SCHRIFTSTUDIEN
BAND
5 - DIE
VERSÖHNUNG DES MENSCHEN MIT GOTT
Studie
1
Die
Tatsache und die Lehre
von der Versöhnung.
Die
Lehre von der Versöhnung: Die Grundlage der Bibelmäßigen christlichen
Lehre. —
Drei verschiedene Ansichten über den Gegenstand: die “Orthodoxie”,
die der “Andersgläubigen” und die biblische Ansicht, welche die
beiden anderen vereinigt und in Einklang bringt. —
Die Fortentwicklungs-oder Evolutionslehre läuft über diesen Gegenstand der Wahrheit
zuwider. —
Der göttlichen Gerechtigkeit Genüge geleistet. —
Die Versöhnung der
Kirche im Fortschritt begriffen. —
Die Versöhnung der Welt zukünftig. —
Die großartigen Endergebnisse, wenn des Mittlers Thron und Reich dem
Vater wieder überantwortet wird.
Die
Lehre von der Versöhnung ist die Grundlage der ganzen christlichen
Religion; es ist deshalb nötig, dass man über diesen Gegenstand ein
klares Verständnis besitzt; und das wird von Christen auch allgemein
zugeben. Nun glaubt man wohl ziemlich überall an das Versöhnungswerk,
aber trotzdem wird dasselbe doch wenig verstanden, und die darüber
herrschenden Begriffe sind sowohl schwankend als auch unbestimmt und ohne
inneren Zusammenhang; und so kann denn ein auf solch schwankende und
unbestimmte Grundlage auferbauter Glaube auch nicht anders als ebenso
schwankend, schwach und unbestimmt sein. Wenn hingegen über diese
Grundlehre Klarheit gewonnen wird und deren Wichtigkeit und Schönheit an
Hand des Wortes Gottes erkannt wird, wenn sie als Grundlage des Erlösungsplanes
angenommen wird, so wird nicht nur unser Glaube fest, weil auf
wahrheitsgemäßer Grundlage ruhend, sondern wir erlangen auch die Fähigkeit,
in allen Einzelheiten des Glaubens Wahrheit und Irrtum von einander zu
unterscheiden. Wenn erst die Grundlage richtig gelegt, richtig erkannt ist,
und wenn jeder Artikel des Glaubens den Grundlinien entsprechend darauf
gebaut wird, so kann schließlich der ganze Aufbau des Glaubens nicht
anders als vollkommen sein. Wir werden später des näheren ausführen,
wie an diesem Prüfstein jede Lehre auf ihren Gehalt an Gold oder Unrat
geprüft werden kann.
Die
zwei verbreitetsten Ansichten über das Versöhnungswerk sind:
1.
Die der “Orthodoxen” oder “Rechtgläubigen”. Derselben gemäß
fiel der Mensch als Übertreter des Gebotes Gottes in die göttliche
Strafe, er kam unter den Fluch. Gott aber, obwohl seiner eigenen
Gerechtigkeit wegen verhindert, den Sünder ohne weiteres von Schuld und
Strafe freizusprechen, hat in Christo für eine gerechte Sühne, für
einen Freikauf der Menschheit gesorgt. Dieses ganze Werk, das die göttliche
Gerechtigkeit befriedigt und den Sünder seinem Schöpfer wieder annehmbar
macht, wird das Versöhnungswerk genannt.
2.
Die Anschauung der “Andersgläubigen” (früher bloß von den
Unitariern, Universalisten und Quäkern verfochten, jetzt aber von der
Mehrzahl der Namenkirchen angenommen) nähert sich dem Gegenstand von der
entgegengesetzten Seite; ihrer Lehre gemäß wäre ein Opfer für die Übertretungen
des Sünders als Genugtuung für die göttliche Gerechtigkeit eigentlich
nicht nötig; der Zorn Gottes wird übersehen, und die davon herrührende
Strafe, der Tod, wird nicht mehr als ein Fluch erkannt. Man lehrt, Gott
suche und erwarte die Annäherung des Menschen, Hindernis liege derselben
keines im Weg, indem ja eine Sühne für die Sünde nicht nötig sei; nur
das sei erforderlich: dass der Mensch von der Sünde lasse und nach der
Gerechtigkeit strebe, um auf diese Weise mit Gott in Einklang zu kommen -
mit Gott versöhnt zu werden. Aus dem Grund wird die Lehre allgemein
“die Versöhnung” genannt; man versteht darunter einfach “Übereinstimmung
mit der Gerechtigkeit”, ungeachtet der Art und Weise, wodurch die
Menschheit auf diesen Standpunkt gebracht werden mag.
Der
Sünder könnte demnach die Versöhnung für seine Fehltritte durch Buße
selbst erreichen, Jehova würde seinerseits bedingungslos vergeben. So
betrachtet, hätte unser Herr Jesus und alle seine Nachfolger nicht durch
das Sündopfer, durch das Lösegeld, teil an der Versöhnung, sondern
einfach in dem Sinne, dass sie die Menschheit gelehrt und ermahnt haben,
sich von der Sünde ab- und der Gerechtigkeit zuzukehren.
3.
