haben, und dass sie jetzt auf einer Stufe angelangt sind, auf
welcher sie die Arbeiter in Manchester an Geschicklichkeit übertreffen,
wohingegen die Angelsachsen erst nach einer Zeit von drei Generationen zum
Baumwollspinnen geschickt und fähig wurden.“
Eine Drahtmeldung aus San
Francisco vom 9. November 1896 sagt:
„Herr
M. Oshima, der technische Leiter der in Aussicht genommenen japanischen
Stahlwerke, traf mit vier japanischen Ingenieuren auf dem Dampfer Rio de
Janeiro von Yokohama kommend ein. Die Herren befinden sich auf einer Reise,
um die großen Stahlwerke Amerikas und Europas zu besichtigen. Sie sind
beauftragt, eine Betriebsanlage im Wert von zwei Millionen Dollar zu
kaufen. Sie sagen, dass sie das kaufen wollen, was am besten und dabei am
billigsten ist. Die Anlage soll 100.000 Tonnen umfassen. Sie wird in den
Kohlenfeldern Südjapans errichtet werden, und man will sowohl Martin- als
auch Bessemer-Stahl herstellen.
„Herr Oshima sagte: „Wir
wollen unsere Nation dahin bringen, wohin sie gehört, an die Spitze, als
eine Industrie treibende Nation. Wir brauchen viel Stahl und wollen zur
Erlangung desselben von keinem anderen Land abhängig sein.“
Hinter Japan marschiert Indien
mit 250 Millionen als erste, China mit seinen 400 Millionen Einwohnern als
zweite Reserve.
So werden die amerikanischen,
englischen, deutschen und französischen Fabrikanten bald Völker zu
Konkurrenten haben, die bisher vortreffliche Abnehmer waren, Konkurrenten,
deren günstigere Verhältnisse gestatten werden, ihre früheren
Lieferanten selbst auf deren heimischen Märkten aus dem Feld zu schlagen
und dem weißen Arbeiter das Brot vom Mund wegzunehmen!
Aber dagegen ist nichts zu
machen. Das ist eine Folge des ehernen Gesetzes von Angebot und Nachfrage.
Das einzige Mittel, dem Druck abzuhelfen, der erst begonnen hat, sich aber
steigern wird, solange Selbstsucht und Eigennutz das Szepter führen, ist
das von Gott verheißene Tausendjährige Reich mit seinem Gesetz der Nächstenliebe
und dem Aufbau der Gesellschaft auf dieser Grundlage.
Wenn die Völker Europas und
Amerikas, wiewohl sie die ganze Welt mit Maschinen und Fabrikaten zu
versehen hatten, auf einem Punkt angelangt sind, wo die Nachfrage hinter
dem Angebot zurückbleibt, wo Tausende ihrer Arbeiter umsonst Verdienst
suchen, welches Geschick droht ihnen erst in naher Zukunft, wo die Zahl
der Produzenten sich verdoppelt haben wird? Dazu kommt die natürliche Bevölkerungszunahme,
der eine Vermehrung der Arbeitsgelegenheiten entsprechen sollte, und der
Umstand, dass diese 700 Millionen Inder, Chinesen und Japaner die
sparsamsten und fügsamsten Arbeiter sind, die das Kapital, das schon die
weißen Arbeiter geknechtet hat, sich ohne Mühe unterwerfen wird.
Wie in England die Zukunft der Arbeiter
aussieht
Justin Mc Carthy, ein bekannter
englischer Schriftsteller schreibt im „Cosmopolitis“ einen Artikel, in
welchem er erklärt:
„Das Übel der Armut und
Arbeitslosigkeit sollte dem Herzen eines Engländers mehr Furcht einflößen
als der Alarm über den Einfall eines fremden Volkes. Die englischen
Staatsmänner haben diese Frage jedoch nie für besonders ernst genommen,
sie haben sich nicht einmal länger damit beschäftigt. Selbst jene große
Unruhe, welche sich aus den Gegensätzen zwischen Arbeitern und
Arbeitgebern ergibt, der Streik einerseits und die Aussperrung
andererseits, ließ man vorübergehen, ohne dass man durch das Gesetz
Abhilfe geschaffen hätte. Die Ursache dafür liegt darin, dass jede
Geringfügigkeit unsere Aufmerksamkeit eher in Anspruch nehmen darf, als
die Lage unseres eigenen Volkes.“
Keir Hardie (ein Mitglied des
Parlaments und ein Arbeiterführer) soll kürzlich bei einer Unterredung
gesagt haben:
„Um die
Arbeitervereinigung ist es in England schlecht bestellt. Bisweilen fürchte
ich, dass dieselbe praktisch genommen tot ist. Wir Arbeiter machen die
Erfahrung, dass das Kapital mit seinem Geld Organisationen schließt,
durch welche es uns schlägt. Die Fabrikanten haben eine Methode erfunden,
durch welche sie die Menschen schlagen können, und die Menschen sind
hilflos. Die Arbeitervereinigungen haben seit langer Zeit nicht einen
einzigen bedeutenderen Streik in London gewonnen. Das gilt besonders von
den Dockarbeitern. Erinnern Sie sich des großen Dockstreikes? Er machte
die Vereinigung, welche ihn hervorgerufen hatte, tot, aber er brachte den
Menschen gar keinen Nutzen. Die Arbeitervereinigung ist in großer
Bedrängnis.
„Die Unabhängige
Arbeiterpartei ist sozialistisch. Uns wird mit nichts anderem als mit
Sozialismus gedient sein. Wir wissen, was wir brauchen, und wir alle
brauchen es. Wir kämpfen nicht gerne darum, aber wenn es nicht anders
geht, werden wir es tun, und wenn wir erst kämpfen werden, dann kämpfen
wir mit Entschiedenheit. Das Ziel, welches sich die Unabhängige
Arbeiterpartei gesteckt hat, ist das Herbeiführen eines industriellen
Gemeinwohles, gegründet auf die Sozialisierung von Land und
Wirtschaftskapital. Wir glauben, dass sich die natürlichen politischen
Spaltungen nach wirtschaftlichen Linien hin bewegen müssen.
„Wenn ich etwas von der
Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Systems erwähnen soll, so sage ich,
dass der größte Druck, der auf den britischen Arbeitern lastet, in der
Unregelmäßigkeit und der Ungewissheit hinsichtlich ihrer Beschäftigung
besteht. Sie werden bemerken, dass ich mir diese Frage zum Spezialstudium
gemacht habe. Ich spreche Tatsachen aus, wenn ich sage, dass es auf den
Inseln Großbritanniens eine Million befähigter erwachsener Arbeiter gibt,
welche keine Trunkenbolde, keine Umherbummler sind, welche die
Durchschnittsintelligenz besitzen, trotzdem aber arbeitslos sind, ohne
eigenes Verschulden, und die trotz aller Bemühungen keine Arbeit finden.
