SCRIPTURE
STUDIES
VOLUME SIX - THE NEW
CREATION
STUDY
III
Die
Berufung der Neuen Schöpfung.
Die Berufenen allein wählbar.
— Wann begann die Berufung zu
dieser großen Errettung? — Die Berufung der Reue ist
noch nicht die Berufung zur göttlichen Natur. —
Die Berufung im jüdischen Zeitalter. —
Die Berufung im Evangeliums-Zeitalter. —
Warum nicht viele
Weise, Große und Mächtige berufen sind. —
Erhöhung ist der Lohn für
wahre Demut. —
Charakter ist eine Bedingung für die Berufung. —
Im
Millennium wird die Welt nicht berufen, sondern ihr wird befohlen. —
Die
Zeit für die hohe Berufung hat ein Ende. —
Die „Neue Schöpfung“ vom
Vater gezogen oder berufen. —
Christus unsere Weisheit. —
Christus unsere Gerechtmachung. —
Unterschied zwischen der zugerechneten und der tatsächlichen
Gerechtigkeit. —
Bedarf die „Neue Schöpfung“ der Gerechtmachung? —
Die Grundlage der Gerechtmachung. —
Die Gerechtmachung der
Alttestamentlichen Überwinder ist verschieden von der unseren. —
Die
Gerechtmachung im Tausendjahrreich. —
Christus unsere Heiligung. —
Die
Heiligung im Tausendjahrreich. —
Die levitischen Vorbilder zwei
verschiedener Weihungen. —
Keine der vorbildlichen Klassen erhielt einen
Anteil an dem Land Kanaan. —
Die Große Schar. —
Die zwei Teile der Heiligung. —
Der Teil des Menschen. —
Der Teil Gottes. —
Die Erfahrungen
je nach dem Charakter verschieden. —
Heiligung nicht nur vorübergehendes
Gefühl, aber auch nicht Vollkommenheit. —
„Der da heilet alle deine
Gebrechen.“ —
Der Thron der Gnade ist unentbehrlich. —
Zusammenhang
zwischen Rechtfertigung und Heiligung. —
Weihung seit dem Ende der hohen Berufung. —
Die Errettung der Herauswahl.
Die
Gelegenheit, Glieder der Neuen Schöpfung
zu werden und teilzunehmen an deren Vorrechten und Aufgaben, an deren Glück
und Herrlichkeit, ist nicht der Menschheit im allgemeinen angeboten,
sondern nur einer „berufenen“ Klasse. Das ist in der Schrift sehr
bestimmt gesagt. Israel nach dem Fleisch war vom Herrn berufen, sein
besonderes Volk zu sein, abseits von anderen Völkern und Nationen, wie
geschrieben steht: „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde
erkannt (anerkannt).“ (Amos 3:2) Israels Berufung war nicht die „hohe“
oder „himmlische“, und darum finden wir auch in den an jenes Volk
gerichteten Verheißungen keine himmlischen Dinge erwähnt. Ihre Berufung
war ein Vorbereitungsstadium, das einen Überrest des Volkes befähigen
sollte, die hohe Berufung der großen „Errettung“ zu vernehmen und
auszunutzen, „welche den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn
empfangen hat und uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört
haben.“ (Hebr. 2:3) Nach den Bedingungen der hohen und himmlischen
Berufung müssen wir also nicht im Alten, sondern im Neuen Testamente
suchen, wiewohl wir, wenn uns die Augen des Verständnisses aufgehen, so
dass wir die Tiefen Gottes gewahren, in dem Schicksal Israels nach dem
Fleisch gewisse vorbildliche Belehrungen schöpfen mögen, die für den
geistigen, mit der himmlischen Berufung bedachten Samen von Nutzen sein können.
Denn der Apostel weist uns selbst darauf hin: Israel nach dem Fleisch,
seine Gesetze, Gottes Handlungsweise mit ihm, waren Schatten oder
Vorbilder der besseren Dinge, die für jene bestimmt sind, die zur Neuen
Schöpfung berufen werden.