Die Ansicht nun, welche wir als die biblische annehmen (die jedoch von den
Theologen allgemein übersehen wird), umfasst und vereinigt beide
vorgenannten Anschauungen. Wie wir zu zeigen uns bemühen werden, bezeugt
die biblische Lehre von der Versöhnung klar und deutlich:
a)
Der Mensch wurde vollkommen, als das Ebenbild Gottes erschaffen, er fiel
aber durch freien Ungehorsam und kam dadurch unter den Fluch, unter das
Urteil des heiligen Zornes Gottes, und so sind die Glieder des ganzen
Geschlechtes “Kinder des Zornes” geworden. - Eph. 2:3
b)
Gott vollstreckte seiner Gerechtigkeit gemäß das gefällte Urteil, die
Todesstrafe, an allen seinen ungehorsamen Geschöpfen ohne Ausnahme mehr
als 4000 Jahre lang. Aber Jehova ist eben nicht nur die Gerechtigkeit
selber, sondern er hat auch Erbarmen, er ist die Liebe, und diese
Eigenschaft hat ihn bewogen, einen Erlösungsplan zu entwerfen, wodurch es
ihm möglich war, sein gerechtes Urteil an allen zu vollstrecken und
dennoch alle die zu “rechtfertigen”, die des “Glaubens an Jesum”
sind (Röm. 3:26). Durch diesen Plan können nun alle Verurteilten der
Strafe entgehen, ohne dass die göttliche Gerechtigkeit verletzt wird; und
dabei entfaltet sich die göttliche Liebe, Weisheit und Macht in so
herrlicher Weise, wie wir es nur vom Allmächtigen erwarten dürfen; in
diesen herrlichen Liebesplan, in die gar mannigfaltige Weisheit Gottes
hinein zuschauen, gereicht allen vernunftbegabten Geschöpfen, Menschen
und Engeln, zum Segen. - Eph. 3:8-10
c)
Um diesen Plan der Versöhnung mit dem durch Adam verletzten, göttlichen
Gebot auszuführen, starb unser Erlöser als ein Lösegeld für alle,
wovon das Zeugnis zu seinen Zeiten verkündigt werden soll. - 1. Tim. 2:6
d)
Aber mit dem Opfer für die Sünden ist das Versöhnungswerk noch nicht
vollendet, es wird damit bloß die Forderung der Gerechtigkeit befriedigt.
Das an die Gerechtigkeit bezahlte Lösegeld bewirkte gleichsam eine “Übertragung”,
wodurch die Angelegenheit des Menschen, seine ganze Verschuldung, förmlich
und gänzlich auf Rechnung des Herrn Jesum übertragen wurde, der
seinerseits an die Gerechtigkeit alles bezahlte, was sie von Adam und
seinem Geschlecht zu fordern hatte. So ist nun Christus, indem er sein
eigenes kostbares Blut als Kaufpreis hingegeben, der Eigentümer, Meister
und “Herr aller” geworden. - Röm. 14:9
e)
Einen Hauptpunkt in diesem Plane bildet die Aufhebung der über Adam und
sein Geschlecht verhängten Todesstrafe, weil, so lange sie in Kraft
bleibt, die Liebe nichts für die Verurteilten tun kann, und der Mensch ja
alle seine Rechte auf ein ewiges Leben verwirkt, verloren hat.
f)
Ein anderer Hauptpunkt ist der, dass die gefallene Menschheit aus dem
Bereich der göttlichen Gerechtigkeit (oder Gerichtsbarkeit) weggerückt
und unter die besondere Obhut Jesu gestellt wurde, der sich als Vertreter
von des Vaters Plan nicht nur vorgenommen hat, die Forderungen der
Gerechtigkeit zu befriedigen, sondern auch aus dem gefallenen Geschlecht
so viele zu belehren, zu bessern und endlich vollkommen zu machen, als mit
der Gerechtigkeit in Übereinstimmung zu kommen wünschen; diese wird er
schließlich dem Gesetz Gottes wieder unterstellt, aber erst, nachdem er
sie fähig gemacht hat, den Anforderungen desselben zu entsprechen.
g)
Obwohl ursprünglich nichts zwischen Gott und den Menschen stand als die
Strafe, so ist es doch jetzt nach 6000 Jahren des Fallens, der
Erniedrigung und Entfremdung von Gott durch böse Werke - und infolge
finsteren Aberglaubens, Unwissenheit und der Ränke des Teufels - und auch
durch irrige Darstellung des göttlichen Charakters und Planes, mit den
Menschen soweit gekommen, dass sie die Botschaft von der Gnade und
Vergebung fast gar nicht beachten. Trotzdem Gott offen erklärt, dass,
seit er das Lösegeld angenommen, er bereit sei, die Sünder mit ihm
selbst wieder in Einklang zu bringen und ihnen ewiges Leben zu geben, um
des Verdienstes Christi willen, so glaubt doch die große Mehrzahl der
Menschen nicht, oder nur zögernd, an die gute Botschaft und greift
deshalb nicht freudig nach den nötigen Vorbedingungen. Einige sind von
Satan, dem Verführer aller Nationen (Offb. 20:3) so geblendet worden,
dass sie gar nicht mehr an einen Gott glauben; andere halten Gott für
einen großmächtigen Gegner, ohne Liebe und Erbarmen, der bereit und
willens sei, sie in alle Ewigkeit zu quälen. Noch andere sind durch die
einander widersprechenden Lehren der Namenkirchen so verwirrt worden, dass
sie nicht wissen, was sie glauben sollen; und obwohl sie sich Gott nähern
möchten, so wagen sie es aus Furcht nicht, oder wissen nicht, wie sie es
anstellen sollen. So ist denn natürlicherweise die Zahl derer, welche
durch Christum zu Gott kommen, verhältnismäßig eine geringe - “eine
kleine Herde” - geblieben.
h)
Das Opfer für die Sünde ist aber dennoch nicht bloß für diese wenigen
bestimmt, sondern für die vielen, für alle. Es ist somit ein weiterer
Akt des göttlichen Programms, dass er, der sie alle mit seinem eigenem,
teuren Blute vom Tode zurückgekauft, schließlich allen Menschen,
“aller Kreatur”, die frohe Botschaft von ihrem Vorrecht, unter göttlicher
Gnade wieder zum Einssein mit ihrem Schöpfer zurückkehren zu dürfen,
verkündigen lassen wird.
i)
Bis jetzt hat nur die Kirche, die Herauswahl, von der Versöhnung Nutzen
genossen, aber die Schrift lehrt, dass die Herauswahl zusammen mit Christo,
dem königlichen Hohenpriester, ein priesterliches Königreich bilden wird;
in dieser Eigenschaft wird sie während dem 1000-jährigen Reiche die
Menschheit völlig von der Blindheit erlösen, in welche dieselbe unter
Satan durch Irrtum und Erniedrigung geraten ist, und wird aus allen
Geschlechtern der Erde jeden, der es wünscht, zu völligem Einssein mit
Gott zurückführen.