Anscheinend sind die Löhne jetzt höher als vor fünfzig Jahren, wenn man
aber den Zeitverlust in Betracht zieht, der sich aus Arbeitslosigkeit
ergibt, so findet man, dass sich die Lage der Arbeiter in Wirklichkeit
verschlechtert hat. Ein kleiner, aber beständiger Lohn verschafft mehr
Bequemlichkeit, als ein großer, der aber nur unregelmäßig verdient wird.
Wenn das Recht, einen zum Lebensunterhalt ausreichenden Lohn zu sichern,
jedem Arbeiter gesichert würde, so würden die meisten der uns jetzt in
Aufregung versetzenden Fragen auf natürliche Weise gelöst sein. Die Lage
ist wirklich eine sehr traurige. Letzthin, bei der schrecklichen Kälte,
wurden Notstandsarbeiten vergeben, durch welche sich jemand vier Stunden
lang mit Straßenfegen beschäftigen konnte, die Stunde für 6 Pence. Um
vier Uhr morgens drängten sich schon Tausende außerhalb der Gartentore,
um in der vordersten Reihe zu stehen. So standen sie nun, vor Kälte
zitternd und sich schüttelnd, halb verhungert und voller Verzweiflung,
bis um 8 Uhr, dem Zeitpunkt, an welchem die Tore geöffnet wurden. Jetzt
geschah etwas, was einem Tumult gleichkommt. In jenem furchtbaren Gedränge
um das Verdienen von 2 Schilling wurden Menschen buchstäblich zu Tode
getreten. Die Stätte wurde zertrümmert. Hungrige Menschen, von den
Tausenden derer, die sich hinter ihnen befanden, gedrängt, pressten sich
durch Mauer und Tor, in ihrer Angst um Arbeit. Diese Menschen waren gewiss
keine Umherbummler.
„Der durchschnittliche Lohn
ungelernter Arbeiter beträgt in London nur 6 Pence die Stunde, in der
Provinz noch weniger. Ein sorgfältiges Studium hat gezeigt, dass wöchentlich
wenigstens 3 Pfund nötig sind, um eine Familie von durchschnittlicher Stärke
(zwei Erwachsene und drei Kinder) mit allgemeinen Bequemlichkeiten zu
versorgen, vom Luxus nicht zu reden. Sehr wenige englische Arbeiter
verdienen diese Summe oder eine ähnliche. Derjenige gelernte Handwerker,
der das ganze Jahr über wöchentlich 2 Pfund verdient, ist glücklich
daran, und derjenige Arbeiter kann glücklich sein, der in einer Woche 24
Schilling verdient. Ein Drittel davon muss er noch für Miete zurücklegen.
In den bestbezahlten Arbeiterklassen können sich die Familien also noch
auf der Ebene der Armut erhalten. Eine ganz kurze Zeit unfreiwilligen Müßigganges
muss sie aber notwendigerweise unter dieselbe ziehen. Darum haben wir eine
so große Anzahl von Almosenempfängern.
„London hat jetzt über vier
Millionen dreihunderttausend Einwohner. Sechzigtausend Familien (dreihunderttausend
Köpfe) haben für die Familie durchschnittlich wöchentlich achtzehn Mark
Einkommen, und sie leiden daher immerwährend Mangel. Jeder achte
Todesfall erfolgt bei Arbeitern entweder in der Fabrik oder in dem
Fabriklazarett. Jeder sechzehnte Einwohner Londons ist jetzt anerkanntermaßen
ein Almosenempfänger. Jeden Tag kommen in England 43.000 Kinder zur
Schule, ohne ein Frühstück gehabt zu haben. Dreißigtausend Menschen
haben kein anderes Heim als die Herberge zur Heimat oder die zufällige
Polizeiwache.“
Wie werden sich diese Massen in
fünfzehn Jahren vermehrt haben, wenn die gelbe Konkurrenz die Löhne noch
mehr gedrückt hat?
So bringt der Allmächtige die
Massen aller Völker allmählich zur Einsicht, dass früher oder später
die Interessen des einen auch die des anderen sein müssen, dass jeder
seines Bruders Hüter sein muss, wenn es ihm selbst wohl ergehen soll.
Es ist weder weise noch gerecht,
dem Kapital daraus einen Vorwurf zu machen, dass es handelt wie die
Arbeiter, indem es auch seinen Vorteil sucht. Unter den Armen sind viele
nicht minder herzlos als unter den Reichen und würden, wären sie im
Besitz von Reichtümern, grausamer und weniger freigebig sein als ihre
gegenwärtigen Beherrscher. Lasst uns daher nicht die Reichen hassen, wohl
aber die Selbstsucht und den Eigennutz im allgemeinen, der an allem gegenwärtigen
Übel schuld ist; und lasst uns den Entschluss fassen, durch die Gnade
Gottes alle unsere eigene Selbstsucht zu töten, und den Geist der Nächstenliebe
in uns mächtig werden lassen, damit wir dem Bilde von Gottes geliebtem
Sohn, unserem Herrn und Erlöser, immer ähnlicher werden.
Ein
Wort von Minister Chamberlain (England)
Als eine Abordnung der Londoner
Schuhmacher sich zu Minister Chamberlain begab, um ihn zu bitten, sich für
die Errichtung städtischer Schuhmacherwerkstätten zu verwenden, sagte er
ihnen, dass dieselben ihnen gar nichts oder doch nur vorübergehend nützen
würden, dass sie nur die Überproduktion vermehren und eine Zahl derer,
die jetzt noch ihr Auskommen finden, brotlos machen würden. Was ihnen
helfen könnte, wäre die Vermehrung der Nachfrage aus dem Ausland.
„Wenn wir das erreichen,
werden Sie alle Arbeit haben. Wir müssen uns neue Märkte eröffnen. Von
den alten sind wir teilweise durch die auswärtige Konkurrenz verdrängt. Können wir die Nachfrage auf den Märkten, die wir noch
beherrschen, nicht vermehren, oder nicht neue Märkte finden, so wird die
Arbeitslosenfrage, die schon jetzt sehr ernst ist, überaus kritisch
werden und unabsehbare Folgen haben. Wenn also die Regierung das Reich
auszudehnen bestrebt ist, über welches England herrschen sollte, so tut
sie das gar nicht aus Feindseligkeit gegen andere, sondern aus dem
Bestreben, dem englischen Volk genügend Märkte für seine Produkte zu
sichern. Täte sie das nicht unausgesetzt, die Übel, an denen wir schon
jetzt leiden, würden noch viel unerträglicher.“
Alle Staatsmänner sehen diese
Gefahr sehr wohl, und deshalb sind alle Staaten mit bedeutender Industrie
eifrig bemüht, sich neue Märkte zu sichern, fürchtend, es werden ihnen
bald keine mehr bleiben. Dazu umgeben sie sich und ihre Kolonien mit
Schutzzollmauern und haben damit zum Beispiel der amerikanischen Ausfuhr
nach Afrika einen schweren Schlag versetzt. Und nun ist auch Chamberlain
bestrebt, die bis jetzt offenen britischen Kolonien zur Annahme von
Schutzzöllen zu bewegen, welche die amerikanische, deutsche, französische
und japanische Konkurrenz der Industrie des Mutterlandes vom Halse
schaffen sollen.
