SCHRIFTSTUDIEN
BAND
6 - DIE NEUE SCHÖPFUNG
Studie
14
Besondere
irdische Verpflichtungen der Neuen Schöpfung.
„Seid vorsorglich für das,
was ehrbar ist vor allen Menschen.“ — „Seid niemandem irgend
etwas schuldig.“ — „Leihet, ohne etwas dafür
zu hoffen.“ —
Christliche Höflichkeit. —
„Sorget nicht für den
morgenden Tag.“ —
„Mein Ziel ist Christus, und Christus allein.“ —
„Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein
Reicher in das Königreich Gottes eingehe.“ —
Versicherungen. —
Konsum-
und andere Genossenschaften. —
Wer mitmacht, erhalte sich dabei ein gutes
Gewissen. —
„Mit der Zunge loben wir Gott und fluchen wir den Menschen.“ —
Verpflichtungen gegenüber Mitmenschen. —
„Seid ehrerbietig gegen alle
Menschen.“ —
Teilnahme an öffentlichen Wahlen, an
Wohlfahrtsbestrebungen. —
Das Tragen von Schmucksachen. —
Der Schmuck, auf
den wir hoffen, ist Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit.
„Seid
vorsorglich für das, was ehrbar ist vor allen Menschen.“ (Röm. 12:17)
Wenn es von den Neuen Schöpfungen heißt,
sie seien der Welt abgestorben und leben Gott durch Jesum Christum,
unseren Herrn, so ist das völlig zutreffend hinsichtlich der Hoffnungen,
Bestrebungen und Wünsche der neuen Gesinnung. Diese Gesinnung kann sich
aber nur durch das Organ des adamitischen Leibes betätigen, solange sie
den ihr in der ersten Auferstehung zugedachten herrlichen Leib nicht hat;
und daraus ergeben sich nun eine Anzahl Verpflichtungen der Neuen Schöpfung
den Mitmenschen, der Mitwelt, gegenüber. Wie die irdischen
Verpflichtungen gegenüber den Angehörigen nach dem Fleische und gegenüber
dem Haushalte des Glaubens durch die Verwandlung der Gesinnung nicht
vermindert, sondern vergrößert werden, so steht es auch mit gewissen
Pflichten allen Mitmenschen gegenüber.
Jedermann sollte die Prinzipien des
Rechtes und der Gerechtigkeit im Verkehr mit seinesgleichen beobachten;
Neue Schöpfungen aber sind darin zu um so größerer Aufmerksamkeit
verpflichtet, als sie diesbezüglich Belehrung in der Schule Christi
empfangen. Wenn es passend oder recht ist, vorsorglich zu sein für das,
was ehrbar ist vor allen Menschen, so haben Neue Schöpfungen um so
achtsamer demgemäss zu handeln. Wird von anderen Menschen erwartet, dass
sie ehrbar, wahrhaft, aufrichtig, ehrenhaft, edelmütig seien, wie viel
mehr darf dies von Neuen Schöpfungen erwartet werden, und wie sehr
sollten diese bestrebt sein, sich im Denken, Reden und Handeln möglichst
dem vollen Maße der göttlichen Anforderungen zu nähern.
„Seid niemandem irgend etwas schuldig,
als nur einander zu lieben“, ermahnt der Apostel weiter. (Röm. 13:8) Es
würde gut sein, wenn dieser Rat des Apostels allgemein bekannt wäre und
befolgt würde; und die Welt wird einmal gezwungen werden, es zu tun: im
Tausendjährigen Reiche. Für die Neuen Schöpfungen aber hat dieser Rat
schon jetzt Gesetzkraft, und sie sollen ihm daher nach Kräften
nachzukommen suchen, wie sehr auch andere es daran gebrechen lassen mögen.
Sogar dem Hause der Knechte, Israel nach dem Fleische, war vorgeschrieben,
dass sie teilweise ein Darlehn überlassen, aber dem Nächsten nicht die
Last eines verzinslichen Darlehns aufladen sollten (5. Mose 15:6), und
dieser Grundsatz empfiehlt sich für jeden, der ein gesundes Urteil hat,
als die Summe der Weisheit, einer Weisheit, welche, wenn es möglich wäre,
sie der Welt gegenüber anzuwenden, für diese eine große Wohltat wäre,
einer Weisheit, welche die Welt zwar gutheißt, der aber sehr wenige vom
Volke Gottes oder von der Welt auch wirklich als unabänderlicher
Lebensregel nachzuleben trachten.
Mit anderen Worten ausgedrückt: Jedes
Glied der Neuen Schöpfung sollte nicht über seine Mittel hinaus leben.
Wer täglich nur einen Taler verdient, sollte auch keinen Augenblick daran
denken, mehr als einen Taler auszugeben, äußerste Notfälle vorbehalten.
Er sollte seine Verhältnisse so gestalten, dass er mit seinem Verdienste
auskommen kann, bis die Umstände sich zu seinen Gunsten ändern. Nachdem
er sich dem Herrn geweiht und übergeben hat, sollte er, fest davon überzeugt,
dass Gottes Vorsehung über ihm waltet, das ihm von Gott zur Verfügung
Gestellte nach bestem Wissen und Gewissen verwalten und verwenden und dann
glauben, dass Gott mit Gewährung dieses Maßes an Hilfsmitteln gerade
sein Bestes im Auge hat. Er sollte also damit vollständig zufrieden sein,
wie Schweres er auch ertragen müsste, und geduldig auf den Herrn hoffen,
ob und wann auch seine Liebe und Weisheit ihm Erleichterung verschaffen
werde.
Ist umgekehrt das Einkommen reichlich,
so ist Maßhalten in der Lebenshaltung zu beobachten. „Lasset eure Mäßigung
vor allen Menschen kund werden.“ Sparsamkeit gehört mit zum Haushalte
Gottes. Der Herr und seine Apostel haben uns darin ein Vorbild gegeben, am
deutlichsten bei der Speisung der Fünftausend und der Viertausend, wo der,
der die Macht hatte, aus nichts Speise zu schaffen für die Volksmenge,
gebot, die Brocken zu sammeln, „auf dass nichts umkomme“.
Je beschränkter die uns zur Verfügung
stehenden Mittel sind, um so mehr sollten alle Ausgaben eingeschränkt
werden, um sie nicht auf, sondern unter das Niveau der Einnahmen
hinunterzudrücken, damit wir etwas für zukünftige Bedürfnisse oder als
Dankopfer für den Herrn oder, wie der Apostel anregt, zur Aushilfe für
solche beiseite legen können, welche es dringender bedürfen als wir
selbst. Vertrauen auf den Herrn schafft Zufriedenheit, und diese schafft
Gemütsruhe und Herzensfrieden. Wenn dies die Mahlzeit würzt, schmecken
Brot und Wasser oder Salzkartoffeln besser und schaffen mehr Gutes als
reichlichere Nahrung in einem anderen Geiste genossen. Vertrauen schafft
auch Dankbarkeit und ermöglicht einem Kinde Gottes, auch wenn es auf das
allerärmlichste ausgestattet ist, dem Geber aller guter Gaben fortwährend
zu danken, indem es fortfährt, in allen Angelegenheiten des Lebens sein
Vertrauen auf Gott zu setzen. Damit ist nicht gemeint, dass eine
Verbesserung seiner Lage dem Kinde Gottes gleichgültig sein soll, wenn
sie auf ehrliche Weise erreicht werden kann; im Gegenteil, es wird eine
solche Gelegenheit als eine neue Wohltat des Gebers aller guten Gaben
ansehen und mit Dank zu ihm benutzen, in der Meinung, dass sie zu weiterer
Belehrung durch den Meister führen wird.
Die Ermahnung: „Seid niemandem irgend
etwas schuldig als nur einander zu lieben“ bedeutet, dass, wenn wir zu
irgendeiner Zeit aus Unachtsamkeit, diesem Grundsatze voll göttlicher
Weisheit zuwider, jemandem etwas schuldig geworden sind, wir auf jegliche
ehrenhafte Weise bestrebt sein sollen, unsere Schuld abzutragen. Wenn
jedoch die Schuld von schlechtem Geschäftsgange herrührt, wenn der Gläubiger
sein Darlehn wissentlich auf die Gefahr hin, es zu verlieren, um möglichen
Gewinnes willen gemacht hat, wenn Unglück und nicht Trägheit oder grobe
Nachlässigkeit die augenblickliche Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt
hat, und insbesondere, wenn das Anleihen gemacht worden ist, bevor die
Zeugung zur Neuen Schöpfung stattfand, so ist es für diese kein Unrecht,
ihre Zuflucht zur Konkurserklärung zu nehmen. Die Verjährung der
Schulden ist im göttlichen Gesetze vorgesehen, sie fand je im Sabbat- und
im Halljahre statt. Die Welt hat diesen richtigen Grundsatz anerkannt, und
viele Gesetzgebungen enthalten ihn in dieser oder jener Form. Auch das gehört
zu den guten Gaben, die das Kind Gottes mit gutem Gewissen aus der Hand
des himmlischen Vaters annehmen darf. Freilich wird die Neue Schöpfung,
falls ihre Umstände durch die Güte Gottes später sich bedeutend
verbessern und ihr die Rückzahlung ihrer Schuld gestatten, diese aus
Gehorsam gegen das Gebot der Nächstenliebe vornehmen und sich dann nicht
mehr auf die Verjährung nach menschlichem Gesetz berufen.
Ganz anders liegen die Dinge, wenn die
Schuld nicht ein geschäftliches Darlehn, sondern einen Freundschafts-
oder Liebesdienst eines anderen zum Ursprung hat, wobei der Freund hat aus
der Not helfen und keinen Gewinn machen wollen. Eine solche Schuld verjährt
für das Gewissen der Neuen Schöpfung zeitlebens nicht, und die Bemühungen,
sie zurückzuzahlen, sollen in allem und jedem fühlbar sein. Allein Neue
Schöpfungen, welche unter dem Einfluss des Geistes und Wortes Gottes
stehen, und den Geist eines gesunden Sinnes haben, werden solche Schulden
überhaupt nicht machen, sondern es als eine Maßregel des Herrn ansehen,
dass sie mit ihren eigenen Mitteln auszukommen lernen sollen. Nicht
anwendbar ist jedoch dieser Grundsatz auf Hypothekaranleihen: solche
bedeuten den Verkauf eines Teiles des Grundeigentums mit dem Vorbehalt,
diesen Teil zu gelegener Zeit (durch Rückzahlung der Hypothek) wieder
zurückzukaufen.