j)
Darum sagt denn auch der Apostel, dass wir, die Gläubigen (die Herauswahl)
die Versöhnung (das Einssein) mit Gott bereits empfangen haben. Das Versöhnungswerk
ist, was Gott anbetrifft, schon vor fast 1900 Jahren vollzogen worden, und
zwar für alle. Aber nur wenige, die Gläubigen, haben die Versöhnungsakte
(gleichsam ihr Vertragsdoppel) empfangen, indem sie die durch Gottes Gnade
dargebotene Gelegenheit benutzten und an die Versöhnung glaubten. Der
Rest der Menschheit ist verblendet geblieben. “Wenn aber unser
Evangelium verdeckt ist, so ist es denen verdeckt, die verloren gehen, in
welchen der Gott dieser Welt den Sinn der Ungläubigen verblendet hat,
damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der
Herrlichkeit des Christus, welcher das Bild Gottes ist.” - 2. Kor. 4:3,
4
k)
Darum muss denn auch Christus, sobald er sein 1000-jähriges Reich antritt,
damit beginnen, Satan zu fesseln, damit er während dieser Zeit die
Nationen nicht mehr täusche (Offb. 20:3). Da wird das prophetische Wort
sich erfüllen, dass, wenn Gottes Reich auf Erden aufgerichtet sein wird,
die Erde so voll sein wird von der Erkenntnis des Herrn, wie Wasser den
Meeresgrund bedeckt, und dass keiner zu seinem Nachbar sagen wird:
“Erkenne den Herrn!” (Jes. 11:9) Dann wird auch das Gebet erhört sein:
“Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel!” Und
was ist Gottes Wille? Das nämlich, wie der Apostel sagt, “dass allen
Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.” -
1. Tim. 2:4
l)
Die
Versöhnung in ihren beiden Teilen - die Befriedigung der Gerechtigkeit
einerseits, und das Zurückbringen zum Einssein mit Gott aller derer, die
sich unter vollem Lichte und Erkenntnis der Vorteile und Gelegenheiten des
neuen Bundes bedienen werden, anderseits - wird mithin erst am Schluss des
1000-jährigen Königreiches vollendet sein, wo denn auch alle, die mit
Wissen und Willen die angebotene Gnade verworfen haben, aus dem Volke
ausgerottet werden, mit ewiger Vernichtung vom Angesicht des Herrn und der
Herrlichkeit seiner Macht, mit einer Vernichtung, aus der es keine
Auferstehung mehr gibt. - Apg. 3:23; 2. Thess. 1:9
m) Dann
wird alles im Himmel und Erden mit Jehova in Übereinstimmung, mit ihm
eins sein, ihn loben für all seine Güte und Gnade durch Christum; da
wird kein Tod und keine Not mehr sein, und kein Leid, weil die früheren
Dinge alle vergangen sein werden. Das wird das herrliche Schlussergebnis
des großen Versöhnungswerkes sein, das im Sühnetod unseres Erlösers
seinen Anfang nahm, aber erst in der vollsten Versöhnung mit Gott aller
des ewigen Lebens Würdig befundenen sein Ende finden wird.
Wie
man auch das Wort “Versöhnung” auffassen mag, das muss zugestanden
werden, dass die Anwendung desselben stets, sei es im allgemeinen, oder
speziell in Bezug auf Gott und den Menschen,, einen Zwiespalt oder
Konflikt, eine Trennung zwischen zwei Dingen oder Personen voraussetzt.
Wenn wir also von einer Versöhnung zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf
sprechen, so setzen wir damit voraus, dass etwas Trennendes zwischen die
beiden hineingekommen ist; sonst wären sie ja mit einander eins und bedürften
einer Versöhnung nicht. Und gerade in diesem Punkte erkennen wir den
scharfen Gegensatz, in welchem die Evolutionslehre zur Bibel steht,
besonders deutlich.
Diese
Evolutionstheorie zählt unter allen Schattierungen der Namenchristenheit,
besonders aber unter den Theologen, seit 30 Jahren immer mehr Anhänger.
Sie leugnet, dass der Mensch einmal gefallen, sie leugnet, dass er je
Gottes Ebenbild gewesen; sie leugnet, dass er je fähig war, genau
entsprechend den Anforderungen der göttlichen Gerechtigkeit zu leben, und
leugnet daher auch, dass er anlässlich seiner bezüglichen Prüfung je
gesündigt habe, und dass er sich so sein Todesurteil zugezogen; der
Mensch habe sich keines Verstoßes gegen besseres Können schuldig gemacht.
Die Evolutionstheorie behauptet anderseits, der Tod sei keine Strafe,
sondern vielmehr ein weiterer Schritt in der Entwicklung (Evolution);
sie behauptet, der Mensch sei nicht vom Ebenbild Gottes in Sündhaftigkeit
und Erniedrigung herabgesunken, sondern habe sich vielmehr aus einem affenähnlichen
Zustand mehr und mehr zu einem Ebenbild Gottes empor entwickelt. Die
logische Folge dieser Lehre ist die, dass das Walten einer göttlichen
Gerechtigkeit bei der Bestrafung des Menschen geleugnet werden muss (denn
eine Strafe könnte für einen besser-, Gott ähnlicher werdenden Menschen
nicht verhängt werden), und dass die Lehre vom Sühnopfer, das die
Gerechtigkeit befriedigte, verworfen wird, da ja die Sünde, für welche
eine Aussöhnung nötig war, gar nicht begangen wurde. Darum lehrt denn
auch die Evolutionstheorie, dass Christus kein Versöhnungsopfer für die
Sünde gegeben habe, sondern dass sein Tod vielmehr demjenigen des
Soldaten gleich zu achten sei, der sein Leben lässt, damit sein Vaterland
davon einen Nutzen habe. So hätte denn auch Christus sein Leben bloß
gelassen, um dem Menschengeschlecht zu noch größeren Freiheiten und Vorzügen
zu verhelfen.