Ja,
das Herz entfällt den Menschen vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über
die Menschheit kommen sollen, und sie greifen zu allen möglichen Mitteln,
um ihnen zu wehren! Da es ihnen in Wirklichkeit aber nicht um die
Versorgung der kleinen Leute mit Arbeit - das ist nur ein Vorwand -
sondern um Auffindung neuer Gebiete für Fruktifizierung der Kapitalien in
den Händen der Großen zu tun ist, damit diese ihre Schätze noch mehr
auftürmen können, liegt kein Segen auf ihren Bestrebungen, und diese
bleiben fruchtlos. - Jak. 5:3
Die soziale Frage in Deutschland
Wilhelm Liebknecht, der Führer
der sozialdemokratischen Partei im deutschen Reichstag, der London im
Jahre 1896 besuchte, machte dem Journalisten der „Daily Chronicle“
Mitteilungen, von denen wir folgende Auszüge bringen:
„Unsere
sozialdemokratische Partei ist für sich die stärkste Partei im deutschen
Parlament. Bei der letzten Wahl hatten wir 1.880.000 Stimmen. Wir erwarten,
dass die weiteren Rüstungsvorschläge der Regierung uns eine weitere
Million Stimmen zuführen werden.“
„So gibt es also nicht sehr viele Hurrapatrioten in
Deutschland?“
„Durchaus nicht. Von allen Völkern
Europas ist kein Vowegung wider den Militarismus.“ lk des Militarismus überdrüssiger als das deutsche.
Wir Sozialisten sind die Anführer der Be
„Und glauben Sie, dass sich
diese Bewegung gegen den Militarismus über die ganze Erde erstrecken wird?“
„Dessen bin ich sicher. In den
Abgeordnetenhäusern von Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien und Dänemark
kämpfen die sozialistischen Abgeordneten (deren wir sehr viele haben) ihn
nieder. Wenn in diesem Jahr der internationale Kongress in London
stattfinden wird, werden alle gegenwärtigen sozialistischen Abgeordneten
eine Sitzung abhalten, um gemeinsam vorzugehen. Was Deutschland anbetrifft,
so wird dieses durch seinen Militarismus völlig zugrunde gerichtet.
Unsere Fabriken bestehen noch nicht lange, und wenn wir in Wettbewerb
eintreten sollen mit England ...“
„So gibt es bei Ihnen einen
Ruf nach ausländischem Wettbewerb?“
„Natürlich. Wie ich Ihnen
zeigen werde, haben wir weder Presse- noch Versammlungsfreiheit. Sie
dagegen haben beides, und ich halte dafür, dass dies seine Ursache darin
hat, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem in England tiefer
eingewurzelt ist als in irgendeinem anderen Land. Vor allem haben wir
gegen die Lehre von dem Gottesgnadentum der Kön. zu kämpfen, und das
englische Volk fand bereits vor zweihundert Jahren, dass die Lehre vom
Gottesgnadentum der Kön. und politische Freiheit nicht nebeneinander
bestehen können.“
„So glauben Sie, dass binnen
kurzem große Veränderungen Platz greifen werden?“
„Gewiss. Das gegenwärtige
Regierungssystem in Deutschland erweckt so große Unzufriedenheit, dass
diese Veränderungen kommen müssen.“
„Können Sie mir nun
vielleicht etwas sagen über die wirtschaftliche Lage Deutschlands? Sie
haben dort die Agrarierfrage wie wir hier.“
„Wir haben in Deutschland fünf
Millionen Bauern, und sie alle eilen schnellen Schrittes ihrem Ruin zu.
Jeder von ihnen - ich sage dies mit Überlegung - ist bis zu dem vollen
Wert seiner Besitzungen verschuldet oder noch darüber hinaus. Die Bauern
essen bei uns Brot, das aus Roggen und Hafer besteht. Die Lebensmittel
sind hier in England überhaupt viel billiger als in Deutschland.“
„Und ihre Fabrikanten?“
„Als Industrieland stehen wir
erst im Anfangsstadium. Unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem datiert vom
Jahre 1850, aber schon werden die Folgen bei uns viel größer als bei
Ihnen. Wir werden schnellen Schrittes in zwei Klassen getrennt, die
Proletarier einerseits und die Kapitalisten und Großgrundbesitzer
andererseits. Unser Mittelstand wird buchstäblich ausgerottet. Er wird
unserer Partei zugeführt, darum rechne ich damit, dass wir bald noch stärker
werden. Sie müssen daran denken, dass wir nicht wie in England zwei
scharf voneinander getrennte Parteien haben. Wir Sozialdemokraten gehen
mit jeder Partei, wenn wir Vorteil daraus erlangen. Wir haben nur drei große
Parteien, die anderen zählen nicht mit. Da ist zunächst unsere Partei,
dann die konservative und die katholische Zentrumspartei. Unsere
Konservativen unterscheiden sich von den Ihrigen vollständig. Sie wünschen
sich die Zeit des Lehenwesens zurück und eine Reaktion schlimmster Art.
Wirtschaftliche Fragen zersplittern die Zentrumspartei, ein Teil wird zu
uns kommen, und ein anderer zu den Konservativen. Dann werden wir ja sehen,
was sich ereignen wird.“
„Herr Liebknecht beschrieb die
Geschichte der sozialistischen Bewegung in Deutschland. Die Schnelligkeit,
mit welcher die Sozialdemokratie in Deutschland gewachsen ist, wurde durch
die neu entstandene Industrie und den damit verbundenen Handel bewirkt,
sowie durch den scharfen Wettkampf, in welchen Deutschland mit England und
Frankreich eintreten musste.“
Diese drei Fragen: Agrarierfrage,
Industriefrage und Kapitalfrage, über welche sich die Völker immer mehr
in zwei scharf getrennte Lager spalten, sind es, welche eine die Welt
umfassende Drangsal (Revolution und Anarchie) vorbereiten, die der
Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches vorangehen.