Witwen und Waisen sind weder nach göttlichem
noch nach menschlichem Recht verantwortlich, Schulden des verstorbenen
Familienhauptes zu übernehmen, es sei denn, sie hätten zu dessen
Lebzeiten ihre ausdrückliche Zustimmung zu den Ankäufen gegeben, aus
denen die Schuld herrührt. Für seine Schulden haftet das Familienhaupt
bis zu seinem Tode (ausgenommen die gesetzlichen Ansprüche der Angehörigen);
aber mit seinem Tode fällt eine solche Schuld dahin, es sei denn, einer
der Hinterbliebenen übernehme dieselbe aus freien Stücken. Wir erwähnen
dies hier, weil wir von Fällen gehört haben, in welchen arme Witwen und
Waisen sich als durch göttliches, wo nicht durch menschliches Gesetz
gebunden fühlten, solche laufenden Schulden des einstigen Versorgers zurückzuzahlen,
und daher jahrelang sich abmühten, es auch zu tun. (Hypothekarschulden
freilich vererben sich deshalb, weil der der Schuld entsprechende Teil des
Grundeigentums, wie oben erwähnt, verkauft ist.)
Verbietet der Rat des Herrn seinem
Volke, etwas schuldig zu sein, so gebietet er umgekehrt, dass „wir“ Brüdern,
welche des Notwendigen ermangeln, Gutes erweisen und leihen sollen, ohne
dabei auf eine Gegenleistung zu hoffen. Dies muss also so geschehen, dass
damit dem Notleidenden nicht eine Last aufgebürdet, sondern aus der Not
geholfen wird, und wenn eine Sicherheit, ein Pfand, erhältlich ist, so
darf dasselbe nicht einen Zins, sondern nur das geliehene Kapital
sicherstellen, für dessen Rückzahlung ein bestimmter Zeitpunkt
bezeichnet werden sollte. Das Leihen unter Brüdern soll eine Gelegenheit
sein, die brüderliche Liebe zu betätigen.
Ist der notleidende Bruder nicht in der
Lage, eine Sicherheit zu geben, so sollte an die Stelle des Darlehns eine
freie Gabe treten, welche sowohl nach den Verhältnissen des Helfers als
auch nach den Bedürfnissen des Hilfsbedürftigen bemessen werden sollte.
Dieser mag versprechen, die empfangene Summe zurückzuzahlen, aber der
Geber sollte dieselbe ausdrücklich als freie Gabe bezeichnen,
vorbehaltlich einer wesentlichen Besserung der Verhältnisse des
augenblicklich Bedürftigen. Dann sollte die Liebe denjenigen drängen,
die einst empfangene Gabe zurückzuerstatten, der Geber aber,
vorausgesetzt, dass er den Verlust ertragen kann, sollte sie freundlich
ablehnen und dem Bruder, dem er einst geholfen, vorschlagen, den Betrag
jemand anderem zuzuwenden, der es nötiger habe, oder, wenn er gerade
niemanden kenne, es für einen sich später zeigenden Notfall aufzuheben.
Ganz anders liegen die Dinge, wenn ein
Bruder oder sonst jemand ein Anleihen aufzunehmen sucht, um sein Geschäft
zu vergrößern und einträglicher zu machen. Bei solchen Darlehen dürfen
mit vollem Rechte reichliche Sicherheiten verlangt und ein Zins gefordert
werden; das ist kein Wucher. Sagt doch der Herr selbst im Gleichnis: „So
solltest du mein Geld den Wechslern (Bankiers) gegeben haben, und wenn ich
kam, hätte ich das meine mit Zinsen erhalten.“ - Matth. 25:27
In voller Übereinstimmung damit rät
auch die Schrift davon ab, Bürge zu werden (Spr. 17:18); und diesen Rat
zu befolgen wäre heilsam, nicht nur für Neue Schöpfungen, sondern auch
für die Welt. Dem Bürgewerden ist das Indossament von Wechseln
gleichzustellen, wodurch, wer sie an Zahlungs- Statt annimmt, für deren
Einlösung haftet. Lässt sich die Sache in einem besonders dringenden
Falle nicht ganz vermeiden, muss einmal für einen Bruder gutgestanden
werden, so geschehe es nur bis zu dem Betrage, den man allenfalls leihen
oder schenken könnte. Niemals geschehe es aus Prahlerei, zum Aufzeigen
des Kredits, dessen man sich erfreue, niemals geschehe es zum Schaden des
eigenen Geschäftes, der eigenen Angehörigen. - Spr. 22:26; 11:15; 6:1-5
Ein Wort über die kleinen Darlehen von
Haushalt zu Haushalt. Neue Schöpfungen sollten in ihrem Herzen solche Belästigungen
ihrer Nachbarn missbilligen und daher nach Kräften vermeiden. Im Falle
von Krankheit oder anderer Verlegenheit mag ja zu diesem
Aushilfsmittelchen gegriffen werden; für gewöhnlich aber sollte es so
gehalten werden, dass, wenn z.B. infolge einer Unachtsamkeit die Butter,
der Zucker oder dgl. ausgegangen und dies erst im letzten Augenblick
bemerkt wird, eine Mahlzeit ohne das Fehlende zubereitet wird. Oder hat
jemand nur ein Bügeleisen und vermag es nicht, ein zweites zu kaufen, so
sollte er es eben mit dem einen machen können.
Wer selber achtsam und sorgfältig ist,
wird es natürlich um so lästiger empfinden, wenn man ihn fortwährend um
solche kleinen Dienste bittet. Dennoch sollte das Volk des Herrn im Rufe
steter Hilfsbereitschaft und gleichzeitig größter Diskedition ihren
Mitmenschen gegenüber stehen. Dann werden sie immer als gute Nachbarn
gelten, auch wenn sie um ihrer Achtung vor dem Herrn und seinem Worte
willen als ein „eigentümliches Volk“ betrachtet werden. Freilich mag
der geliehene Gegenstand nicht zurückgebracht werden, freilich mag es
sehr störend sein, ihm nachzulaufen, freilich mag man etwa umsonst
erwarten, dass geliehene Butter oder dgl. zurückerstattet werde. Da mag
uns der Gedanke helfen, es ruhig hinzunehmen, dass solche Entlehner sich
genieren werden, wiederzukommen. Wo die Verhältnisse es gestatten, würden
wir es vorziehen, den geliehenen Gegenstand nicht zurückzufordern,
sondern es als eine Gelegenheit zu betrachten, sich Freunde zu machen mit
dem ungerechten Mammon, als Gelegenheit, kleine irdische Vorteile
daranzugeben und möglicherweise so größeren sittlichen und geistigen
Einfluss auf die Nachbarn zu gewinnen.
Eine ähnliche Unart, wie die des ständigen
Entlehnens beim Nachbarn ist die Anschauung einiger, sie hätten ein
Recht, sich dem Nachbarn zum Besuche aufzudrängen, hätten Anspruch auf
seine Zeit. Nun gehört freilich Gastfreundlichkeit zu den Eigenschaften
des Geistes der Liebe; sie sollte daher von allen vom Volke Gottes als
eine Gott wohlgefällige Betätigung, als ein Mittel zur Förderung des
eigenen geistigen Wachstums, gepflegt werden. (Hebr. 13:2) Es sollte sie
freuen, Freunde, Nachbarn usw. zu einer Mahlzeit, für eine Nacht,
einzuladen, je nachdem es die Verhältnisse gestatten; der Wunsch,
Gastfreundschaft zu üben, sollte auch da noch vorhanden sein, wo die
Gelegenheit dazu fehlt. Gastfreundschaft ist nicht notwendigerweise mit
Verschwendung über die vorhandenen Mittel hinaus verknüpft; es ist
niemand verpflichtet, für einen Gast besser zu sorgen, als für die
eigenen Angehörigen. Gastfreundlichkeit ist nur Bereitwilligkeit, einen
anderen an dem teilnehmen zu lassen, was wir selber haben.
Nun aber die andere Seite. Die
Geweihten des Herrn sollten sich nie und niemandem aufdrängen. Sie
sollten erst sicher sein, dass sie eingeladen und willkommen sind, bevor
sie eine Mahlzeit oder ein Nachtlager annehmen. Wie schön ist das
Beispiel, das der Auferstandene in Emmaus gab. Es war freilich sein
Wunsch, die Abendmahlzeit mit den beiden Jüngern zu teilen, damit er sie
noch reichlicher segnen könne. Dennoch schickte er sich, vor dem Hause
angelangt, an, weiterzugehen und wartete, dass sie ihn einluden, bevor er
bei ihnen blieb. Das war kein Betrug seinerseits, und wenn wir ebenso
handeln, ist es auch kein Betrug unsererseits. Unser Herr wäre tatsächlich
weitergegangen, wenn er nicht zum Bleiben aufgefordert worden wäre. So
sollten auch wir nur so lange in einem fremden Hause bleiben, als es
unseren Gastgeber herzlich freuen mag, nicht länger, welches auch unsere
Umstände seien.
Die bei einigen vorhandene Meinung, sie
seien berechtigt, sich bei Anverwandten nach dem Fleische oder nach dem
Geiste ungebeten niederzulassen, ist ein schwerer Irrtum. Ein solches
Recht gibt es nicht. Wir haben das Recht, zu geben, freigebig zu sein; wir
haben aber kein Recht, von anderen zu verlangen, dass sie sich gegen uns
freigebig erweisen; diese haben vielmehr das Recht, von dem, was ihrer
Verwaltung anvertraut ist, zu geben oder zurückzuhalten. Inwieweit Neue
Schöpfungen verpflichtet sind, sich solche Aufdringlichkeit von Seiten
fehlbarer Brüder oder Verwandten nach dem Fleische gefallen zu lassen, hängt
von den Umständen, insbesondere von den Gesundheits- oder finanziellen
Verhältnissen des Besuchers ab. Trotzdem sollten sie, ohne gegen sich
selbst oder gegen den Besucher, der unrichtige Begriffe hat und dessen
Besuch allmählich zur Last fällt, sich zu vergehen, freundlich aber
deutlich zu dem Gast sagen können: „Ich sollte Ihnen vielleicht sagen,
dass es mir nicht passt, Sie länger als ... bei mir zu haben.“ Leichter
ist es, solchen Besuchern gleich beim Beginn des Besuches die Zeit
anzugeben, bis zu welcher sie bleiben können, sie für eine Mahlzeit,
einen Tag, eine Woche, ja nicht für unbestimmte Zeit, einzuladen. Das ist
unvermeidlich mit Rücksicht auf das eigene Heim, auf die verfügbaren
Mittel, auf die eigene Zeit, auf den Dienst am Herrn usw. und gleichzeitig
ist es eine passende und hilfreiche Belehrung für viele Leute, welche in
dieser Sache unrichtige Begriffe haben. Deshalb brauchen wir weder zu noch
von ihnen unfreundlich zu sprechen. Wir müssen vielmehr bedenken, dass,
wenn sie in diesem Stücke tiefer gefallen sind als wir, wir möglicherweise
auf einem anderen Gebiete tiefer gefallen sind als sie. Auf jeden Fall müssen
wir wohlwollend und edel von ihnen denken und um so mehr uns vornehmen,
selber nicht in den bei anderen beobachteten Fehler zu verfallen.