Aber
wir finden, dass das Wort Gottes dieser Lehre in allen ihren Teilen so
entschieden widerspricht, dass eine Aussöhnung der Lehre der Bibel mit
derjenigen von der Evolution, “der fälschlich sogenannten Wissenschaft (Anm.:
Nicht “falsch berühmter Kunst”, wie Luther 1. Tim. 6:20 übersetzt.) ein
Ding der Unmöglichkeit ist. Wer an die Evolutionstheorie glaubt, muss in
allen diesbezüglichen Punkten die Aussagen der Bibel verwerfen; und
dennoch bemühen sich viele Namenchristen, diese Gegensätze zu versöhnen,
aber durchaus vergeblich, denn so weit sie zur Evolutionslehre halten, so
weit verlassen sie die alleinige von Gott gegebene feste Grundlage für
den christlichen Glauben, und um so leichter sind sie auch zugänglich für
weitere Irrtümer, in welche sie der Widersacher sicherlich wird zu
verstricken suchen, Irrtümer, die vom Standpunkte menschlicher Weisheit
aus der Wahrheit so ähnlich sehen, dass, wenn es möglich wäre, selbst
die Auserwählten verführt würden. Diese aber können sich der Irrtümer
erwehren, durch festhalten an dem, den Heiligen einmal überlieferten
Glauben, an der Lehre von der Versöhnung, wie die Schrift sie bietet.
Dieses Festhalten wird die Auserwählten davor bewahren, sich von dem
einen oder anderen Punkt der Evolutionstheorie blenden zu lassen, denn die
Auserwählten werden von Gott gelehrt sein, insbesondere hinsichtlich der
Lehre von der Versöhnung, welche die allein sichere Grundlage für die
geoffenbarte Religion, den christlichen Glauben bildet.
Die
Schrift lehrt durchaus unzweideutig, dass Gott den Menschen als sein
intellektuelles und sittliches Ebenbild erschuf; der Mensch, als ein
irdisches Wesen, war also nach seiner Erschaffung das sittliche und
intellektuelle Ebenbild seines Schöpfers, eines geistigen Wesens. Die
Schrift bezeugt auch die anfängliche Gemeinschaft des Menschen mit seinem
Schöpfer; sie erklärt, dass sein Schöpfer ihn als ein gelungenes,
wohlgefälliges Werk seiner Hände anerkannte, ihn “sehr gut” hieß.
Die Bibel zeigt uns, dass der noch vollkommene Adam vor die Wahl zwischen
Leben und Tod gestellt wurde, und dass, als er ungehorsam (ein Übertreter)
ward, dies ein wissentlicher und willentlicher Fehltritt war, denn “Adam
ward nicht verführt”. Sie zeigt uns wann und wie die Vollstreckung des
Todesurteils ihren Anfang nahm, wie die Todesstrafe im Laufe der
Jahrhunderte das ganze Geschlecht ereilte, und wie Gott dem Glaubenshelden
Abraham seinen Vorsatz offenbarte, dass er nämlich, wenn auch nicht
sofort, so doch später einmal, das Geschlecht wieder segnen wolle, das er
verflucht, zum Tod verurteilt habe. -1. Mose 1:31; 2:17; 3:23; 1. Tim. 2:14; 1. Mose 12:3; 18:18; 3:17
Wenn
nun der Fluch, der Sold der Sünde, der Tod war, so bedeutet der Segen:
Leben, Wiederaufleben vom Tod zu reichlicherem, völligem Leben. Und die
dem Abraham zuteil gewordene Verheißung ging dahin, dass der Erlöser,
welcher das Segenswerk hinausführen sollte, der die Welt mit neuem Leben
segnen werde, auf eine dem Abraham nicht näher erklärte Weise, aus
seinem Samen, aus seiner Nachkommenschaft hervorgehen werde. Die gleiche
Verheißung wurde mehr oder weniger deutlich dem Isaak, dem Jakob und den
Kindern Israel wiederholt. Die Propheten des alten Bundes erklärten, der
Messias werde ein geschlachtetes Lamm, ein Sühnopfer sein; er werde seine
Seele (sein Leben) “ausgießen”, dem Tode überliefern für unsere Sünden,
nicht für seine eigenen. Sie malten in lebensvollen Bildern das herrliche
Ergebnis dieses Sühnopfers aus und sprachen mit Begeisterung vom
kommenden Segen, von der zukünftigen Herrlichkeit und vom Sieg, den
schließlich Sein, des Erlösers Reich über alle anderen Reiche davon
tragen werde. (Siehe z.B. Daniel Kap. 2). Sie berichten, wie er, als die
Sonne der Gerechtigkeit, für die Welt einen neuen Tag des Segens, des
Lebens und der Freude heraufführen werde, der das Dunkel und die Kümmernisse
der Nacht des Weinens verseuchen werde, die jetzt als Folge des ersten
Ungehorsams und der daraus entstandenen bösen Neigungen auf der
Menschheit lasten. - Jes. 53:10, 11, 12; Kap. 35:60, 61
Der
Apostel Petrus lehrt uns in seiner vom heiligen Geist ihm eingegebenen
Rede auch nicht, dass der Mensch als affenähnliches Wesen erschaffen
worden sei, sich aus diesem niedrigen Zustande zu seiner gegenwärtigen
Stufe empor entwickelt habe, sondern im Gegenteil, dass Christus für
unsere Sünden gestorben sei, und dass als Frucht der durch seine
Selbstaufopferung erwirkten Erlösung schließlich (bei der zweiten
Gegenwart unseres Herrn) herrliche Zeiten der Erquickung für die
Menschheit kommen werden, von denen “Gott geredet hat durch den Mund
seiner heiligen Propheten seit Anbeginn der Welt.” (Apg. 3:19-21) Wer
nun irgend glauben will, Petrus habe die Evolutionslehre verkündigt, als
er die frohe Botschaft von der Wiederherstellung predigte, der muss seine
Augen zumachen und dem Wirken seiner Vernunft halt gebieten; denn wenn der
ursprüngliche Zustand des Menschen ein affenähnlicher oder sonst wie dem
jetzigen untergeordnet war, so müsste der Apostel der größte Tor
gewesen sein, um als Gegenstand der Hoffnung und Freude, Zeiten der
Wiederherstellung anzukündigen; denn Wiederherstellung kann nur
Neuschaffung des früher Bestandenen bedeuten. Nein, die Worte des
Apostels vertragen sich durchaus nicht mit der Fortentwicklungslehre; sie
stehen in genauester Übereinstimmung mit der biblischen Lehre vom Lösegeld,
von der Versöhnung und Wiederherstellung - im schönsten Einklang mit der
Schriftlehre, dass die Menschheit unter die Sünde verkauft und so der Sünde
Sklavin wurde und als Folge von Adams Ungehorsam die Erniedrigung und den
Tod zu schmecken bekam. Wiederherstellung, die frohe Botschaft, welche
Petrus verkündigte, setzt voraus dass einmal etwas Großes, Gutes, etwas
Wertvolles verloren ging, dass dasselbe aber durch Christi teures Blut zurückgekauft
worden ist, um schließlich bei der zweiten Gegenwart Christi
wiederhergestellt zu werden, eben weil er das Lösegeld bezahlt hat. Und
wenn der Apostel sich auf die Propheten bezieht, erklärend, dass diese
Zeiten der Wiederherstellung von allen Heiligen vorausgesagt wurden, so
sehen wir daraus deutlich, dass diese Wiederherstellung die einzige
Hoffnung war, die auf Veranlassung göttlicher Eingebung von alters her
der Menschheit verkündigt wurde.