Da in Gottes Plan Jesus in allen Dingen
den Vorrang haben sollte, so musste auch er der erste zur Neuen Schöpfung
Berufene, das Haupt, der Hohepriester, der Führer jener neuen Klasse von
Söhnen Gottes, der Anführer ihrer Errettung, ihr Vorbild werden, nach
dem sie sich richten, ihr Vorläufer, in dessen Fußstapfen sie treten
konnten. Demnach konnte den Heiligen des Alten Bundes ein Anteil an der
Neuen Schöpfung nicht gegeben werden. Von Johannes dem Täufer sagt unser
Herr selbst: „Wahrlich ich sage euch, unter den von Weibern Geborenen
ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste
aber im Reich der Himmel ist größer als er.“ (Matth. 11:11) Und der
Apostel erklärt, nachdem er von dem Glauben und dem edlen Charakter
seiner Brüder des vergangenen Zeitalters ein begeistertes Lob gesungen
hatte: „Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen, auf dass sie nicht
ohne uns vollkommen gemacht würden.“ - Hebr. 11:40
Außerdem müssen wir uns daran
erinnern, dass niemand berufen werden kann, solange er noch um der Sünde
Adams willen verurteilt ist. Um jener „hohen Berufung“ teilhaftig
werden zu können, muss erst die Freisprechung von dem über Adam gefällten
Urteil erfolgt sein, und diese konnte dem Volke Israel durch das Blut der
Stiere und Böcke nicht zuteil werden, weil es die Sünde nicht
hinwegnehmen konnte. Jene Opfer waren nur Vorbilder der besseren Opfer,
die gegenwärtig den von der Gerechtigkeit gegen uns erhobenen Ansprüchen
genügen. Die himmlische Berufung konnte also nicht beginnen, bevor unser
Herr Jesus das Lösegeld bezahlt und uns mit seinem eigenen kostbaren Blut
erkauft hatte. Selbst die Apostel waren nur versuchsweise zur Neuen Schöpfung
berufen und als solche gerechnet, bis der Erlöser den Loskaufpreis
bezahlt, zum Himmel gefahren und daselbst das Lösegeld dargebracht hatte.
Erst dann erkannte der Vater sie am Tage der Pfingsten und zeugte sie
durch seinen Heiligen Geist zu „Neuen Schöpfungen.“ Unser Herr sagte
freilich zu den Pharisäern: „Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen,
sondern Sünder.“ (Matth. 9:13) Aber es ist ein großer Unterschied
zwischen Berufung von Menschen zur Buße und Berufung zur himmlischen
Natur und Miterbschaft mit Christo. Zu letzterer werden Sünder nicht
berufen, darum müssen wir, die wir „von Natur Kinder des Zornes“ sind,
erst von aller Schuld freigesprochen sein um des kostbaren Blutes Christi
willen.
Darum lesen wir auch in der Einleitung
des Römerbriefes (1:7), dass er gerichtet ist „an alle Geliebten Gottes,
berufene Heilige, die in Rom sind“ (an alle, die berufen sind, Heilige
zu sein, Teilhaber der göttlichen Natur zu werden), und in der Einleitung
des ersten Korintherbriefes (1:2): „Der Versammlung Gottes, die in
Korinth ist, den Geheiligten in Christo Jesu, den berufenen Heiligen, samt
allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesu Christi anrufen.“
Die Beschränkung der Berufung auf diese Klasse wird noch weiter betont in
Vers 9, der Gott als den Berufer bezeichnet: „Gott ist treu, durch
welchen ihr berufen worden seid in der Gemeinschaft seines Sohnes Jesus
Christus, unseres Herrn.“ Dies setzt eine Gemeinsamkeit, Einigkeit
voraus; die Berufung bezweckt also, unter den Menschen etliche zu finden,
die als „Neue Schöpfungen“ mit ihrem Erlöser eins werden, Miterben
werden sollen an der Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, die er als
Lohn für den erwiesenen Gehorsam empfing.