Herr Liebknecht war ein
Delegierter des Arbeiter-Weltkongresses, welcher im Juli 1896 folgende
Resolution fasste:
„In
Anbetracht dessen, dass der Völkerfriede eine wesentliche Voraussetzung für
die internationale Verbrüderung und den menschlichen Fortschritt ist, und
dass die Völker der Erde den Krieg nicht wünschen, dieser vielmehr durch
die Hab- und Selbstsucht der herrschenden Klassen herbeigeführt wird, zum
Zweck, ihre eigenen Interessen unter Übersehung derjenigen der Arbeiter
zu fördern, erklärt der Arbeiter-Weltkongress in London hiermit, dass es
zwischen den Arbeitern der verschiedenen Nationen Streitigkeiten überhaupt
nicht gibt, dass ihr gemeinsamer Feind der Kapitalist und der Großgrundbesitzer
ist, und dass der einzige Weg, den Krieg unmöglich zu machen, darin
besteht, das kapitalistische und Latifundiensystem abzuschaffen, weil dies
die Wurzel der Kriege ist. Die Arbeiterschaft schließt sich daher zum
Zweck zusammen, in Ersetzung dieses Systems dasjenige der Sozialisierung
der Produktions- und Handelsmittel zu erstreben. Bis dies geschehen ist,
sollten die Streitigkeiten zwischen den Nationen statt durch rohe
Waffengewalt auf dem Wege schiedsgerichtlicher Entscheidung geschlichtet
werden.“
„Riesen
in diesen Tagen“
Als solche Riesen sehen wir jene
„Trusts“ (Produzentenverbände) an, die sich einerseits zum Zweck, die
kleinen Konkurrenten zu erdrücken, und andererseits in Ersetzung eines
Krieges aller gegen alle, zur Haltung der Preise gebildet haben. In dieser
Beziehung marschieren die Vereinigten Staaten weit voran. Die „World“
hat sich einmal die Mühe genommen, eine Liste von diesen
Kapitalistensyndikaten, die ihren Mitgliedern großen Profit sichern,
aufzustellen, und hat deren 139 (die Zahl der Trusts hat seither in
erschreckender Weise zugenommen) in der Union gefunden, deren
Aktienkapitalien zusammen mehr als 1.507.060.000 Dollar ausmachen. Es sind
dies Syndikate zur Produktion und Vertreibung von Kohle, Zucker, Draht,
Biskuits, Borax, Knöpfen, Zigaretten, kondensierter Milch, Seilerwaren,
Handschuhen, Maschinen, Papier, Reis usw.
Die „World“ fügt dann hinzu,
dass einzig die Steigerung des Preises für eine Tonne Anthrazitkohle um 1
1/2 Dollar den elf Mitgliedern eines Trusts einen Profit von 50 bis 60
Millionen Dollar in die Tasche jagen werde, während dieses Geld von
Rechts wegen den Kohlenkonsumenten zugute kommen sollte, in Anbetracht des
Sinkens der Kohlenpreise. Statt dessen werden sich diese gezwungen sehen,
die Löhne zu beschneiden, um einer Erhöhung der Produktionskosten durch
die Preissteigerung der Kohle zu entgehen. Dies bedeutet für jede
Arbeiterhaushaltung die Abschaffung irgendeiner bescheidenen
Annehmlichkeit. Es bedeutet zugleich eine Mehrbelastung jeder Haushaltung
und für die Armen Einschränkung des Kohlenbedarfs. Diese können dann
frieren, die elf Trustmitglieder aber können sich um so mehr Luxus
gestatten. Zwischen beiden liegt entehrt und gebrochen das Gesetz.
Alle Trusts haben freilich ihre
Macht nicht in dieser Weise missbraucht; vielleicht fehlte es ihnen an
Gelegenheit. Aber dies kann niemand leugnen, dass diese „Riesen“ für
das gewöhnliche Volk, die Massen, eine große Gefahr sind. Jedermann weiß,
was er von einem gleichzeitig selbstsüchtigen und mächtigen Einzelnen zu
fürchten hat; diese Trusts aber sind nicht nur unendlich mächtiger und
einflussreicher als die einzelnen, sondern sie haben überdies kein
Gewissen. „Korporationen haben keine Seele“, heißt es im Volksmund
und die „Pittsburger Post“ gibt, nachdem sie berichtet, dass der
Standard Oil Trust für 1896 nicht weniger als 31 Prozent Dividende
verteilt, und dass ein Drahtstift-Trust, nachdem er alle Konkurrenz
ruiniert hat, den Preis seiner Ware verdrei- und vervierfacht und dadurch
seinen Mitgliedern einen Millionenprofit gesichert hat, ihrer Entrüstung
kräftigen Ausdruck:
„Gegen diese Trusts seine
Stimme erheben, heißt in den Augen ihrer Mitglieder sich des Anarchismus
schuldig zu machen. Die kommen mir gerade recht. Die gesetzwidrigen, räuberischen
Trusts soll man frei und ungehindert schalten und walten lassen, ihre
Kritik aber soll unterdrückt werden, weil, wie sie sagen, diese Kritik
das Feuer der Unzufriedenheit im Volke schürt. Auf der einen Seite das
Volk, auf der anderen die mit Freibriefen versehenen Räuber, die Trusts.
Und hierzu heißt es fein schweigen und stille sein, damit den Trusts kein
Härchen gekrümmt werde. Kann man sich eine größere Schamlosigkeit und
Frechheit vorstellen?“
Von dem oben erwähnten Anthrazit-Trust hatte Rev. Parkhurst
den Mut zu sagen:
„Wenn
diese Kohlentrusts ihre Macht dazu gebrauchen, von dem Geld des armen
Mannes möglichst viel in den eigenen Beutel wandern zu lassen, den Armen
noch ärmer zu machen, ihn in seinen wenigen Bequemlichkeiten, ja in
seinem Nötigsten zu verkürzen, dann sind diese Trusts vom Dämon des
Diebstahls und Mordes besessen, und was von den Kohlentrusts gilt, gilt
auch von den anderen Trusts, die die Bedarfsmittel betreffen.“
Dagegen pries der New Yorker
Geistliche, Dr. Heber Newton, dessen Zuhörerschaft sich ausschließlich
unter den obersten Zehntausend rekrutiert, die Trusts als „eine
notwendige und wohltätige Gabe der fortschreitenden Zivilisation!“
„Als
Rockefeller sich mit Carnegie in Verbindung setzte, um dem Stahlbund
entgegenzutreten, erfolgte, wie der „Allegheny Abendanzeiger“ meldet,
„ein Preissturz für Schienen von 25 auf 17 Dollar die Tonne. Aber
selbstverständlich haben weder Rockefeller noch Carnegie dabei den Nutzen
der Abnehmer im Auge. Verbündet vermochten sie den
Schienenfabrikanten-Verband zu besiegen; ob sie aber jetzt, im Besitze des
Marktes, sich mit einem angemessenen Profit begnügen, oder ob sie,
nachdem sie die Konkurrenz erdrückt haben, nun die Abnehmer aussaugen
werden, ist eine Frage von größter Wichtigkeit. Die Tatsache, dass sie
es können, ist schon an sich eine große Gefahr.“
Angesichts dieser Gefahr erwacht
hier und da bei einem Politiker das Gewissen. Als nach dem Sieg der Gold-Männer
bei den Wahlmännerwahlen im November 1896 der frühere Gouverneur von
Kansas, später Staatssekretär des Inneren, D. R. Francis, eine Einladung
erhielt zu einem Bankett zur Feier des Wahlsieges, lehnte er dieselbe mit
folgendem Schreiben ab:
„Ich
bedaure, dasselbe nicht mitmachen zu können, weil nach meinem Dafürhalten,
wenn dem Anwachsen der Macht des Kapitals und der Ausbreitung der Trusts
nicht auf gesetzgeberischem Wege entgegengetreten wird, noch vor dem Ende
dieses Jahrhunderts eine Volkserhebung stattfindet, die alle unsere
Staatseinrichtungen gefährden wird.“
Als eine chemische Fabrik (Park
und Söhne) ihre Produkte unter den vom Syndikat festgesetzten Preisen
verkaufte und deshalb vom Syndikat auf den Index gesetzt wurde, rief sie
die Gerichte an, wurde zwar für sich abgewiesen, aber hatte doch den
moralischen Erfolg, dass das Gericht jedermann davor warnte, sich der
Einschränkung der Handelsfreiheit mitschuldig zu machen. Der Londoner
„Spectator“ bemerkte dazu:
„Die
Abweisung der Klage der Fabrik Park und Söhne hatte ihren Grund darin,
dass die fragliche Ware kein notwendiges Mittel war, vielmehr ohne Schaden
für die Massen für eine Guinee den Tropfen verkauft werden könnte. Eine
Gefahr für Leben und Gesundheit des Armen aber läge in einem Trust,
welcher den Preis von sehr häufig gebrauchten Arzneien so hoch schrauben
würde, dass die Armen sich dieselben nicht verschaffen könnten. Man wird
sich erinnern, dass Mr. Bryans Parteigänger unter anderem den Kampf gegen
die Trusts zur Wahlparole gemacht haben. Möglichkeiten wie diese sind
durchaus geeignet, ihnen große Wählermassen zuzuführen.“
Derselbe „Spectator“,
nachdem er Amerika beschuldigt, diese Trusts erfunden zu haben, muss dann
aber zugeben, dass sie auch in England Eingang finden. So hat sich ein
Verband von Fabrikanten eiserner Bettstellen gebildet, der jedem
Nichtmitglied den Vertrieb seiner Ware im vereinigten Königreich dadurch
unmöglich macht, dass er ihm das Rohmaterial vorenthält.