Alle
Apostel deuten gleicherweise zurück auf des Menschen Fall aus der Gunst
und Gnade Gottes, sie weisen hin auf das Kreuz Christi, wo die göttliche
Gerechtigkeit befriedigt wurde, und zeigen vorwärts auf das 1000-jährige
Segensreich, als die Zeit, in welcher allen Menschen Gelegenheit gegeben
wird, ihren Gott kennen zu lernen, und wo ihnen geholfen werden soll, ihre
Versöhnung mit dem Schöpfer zu erlangen. Sie bezeichnen alle das gegenwärtige
Zeitalter als die Zeit der Herauswahl der Heiligen, welche als “königliche
Priesterschaft”, als “besonderes Volk”, als “Braut” und
“Leib” des Messias mithelfen sollen, die durch das Opfer auf Golgatha
verbürgten Segnungen auf die Welt zu bringen.
Beachte
die diesbezüglichen Worte des Apostel Paulus: “Durch eines Menschen
Ungehorsam ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der
Tod, und also ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen (infolge von
Vererbung der Sünde und der sündigen Neigungen), weil sie alle gesündigt
haben”. (Röm. 5:12) Der Apostel Paulus war mithin ebenso wenig ein Anhänger
der Evolutionstheorie, wie Petrus und die Propheten. Achte auf die
Hoffnung, die er als Hauptinhalt des Evangeliums verkündigt, indem er
sagt: “Gott aber erweist seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, da
wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist. Vielmehr nun, da wir jetzt
durch sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir durch ihn gerettet werden
vom Zorn.” (Röm. 5:8, 9). Da haben wir ausdrücklich die Erklärung,
dass das Menschengeschlecht unter dem göttlichen Zorn stand (dahinlebte),
dass die erlösende Kraft das Blut Christi war, das Opfer, welches er für
uns darbrachte, und dass dieses Opfer ein Ausdruck der göttlichen Liebe
und Gnade war. Dann fährt der Apostel weiter, uns das Werk der Versöhnung
und der Wiederherstellung, die sie im Gefolge haben wird, vorzuführen,
indem er schreibt: “Wie es durch eine Übertretung (Adams Ungehorsam)
gegen alle Menschen zur Verdammnis (zur Todesstrafe) gereichte, so auch
durch eine Gerechtigkeit gegen alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens
(zum Gegenteil der Strafe); denn gleichwie durch des einen Menschen
Ungehorsam (Adams), die vielen zu Sündern geworden sind (alle in Adam),
so werden auch durch den Gehorsam des einen (Menschen, Jesus) die vielen
gerecht werden (alle, die sich die Vorteile und Gelegenheiten des Neuen
Bundes zu nutze machen werden).” - Röm. 5:18, 19
Paulus
verspricht weiter in manch andern seiner meisterhaften, logischen Ausführungen
den Gedanken, dass die Versöhnung, was Gott anbelangt, der Vergangenheit
angehört, dass sie vollendet war, als wir mit Gott versöhnt wurden durch
den Tod seines Sohnes, während wir noch Sünder waren (Röm. 5:10). Mit
diesen Worten kann er sich nicht auf ein Werk beziehen, das in dem Sünder
vor sich ging, diesen durch Veränderung seines Wesens mit Gott versöhnend,
er sagt vielmehr umgekehrt, dass die Versöhnung nicht in uns vollzogen
werde, sondern für uns, durch Christum, als wir noch Sünder waren.
Gleicherweise deutet Paulus auf ein Werk der Segnung hin, welches der Welt
zu gute kommen, aber nicht von dieser selbst, sondern von Christo Jesu und
seiner “Braut”, der Herauswahl, verrichtet werden soll, darin
bestehend, dass der Welt die Gnade Gottes in Christo begreiflich gemacht
wird, auf dass alle, die da wollen, zum Einssein mit ihrem Schöpfer zurückkehren
können. Diese Erleuchtung und Belehrung der Welt, diese Wiederherstellung
der durch Adams Fall in Eden verloren gegangenen Gunst und Gnade Gottes,
wird das Werk des 1000-jährigen Reiches sein.