„Seid
nicht besorgt auf den morgenden Tag“
-
Matth. 6:34, 19, 20 -
Obige Worte unseres Herrn, sowie die
weiteren: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die
Motten und der Rost sie fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen;
sammelt euch vielmehr einen Schatz im Himmel“, sind, glauben wir, von
vielen ernsten und wohlgesinnten Nachfolgern des Herrn sehr missverstanden
worden. Einige haben daraus geschlossen, dass der Herr damit aufforderte,
von der Hand in den Mund zu leben und gar keine Rücksicht auf die Zukunft
zu nehmen. Das ist ganz irrig; denn der himmlische Vater gibt uns ein ganz
anderes Beispiel: er denkt beständig an uns und hat mit Rücksicht auf
uns die Jahreszeiten geordnet und einer jeden ihren Ertrag zugewiesen. Er
wollte mithin, dass wir ähnliche Grundsätze befolgen, und er hat es in
der Natur so eingerichtet, dass es für uns notwendig ist, zu pflanzen,
wenn wir essen wollen, zu weben, wenn wir uns kleiden wollen und uns im
voraus mit Öl zu versorgen, welches uns in der Nacht Licht geben soll.
Derselbe Grundsatz ist auf alle Angelegenheiten des Lebens anwendbar, und
wir sollten den Gedanken zurückweisen, dass unser Herr Jesus
beabsichtigte, dieser göttlichen Anordnung zu widersprechen oder sie
umzustoßen, wie sie uns überall in der Natur gezeigt wird.
Was meinte unser Herr? Das ergibt sich
aus dem griechischen Texte, der in den verbesserten Übersetzungen wie in
obiger Überschrift richtiger als von Luther („Sorget nicht für den
folgenden Tag“) wiedergegeben wird. „Seid nicht besorgt, (d.h. in
Angst), wegen des morgenden Tages.“ „Jeder Tag hat an seinem eigenen
Übel genug.“ Das Volk des Herrn sollte nicht in Angst schweben wegen
der Zukunft: „Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid inbrünstig
im Geiste, dem Herrn dienend.“ Während sie pflanzen und säen und heuen
und ernten, sollen sie im Glauben anerkennen, dass alle ihre
Angelegenheiten der göttlichen Oberleitung anvertraut sind, und dass Gott
verheißen hat, dass alle Dinge denen, die ihn lieben, zum Guten
mitwirken. Sie sollten dieser Verheißung so völlig sicher sein, dass in
ihren Herzen für die Angst kein Raum bleibt.
Es ist ein großer Unterschied zwischen
Sorglosigkeit und Unbesorgtheit. Wäre unser Herr sorglos,
verschwenderisch, gedankenlos gewesen, so hätte er den Jüngern nach der
Speisung der Volksmenge nicht geboten, die Brocken aufzuheben. Dass er es
tat, beweist, dass er an die nächste Mahlzeit, den nächsten Tag, dachte.
Aber er tat dies nicht mit Besorgnis. Die Jünger sollten nur lernen, zu
verwenden, was ihnen zuteil geworden war, und nichts zu vergeuden. Wäre
ihnen aber der Mundvorrat ausgegangen, ohne dass sie eine Schuld traf, und
wären sie augenblicklich nicht in der Lage gewesen, sich neuen zu
beschaffen, so konnten sie unbesorgt sein, und dem Herrn so fest
vertrauen, dass jede Sorge aufgehört hätte und ihre Tatkraft erhalten
bliebe. Auch Joseph legte in den sieben fetten Jahren Vorräte zurück für
die sieben darauffolgenden mageren Jahre.
Auch der zweite Text („Ihr sollte
euch nicht Schätze sammeln usw.“) darf nicht so verstanden werden, als
rate er zu oder rechtfertigte er Mangel an Sorgfalt in den Dingen des
gegenwärtigen Lebens, der Versorgung der Angehörigen usw. Es bedeutet,
dass kein irdisches Gut unser Schatz werden sollte, dass wir den
himmlischen Schatz über alle anderen schätzen sollten. An diesen sollten
wir unser Herz hängen, an ihm sich unser Gemüt fortwährend laben; im
Besitze solchen Reichtums sollten wir durch Glauben volle Gemütsruhe
haben, in unentwegtem Vertrauen auf die Verheißungen Gottes. Die Welt weiß
nichts von diesen außerordentlich großen und köstlichen Dingen, die
durch Glauben Eigentum der Neuen Schöpfung sind, wie es im Liede ausgedrückt
ist:
Ein
jedes suchet, was da sein;
Mein
Ziel bist du und du allein.
Wenn wir
Christum erwählen statt der Güter dieser Welt, so erwählen wir damit
nicht nur Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, sondern auch die Leiden
der Jetztzeit: die besonderen Prüfungen, Erprobungen, Erfahrungen, welche
denen in Aussicht gestellt sind, die in seinen Fußspuren zu wandeln
versuchen; denn die Prüfungen dienen als Zubereitung für die zukünftige
Herrlichkeit. Außerdem haben diejenigen, welche Christum suchen, die sich
völlig Gott geweiht haben, nichts Eigenes mehr. Solange sie von der Erde,
irdisch waren, betrachteten sie alle irdischen Vorteile als persönliches
Eigentum, als sie aber des Herrn Eigentum wurden, übergaben sie mit ihrem
Selbst auch, was sie ihr Eigentum nennen mochten. Angelegenheiten
betreffend Haus und Hof, Wald und Feld, Kinder, Gatten, Gattin, Brüder,
Schwestern - alles haben sie dem Herrn dargebracht, geweiht. Nichts von
alledem kann also hinfort von Neuen Schöpfungen als Eigentum, Schatz,
Sicherheit betrachtet werden.
Damit ist nicht gesagt, dass sich
Ehegatten nicht zärtlich lieben, sich nicht gegenseitig hochschätzen
sollen, dass sie ihre Kinder nicht lieben, sich über deren gute Gemüts-
und Geisteseigenschaften nicht freuen sollten, dass sie keine Freude mehr
an der Natur haben, kein Haus-, kein Vieh usw. besitzen dürfen. Aber das
ist damit gemeint, dass all dieser irdische Besitz nicht mehr als Eigentum
(Besitz
und Eigentum sind nicht gleichbedeutend; der Pächter ist Besitzer, der
Pachtherr Eigentümer des Grundstücks),
als Schatz betrachtet werden soll, nachdem man den Herrn als Schatz erwählt,
„als den Schönsten unter Zehntausend“, den in jeder Hinsicht
„Lieblichen“.
Geld sollten wir nicht lieben, nicht
verehren; wir sind nicht zu seinen Knechten berufen. Wir haben uns dem
Allmächtigen als Söhne und Knechte verdingt, und Geld ist eines seiner
Werkzeuge; sei es viel oder wenig, wir sollten es immer als ein unserem
Herrn gehörendes Werkzeug ansehen, das uns zur Verrichtung unserer Arbeit
in seinem Dienste anvertraut ist.
Aber
vergessen wir da nicht die in Matth. 19:16-22 verzeichnete Erklärung von
dem reichen Jüngling, der den Herrn fragte: „Was fehlt mir noch?“ und
darauf den Bescheid erhielt: „Wenn du vollkommen sein willst, so gehe
hin, verkaufe deine Habe und gib den Armen, und du wirst einen Schatz im
Himmel haben; und komm, folge mir nach“; und er ging traurig von dannen;
denn er hatte viele Güter. Lehrt diese Geschichte nicht, dass alle vom
Volke Gottes arm werden müssen? Ja, gewiss! Wie schwerlich werden Reiche
in das Königreich der Himmel eingehen! Es ist leichter für ein Kamel,
durch ein Nadelöhr (Bezeichnung für den Fußgängerdurchgang neben
dem Haupttor in der Stadtmauer, welcher offen blieb, wenn das Haupttor
geschlossen war, und durch welchen das Kamel hineingelangen konnte, wenn
es von seiner Last befreit wurde und niederkniete.) zu gehen, als für
einen Reichen, in das Königreich der Himmel einzugehen. Die Reichen
werden beständig von den Annehmlichkeiten des gegenwärtigen Lebens
angezogen, die ihre Götzen, ihre Schätze werden möchten. Sie haben es
in dieser Beziehung weniger leicht als die Armen, welche über wenige Güter
dieser Welt verfügen und ihr Herz daran hängen können, die mithin ein
bereitwilliges Ohr haben für die gute Botschaft von der Gnade Gottes, dem
großen Schatze, den der Herr für diejenigen in Bereitschaft hält,
welche ihm treu sind. Dagegen wäre es irrig, zu glauben, dass überhaupt
niemand dieser Welt Güter sein eigen nennen könnte, ohne sie zu
missbrauchen, zu seinen Götzen zu machen, für seinen Schatz zu halten,
und umgekehrt wäre es auch irrig, zu wähnen, dass diejenigen, denen es
an Reichtümern fehlt, dieselben nicht zu ihren Götzen machen, für ihren
Schatz halten können. Wer hat nicht von armen Leuten gehört, welche den
Reichtum verehrten und begehrten, sich nach ihm reckten und streckten und
darüber unzufrieden wurden, dass ihre Hand nicht ergreifen konnte, woran
sie ihr Herz gehängt hatten?
Wer zum Herrn
kommt, ob reich oder arm an irdischem Besitz, muss es in der festen
Absicht tun, ihm Herz und Willen und Eigentum auszuliefern; sonst kann er
nicht angenommen werden. Der Arme muss die Götzen seiner Einbildungskraft
und Bestrebungen, sein Sehnen nach noch nicht erlangtem Wohlstande, der
Reiche die Pläne preisgeben, die er bis jetzt hinsichtlich der Verwendung
seines Reichtums gemacht hat: was er hat und noch erwerben möchte oder könnte,
alles muss geweiht, dem Herrn zur Verfügung gestellt werden.
Der reiche Jüngling hätte den Rat
unseres Herrn besser verstehen können, wenn seine Herzensstellung die
richtige gewesen wäre; der Herr hätte ihm sicher weitere Auskunft
erteilt. Setzen wir den Fall, er hätte sich bereit erklärt, diese
Bedingungen zu erfüllen, um das Reich ererben zu können, und hätte
gefragt, ob er seine Herden und Häuser und Landgüter verkaufen, aus dem
einkassierten Gelde einen großen Haufen machen, dann die Armen
zusammenberufen, das Geld Handvollweise in die Luft werfen und die Armen
ermuntern sollen, den rollenden Geldstücken nachzurennen, so dürfte der
Heiland ihm ungefähr so geantwortet haben: „Aus deiner
Bereitwilligkeit, dein Geld und Gut daranzugeben, ersehe ich, dass deine
Herzensstellung insoweit richtig ist; das ermöglicht mir, dir weiter zu
helfen, dir zu zeigen, auf welche Weise du ein Gott wohlgefälliger
Verwalter der Güter sein oder werden kannst, welche du Gott zur Verfügung
gestellt hast. Da könntest du zunächst das Geld zurückziehen, das du
auf der Bank liegen hast, und verwenden. Wenn du sonst niemanden weißt,
kannst du z.B. mit einem Apostel oder Jünger hier den Anfang machen.