Im Besitz von Betriebskapitalien
von Hunderten von Millionen Dollar sind diese Trusts wahrhaftig Riesen,
und wenn die Dinge so weitergehen, wie seit 1890, so werden diese Trusts
binnen wenigen Jahren nicht nur über den Preis der Waren, sondern auch über
die Höhe der Löhne gebieten.
Es ist wahr, diese
Kapitalistenverbände haben große Unternehmungen ins Leben gerufen,
welche einzelne Männer weder so schnell verwirklichen noch so nützlich
gestalten konnten, haben Risikos auf sich genommen, welche die Völker den
Regierungen, die sie in ihrem Namen übernehmen wollten, schwer verargt hätten.
Wir sind nicht der Meinung, dass die Vereinigung des Kapitals als solche
verwerflich ist, wir machen nur darauf aufmerksam, dass dieselbe die Macht
des Kapitals von Jahr zu Jahr steigert und damit die Interessen, ja, die
Freiheit des Volkes gefährdet. Jedermann sagt: „Es muss hier etwas
getan werden“; aber niemand weiß, was. So steht die Menschheit hilflos
jenen Riesenauswüchsen unseres ökonomischen Systems gegenüber, und die
einzige Hoffnung ist - Gott.
Es ist wahr, an der Spitze jener
Riesenunternehmungen stehen vielfach Leute, die ihre Macht mit Mäßigung
zu gebrauchen geneigt scheinen. Die Konzentrierung der Macht bleibt allein
für die, welche darüber verfügen, eine Gelegenheit, je nach Umständen,
von derselben zu selbstsüchtigen Zwecken und zum Schaden der Massen
Gebrauch zu machen.
Zubereitung der Elemente
Diese
„Riesen“ bedrohen unser Geschlecht geradeso, wie es einst die Riesen
dem Leibe nach vor 4000 Jahren taten. (Anmerkung: 1. Mose 6:4 – Siehe das Büchlein über „Spiritismus.“)
Diese Riesen waren Männer von Ruf, Männer von wunderbarer
Geschicklichkeit und hervorragendem Scharfsinn, über das Maß der
gefallenen Rasse Adams emporragend. Sie waren ein Bastardgeschlecht, im
Besitz gesteigerter Lebenskraft. Geradeso sind die Riesen unserer Tage groß,
machtvoll und schlau, so dass man auf ihre Besiegung ohne göttliches
Eingreifen gar nicht hoffen kann. Ihre Macht haben sie noch nicht ganz
entwickelt. Auch sie sind ein Bastardgeschlecht, gezeugt von der
Selbstsucht und der dem Christentum zu verdankenden Aufklärung.
Aber wie die menschliche Not größer
wird, rückt auch die göttliche Hilfe immer näher, und wie die Riesen
der damaligen Welt durch die Wasser der Flut hinweggerafft wurden, so
werden die Riesen der jetzigen Welt in dem kommenden „Feuer“ des
Zornes Gottes, das bereits zu brennen beginnt, umkommen, in der Drangsal,
als nicht gewesen ist, seit Völker auf Erden sind. In diesem „Feuer“
werden alle Riesenerzeugungen der Bosheit und Selbstsucht
unwiederbringlich vernichtet werden. - Jes. 26:13, 14; Zeph. 3:8, 9
Die Sklaverei und die moderne
Knechtschaft
Die Abschaffung der Sklaverei
datiert von noch nicht 100 Jahren her. In den englischen Kolonien fand sie
im Jahre 1838 statt und kostete dem englischen Staatsschatz 20.000.000
engl. Pfund Entschädigung an die Sklavenhändler, in den französischen
Kolonien fand sie erst 1848 und in den Südstaaten der Union erst in den
sechziger Jahren statt. Freilich sind es Stimmen und Federn von Christen,
denen zum großen Teil dieser Fortschritt zu verdanken ist; aber unter dem
Einfluss der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wäre er auch ohnedies
gekommen, nur etwas später. Die Sklaverei ist gleichsam eines natürlichen
Todes gestorben infolge der Erfindung der Maschinen und der Zunahme der
Bevölkerung in den zivilisierten Ländern. Ganz abgesehen von sittlichen
oder religiösen Rücksichten wäre es heutzutage gar nicht mehr möglich,
dort die Sklaverei wieder allgemein einzuführen, sie würde sich nicht
bezahlt machen, denn die Maschinen besorgen heutzutage einen großen Teil
der Arbeit, ob dieselbe nun mehr oder weniger Intelligenz erfordert, und
ein intelligenter Arbeiter kann mehr und bessere Arbeit verrichten als ein
nicht intelligenter; ferner würde die Erziehung von Sklaven mehr Kosten
verursachen als freie Arbeiter, daneben würde der mehr intelligente
Sklave schwerer in seiner Arbeit zu kontrollieren sein, als der dem Namen
nach freie Arbeiter, der an Händen und Füßen durch die Notwendigkeit
gebunden ist. Die Welt hat einfach eingesehen, dass sich Kriege zur
Beschaffung von Sklaven weniger gut rentieren als die Konkurrenzkämpfe
des Handels, und dass die freien „Sklaven der Not“ billigere und fähigere
Arbeitskräfte darstellen.