Dass
dem so ist, ersehen wir aus Röm. 8:17-24. Hier schildert der Apostel die
Erlösung der Kirche ausdrücklich als getrennt von der Erlösung oder
Befreiung der Welt, der “seufzenden Kreatur”. Er richtet unsere
Aufmerksamkeit auf die Kirche, auf die Auserwählten, als die
voraussichtlichen Miterben Christi, welche, wenn sie sich in den Leiden
dieser Zeit als treu bewähren, schließlich seiner Herrlichkeit
teilhaftig werden sollen, in seinem Reich. Er versichert uns, dass “die
Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen
Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll” (Röm. 8:18), und fährt
fort, uns zu beweisen, dass diese Herrlichkeit, die an der Herauswahl
offenbar werden soll, nachdem dieselbe das Maß ihrer Leiden angefüllt,
die Grundlage der Hoffnung der seufzenden Kreatur ist, “denn das sehnsüchtige
Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes... auf
Hoffnung, dass auch selbst die Kreatur freigemacht werden wird von der
Sklaverei des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder
Gottes.” - Röm. 8:19, 21
Jetzt
sind die Söhne Gottes nicht offenbar, die Welt kennt sie ebenso wenig wie
sie deren Meister kannte; und obwohl die Welt schmachtend, mit
unbestimmten Hoffnungen nach dem goldenen Zeitalter, nach einer Zukunft
voller Segnungen sich sehnt, so werden ihre Hoffnungen, laut der Erklärung
des Apostels, doch nicht in Erfüllung gehen, bis die Herauswahl, die Söhne
Gottes, herrlich gemacht und als von Gott bestellte Könige und Priester
offenbar geworden sein werden, um im Tausendjahr-Reich über die Erde zu
herrschen und alle Geschlechter der Erde zu segnen, - nach dem Reichtum
der Gnade, die Jehova in seiner Verheißung dem Abraham kundgetan hat,
indem er ihm sagte: “In dir und deinem Samen sollen gesegnet werden alle
Geschlechter der Erde.” - 1. Mose 22:18; Gal. 3:8, 16, 29
Der
Apostel zeigt uns ferner, dass die Menschheit im ganzen, die mit Vernunft
begabte, irdische Kreatur, durch Vererbung, der Eitelkeit unterworfen war,
und zwar als Folge von Adams Übertretung, wie es auch Gott vorausgesehen
hatte; sie war aber nicht ganz ohne Hoffnung gelassen, denn das Walten der
göttlichen Vorsehung hatte schon damals für ein Sühnopfer für die Sünde
gesorgt, auf Grund desselben die Menschheit schließlich freigemacht
werden sollte von der Sklaverei der Sünde und deren Sold, dem Tod, und
das ihn endlich zur Freiheit von Mühe, Krankheit, Angst und Sorge kommen
lassen wird, zur “rechten” Freiheit, die das Vorrecht aller Söhne
Gottes ist. Aus dieser Sohnschaft und Freiheit ist wegen Adams Übertretung
das Menschengeschlecht gefallen, und eben auf dieselbe Stufe menschlicher
Sohnschaft soll es, dank dem großen Sühnopfer auf Golgatha, wieder zurückkehren
dürfen, als Ergebnis des in jedem einzelnen vollendeten Versöhnungswerkes,
wenn der Erlöser, der große Prophet, der gegenbildliche Mose, dasselbe
mit dem göttlichen Gesetz in Einklang gebracht hat. (Apg. 3:22, 23) Der
Apostel zeigt uns ferner, dass die Auserwählten, welche die Versöhnung
bereits empfangen (die göttliche Gnade angenommen) haben, die mit Gott
eines Willens, und dadurch zu Erstlingsfrüchten des Geistes geworden sind,
nichtsdestoweniger infolge der sie umgebenden Verhältnisse seufzen und
auf ihren Anteil an dem vollendeten Versöhnungswerk warten, der erst fällig
wird, wenn sie völlig und ganz der göttlichen Gunst und Gnade teilhaftig
werden, nämlich bei der Befreiung und Erhöhung des Leibes Christi, der
Kirche, durch die erste Auferstehung. - Röm. 8:23-25
Die
beiden Teile der Versöhnung, nämlich 1. das Wiedergutmachen des
Unrechtes und 2. das Wiedereinigen der entzweiten Parteien, finden wir
deutlich in dem uns von Gott angebotenen Neuen Bunde, dessen Mittler Jesus
Christus, unser Herr, ist. Als Adam noch vollkommen war, als er in Übereinstimmung
mit seinem Schöpfer lebte und allen seinen Geboten gehorchte, da bestand
zwischen ihm und Gott auch ein Bund, obwohl derselbe unverbrieft, nicht förmlich
ausgedrückt war; Adam genoss kraft dieses Bundes vollkommenes Leben, er
war Herrscher über das ganze Tierreich, über den ganzen Erdboden; aber
diese Vorrechte waren an die Bedingung geknüpft worden, dass Adam im
Gehorsam gegen seinen Gott verharren sollte; sie sollten verloren gehen,
sobald er ungehorsam würde.
Durch
den Ungehorsam Adams und durch die über ihn verhängte Todesstrafe wäre
die Menschheit vollständig hilflos geworden und geblieben, wenn nicht der
Allmächtige durch den Neuen Bund für die Wiedergenesung des ganzen
Geschlechtes gesorgt hätte; und dieser Neue Bund hat einen Mittler, wie
uns der Apostel versichert. Gott, einerseits, handelt mit dem Mittler,
nicht mit dem Menschen, und die Menschen, ihrerseits, verkehren auch mit
dem Mittler, nicht mit Gott. Aber bevor Jesus Christus dieser Mittler
werden konnte, musste er für die Menschheit ein Werk vollbringen, welches
uns dargestellt wird als das “Versiegeln des Neuen Bundes.” mit seinem
eigenen teuren Blute - “dem Blute des Neuen Bundes”. (Matth. 26:28;
Mark. 14:24; Hebr. 7:22; 9:15-20) Das heißt, Gott kann seiner
Gerechtigkeit wegen den Sünder nicht begnadigen, er kann weder direkt
noch indirekt durch einen Mittler mit ihm verkehren, es sei denn zuvor
dieser Gerechtigkeit Genüge geleistet worden. Das ist nun aber geschehen,
und zwar durch den freiwilligen Opfertod Jesu für unsere Sünden. Durch
diesen Akt wurde der Neue Bund besiegelt, er trat in Kraft; und von da an
konnte Gott das Todesurteil über die Menschen widerrufen, ihnen Versöhnung
mit ihm selbst und damit eine Auferstehung zu neuem, ewigem Leben verheißen.