Hier werden wir an die Worte des
Apostels erinnert, die zu verstehen geben, dass wir unter ganz bestimmten
Bedingungen Miterben Christi werden können: „Wenn wir anders mitleiden,
auf dass wir auch mitverherrlicht werden.“ (Röm. 8:17) Im ersten
Kapitel des ersten Korintherbriefes zeigt der Apostel, dass die Berufung,
die er bespricht, keineswegs dieselbe ist, wie sie eine Zeitlang an die
Juden allein erging, und seine Worte zeigen weiter, dass nicht alle
berufen sind. Wir lesen Vers 24: „Den Berufenen selber aber, sowohl
Juden als Griechen (predigen wir) Christum (nicht wie den unberufenen
Juden und Griechen als Ärgernis oder Torheit, sondern) Gottes Kraft und
Gottes Weisheit.“ Im Hebräerbrief endlich hebt der Apostel in Kapitel
9:15, 16 hervor, dass die Berufung dieses Evangeliums-Zeitalters nicht
ergehen oder wirksam werden konnte, bevor nicht der Herr, durch seinen Tod,
eine Bürgschaft des Neuen Bundes wurde. „Darum ist er Mittler eines
neuen Bundes, damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen
unter dem ersten (Gesetzes-) Bund, die Berufenen die Verheißung des
ewigen Erbes empfingen.“ - Hebr. 7:22
Nicht
viele Große,
Weise oder Gelehrte berufen
Wir könnten nun natürlicherweise
annehmen, dass diese besondere Berufung, wenn sie so eingeschränkt war,
vorab beschränkt worden wäre auf die Besten des gefallenen Geschlechtes,
auf die Edelsten, Tugendhaftesten, Begabtesten. Dem widerspricht aber der
Apostel, wenn er schreibt: „Sehet eure Berufung, Brüder, dass es nicht
viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle sind,
sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, auf dass er die
Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt,
auf dass er das Starke zuschanden mache; und das Unedle der Welt und das
Verachtete hat Gott auserwählt, das, was nicht ist, auf dass er das, was
ist, zunichte mache, damit sich vor Gott kein Fleisch rühme.“ (1. Kor.
1:26-29) Als Grund hierfür gibt der Apostel an, dass Gott nicht wollte,
dass irgendein Mensch sich rühme, er habe die ihm verheißenen großen
Segnungen irgendwie verdient. Das ganze Verfahren soll dazu dienen, Engel
und Menschen erkennen zu lassen, wie machtvoll Gott ist, so dass er
niedrige, verachtete Charaktere in edle und reine zu verwandeln vermag,
nicht mit Gewalt, sondern vermittelst der reinigenden Wirkung der Wahrheit,
indem er in den Berufenen durch die Verheißungen und vor sie gesetzten
Hoffnungen beides wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken nach seinem
Wohlgefallen. Diese Vorkehrung Gottes wird nicht allein zu seiner Ehre
dienen, sondern auch jene, die er segnen will, demütig machen und daher
zu ihrem ewigen Besten dienen. Wiederholt hebt das Neue Testament hervor,
dass diese Berufung, diese große Errettung, nicht von Menschen ist, noch
durch menschliche Macht bewirkt wird, sondern eine Gnadengabe Gottes ist.
Auch ist es nicht schwer einzusehen, warum diese Berufung verhältnismäßig
wenig Anziehungskraft hat für die Hochstehenden und mehr für die
Ungebildeten.