Wenn auch frei, so ist der
intelligente Arbeiter doch billiger als der unwissende Sklave, und da die
ganze Welt zur Intelligenz erwacht und sich außerdem immer dichter bevölkert,
treibt unser soziales System ebenso sicher seiner eigenen Vernichtung
entgegen wie eine Maschine, die unter vollem Dampfdruck ohne Ventil
arbeiten würde. Das Prinzip von Nachfrage und Angebot kennt aber kein
Sicherheitsventil, und so wird der Duck der Selbstsucht, der die
Gesellschaft niederzwingt, täglich stärker und stärker, bis die zerdrückten
Massen den Zusammensturz des Systems und die Anarchie herbeiführen. Die
Massen sind wie
Zwischen
Zwel Mühlsteinen
eingeklemmt, deren schnelle
Bewegung sie bald aufreiben und in unwürdige Knechtschaft bringen wird,
wenn nicht sonst etwas geschieht.. Die Not zwingt sie zwischen die Mühlsteine
hinein, deren unterer das Prinzip von Nachfrage und Angebot ist, auf dem
als oberer die Selbstsucht mit ihren gewaltigen Hilfsmitteln von Maschinen
und Kapitalien arbeitet. Schon 1887 schätze man das Ergebnis der Arbeit sämtlicher
Maschinen der Welt auf die Leistung von 1.000 Millionen Menschen, das heißt
auf dreimal so viel als die Zahl der Arbeiter überhaupt, und seither dürfte
sich diese Arbeit verdoppelt haben. Dazu kommt, dass sie nur in den
zivilisierten Ländern arbeiten, deren Einwohnerschaft nur etwa ein Fünftel
der Erdenbewohner ausmacht. Kann man sich da noch wundern, dass man in
London 938.293 Dürftige, 316.834 Arme und 37.610 gänzlich Mittellose zählt,
im ganzen somit 1.292.733 Menschen, ein Drittel der (damaligen) Bevölkerung.
Offizielle Tabellen zeigen, dass in Schottland ein Drittel sämtlicher
Familien nur eine Einzimmer-, mehr als ein weiteres Drittel nur eine
Zweizimmer-Wohnung haben, dass in New York in einem Winter 21.000 Personen
wegen unbezahlten Mietzinses auf die Gasse geworfen und 3.819 Personen auf
dem Armenfriedhof bestattet werden, in einer Stadt, die 1.157 Millionäre
zählt!
Im „American Magazine of
Civics“ behandelt ein Herr J. A. Collins das Zurückgehen des kleinen
Grundbesitzes. Er stellt dabei fest, dass während 10 Jahre vor dem
Erscheinen seines Aufsatzes der Großteil der Bevölkerung ein
schuldfreies Heim besaß, nun 84 Prozent der Bevölkerung in fremden Häusern
wohnen (inbegriffen die Eigentümer von mit Hypotheken belasteten
Immobilien).
„Wenn
diese Verschiebung binnen 10 Jahren Platz greifen konnte, zu einer Zeit,
da der Westen noch viel freies Land aufwies, und die Industrie noch Arme
suchte und gut bezahlte, was wird es erst sein, nachdem der Westen dichter
bevölkert, der dortige Bodenbesitz in den Händen von wenigen Millionären
konzentriert ist, ebenso die Bergwerke, die Eisenbahnen und alle Fabriken,
was wird da das Los der Tausenden von Industriearbeitern sein?“
Herr Collins schließt, dass für
diese die wirtschaftlichen Verhältnisse in Amerika schlimmer sind als in
Europa. Bei seiner Behauptung, dass 84 Prozent der Bevölkerung Mieter
sind, vergisst er freilich, dass dabei viele junge Leute sind, die in
Europa bei ihren Eltern wohnen würden, und die man also im Falle einer
Vergleichung mit Europa aus der Zahl der Mieter in Amerika streichen müsste.
Ferner vergisst er die Einwanderer, die zuerst Staatsländereien pachten,
eine Kategorie von Mietern, die Europa auch nicht kennt. Aber auch so sind
die Verhältnisse schlimm genug, und es ist keine Aussicht für viele,
jemals anders aus ihrer Verschuldung als auf dem Wege der Pfändung
herauszukommen.
Wenige wissen, wie billig oft
menschliche Kraft und Zeit verkauft wird, und die, welche es wissen,
kennen keine Abhilfe für das Übel und bestreben sich, nicht selbst davon
ereilt zu werden. In allen großen Städten der Welt gibt es Tausende
sogenannter „Schwitzer“, die schwerer und länger arbeiten als es die
Sklaven der Südstaaten in ihrer Mehrzahl taten. Dem Namen nach sind sie
frei, tatsächlich aber Sklaven, Sklaven der Not, sie haben wohl die
Freiheit zu wollen, nicht aber die Freiheit für sich oder andere nach
Gutdünken zu handeln.
Im Pittsburger „Presbyterianer
Banner“ war einst diesem „Schwitzsystem“ ein Aufsatz gewidmet.
Dasselbe besteht darin, dass eine Mittelsperson sich dem Händler gegenüber
verpflichtet, ihm die Ware zu einem bestimmten Preis zu verschaffen. In
England beruhe fast das ganze Geschäft auf diesem System, sagte das erwähnte
Blatt. In Amerika blüht es vorab in der Bekleidungsindustrie.
„Vor einem Jahrzehnt gab es in
New York nur 10 sogenannte „Schwitzer“werkstätten, heute sind es mehr
als 700, und Chicago zählt sogar 900, die nicht in jüdischen Händen
sind. In Boston und New York bemächtigen sich diese Unternehmer der
mittellosen Einwanderer, um sie zu den anderen in kleine, schlecht gelüftete
Arbeitsräume zu pferchen, wo oft 20-30 Personen „schwitzen“, während
der Raum nur zureichend wäre für acht, wo sie dann nur ihre Mahlzeiten
kochen und einnehmen, und wo sie 19-20 Stunden täglich arbeiten, um nur
nicht Hungers zu sterben. Männer verdienen hier zwei, wenn es hoch kommt,
vier Dollar die Woche, denn die Mittelsperson hat sich zu den billigsten
Preisen verpflichtet, liefert fertige Überzieher für -,76 bis 2,50
Dollar, Hosen für -,25 bis -,75 Dollar Macherlohn und zieht von diesen
Preisen natürlich seine Prozente und andere Kosten ab; was soll da für
den „Schwitzer“ noch bleiben. Für Sommerhosen zum Beispiel erhält er
10 Cent, und deren sechs fertig zu bringen, muss er ungefähr 18 Stunden
arbeiten. Jede Frau, die selbst die Nadel führt, kann sich denken, wie
hart diese Arbeit ist, die so wenig am Tage einbringt!
„Freilich kommt es dann oft
vor, dass diese fertigen Kleider mit Krankheitsstoff getränkt in die
Kaufläden abgehen. So hat ein Besucher solcher „Schwitz“werkstätten
einmal in Chicago eine getroffen, in welcher vier Scharlachfieberkranke an
der Arbeit waren, und in einer anderen lag die Leiche eines an derselben
Krankheit gestorbenen Kindes. Die so verseuchten Kleidungsstücke
verursachen natürlich den Ausbruch schwerer Epidemien.“
„Weh,
dass so teuer ist das Gold!
So
billig Fleisch und Blut!“
Die Zahl der gänzlich Armen
nimmt schnell zu, und die bittere Konkurrenz treibt, wie wir gesehen haben,
die ganze Menschheit abwärts, mit Ausnahme der wenigen, die im glücklichen
Besitz von Maschinen und Grundeigentum sind, und deren Reichtum von Macht
schnell zunimmt, so dass der Milliardär schon zu den Möglichkeiten
gerechnet wird.