Dank dieser Besiegelung des Bundes sind nun alle Menschen annehmbar
geworden. Erst jetzt können alle mit Gott wieder eins, versöhnt werden
durch den, welcher von sich selbst sagte: “Ich bin der Weg, die Wahrheit
und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.” - (Joh. 14:6)
Aus
diesem Grund konnten auch die hervorragendsten Gottesmänner des Alten
Bundes, d.h. während der Zeit vor dem Beginn des Opfers Christi, mit Gott
in keinem näheren Verhältnis stehen als in dem eines Knechtes oder
Freundes; es wurde keinem das hohe Vorrecht der Gottessohnschaft (mit
aller mit ihr verbundenen Herrlichkeit) gewährt; keiner wurde als Gottes
Kind (Sohn) anerkannt (Joh. 1:12; Matth. 11:11). Wir sehen hieraus, dass,
wer bei der Versöhnung mit Gott die Notwendigkeit eines Sühnopfers zur
Befriedigung der Gerechtigkeit nicht sieht, die wichtigsten und
unentbehrlichsten Teile des Versöhnungswerkes zu leugnen gezwungen ist.
Nicht weniger irren aber auch die, welche zwar das Opfer Christi als die
Besiegelung des Neuen Bundes anerkennen, die aber nichts wissen wollen von
einem Werk der Versöhnung das an den Menschen verrichtet werden soll, um
sie wieder mit Gott in Einklang zu bringen.
Dieses
Werk der Aussöhnung kann, so weit es die Menschen betrifft, auch nicht in
einem Augenblick und durch den Glauben vollendet werden; beginnen mag es
wohl durch den Glauben, in einem Augenblick, und Versöhnung zwischen Gott
und dem Sünder kann gerechneterweise durch den Glauben zustande kommen,
aber das Endziel des Versöhnungswerkes, das Gott vorgesehen hat, liegt höher,
ist ein herrlicheres als das.
Gott
hat vorläufig dafür gesorgt, dass diejenigen, welche mit ihm (und seinem
göttlichen Gesetze) in Einklang zurückzukommen wünschen, durch ihren
Mittler gerechneterweise angenommen werden können; völlig und rückhaltlos
können sie (vom Vater) nicht angenommen werden, solange sie tatsächlich
noch unvollkommen sind. Während es aber das Werk des Mittlers (Haupt und
Leib) ist, der Menschheit die Tatsache zu verkündigen, dass Gott sich ein
Sündopfer ersehen hat, durch welches es ihm möglich ist, gerecht zu sein
und dennoch den Sünder wieder in seine Gemeinschaft aufzunehmen, dass er
willig ist, den Segen der Sohnschaft und das damit verbundene ewige Leben
auszuteilen, so ist es ferner auch sein Werk, der ganzen Menschheit klar
zu machen, dass dieses angebotene Heil ein großes Glücksgut ist, das
deshalb ohne Zögern angenommen werden sollte, indem dessen Bestimmungen
nichts als ein vernünftiger Gottesdienst sind. Endlich ist es nicht
weniger das Werk des Mittlers (als des Vaters Stellvertreter), die
Menschen tatsächlich zur geistigen, sittlichen und körperlichen
Vollkommenheit wiederherzustellen, und zwar alle, die bereit sind, sein
Amt anzuerkennen und ihm zu gehorchen. So wird das Werk des Mittlers
schließlich zur tatsächlichen Versöhnung Gottes führen mit allen denen,
die sich vom Mittler zur Vollkommenheit erziehen lassen.
Für
dieses große Werk des Mittlers ist das ganze Tausendjahr-Zeitalter
bestimmt; zu diesem Zweck muss das Königreich des Messias mit all seiner
Macht und Autorität auf Erden aufgerichtet werden; darum muss Er
herrschen, damit er alle bösen Einflüsse dämpfen könne, welche die
Menschheit hindern möchten, zur Erkenntnis der Wahrheit von der göttlichen
Liebe und Gnade zu kommen. Dazu ist der Neue Bund da, damit, wer irgend es
wünscht, zu Gott zurückkehren kann. Aber während der große Mittler den
Bestimmungen des Neuen Bundes gemäß alle diejenigen aufnehmen, segnen
und wiederherstellen wird, welche die Gemeinschaft mit Gott durch ihn wünschen,
so wird er auch alle mit ewiger Vernichtung aus dem Volk ausrotten, die
trotz den günstigen Verhältnissen jenes Tausendjahr-Königreiches die göttliche
Versöhnungsgnade anzunehmen sich weigern. - Apg. 3:23; Matth. 25:41, 46;
Offb. 20:9, 14, 15; Spr. 2:21, 22
Das
Ende des tausendjährigen Reiches wird herbeigekommen sein, wenn das große
Wiederherstellungswerk durch den Mittler vollendet sein wird. Dann wird
das Mittleramt Christi aufhören, da es keine Rebellen, keine Sünder mehr
geben wird. Wer die Übereinstimmung mit Gott gewünscht, wird sie voll
und ganz erlangt haben, wer aber fortgefahren hat, der Sünde den Vorzug
zu geben, wird vom Leben abgeschnitten worden sein. Dann ist auch die
Weissagung unseres Herrn in Erfüllung gegangen, wonach alles, im Himmel
und auf Erden, Jehova loben soll; dann wird sich Gottes Verheißung
verwirklicht haben, dass kein Tod, noch Trauer, noch Geschrei, noch
Schmerz mehr sein werde, “denn das Erste (die früheren Verhältnisse)
ist vergangen”. - Offb. 21:4; Psalm 67
Wenn
der große Vermittler und König sein vollendetes Werk vor den Vater
bringen und ihm, wie der Apostel in 1. Kor. 15: 24-28 erklärt. sein Reich
überantworten wird, dann wird nicht nur die Besiegelung des Neuen Bundes
durch das kostbare Blut Jesu vollbracht, nicht nur eine kleine Herde, die
ihr Leben Gott geweiht, dem Vorsatz des himmlischen Vaters gemäß zur göttlichen
Natur erhöht worden sein (1. Petr. 2:9, 10; Tit. 2:14; Röm. 8:29),
sondern es wird auch die Erde von einer versöhnten, vollkommen gemachten
und daher glücklichen Menschheit bewohnt sein, von einer Menschheit, die
gerecht, gottergeben, heilig, sanftmütig, geduldig und liebevoll zu sein
gelernt haben wird, die imstande ist, jede Probe ihrer Treue und ihres
Gehorsams dem Schöpfer gegenüber mit Erfolg zu bestehen.