Hochmut ist eine wirksame Kraft der
gefallenen Natur, mit welcher immer gerechnet werden muss. Jene, die
weniger tief gefallen sind als die Mehrheit ihrer Mitmenschen und deshalb
von Natur aus über dem Durchschnitt der Menschen stehen, sind befähigt,
dieses ihres Vorzuges sich bewusst zu sein, und daher ihre Überlegenheit
zu fühlen und stolz darauf zu sein. Solche könnten auch, wenn sie den
Herrn suchen und seinen Segen, seine Gunst wünschen, sich versucht fühlen
zu erwarten, dass der Herr sich mit ihnen auf einen anderen Fuß stelle
als mit ihren tiefer gefallenen, weniger edlen Mitmenschen. Gottes Maßstab
aber ist Vollkommenheit; was diesem Maßstab nicht entspricht, ist
verurteilt, und jeder Verurteilte ist auf den einen Erlöser angewiesen,
mag er mehr oder weniger vom Schaden Adams geerbt haben. Eine solche
Bedingung ist natürlich für die Kleinen in dieser Welt, für die tiefer
Gefallenen, anziehender als für die Edleren. Die Schwachen empfinden eher,
dass sie eines Erretters bedürfen, denn ihre Unvollkommenheiten sind
ihnen viel fühlbarer. Die weniger tief Gefallenen, die darüber eine
gewisse Selbstzufriedenheit empfinden, sind nicht besonders geneigt, sich
vor dem Kreuz Christi tief zu beugen und von dorther Rechtfertigung als
freie Gnadengabe zu empfangen, auf sie allein gestützt dem Thron der
himmlischen Gnade zu nahen und von dort Begnadigung und gnädige Hilfe
entgegenzunehmen. Sie sind eher geneigt, sich auf ihr eigenes Verstehen zu
verlassen und mit sich selbst so zufrieden zu sein, dass sie nicht
eingehen können durch die enge Pforte und nicht auf dem schmalen Wege
wandeln.
Gott setzt eine Belohnung aus für die
Demut, die von denen erwartet wird, die eingeladen werden, Glieder der
Neuen Schöpfung zu werden. Der Apostel sagt (1. Petr. 5:6): „So demütiget
euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf dass er euch erhöhe zur
rechten Zeit.“ Er weist auf das Vorbild hin, Christum Jesum, der sich
selbst erniedrigte, verachtet wurde, eine geringere Natur annahm und den
Tod, ja, den schmachvollen Kreuzestod erlitt, und der wegen dieser Demut
und dieses Gehorsams so hoch erhöht wurde. Denn „Gott widersteht dem
Hochmütigen, dem Demütigen aber gibt er Gnade.“ (1. Petr. 5:5) Ihr
seht eure Berufung, Brüder, dass nicht viele Große und Weise und
Gelehrte berufen sind, sondern meist solche, die in den Augen der Welt
arm, aber an Glauben reich sind. Wie auf die Demut, so setzt Gott auch auf
den Glauben eine Belohnung. Für seine Neue Schöpfung sucht er solche,
die ihm ganz zu vertrauen gelernt haben, sich an seiner Gnade genügen
lassen und in der Kraft, die er verleiht, die Vorbedingung zu ihrer Erhöhung
erfüllen, das heißt den Sieg, zu dem er sie beruft, davontragen.
Dennoch
ist Charakter eine Vorbedingung für die Berufung
Wenn nun Gott auch nicht die Großen,
Weisen und Gelehrten beruft, so dürfen wir daraus nicht schließen, dass
sein Volk nun niedriger Gesinnung und unwissend sei im Sinne von
heruntergekommen, verderbt und böse. Im Gegenteil; der Herr beurteilt,
die er ruft, nach dem denkbar erhabensten Maßstab. Sie sind berufen zur
Heiligkeit, zur Reinheit, zur Treue, zur Gerechtigkeitsliebe. Sie sollen
diese Dinge für sich selbst von Herzen hochschätzen und danach wandeln,
zur Ehre dessen, der sie berufen hat aus der Finsternis zu seinem
wunderbaren Licht. (2. Petr. 1:3; 1. Petr. 2:9) Die Welt mag sie nur nach
dem Fleische kennen, und nach dem Fleische mögen sie nicht edler und
feiner sein als andere, oftmals weniger edel und fein; aber ihre Annahme
bei dem Herrn erfolgte nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist,
nach ihrem Herzen und ihren Absichten. Folglich sind sie von dem
Augenblick an, da sie die Gnade Gottes in Christo und die Vergebung ihrer
Sünden annehmen und sich dem Herrn weihen, gerechnet, als wären sie den
Schaden, der ihnen als Kinder Adams anhaftet, losgeworden; sie werden
gerechnet, als ob ihr Fleisch in das Kleid des Verdienstes Jesu Christi
gehüllt wäre, das alle ihre Gebrechen deckt. Die neue Gesinnung, der
neue Wille ist die von Gott angenommene, berufene Neue Schöpfung; mit
dieser allein handelt er.