Denke darüber nach, welches Gute du ihnen oder anderen etwa erweisen
könntest.
„Ist das verfügbare Geld auf
nutzbringende, Gott wohlgefällige Weise verwendet worden, so kannst du
ein Haus, eine Anzahl Schafe, einen Zug Rinder oder sonst etwas verkaufen
und mit dem Erlös wiederum so verfahren, immer mit dem Gedanken vertraut
und es auszuüben suchend, dass du nunmehr Verwalter von Gütern Gottes
bist, der Rechenschaft von dir fordern wird. Wenn du bei dieser
Rechenschaft dich darüber wirst ausweisen können, dass du das Geweihte
nach bestem Wissen und Gewissen verwendest, dann darfst du erwarten, dass
auch an dich die gesegneten Worte gerichtet werden: „Du hast recht
gehandelt, guter und getreuer Knecht; gehe ein zu deines Herrn Freude.“
Die Weihung unseres Alles bedeutet
nicht, dass wir alles, was wir haben, ausschließlich für sogenannte
religiöse Werke verwenden. Als Verwalter des Herrn sollen wir fortwährend
zu erfahren suchen, was ihm angenehm sein würde, und das können wir am
besten erfahren durch Belehrung, die wir aus seinem Worte schöpfen. Dort
werden wir aufgefordert, ihn zu verherrlichen; zu diesem Zwecke sollen wir
unsere Stimmen erheben, unsere Federn in Bewegung setzen, all unser Können
und Vermögen verwenden. Da wir des Herrn sind, so sind alle gegen uns
bestehenden Forderungen, Forderungen an die nunmehr geweihte Zeit und
Habe. Ein Weib haben ist eine Forderung an uns; wir sind schuldig, für
sie zu sorgen; gleicherweise sind Kinder Forderungen an unsere Habe, Zeit
und Fähigkeiten.
Es ist Gottes Wille, dass wir diese
Forderungen anerkennen, dass wir Tag für Tag in verständiger Weise
unsere Schuldigkeit tun; dass wir Gottes Hilfsmittel nicht verschleudern,
sondern soviel wie möglich davon übrig haben zu dem besonders nützlichen
Zweck, die Wahrheit, die frohe Botschaft von der bevorstehenden Befreiung
der seufzenden Schöpfung, verbreiten zu helfen. Wenn nun die Versorgung
von Weib und Kindern, alten Eltern oder sonst wie auf uns angewiesenen
Personen eine vom Herrn als berechtigt anerkannte Verwendung des ihm
geweihten Alles bedeutet, so folgt auch, dass wir alle Verschwendung auf
diesem Gebiet unterlassen, damit um so mehr übrig bleibe für den
Hauptzweck unseres Lebens, der da ist die Verkündigung der guten
Botschaft vom nahen Königreiche Christi.
Nicht nur die augenblickliche
Versorgung der Unseren gebietet die Schrift, sondern auch, dass wir an die
Zukunft der Kinder denken und wie die Ameise für sie etwas zurücklegen.
(Spr. 6:6) Dazu ermahnt auch der Apostel in 2. Kor 12:14. Da wir von Natur
selbstsüchtig sind, sind freilich Ermahnungen in dieser Richtung weniger
nötig als Verwarnungen vor dem Gegenteil. Unsere Richtschnur sei auch in
diesem Punkte die Schrift: „Seid vorsorglich für das, was ehrbar ist
vor allen Menschen“ und: „Wenn aber jemand für die Seinigen ... nicht
sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlechter als ein Ungläubiger.“
- Röm. 12:17; 1. Tim. 5:8
Uns scheint, der hier zugrunde liegende
Gedanke sei, dass alle Eltern schuldig sind, ihren Kindern etwas mehr für
den Eintritt in den Kampf ums Dasein mitzugeben, als nur den kleinen
gebrechlichen zur Welt gebrachten Leib. Nachdem sie sie erzeugt, ist es
ihre Pflicht, zuzusehen, dass sie ihren Platz auf der Welt ausfüllen können.
Dazu gehört mehr als Nahrung und Bekleidung in den ersten Jahren; dazu
gehört Ausrüstung mit Kenntnissen und sittlichen Grundsätzen, wovon wir
oben schon geschrieben haben. Dies erfordert aber Verzicht auf das
Verbrauchen für sich im Hinblick auf die Kinder und deren Bedürfnisse.
Auch daran darf und muss gedacht werden, dass das Leben höchst ungewiss
ist, und dass wir den Kindern wegsterben können, ehe sie erwachsen sind;
für solche Fälle sind Ersparnisse recht und gut. Wir sind nicht der
Meinung, der Apostel habe die Eltern auffordern wollen, ihren Kindern große
Vermögen aufzuhäufen, über die sie sich dann streiten, und die ihnen
zum Fallstrick werden können. Das gesund zur Welt gebrachte und hernach
gut geschulte und erzogene Kind ist schon an sich wohl daran; es hat ein
reiches Erbe in sich selbst, und Eltern, die ihren Kindern ein solches
Erbteil lassen, dürfen annehmen, dass sie dabei vom Geiste eines gesunden
Sinnes geleitet worden sind, vom Heiligen Geiste, von richtiger, Gott
wohlgefälliger Anschauung, auch wenn sie den Kindern weiter nichts
hinterlassen als ein Dach, unter dem sie zu Hause sind. Solch ein Mensch
hat seine Verwalterpflicht getreulich erfüllt, und solche Kinder werden
einst erkennen, dass ihre Eltern ihrer treulich gedacht haben.
Teilnahme
an Versicherungsgesellschaften, Vereinen usw.
Wir leben in einer Zeit, wo die
Organisationen eine große Rolle spielen, und es ist unbestreitbar, dass
es unter diesen Organisationen solche gibt, die wertvolle und vorteilhafte
Einrichtungen sind. Die Versicherungsgesellschaften z.B. stehen zwar, wie
es nicht anders sein kann, auf geschäftlichem Boden und betreiben ihr
Geschäft nicht aus selbstloser Menschenliebe; sie sind aber dennoch als
menschliche Bemühungen zu betrachten, über die Folgen der Unsicherheit
des gegenwärtigen Lebens nach Kräften hinwegzuhelfen, die Not derer zu
lindern, welche durch den Tod des Erhalters in Verlegenheit geraten können.
Es ist hier nicht der Platz, die verschiedenen Arten der Versicherung zu
besprechen, nur das sei gesagt, dass es unseres Erachtens für die Kinder
Gottes nicht eine religiöse, sondern eine geschäftliche Frage ist, ob
sie sich versichern wollen oder nicht.
Wir haben Umstände gekannt, unter
denen wir es als weise betrachteten, wenn der Vater sein Leben
versicherte. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Gattin die Anschauung
des Mannes hinsichtlich der Nähe des Zeitalterwechsels nicht teilt und in
der Versicherung eine Beruhigung für ihr Gemüt erblickt. Decken sich die
Anschauungen von Mann und Frau auf geschäftlichem Boden in diesem Punkte
ungefähr, so mag er die bestehende Versicherung weiter bestehen lassen.
Wir möchten freilich nicht so verstanden sein, als ob wir die
Versicherung empfehlen. Wir sind nur der Meinung, dass die Schrift den
Neuen Schöpfungen darin keine Vorschriften macht, und dass es dem Urteil
eines jeden überlassen bleibt, ob er so oder anders handeln will.
Wir halten dafür, dass die Erfüllung
von Matth. 24:21 im Jahre 1915 stattfinden und dann unter großer Drangsal
die neue Weltordnung geboren werden wird. Bei dieser Krisis werden der
Handel, die Banken, die Versicherungsgesellschaften, die Vermögenstitel
alle zusammen von der Sturzflut verschlungen werden; dies wird einer der
Hauptzüge der großen Drangsal sein, und die Herzen aller derer werden
trauern und erzittern, welche alsdann keine andere Sicherheit, keinen
Schatz im Himmel haben.
Es ist sehr vernünftig anzunehmen,
dass die sogenannten Gegenseitigkeitsgesellschaften schon vorher und vor
den anderen fallen werden, weil sie ohne Kapital arbeiten und von den
Mitgliederbeiträgen abhängen, und weil beim Hereinbruch der Krisis die
Mitgliederbeiträge nicht nur sich nicht mehr vermehren, sondern infolge
des geschäftlichen Druckes zurückgehen werden. Der Zusammenbruch aller
dieser Genossenschaften wird die Hoffnungen vieler zerstören und vielen
große Verlegenheiten bereiten.
Jeder muss demnach nach bestem Wissen
und Gewissen bestimmen, was für ihn bei der Verwendung seines Besitzes
oder Einkommens das weiseste Verfahren sei; aber keine Neue Schöpfung,
die durch den Glauben an den Herrn sich leiten lässt, wird im Hinblick
auf die Zukunft so erschauern, dass Furcht ihr Herz erfüllt; sie wird
aber auch ihr Vertrauen nicht auf irgendeine menschliche Einrichtung
setzen, aus keiner menschlichen Einrichtung ihre Sicherheit, ihren Schatz
machen und dann gebrochenen Herzens dastehen, wenn diese Sicherheit
verloren geht.
Wie steht es mit den Vereinen,
Gesellschaften und dgl.? Ist es für die Neue Schöpfung recht oder nicht,
Mitglied solcher Gesellschaften zu sein? Bei Vereinen, welche nur die
Erleichterung der wirtschaftlichen Existenz ihrer Mitglieder im Auge
haben, halten wir dafür, dass Neue Schöpfungen mit Recht Mitglieder sein
dürfen. Anders steht es mit den Geheimbündnissen, welche, wenn wir recht
unterrichtet sind, religiös gefärbte Gebräuche haben. Wir ziehen hier
nicht gegen diejenigen zu Felde, welche solchen Geheimbündnissen angehören,
so wenig wir gegen die verschiedenen Religionsgemeinschaften zu Felde
ziehen. Wir betrachten diese wie jene als Teile der großen Babylon, von
welchen einige weniger rein sind, wohl aber alle voller Verwirrung und
Irrtum, und die von dem in der Schrift angedeuteten Organismus der auserwählten
Kirche und den von ihrem Gründer und den zwölf Aposteln gegebenen
Verhaltungsmaßregeln stark abweichen. Zu all diesen halbreligiösen
Gesellschaften, Vereinen, Gemeinschaften, Orden usw. sollten unseres
Erachtens die Neuen Schöpfungen keine Beziehungen haben. Hier gilt es:
„Gehet aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret
Unreines nicht an.“ (2. Kor. 6:17) Ihr „Gottesdienst“ und ihre
Lehren sind für uns unrein, wenn sie auch an sich selbst nicht unrein
sind. Nachdem die Augen unseres Verständnisses geöffnet worden sind,
erscheinen uns alle Dinge in einem neuen Lichte, sodass wir Dinge, die wir
einst liebten, nun hassen, und Dinge, die wir einst hassten, nun lieben.