Dass solche Verhältnisse von
Dauer sind, ist gar nicht möglich, schon das Gesetz von Ursache und
Wirkung müsste eine Vergeltung herbeiführen. Weit weniger können wir
erwarten, dass die göttliche Gerechtigkeit den Dingen in dieser Weise
ihren Lauf gehen lässt. Durch Christi Opfertod hat Gott die Menschen
erkauft und ihr Wohlergehen zu seiner Sache gemacht, und nun ist die Zeit
der Befreiung von der Herrschaft der Selbstsucht, des Bösen überhaupt,
vor der Tür. - Röm. 8:19-23
Wir können uns nicht versagen,
hier einen Artikel aus einem Blatt des Westens wiederzugeben, der die
gegenwärtige Lage mit allen ihren inneren Widersprüchen kurz aber
treffend schildert. Er erschien zur Zeit des größten Niederganges des
Geschäfts und beschreibt daher Zustände, die nicht ganz die Regel sind,
von denen aber niemand weiß, wie bald und wie oft sie wiederkehren. Wir
lesen:
„Die
Zahl der Arbeitslosen beträgt zur Zeit in den Vereinigten Staaten 2
Millionen, von denen der Unterhalt von weiteren 8 Millionen abhängt.
Vielleicht hat der Leser schon früher so etwas gehört. Nun, so möge er
darüber nachdenken, bis er im vollen Umfang begreift, was das bedeutet.
Es bedeutet, dass unter den besten Regierungsformen in der Welt, mit dem
besten Banksystem, das die Welt je gesehen hat, und des wir uns sonst noch
etwa zu rühmen pflegen, da bei uns ja alles aufs trefflichste
eingerichtet ist, in einem Land, das mehr Bedürfnis- und Luxusartikel
hervorbringt als jedes andere in der Welt, ein Siebentel der Bevölkerung
auf das Betteln angewiesen ist, wenn es nicht Hungers sterben will. Die
Leute leiden Hunger angesichts von Getreideschuppen, deren Vorräte so
billig verkauft werden, dass der Preis nicht einmal die Produktionskosten
deckt. Die Leute stehen vor den Schaufenstern der Warenhäuser, deren
Kleidervorräte auf Käufer warten. Die Leute haben keine Kohlen zum
Feuern, und doch braucht man aus den Minen Hunderte von Millionen Tonnen
Kohle nur hervorzuholen. Die arbeitslosen Schuhmacher wären froh, den
Kohlenarbeitern Schuhe zu machen für einen Teil Kohlen, und letztere wären
froh, den Schuhmachern ein wenig Kohlen zu geben für ein Paar Schuhe. Der
am Rande des Ruins stehende Farmer des Westens, der aus dem Verkaufspreis
seines Weizens die Schnitter- und Dreschlöhne nicht bestreiten kann,
tauschte seinen Weizen gerne aus mit den Arbeitern des Ostens, die ihm das
Tuch zu seiner und seiner Familie Kleidung verfertigen.
„Es ist also nicht Mangel an
den Gaben der Natur, der gegenwärtig über dem Land lastet. Es fehlt bei
den 2 Millionen Arbeitslosen nicht am guten Willen noch an der Fähigkeit,
Nützliches herzustellen. Nein, der Schaden liegt darin, dass die
Produktions- und Tauschmittel in den Händen von wenigen konzentriert sind.
Bei Verhältnissen, wie die des Augenblicks, fangen wir an zu begreifen,
wie ungesund diese Konzentration ist, und wir werden dies mehr und mehr
einsehen, je mehr die Konzentrierung fortschreitet. Die Leute hungern und
frieren, weil sie die Erzeugnisse ihrer Arbeit nicht untereinander
austauschen können. Nachdem wir gesehen haben, wohin das führt, müssen
wir nicht eingestehen, dass die Zivilisation, deren sich das 19.
Jahrhundert rühmt, so viel wie ein Fehlschlag ist? Wenn die
Intelligentesten unter den Menschen nicht imstande sind, ein besseres
System für die Industrie zu finden, so können wir annehmen, dass es im
Weltall keinen größeren Fehlschlag gibt als die Menschheit. Es ist wohl
der Gipfelpunkt der Ungerechtigkeit und Grausamkeit aller Zeiten, dass
eine Industriearmee beisammengehalten wird, mit der unsere Geldkönige
ihre Schlachten schlagen, ohne auf deren Versorgung zu den Zeiten, da man
ihrer nicht bedarf, bedacht zu sein.“
In seiner Nummer vom 21. August
1896 zählte der „Harrisburger Patriot“ folgende Arbeitslosen auf:
„Chicago
200.000; New York 100.000; St. Louis 80.000; Detroit 25.000; Milwaukee
20.000; Utica (eine kleine Stadt) 16.000; Philadelphia und San Francisco
je 15.000; in Boston und Baltimore je 10.000; in Paterson, N. J. - die Hälfte
der Arbeiter unbeschäftigt.“
Folgender Auszug aus der „Kommenden
Nation“ zeigt, wie richtig einige Weitsehende unsere gegenwärtige Lage
beurteilen:
„Das
werden Sie zugeben, dass neue Maschinen bald menschliche Arbeitskräfte überflüssig
machen. Die Behauptung, dass die Herstellung und Bedienung der Maschinen
die überflüssig gewordenen Arbeitskräfte beschäftigt, ist unzutreffend,
sonst wäre ja die Maschinenarbeit nicht gewinnbringend. Hunderte und
Tausende stehen müßig auf dem Markte, weil Maschinen die Arbeit
verrichten, die ihnen früher Verdienst und Brot gab. Diese Arbeitslosen
kaufen zudem viel weniger, als wenn sie Verdienst hätten, vermindern
dadurch die Nachfrage, so dass Überproduktion entsteht, welche bald
weitere Arbeitslose schafft, was eine weitere Verminderung der Nachfrage
herbeiführt.
„Was soll man mit diesen
Arbeitslosen anfangen? Dass die Waren im allgemeinen billig sind, nützt
ihnen nichts, denn das gibt ihnen nicht Beschäftigung, und wie ihnen
solche verschaffen, wenn alles längst mit Arbeitskräften überfüllt ist?
Töten kann man sie doch wohl nicht, und fortschaffen kann man sie auch
nicht; denn sie kämen damit nicht aus der Verlegenheit. Also was soll man
mit ihnen anfangen? Soll man ihnen Land geben zum Bebauen, in einem
Augenblick, wo selbst der erfahrene Farmer nicht mehr bestehen kann?