Dann
werden aber auch alle solche vom Leben abgeschnitten, d.i. vernichtet sein,
die sich der ferneren Gunst und Gnade Gottes durch Widerstreben unwürdig
erzeigten, deren Einfluss auf die andern störend und schädigend wirken würde,
und deren Fortexistenz überhaupt dem Schöpfer nicht Ehre machen würde.
Die
Menschheit wird demnach so völlig wieder in der göttlichen Gunst und
Gemeinschaft stehen, wie einst Adam, bevor er um der Sünde willen
gefallen war; vor diesem wird sie aber eine wertvolle Erfahrung voraus
haben: sie wird die überaus schreckliche Verderblichkeit der Sünde
einerseits, aber auch die Vorzüge und gesegneten Folgen der Gerechtigkeit
andererseits kennen gelernt haben; sie wird also mehr wissen, als Adam
gewusst hat, und wird von allen Talenten und Fähigkeiten, welche in
diesem schlummerten, den ausgiebigsten Gebrauch machen können. Und dies
ganze Versöhnungswerk wird nicht nur den Menschen, sondern auch den
heiligen Engeln zum Nutzen gereichen, denn sie sehen darin ein so
herrliches Zusammenwirken der Gerechtigkeit, Liebe, Weisheit und Allmacht
Gottes, wie es kaum auf eine andere Weise möglich gewesen wäre. Und
diese allen vernunftbegabten Wesen zu teil gewordene Lehre wird, das dürfen
wir wohl annehmen, in alle Ewigkeit bestehen bleiben, um, wer weiß,
vielleicht auch anderen noch nicht erschaffenen Wesen, Bewohnern anderer
Planeten des weiteren Universum zu gute zu kommen.
Und
was wird wohl der Kernpunkt dieser durch alle Äonen weitererzählten
Geschichte sein? Es wird die Kunde sein von dem großen auf Golgatha
vollbrachten Erlösungswerk und von der Versöhnung, die sich auf den
bezahlten Kaufpreis gründet, welche beiden Werke uns bezeugen, dass
Gottes Gerechtigkeit und Liebe ganz gleich herrlich sind.
In
dem vorliegenden Buche wollen wir nun diesen Mittelpunkt, die hoch
wichtige Lehre von der Versöhnung, die von so vielen Frommen leider gar
nicht oder falsch verstanden wird, des eingehendsten behandeln und demgemäss
unserer Betrachtung unterziehen:
1.
Jehova,
Gott den Vater, der den Versöhnungsplan entworfen hat.
2.
Den
Mittler, welcher das Versöhnungsopfer dargebracht hat, und durch den all
die damit verbundenen Gnadengaben auf die gefallene Menschheit kommen
sollen.
3.
Den
heiligen Geist, den “Kanal” oder das Mittel, wodurch die Segnungen der
Wiederaussöhnung mit Gott den Menschen zu teil werden sollen.
4.
Den
Menschen, um des Willens dieser große Versöhnungsplan entworfen wurde;
und endlich
5.
Das
Lösegeld, welches der Mittel- oder Angelpunkt des Versöhnungswerkes ist.
Indem
wir diese fünf Gegenstände betrachten, und zwar in der angegebenen
Reihenfolge, die uns die richtige und logische zu sein scheint, hoffen wir
die bezüglichen göttlichen Aussagen so klar, so kräftig und
befriedigend zu finden, dass aus unserem Sinn viel von dem Nebel,
Geheimnis und Missverständnis weichen muss, das bisher über der Lehre
von der Versöhnung gewaltet hat.
Aber
um diese wünschenswerte Aufklärung tatsächlich zu empfangen, müssen
wir nicht mit menschlichen Anschauungen und Glaubensbekenntissen beladen
an die genannten Gegenstände herantreten wollen, sondern vorurteilsfrei,
allein von dem Wunsche beseelt, von Gott belehrt zu werden, und daher
bereit, alles fahren zu lassen, was wir uns selber oder was andere uns
vorgespiegelt haben, sobald wir dasselbe im Widerspruch mit Gott und
seinem Worte finden, aber begierig, von Gott vollständige Auskunft über
jede Einzelheit der betrachteten Gegenstände zu erhalten. Alle, die so
kommen, so suchen und anklopfen, denen öffnet der große Lehrer den Weg,
und “Sie werden von Gott gelehrt sein.” - Jes. 54:13
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Willst
Mensch du deinem Schöpfer nah’n,
Steht
dir dein Sünd entgegen:
Gerechtigkeit
nimmt dich nicht an,
Sie
lässt sich nicht bewegen
Direkt
mit Sündern zu verkehr’n,
Wir
müssen den Vermittler ehr’n,
Des
“Neuen Bundes” Mittler.
Was
uns mit Gott Versöhnung schafft,
Liegt
seinem Blut zu Grunde:
Sein
Blut allein gibt Bindekraft -
Versiegelung
dem Bunde.
Nicht
Ochsen - oder Böckeblut
Es wiederum, wie vormals, tut:
Nein,
“Gottes Lamm” musst’ bluten.
Wer
dieses Blutes Kraft zutraut
Die
Reinigung von Sünden;
Wer
gläubig auf den Mittler schaut,
Durch
ihn wird Zutritt finden
Zu Gott, des Vaters, Gnadenthron,
Als
ein mit ihm versöhnter Sohn,
Durch
Jesum Christi, den Mittler.
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