Was aber andere Verbände und Vereine
anbelangt, welche keinen religiösen Schein haben, sondern lediglich
Erleichterungen für ihre Mitglieder zu erhalten oder zu schaffen suchen,
deren Abzeichen weiter nichts bedeuten als äußerliche Zugehörigkeit, so
haben wir durchaus nichts einzuwenden, wenn Neue Schöpfungen ihnen angehören.
Sie alle bezwecken keine Verletzung göttlicher oder menschlicher Gesetze.
Wir sehen also nicht, was dagegen eingewendet werden könnte, wenn eine
Neue Schöpfung es für nötig oder nützlich hielte, einem solchen Verein
beizutreten. Unsere Wahl und unser Rat an andere bleibt freilich, dass,
soweit dies in jedem einzelnen Falle möglich, Neue Schöpfungen nur mit
dem Herrn und den Seinigen verbunden sein und allen menschlichen
Organisationen tunlichst fern stehen sollten, aber wir wissen sehr wohl,
welch einen Kampf es kostete, bis die Arbeiterverbände sich Anerkennung
verschafft hatten, und dass es ohne sie mit den Löhnen und allgemeinen
Verhältnissen der Arbeiter bedeutend schlimmer stehen würde.
Wenn wir nun auch im allgemeinen mit
den Bestrebungen dieser Verbände herzlich sympathisieren, so können wir
doch für ihr Vorgehen nicht immer und nicht in allen Dingen die
Verantwortung mit übernehmen; denn sie handeln oft in gewalttätiger
Weise. Wir müssen mit ihrem großen Zweck, Widerstand gegen die übergroße
Anhäufung von Reichtum im Besitz der Selbstsüchtigen, sympathisieren.
Darum erachten wir, dass Brüder, die in Ortschaften wohnen, wo die
Arbeiterorganisationen Einfluss haben und die Löhne hoch erhalten, diesen
einen dem Mitgliederbeitrage gleichen Betrag freiwillig und regelmäßig
zahlen und den von dort erhaltenen Befehlen, sofern sie nicht wider das
Gewissen verstoßen, nachkommen sollten, aber ohne Mitglieder zu werden;
sie können ja ihre Gründe dafür kurz angeben, wenn sie ihren Beitrag
bringen. Das wird beweisen, dass sie nicht aus Abneigung gegen den
Mitgliederbeitrag, sondern aus Liebe zur Freiheit nicht eintreten, und
dass sie nicht von den Früchten der Arbeiterbewegung genießen wollen,
ohne zu deren Kosten das Ihrige beizutragen.
Kann die Mitgliedschaft nicht vermieden
werden, so finden wir in der Schrift kein Verbot, das sich ihr in den Weg
stellen würde, insbesondere dann nicht, wenn die Mitgliedschaft eine
Existenzfrage wäre. Neue Schöpfungen können ja dann den Sitzungen meist
fern bleiben und ihre Gegenwart für solche Sitzungen sparen, in welchen
sie voraussichtlich ein gutes Wort zu gelegener Zeit einlegen, und zur
Erhaltung von Frieden und Gerechtigkeit beitragen können. Wird eine
Arbeitseinteilung angeordnet, mögen sie mitmachen, aber an nichts
teilnehmen, was die öffentliche Ordnung stören oder die Freiheit anderer
beeinträchtigen könnte; dass sie hierfür nicht zu haben sein würden,
sollten sie den Vereinsbehörden mitteilen, damit sie nicht zu solchen,
ihrem Gewissen zuwiderlaufenden Diensten, beordert werden.
Verkehrter
Eifer
„Sich in
fremde Sachen zu mischen“, bezeichnet die Schrift als tadelnswert (1.
Tim. 5:13; 1. Petr. 4:15), und ist mithin nicht vereinbar mit der neuen
Gesinnung der Neuen Schöpfung. Selbst die Kinder des gegenwärtigen
Zeitlaufes sind weise genug in ihrem Geschlechte, einzusehen, dass bei der
kurzen Spanne Zeit, die ihnen zugemessen ist, die eigenen Angelegenheiten
sie vollauf in Anspruch nehmen, und dass dieselben darunter leiden würden,
wollte man fremden Dingen soviel Zeit widmen, um sie gründlich zu
verstehen. Wie viel mehr sollten Neue Schöpfungen, gezeugt vom Herrn zu
neuer gesunder Gesinnung, dies einsehen! Außerdem haben sie zu solchem
Einmischen noch weniger Zeit als andere Menschen, da ihre ganze Zeit, ihre
Fähigkeiten, ihr Einfluss dem Herrn und seinem Dienste geweiht sind.
Wenn Neuen Schöpfungen ein gesundes
Urteil in dieser Richtung noch abgeht, so werden sie durch die Ermahnungen
der Schrift darin geleitet. Auch einiges Nachdenken darüber, wie wenig
Zeit ihnen für die Erfüllung ihrer Weiheverpflichtungen bleibt, wird
ihnen dazu behilflich sein. Auch wird es ihnen helfen, wenn sie sich
vergegenwärtigen, dass Einmischung in fremde Sachen der goldenen
Lebensregel der Nächstenliebe zuwiderläuft. Sicherlich sähen sie selbst
es ungern, wenn jemand sich in ihre persönlichen Angelegenheiten mischen
wollte; darum sollten sie es anderen gegenüber so halten, wie sie wünschen,
dass es ihnen gegenüber gehalten werde. So ermahnt auch der Apostel (1.
Thess. 4:11), „euch zu beeifern, stille zu sein und eure eigenen Geschäfte
zu tun.“
Diese natürliche Neigung, für die
Sachen anderer Leute zu sorgen, da und dort mit dem Steuer der eigenen
Weisheit nachhelfen und einen anderen Kurs herbeiführen zu wollen,
Splitter aus dem Auge des Bruders zu ziehen, wobei der Balken im eigenen
Auge nicht bemerkt wird (Matth. 7:3-5), macht sich zuweilen bei der Neuen
Schöpfung in einer besonderen Gestalt geltend. Sie bildet sich ein, es
sei ihre „Pflicht“, zu raten, zu untersuchen, zu tadeln, zu bessern
usw.; es zu unterlassen, sei Sünde. In diesem Falle wird die Neigung zu
einer durch das missleitete Gewissen verschärften Sucht, welche zuweilen
aufrichtige Leute, wirkliche Neue Schöpfungen, gänzlich verhindert, im
Dienste des Herrn das zu tun, was sie tun möchten.
Nehme ein
jeder sich selbst in Acht und Zucht und lerne den Anforderungen der Liebe
und Gerechtigkeit zu entsprechen, lerne den Unterschied zu machen zwischen
brüderlicher Nachhilfe und ungehöriger Einmischung. Soweit unsere
Beobachtung reicht, würde sicherlich solche Selbstzucht bei der Welt wie
beim Volke Gottes vielfach zur Folge haben, dass es sich vielen
Kritisierens enthalten würde; denn ein wenig Nachdenken über die
Forderungen der Liebe und Gerechtigkeit lässt dieselben immer als
berechtigt erscheinen. Die Folgen solcher Einsicht würden sich beim
gegenseitigen Verkehr in vorteilhafter Weise fühlbar machen.
Bevor wir uns
in fremde Sachen mischen, werden wir gut tun, uns die Frage vorzulegen:
„Geht es mich etwas an?“ In den meisten Fällen, wo wir mit der Welt
in Berührung kommen, wird es uns klar werden, dass wir da nichts zu
tadeln oder zu kritisieren haben. Wir sind vom Herrn berufen worden und
haben uns vom Laufe dieser Welt abgewandt, um auf dem schmalen Pfade zu
wandeln. Das ist unsere Aufgabe. Wir sollten wünschen, dass die Welt uns
nicht behelligt, damit wir ungestört dem Herrn folgen können; da müssen
wir auch die Welt unbehelligt lassen und unsere gute Botschaft für die
sparen, welche Ohren haben zu hören. Da die Welt nicht vom Herrn berufen
worden ist und nicht auf dem schmalen Pfade wandelt, hat sie Anspruch
darauf, ihre eigenen Wege selber zu bestimmen. Sie hat das Recht, von uns
zu erwarten, dass wir uns nicht in ihre Angelegenheiten mischen, ja nicht
einmal zu mischen wünschen. Das wird nicht verhindern, dass unser Licht
zu scheinen fortfährt, und dass von uns ein indirekter Einfluss auf die
Welt ausgeht, der weder tadelnder Worte noch zudringlicher Einmischung
bedarf, um sich geltend zu machen.
Betreiben wir ein Geschäft in
Gemeinschaft mit einem Kinde des gegenwärtigen Zeitlaufes, dann freilich
wird es nicht Einmischung in fremde Sachen, sondern Besorgung der eigenen
Angelegenheiten sein, wenn wir unsere Aufmerksamkeit dem Gegenstande
zuwenden. Auch das ist noch nicht Einmischung in fremde Sachen, wenn der
Hausvater sich um alle Angelegenheiten der Familie kümmert; doch darf
dies nicht auf Kosten der individuellen Rechte der Angehörigen geschehen.
Der Hausvater sollte die ihm von Gott übertragene Autorität liebevoll
und weislich geltend machen, jedoch nicht zur Gewaltherrschaft ausarten
lassen. Die Eigenheit, Vorliebe und den Geschmack des Weibes sollte er in
Betracht ziehen, und auf ihrem Gebiete sollte sie volle Autorität haben
als seine Gehilfin, als Hausbewahrerin, in seiner Abwesenheit endlich
sollte sie den Gatten in allen Familienangelegenheiten zu vertreten in der
Lage sein. Auch den Kindern gebührt je nach ihrem Alter eine gewisse
Eigenheit in persönlichen Dingen; die Oberaufsicht des Vaters sollte nur
über die Erhaltung der Ordnung und des Friedens sowie über die körperliche,
geistige und sittliche Entwicklung der Kinder sich erstrecken. Kinder
sollten früh daran gewöhnt werden, nicht miteinander zu streiten, sich
nicht gegenseitig in ihre persönlichen Angelegenheiten zu mischen, mit
einem Worte, die goldene Lebensregel der Nächstenliebe im Verkehr
untereinander zu beobachten.