„Diese Arbeitslosen sind so
zahlreich wie die Blätter im Wald. Sie zählen nach Millionen. Für die
wenigsten unter ihnen besteht Aussicht auf Beschäftigung, und auch dann
nur, indem andere aus der Arbeit entlassen werden. Der Leser denkt
vielleicht, das brauche ihn nicht zu kümmern; aber da irrt er sich. Die
Schwierigkeit wird nicht dadurch beseitigt, dass man nicht davon reden hören
will. Das Volk Frankreichs hat auch einmal so gedacht, aber es bekam den
Irrtum zu fühlen. Die gegenwärtige Generation möchte diese Lehre der
Geschichte sich gern aus dem Sinn schlagen. Gleichwohl muss sie in den
Vereinigten Staaten die Frage lösen, und sie wird sie lösen in dieser
oder jener Weise, auf schiedlich-friedlichem Wege, oder aber unter
Vernichtung der Rechte aller, anstatt nur, wie gegenwärtig, derjenigen
eines Teils der Menschen.
„Die Franzosen seinerzeit
waren gewarnt, aber die Festlichkeiten, mit denen der Hof sie zerstreute,
ließen sie die Warnungen überhören. Werden wir hören, oder wollen wir
so lange warten, bis 5 oder 6 Millionen nach Brot oder Bajonetten schreien?
Die Wirren, wenn sie kommen, werden in den Vereinigten Staaten hundertmal
gefährlicher werden. Die Massen sind freiheitsliebend und hassen alle
Bedrücker. Da ist weder Flotte noch Heer, die auf Väter und Brüder
feuern würden. Glaubt der Leser in Voraussicht solcher Kämpfe immer noch,
es gehe ihn nichts an? Wäre es nicht in jeder Hinsicht besser, Mittel und
Wege zu suchen und zu finden, um die Arbeitslosen zu beschäftigen, und wäre
es auch in Staatswerkstätten?
„Wir wissen freilich, was die
Kapitalisten tun. Wir sehen, wie sie sich auf einen Kampf mit den Waffen
vorbereiten. Aber sie täuschen sich schwer. Sie meinen, es wie Kön.
machen zu können und werden wie Spreu sein vor dem Wind. Kön., die
wohleingeübte, an Gehorsam gewöhnte größere Armeen haben, als die
Kapitalisten in Amerika sie je aufbringen werden, zittern vor den Massen,
die auch ihren Anteil an den Segnungen der Zivilisation verlangen. Räubern
ihre Vorrechte nehmen ist keine Ungerechtigkeit. Darum lasst uns auf
gesetzliche Abhilfsmittel bedacht sein, die Interessen der Gesamtheit höher
stellen als die einer Partei, die Gerechtigkeit dem Golde vorziehen!“
Die Not ist allgemein und menschliche
Hilfe unzureichend
Man würde sich täuschen, wenn
man glaubt, dass Amerika und Europa allein unter solchen Missständen
leiden; seit Jahrhunderten haben auch die Millionen Asiens nichts Anderes
kennen gelernt. Eine amerikanische Missionarin wurde in Indien von den
Eingeborenen gefragt, ob es denn wahr sei, dass in ihrer Heimat jeder
soviel Brot habe, wie er für drei Mahlzeiten täglich gebraucht. Dieselbe
Frau berichtet, dass in Indien die Mehrheit sehr selten soviel
Nahrungsmittel hat, dass sie ihre leiblichen Bedürfnisse befriedigen
könnte.
Ein Gouverneur von Bengalien
soll vor kurzem gesagt haben: „Die Hälfte unserer Ackerbau treibenden
Bevölkerung weiß von einem Jahresende bis zum anderen nicht, womit sie
ihren Hunger stillen soll.“ Diejenigen, welche das Korn hervorbringen, können
ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen, zuerst müssen die Steuern
bezahlt werden. Von der Bevölkerung Indiens waren zehn Millionen
Handweber. Die Maschinen-Industrie der Küstengebiete hat ihnen dieses
Gewerbe nun unmöglich gemacht, und sie sind auf die Landwirtschaft
angewiesen, die ihnen kaum das Nötigste verschafft.
In Südafrika sind zwar
Millionen in Goldaktien angelegt worden, aber die Arbeitsverhältnisse
daselbst sind überaus traurig. In Durban ist freilich ein Komitee für
Verdienstbeschaffung sehr tätig und sich seiner Pflicht den Unglücklichen
gegenüber voll bewusst. Aber ist es nicht betrübend zu sehen, dass
studierte Leute und tüchtige Handwerker froh sind, von diesem Komitee zu
3 Schilling Tagelohn den Auftrag zu erhalten, in glühendstem Sonnenbrand
Sand zu schaufeln? Dabei laufen aber immer noch viele ganz verdienstlos
herum, und Durban ist nicht die einzige Stadt, die solche Verhältnisse
aufweist.
Werden nun nicht angesichts
solchen Elends die Vernünftigen etwas tun, um die Erdrückung ihrer
weniger begünstigten Mitmenschen zwischen den beiden Mühlsteinen zu verhüten?
Werden nicht edle Herzen Abhilfe schaffen? Nein, die Mehrzahl der Begünstigten
ist viel zu sehr mit dem eigenen Profit beschäftigt, um die Gefahr der
Lage ganz zu erfassen. Sie hören wohl die Klagen der Unglücklichen und
üben oft Wohltätigkeit in freigebiger Weise; aber da die Zahl der Unglücklichen
schnell zunimmt, merken viele Begünstigte, dass sie dem Übel im
allgemeinen doch nicht abhelfen können. Sie gewöhnen sich an das Übel,
freuen sich ihrer Vorteile und suchen das Unglück der anderen zu
vergessen.
Freilich sehen einige wenige der
Begünstigten etwas klarer, und darunter sind Fabrikanten,
Bergwerksbesitzer usw. Sie sehen die Schwierigkeit und möchten ihr
abhelfen, aber können sie es? Nein! Sie können nur die schlimmsten Auswüchse
im eigenen Umkreis verhüten; das gegenwärtige soziale System aber können
sie nicht ändern, die Konkurrenz nicht aus der Welt schaffen. Dabei sehen
wir ein, dass die Konkurrenz notwendig ist, um wenigstens die von Natur
Gleichgültigen zur Arbeit zu treiben, und dass sie also nicht ohne
weiteres, ohne irgendeinen Ersatz, verschwinden könnte, ohne dass dadurch
der ganzen Welt Schaden zugefügt würde.
So ist es denn klar, dass kein
Mensch, keine Gesellschaft von Menschen, die gegenwärtige Ordnung der
Dinge abändern kann. Der Herr hat dies seiner Macht und seiner Weisheit
vorbehalten, das bezeugt die Schrift. Sie wird verändert und ersetzt
werden durch ein vollkommenes System, dessen Grundlage nicht mehr die
Selbstsucht, sondern Liebe und Gerechtigkeit sein wird. Aber damit für
diese Ordnung Raum ist, muss die gegenwärtige vollständig gestürzt und
vernichtet werden. Der neue Wein wird nicht in alte Schläuche gefasst,
auf ein altes Kleid wird kein neuer Lappen geflickt. So können wir denn,
voll Mitleid für Reich und Arm in den kommenden Wehen, beten: „Dein
Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel“, selbst wenn
dem glorreichen Friedensreich das Feuer des Zornes Gottes vorausgeht, für
welches die Elemente, wie wir nun gesehen haben, jetzt vorbereitet sind.