Nirgends ist es so wichtig, die Warnung
der Schrift vor Einmischung in fremde Dinge zu beachten, als gerade im
Schosse der Herauswahl, und in diesem Punkte sollten die Ältesten mit
gutem Beispiel vorangehen. Brüder sollten sich erinnern, dass es nicht
Gottes Absicht ist, dass sie sich, der eine in die Angelegenheiten des
anderen, mischen und darüber diskutieren. „Redet Böses über
niemanden“, gilt hier wie anderswo; wo aber die Neigung zur Einmischung
besteht, wenn es auch nur Grübeln über die Verhältnisse des anderen
ist, kommt üble Nachrede mit ihrem ganzen Gefolge von Zorn, Bosheit, Haß
und Streit, von allen Werken des Fleisches und des Teufels, wie wir in
Kol. 3:5-10 nachlesen können. Oftmals entwickelt sich aus einem kleinen
Samenkorn böser Nachrede eine große Wurzel der Bitterkeit, durch die
viele zu Schaden kommen. Wer die neue Gesinnung hat, wird die Schädlichkeit
schlechten Handelns von alledem ohne weiteres einsehen und danach
trachten, zu Hause und in der Nachbarschaft das gute Beispiel zu geben.
Die Welt erkennt wohl in Mord und Diebstahl strafbare Vergehen; aber es
bedarf vollkommener Begriffe von der Gerechtigkeit, um zu begreifen, dass
vor dem göttlichen Gesetz einer, der seines Nachbarn guten Namen durch üble
Nachreden stiehlt, einem Mörder und Räuber gleichgeachtet ist. Feiner
geartete natürliche Menschen empfinden das übrigens auch, wie auch ein
Dichter sagt: „Wer meine Börse stiehlt, der stiehlt alten Kram, wer
aber meinen guten Namen beschmutzt, der stiehlt, was ihn nicht reicher,
mich aber arm macht.“
„Gott
preisen und den Menschen fluchen“
Kein Wunder, dass der Apostel Jakobus
die Zunge „ein unstetes Übel, voll tödlichen Giftes“ nennt. Kein
Wunder, dass er erklärt, sie sei das Glied am Leibe, das am schwersten in
Zucht gehalten werde, dass sie den Lauf der Natur entzündet. (Jak. Kap.
3) Wer hat das nicht an sich selbst erfahren? Wer ist, der noch nicht wüsste,
dass die Hälfte der Widrigkeiten in unserem Leben auf ungebändigte
Zungen zurückgeführt werden kann? Dass unüberlegte verletzende Worte
Kriege entzünden, welche Millionen verschlungen und Hunderte und Tausende
von Menschenleben gekostet haben? Dass die Hälfte aller Prozesse daher
stammt, und mehr als die Hälfte aller Trübsal, an der die Menschheit
seit 6000 Jahren leidet? „Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und
mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes geworden sind.
... Dies, meine Brüder, sollte nicht also sein.“ (Jak. 3:9, 10) Ein
Christ, der nur gelernt hat, nicht zu stehlen und zu morden, der aber mit
seiner Zunge den guten Ruf seines Nächsten schädigt, hat recht wenig
Fortschritte gemacht auf dem rechten Wege und ist noch recht weit von dem
Zustande entfernt, in welchem allein er Bürger des Königreiches der
Himmel sein kann.
Ja, auch nachdem wir einmal erkennen
gelernt haben, wie verderbt die Zunge im Mittelpunkt unserer gefallenen
Natur ist, auch dann noch merken wir, wie außerordentlich schwer es ist,
sie zu zügeln. Wir erinnern deshalb an das einzig richtige Mittel, das
vom Herrn selbst angegeben worden ist: Die Erfüllung des Herzens mit
Erkenntnis der Wahrheit und Liebe zum Guten. „Wes das Herz voll ist, des
fließt der Mund über.“ Haben wir also noch viele Mühe mit unserer
Zunge, so beweist es, dass es noch an dem Inhalt unserer Herzen fehlt. Je
mehr dieser in Ordnung kommt, um so geringer wird die Mühe werden, die
uns die Bändigung der Zunge kostet. Wer stets mit Verachtung von anderen
spricht, verrät ein hochmütiges Herz voller Herrschsucht und
Selbstbewusstsein. Wer stets Böses aussagt von seinem Nächsten, gerade
heraus oder hinten herum, dessen Herz ist nicht rein, nicht voll von der
Liebe Gottes; denn „die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses“, nicht
einmal in Gedanken, sie „denkt nichts Böses“; sie erlaubt sich nicht
einmal, Böses vom Nächsten zu glauben oder zu vermuten. Sie wird im
Zweifelsfalle stets das Bessere, ihm Günstigere, glauben.
Die Selbstliebe ist meist mächtig
genug, zu verhüten, dass jemand etwas sagt, das ihm selbst schadet.
Richtige, selbstlose Liebe liebt nun den Nächsten wie sich selbst und
wird deshalb ebenso wenig etwas zu Ungunsten des Nachbarn oder Bruders
sagen oder andeuten, wie sie es für das liebe Selbst tut. Daraus geht
hervor, wie wichtig es für die Neue Schöpfung ist, vollkommene Liebe zu
haben. Gott gegenüber wird die vollkommene Liebe uns zu größerem Eifer,
zu größerer Tatkraft und völligerer Hingabe im Dienste des Herrn
treiben; den Menschen gegenüber wird sie uns antreiben, nicht nur gerecht
und liebevoll zu handeln, sondern auch zu reden und zu denken. Das ist der
Heilige Geist (die heilige Gesinnung), um den uns unser Erlöser bitten
lehrte, und von dem er sagte, der himmlische Vater gebe ihn noch
bereitwilliger als irdische Eltern ihren Kindern gute Gaben geben.
Freilich kann um diese heilige Gesinnung nur dann aufrichtig gebetet
werden, wenn wir von Herzen wünschen und bestrebt sind, Liebe zum Inhalt
all unseres Tuns, Redens und Denkens zu machen. Steht es so mit uns, dann
werden wir Kinder sein unseres Vaters im Himmel und wert erachtet werden
seiner Liebe und aller köstlichen Dinge, welche er verheißt und vorbehält
denen, die ihn lieben.
Gesellschaftliche
Verpflichtungen
Solange die Neue Schöpfung den
adamitischen Leib als Organ hat, kommt sie durch diesen mit natürlichen
Menschen in Berührung und hat daher gewisse Verpflichtungen gegenüber
der menschlichen Gesellschaft. Die neue Gesinnung hungert natürlich nach
Verkehr mit anderen Neuen Schöpfungen, und je mehr Fortschritte sie
macht, um so größer wird die Kluft, die sich zwischen ihr und ihren
weltlichen Beziehungen, den Bestrebungen dieser Welt, dem Lesestoff und
den Gesprächsgegenständen der Welt auftut. Bei manchen entsteht nun die
Frage: „Wie weit soll die Neue Schöpfung, welche den Dingen dieser Welt
abgestorben ist, die Beziehungen zu ungeweihten Freunden fortsetzen?“
Diese Frage muss sich jeder Geweihte
allen Ernstes vorlegen, aber auch selbst beantworten, da nicht zwei Fälle
einander genau gleich sind und mithin allgemein anwendbare Vorschriften
nicht gegeben werden können. Der Apostel rät, dass wir nicht Umgang
haben sollen mit Übeltätern, mit solchen, deren Gebräuche uns unsauber
vorkommen, dass wir die Gesellschaft derer aufsuchen sollten, mit welchen
die neue Gesinnung sich eins fühlen kann. Es wird ohne Zweifel sehr klug
sein, diesem Rate zu folgen; denn solche Gesellschaft wird den
Eigenschaften des alten Menschen keine Nahrung zuführen und es uns
erleichtern, einem anderen Rat des Apostels zu folgen, nämlich über
„alles, was wahr, würdig, gerecht, rein, lieblich ist, was wohl
lautet“ (Phil. 4:8), nachzudenken und zu reden.
Zu unseren
Blutsverwandten freilich sollten wir mehr Zuneigung empfinden als zu der
uns innerlich und äußerlich fernstehenden Welt. Wenn uns also der Geist
des Herrn treibt, freundlich und gütig zu sein zu allen Menschen, so
sollten diese Eigenschaften zuerst und in höherem Grade, soweit
Gelegenheit vorhanden ist, unseren Verwandten zugute kommen. Doch sollte
dabei beachtet werden, dass es nicht klug noch schriftgemäß wäre, mit
allen näheren und weiteren Vettern und Basen einen ebenso intimen oder
gar intimeren Verkehr zu unterhalten als mit dem Haushalte des Glaubens.
Davon nehmen wir solche Verwandte aus, welche sich uns gegenüber auf das
Wort des Apostels berufen können: „Wenn aber jemand für die Seinigen
... nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet.“ (1. Tim. 5:8) Als
Richtschnur diene uns des Apostels Wort: „Wie wir Gelegenheit haben,
lasst uns das Gute wirken gegen alle, am meisten aber gegen die
Hausgenossen des Glaubens.“ Unsere uns ferner stehenden Verwandten
kommen im Range unmittelbar nach dem Haushalte des Glaubens.
Es war augenscheinlich die Absicht
unseres Herrn, seine Nachfolger einander näher zu bringen, eine Familie
aus dem Haushalte des Glaubens zu machen. Darum finden wir in der Schrift
die wiederholte Ermahnung und Aufmunterung, miteinander zu verkehren,
einander zu helfen und sich regelmäßig zu versammeln; darum auch die
Verheißung, dass, wo zwei oder drei versammelt seien in seinem Namen, er
mitten unter ihnen sein werde. Unseres Herrn Handlungsweise stimmt völlig
überein mit der besonderen Fürsorge, die er dem Haushalte des Glaubens
zuteil werden ließ. Denn zum Passahmahl, das gemäß 2. Mose 12:1-21 in
jeder Familie ohne Zuziehung von Außenstehenden gefeiert werden sollte,
zog er nur seine zwölf Apostel hinzu unter Ausschluss seiner und ihrer
Verwandten nach dem Fleische. Sie waren seine Familie. Denselben Gedanken
äußerte er in Matth. 12:47-50, als er denen, die ihm sagten, seine
Mutter und seine Brüder seien draußen und wünschten ihn zu sprechen,
antwortete: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? ... wer
irgend den Willen meines Vaters tun wird, der in den Himmeln ist, derselbe
ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“
Dem uns vom Meister gegebenen Beispiele
folgend, sollten wir erwarten, dass unsere Zuneigung und unser Interesse
sich vornehmlich den Mitgliedern am Leibe Christi zuwendet, den anderen
Neuen Schöpfungen. Doch nicht in der Weise, dass dabei die passenden
Beziehungen der Geschlechter oder die gegenseitigen Verpflichtungen der
Ehegatten aufgehoben würden. Die Neue Schöpfung hat auch in der Ehe die
Pflicht zuzusehen, dass den Lebensgenossen nichts von dem abgehe, was
beschafft werden kann an äußerlichen oder innerlichen Liebeserweisungen.
Nur dem Anspruche, dem Umgange mit den Genossen des Glaubens gänzlich zu
entsagen, darf und soll begegnet werden unter Hinweis auf das göttliche
Gebot: „Indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, sondern
einander ermuntern, und das um so mehr, je mehr ihr den Tag herannahen
sehet.“ - Hebr. 10:25
„Erweiset
allen Ehre“
„Als Freie, und die nicht die
Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes.
Erweiset allen Ehre; liebet die Bruderschaft; fürchtet Gott; ehret den König.“
(1. Petr. 2:16, 17) „Gebet allen, was ihnen gebührt: die Steuer, dem
die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Furcht, dem die Furcht, die Ehre,
dem die Ehre gebührt. Seid niemandem irgend etwas schuldig, als nur
einander zu lieben.“ - Röm. 13:7, 8
Nachdem die Neue Schöpfung den Geist
der Nebenbuhlerschaft und des weltlichen Ehrgeizes hat ablegen können und
erfüllt worden ist vom Heiligen Geiste, der sie hochherzig und freundlich
machte, hat sie keine Gelegenheit mehr, bei der Hochmut und Begehrlichkeit
sie verhindern könnte, die guten Eigenschaften des Herzens oder der
Gesinnung bei anderen zu würdigen. Es sollte ihr geradezu zur Freude
gereichen, die irdischen Rechte und Ansprüche anderer voll und ganz
anzuerkennen, nachdem sie selbst ihre irdischen Rechte und Ansprüche
darangegeben hat, um geistiger, himmlischer Güter teilhaftig zu werden.
Wo solche Gesinnung herrscht, da erfreuen sich auch die Regenten dieser
Welt der aufrichtigsten Anerkennung; denn diese Gesinnung schafft Bürger,
die sich ohne weiteres den Gesetzen und Forderungen unterwerfen, soweit
dieselben nichts vorschreiben, was den göttlichen Anforderungen und
Geboten zuwiderläuft ( Apg. 5:29). Da es heutzutage keine oder doch sehr
wenige Herrscher gibt, welche etwas dagegen einwenden, dass wir an einen
obersten Schöpfer glauben und ihm zu gehorchen suchen, so hat die Neue
Schöpfung alle Ursache, ihre Achtung vor dem Gesetz in jeder Weise zu
bezeugen, und gar keinen Grund zum Agitieren, Händelsuchen und
Kritisieren. Nicht etwa, dass sie nicht noch deutlicher als andere
Menschen einsähe, dass an den gegenwärtigen Zuständen vieles, sehr
vieles auszusetzen ist, zumal dieselben eine Folge der Selbstsucht sind.
Aber sie sieht eben gleichzeitig mit den Augen ihres durch Gottes Wort
erleuchteten Verständnisses, dass menschliche Bemühung und Revolution
nicht vermag, das herbeizuführen, was Not tut. Sie sieht, dass das
Zehnfache des Besten der Menschheit noch weit hinter dem zurückbleibt,
was der Herr uns gezeigt, an was zu glauben er uns gelehrt, und was
eintreten soll zur bestimmten Zeit, wenn sein Königreich auf Erden
aufgerichtet sein wird, dass alsdann der Wille Gottes auf Erden geschehen
wird, wie er im Himmel geschieht.
Die Einsicht, deren sich die Neue Schöpfung
erfreut, dass menschliche Bemühung ungenügend ist, gibt ihr ein gesundes
Urteil hinsichtlich der gegenwärtigen Zustände, wie es andere nicht in
gleichem Maße haben können. Sie kann verstehen, dass selbst bei der
schlechtesten Regierungsform, bei der ausgesprochensten Willkürherrschaft,
Ordnung und Gesetz besser gewahrt werden als bei völliger Gesetzlosigkeit
und Anarchie. Sie hat sich an den Gedanken gewöhnt, dass der große
Jehova sich der Sache annimmt, und dass sein Weg und seine Zeit allein
weise und imstande sind, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Darum
ist die Neue Schöpfung geduldig, freudevoll, hoffnungsvoll. Wie der
Apostel Jakobus es ausdrückt: „Habt nun Geduld, Brüder, bis zur
Gegenwart (parousia heißt nicht „Ankunft“) des Herrn.“ (Jak. 5:7,
8) Sein Reich wird in kurzem Gerechtigkeit und Glück über die ganze
Menschheit verbreiten.
Die Neue Schöpfung hört auch auf des
Herrn Botschaft: „Erzürne dich nicht über die Übeltäter“ - zur
bestimmten Zeit werden sie hinweggerafft werden. (Psalm 37:1, 2) Während
es also anderen sehr wichtig ist, über Politik, Volkswirtschaft u. dgl.
zu diskutieren, weiß die Neue Schöpfung, dass Gott vorausgesehen hat,
dass es so kommen werde, und dass das „Mene tekel“ gegen die gegenwärtigen
Zustände schon ausgesprochen worden ist. „Gewogen und zu leicht
erfunden“ gilt allen unseren Einrichtungen. (Dan. 5:25-28) Sie gewahrt,
dass Gottes in der Schrift verzeichnetes Urteil richtig und unabänderlich
ist, und harrt daher geduldig des Augenblickes, wo der Herr alles dem göttlichen
Willen und seinen kostbaren Verheißungen gemäß umgestalten wird. Auch
dann noch, wenn sie gewahrt, dass diese Neugestaltung zunächst große Trübsal
über die Welt heraufbeschwört, beruhigt sich die Neue Schöpfung bei den
göttlichen Verheißungen und lässt der Zukunft Schlüssel in den Händen
ihres Meisters. Sie weiß, dass, was sie auch sagen oder denken oder tun
mag, es das Ergebnis der Wege Gottes nicht ändern wird, und der Glaube an
Gottes Weisheit und Macht schafft ihrem Herzen Frieden. Nach der Aussage
des Propheten (Psalm 46:5) wird in dieser unruhigen Zeit „Zion nicht
wanken“ - ihr Vertrauen, ihre Zuversicht, ihr Glaube sind fest gegründet,
nicht auf den Sand der Unkenntnis und daraus sich ergebenden Aberglaubens,
sondern auf den ewigen Felsen des lebendigen Wortes Gottes.
Auch
erscheint es der Neuen Schöpfung weder notwendig noch klug, den Versuch
zu machen, die Welt durch die Ankündigung der kommenden Drangsal in
Schrecken zu jagen. Vor allem erinnert sie sich der Voraussage, dass die Bösen
es nicht verstehen werden. (Dan. 12:10) Sie erachtet ferner, dass die arme
seufzende Schöpfung an der Plage des Alltagslebens genug habe und nicht
erst der Angst vor der kommenden Drangsal bedarf, die sie ja doch nicht
abzuwenden vermag. Während sie es also nicht scheuen wird, den ganzen
Ratschluss Gottes da kundzutun, wo sie Anlass hat zu denken, dass sie hörende
Ohren vor sich hat, wird sie es weislich vermeiden, ihre Bemühungen
anderwärts zu vergeuden und den Zorn derer zu erregen, die den Herrn und
sein Wort nicht zu schätzen wissen. Sie wird ihre Perlen nicht vor die Säue
werfen, sondern die Weisheit von oben wird in ihrem Herzen wohnen, die da
ist aufs erste rein, sodann friedsam, gelinde, lenksam, voll
Barmherzigkeit und guter Früchte. - Jak. 3:17
Den Menschen
Ehre zu erweisen, ihrem Charakter oder ihrer öffentlichen Stellung gemäß,
den Gesetzen unterworfen zu sein, bedingt keine Teilnahme an der Regierung
dieser Welt. Wo der Abstimmungszwang gesetzlich eingeführt ist, sollte
sich die Neue Schöpfung ohne Murren fügen, an den Abstimmungen und
Wahlen teilnehmen und von ihrem Stimmrecht den gewissenhaftesten Gebrauch
machen, denen die Stimme gebend, welche sie als die besten Kandidaten
betrachtet. Wo kein Stimmzwang besteht, sollte sich, der Meinung sind wir,
die Neue Schöpfung der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen enthalten und
zwar aus folgenden Gründen:
1. Wir können nicht hoffen, unter den
Kandidaten jemanden zu finden, der unseren Anforderungen völlig
entsprechen könnte.
2. Wir können nicht hoffen, die
Abstimmung in unserem Sinne zu beeinflussen.
3. Teilnahme an Wahlen und
Abstimmungen, und was denselben vorausgeht, nehmen den Neuen Schöpfungen
viel von der gänzlich Gott geweihten Zeit und Kraft weg, die den
himmlischen Dingen und der Verkündigung der frohen Botschaft gewidmet
bleiben sollte. Außerdem würde es ihren Geist so mit politischen
Interessen erfüllen, dass ihnen nur wenig Raum mehr bliebe für das
stille Erwägen der besseren Dinge, für den Umgang mit ihrem Herrn.
4. Wer für einen Mann oder eine Partei
stimmt, wird mehr oder weniger verpflichtet, für das Wahl- oder
Abstimmungsresultat einzustehen, eventuell mit den Waffen. Wenn es nun
auch einem jeden Staatsbürger unter gewissen Umständen widerfahren kann,
zum Schutze der bestehenden Gesetze und Behörden, unter denen er lebt, zu
den Waffen gerufen zu werden, so wird doch seine Verantwortlichkeit
denselben gegenüber größer sein, wenn er zur Herbeiführung und Erwählung
derselben mitgeholfen hat. Es wird mithin für uns besser, vor dem Herrn,
vor der menschlichen Gesellschaft, vor uns selbst ehrenhafter sein, wenn
wir uns, der Schrift gemäß, als Fremdlinge in dieser Welt betrachten.
(Psalm 39:12; 1. Petr. 2:11) Fremdlinge haben den Gesetzen untertan zu
sein, das ist auch unsere Pflicht. Fremdlinge dürfen den Schutz der
Gesetze anrufen; das dürfen wir auch. Aber Fremdlinge würden sich nicht
verpflichtet fühlen, gegen ihr Herkunftsland in den Krieg zu ziehen,
dessen Behörden sie ehedem anerkannten. Fremdlinge zu sein, ist unsere
Stellung; denn sind wir nicht versetzt worden aus den Königreichen dieser
Welt in das Königreich des Sohnes Gottes, jetzt schon, da dasselbe noch
im Embryo-Zustande ist? - Kol. 1:13
Sind wir nicht Untertanen des großen Königs?
Und sind nicht die Königreiche dieser Welt mehr oder weniger die Königreiche
des „Fürsten dieser Welt“, mit der Selbstsucht als oberstem Gesetz?
Sind wir also nicht Fremdlinge und Wanderer in ihnen? Es ist freilich am
Platze, dass wir alle guten Gesetze und alle Wächter der irdischen
Gesetze lieben, und dass wir uns darüber freuen, dass die Neue Schöpfung
in ihrer großen Mehrzahl in zivilisierten Ländern lebt und alle Vorteile
dieses Vorrechtes genießt. Darum verraten wir auch unser Geburtsland,
seine Regenten und seine Gesetze nicht; allein damit ist nicht gesagt,
dass wir nun auch mit fleischlichen Waffen dafür kämpfen oder für sie
irgendeine Verantwortung übernehmen müssten, indem wir uns an Wahlen und
Abstimmungen beteiligen.
Nicht alle Regierungen freilich
entheben diejenigen, welche den Krieg für Unrecht halten, vom aktiven
Kriegsdienst; allein sie lassen doch da und dort gewisse Rücksichten
walten; z.B. durch Verwendung solcher Leute in den Sanitäts- oder
Verwaltungstruppen. Sollte aber eine Neue Schöpfung zum Dienst an der
Linie beordert werden, so hätte sie dem Befehl zu gehorchen und
anzunehmen, dass der Herr, der dies zuließ, dadurch irgend etwas Gutes für
den Ausgehobenen oder für andere wirken will. Gelingt es in diesem Falle
nicht, sich zu den Sanitätstruppen versetzen zu lassen, indem man seine
Grundsätze den zuständigen Beamten kurz mitteilt, so bleibe man in der
Linie, aber erinnere sich, dass dem Befehl, einen Nebenmenschen
niederzuschießen, Gehorsam nicht geschuldet wird.
Die
Neue Schöpfung und die Bestrebungen zur Hebung der Sittlichkeit
Jeder Angehörige der Neuen Schöpfung
sympathisiert naturgemäß mit allem, was sittlich, recht, rein und gut
ist. Beim Fortschreiten auf der einmal betretenen Bahn wird er nicht nur
reinen Herzens - das freilich in allererster Linie, sondern auch reinlich
in Kleidung und Körperpflege zu sein wünschen, und namentlich auch in
der Rede. Er wird nicht in den Irrtum der Welt verfallen, welche wähnt,
was in den Mund hineingehe, verunreinige den Menschen mehr, als was aus
demselben herausgehe. Reinheit des Herzens wird allmählich Reinheit der
Lippen herbeiführen und Sorgfalt im Essen und Trinken und in der
Kleidung, damit dem Herrn Ehre gemacht werde in allem, da wir ihm ja alles
geweiht haben. Es ist nicht unsere Sache, anderen Fesseln aufzuerlegen,
von denen die Schrift nichts sagt, aber jedes Glied der Neuen Schöpfung
sollte sich dessen immer mehr bewusst werden, dass sein Weihegelübde mit
allem und jedem in seinem Leben zu tun hat. Wer also Neigung hat zu übermäßigem
Essen oder Trinken oder zu Unordentlichkeit in seiner Kleidung, sollte
sich gründlich und im Gebet prüfen, ob er auch in allen Dingen den Herrn
verherrliche und den Einfluss, den er auf Nebenmenschen ausüben kann,
auch ganz ausnütze. Wir erlauben uns zu vermuten, dass nur sehr wenige
Neue Schöpfungen sich selber das Zeugnis geben werden, dass sie immer
gerade das essen und trinken, was auf ihre geistigen, sittlichen und
physischen Eigenschaften den besten Einfluss ausübt. Solche Selbstprüfung
wird vielmehr in den meisten Fällen offenbar machen, welchen Schaden
unsere Fähigkeiten vom Fall davongetragen und wie viel mehr sie der
Ausbesserung als der weiteren Beschädigung bedürfen.
Schmucksachen
Wir könnten mit ziemlich viel Recht
geltend machen, dass für ein wahres, treues, edelgesinntes Kind Gottes,
das sein Leben ganz im Dienste des Herrn geweiht hat, nichts zu schön
oder zu kostbar ist. Wir könnten anführen, dass die Engel des Himmels
ohne Zweifel herrlich anzuschauen sind, und könnten daraus schließen,
dass schöne Erscheinung zu dem gehöre, was Gott an seinem Volke wohl
gefalle. So möchte es auf den ersten Blick scheinen, als sollten sich die
Glieder der Neuen Schöpfung auch äußerlich soviel wie möglich mit Gold
und Edelsteinen schmücken. Doch bevor wir so entscheiden, wollen wir die
Gründe ins Auge fassen, die die Neue Schöpfung dafür hat, nicht außerordentlich
kostbare Schmucksachen zu tragen.
1. Wer besonders geschmückt
einhergeht, läuft Gefahr, hochmütig zu werden, und wir wissen alle, dass
Gefallsucht, der Wunsch, vor anderen in vorteilhafter Weise zu erscheinen,
für unser Fleisch eine sehr starke Versuchung ist und mit der Pflege der
Demut und Niedriggesinntheit nicht vereinbar ist. Was aber zum Hochmut
hin- und von der Demut wegführt, ist der Neuen Schöpfung nicht
zuträglich.
2. Weitaus die meisten Menschen
verhindert Armut am Tragen äußerer Schmucksachen. Solange die Armen
nicht die neue Gesinnung haben, ist es ganz natürlich, dass sie mit Neid
auf die Reichen sehen, und insbesondere auf jene, die ihren Reichtum zur
Schau tragen. Die Liebe zum Nächsten würde mithin die Neuen Schöpfungen
antreiben, an die Lage, in der sich andere befinden, und die Empfindungen,
die sie in ihr haben müssen, zu denken, sie nicht zu Neid und
Begehrlichkeit zu reizen, noch ihnen ihr Leben und ihr Los noch mehr zu
verbittern dadurch, dass sie Vergleiche anstellen.
3. Jedes Glied der Neuen Schöpfung hat
alles dem Herrn und seinem Dienste geweiht; das bedeutet den Entschluss,
alle Güter dieser Welt, die etwa in seinen Bereich kommen mögen, nicht
zu missbrauchen, sondern nach dem Vorbilde dessen zu gebrauchen, der unser
Erlöser und Anführer und Meister geworden ist. Dieses Vorbild ist aber
das des Opferers, nicht nur von Einfluss und Zeit, sondern auch von
Mitteln, Reichtümern usw. „Er, der reich war, ward arm um
unseretwillen.“ Darum wird jedes Glied der Neuen Schöpfung, je höher
es seinen Weihebund zu schätzen weiß, und je mehr es seinen
Anforderungen zu entsprechen sucht, auch um so bessere Verwendung finden für
die seiner Verwaltung anvertrauten Güter, als die Beschaffung außerordentlich
kostbaren Schmuckes, der das eigene Herz zu Hochmut und das andere zu Neid
hinreißen kann. Es wird sich gedrungen fühlen, einen jeden Taler so
nutzbringend wie möglich im Dienste des Herrn zu verwenden.
Wir tun vielleicht wohl daran, darauf
hinzuweisen, dass das Weihegelübde, das uns nicht gestattet, Geld für
Juwelen oder kostbare Toiletten auszugeben, auch dem Anhäufen von
Reichtum in Grundeigentum, Werttiteln usw. entgegensteht. Geld ist soviel
wert als der Gebrauch, den wir davon machen. Neue Schöpfungen, welche Güter
dieser Welt besitzen, tun also gut daran, sich ihrer Verantwortlichkeit in
dieser Sache zu erinnern und den Willen Gottes hinsichtlich der Verwendung
derselben zu erkennen zu suchen. Sie dürfen nicht vergessen, dass
Selbstsucht herabzieht, und dass, wer den großen Preis gewinnen will,
dieselbe überwinden lernen muss.
Wenn schon ein weltlicher Mann von
edler Gesinnung, der ausdrücklich erklärt, er sei kein Christ, und wenn
er überhaupt eine Religion hat, etwa Buddhist ist, es als eine Schande
bezeichnen kann, reich zu sterben, wie viel mehr sollten Neue Schöpfungen
empfinden, dass es, nachdem sie ihr alles dem Herrn geweiht, eine Schande
wäre, geweihtes Geld zu verschwenden, um sich herauszuputzen oder es
aufzuhäufen, wo doch so viel Gelegenheit ist, es in nutzbringender Weise
auszugeben. Die ganze Schöpfung seufzt und liegt in Geburtswehen, sagt
der Apostel, und der Meister selbst erklärt: „Arme habt ihr allezeit
bei euch.“ Ja gewiss, wer gütig, barmherzig, mitteilsam sein möchte,
der hat dazu hinreichend Gelegenheit. Die Neuen Schöpfungen sollten
solche Gelegenheiten erst recht wahrnehmen als Anlässe, bei denen sie
sich als weise Verwalter ausweisen und Maßhalten in persönlichen Dingen
an den Tag legen können, als Anlässe, bei denen sie von dem geistigen
Reichtum mitteilen können, der ihnen zuteil geworden ist. Sie können
dadurch Werkzeuge werden, anderen zu dem weißen Kleide von Christi
zugerechneter Gerechtigkeit zu verhelfen, des Brotes, das vom Himmel
herabgekommen ist, und dadurch dem umso mehr Ehre machen, der sie versetzt
hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht. Es sind vortreffliche
Gelegenheiten, ihr Licht umso heller leuchten zu lassen. Es unterliegt gar
keinem Zweifel, dass der Zweck, den der Herr im Auge hatte, als er seine
Sache in einem Zustande hinterließ, welcher die Geweihten zu steter
Selbstverleugnung, zum Aufnehmen des Kreuzes und zum Wandeln nach dem
Vorbilde dessen, den Gott gesandt hat, veranlasst, der war, seinem Volke
Gelegenheit zu geben, in dieser Weise zu dienen und seine Treue als
Haushalter zu beweisen.
Wir meinen nun keineswegs,
dass jemand sich selbst zum Bettler machen und so anderen zur Last fallen
sollte, indem er im Dienste des Herrn alles weggäbe, sogar bildlich
gesprochen den Samen der Aussaat. Wir meinen auch nicht, dass, um dem
Herrn größere Opfer bringen zu können, Kinder Gottes unordentlich oder
abgetragen einhergehen sollten. Unseres Erachtens ist das Richtige in
diesem Stück Reinlichkeit, Vermeidung des Auffallenden und darum
Anpassung in der Kleidung an die Umgebung und die Verhältnisse, in denen
man lebt. (Die Kosten für die Bekleidung sollten in einem vernünftigen
Verhältnis zu den Einkünften stehen.) In allen diesen Dingen geziemt es
den Neuen Schöpfungen, als leuchtende Vorbilder vor der Welt dazustehen.
Ganz besonders darauf sollten sie achten, in der Kleidung nicht mehr
Aufwand zu machen, als ihre Mittel es ihnen gestatten, nicht einen
Reichtum zu heucheln, den sie nicht haben, die ganze Lebenshaltung so
einzurichten, dass nicht alles draufgeht, sondern etwas für die laufenden
Bedürfnisse und zur Ausübung der gottähnlichen Tugenden des Wohlwollens
und der Nächstenliebe gegenüber Notleidenden übrigbleibt.