Gewiss, die neue Gesinnung wird sich
beim Erstarken als edel, ehrenhaft und aufrichtig ausweisen, und immer
mehr Beherrschung über das Fleisch gewinnen, so dass jene, die da draußen
sind und die Neue Schöpfung nicht erkennen, wie sie auch den Herrn nicht
erkannt haben, sich schließlich wundern über die guten Werke, den
heiligen Wandel, den Geist eines gesunden Sinnes jener Neuen Schöpfungen,
auch dann noch, wenn sie dieselben auf unedle Beweggründe zurückführen.
Trotz des allmählichen Wachstums der neuen Gesinnung, trotz ihrer allmählichen
Annäherung an die Gesinnung des Herrn, mögen sie vielleicht niemals zur
vollen Beherrschung des sterblichen Leibes, in welchem sie wohnen,
gelangen; doch muss es der Zweck aller ihrer Bemühungen sein, Gott auch
in ihrem Leibe zu verherrlichen, so gut wie in ihrem Geist, ihrer
Gesinnung, die sein Eigentum sind. - 1. Kor. 6:20
Lasst uns einige Charakterzüge der „Neuen
Schöpfung“ hier anführen. Der Apostel richtet an sie eine Ermahnung,
die wert ist, beherzigt zu werden: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens;
ergreife das ewige Leben, zu welchem du berufen worden bist.“ (1. Tim.
6:12) Diese Neuen Schöpfungen sollen nicht erwarten, den Sieg und den
darauf gesetzten großen Preis zu erringen ohne Kampf mit dem Widersacher,
der sie überall umgebenden Sünde und der Schwachheit ihres eigenen
Fleisches, wiewohl jene gemäß den Bestimmungen des Gnadenbundes durch
Christi Verdienst zugedeckt ist.
Wiederum ermahnt der Apostel diese
Klasse: „Wandelt würdig des Gottes, der euch zu seinem eigenen Reich
und seiner eigenen Herrlichkeit beruft.“ (1. Thess. 2:12) Die Neue Schöpfung
darf sich nicht darauf beschränken, ihre Berufung und schließliche
Belohnung in der Herrlichkeit des Königreiches zu erkennen; sondern sie
muss sich dessen bewusst sein, dass sie im gegenwärtigen Leben ein
Vertreter Gottes und seiner Gerechtigkeit geworden ist, auf dass sie
demgemäss zu wandeln suche. So lesen wir auch: „Wie der, welcher euch
berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es
steht geschrieben: Seid heilig, denn ich bin heilig.“ (1. Petr. 1:15,
16) Und wiederum: „Verkündigt die Tugenden dessen, der euch berufen hat
aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ - 1. Petr. 2:9
Neue
Schöpfungen, Israeliten nach dem
Geiste, sind keinen besonderen Gesetzen, wie die Israeliten nach dem
Fleische es waren, unterworfen. Sie stehen unter dem „Gesetz der
Freiheit“, auf dass sie ihre Liebe für den Herrn nicht nur darin
erweisen können, dass sie freiwillig alle Dinge vermeiden, von denen sie
wissen, dass der Herr sie missbilligt, sondern auch darin, dass sie
menschliche Rechte und Interessen darangeben im Dienste der Wahrheit und
Gerechtigkeit, für den Herrn und die Brüder. Darum sagt der Apostel: „Gott
hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligkeit.“ (1.
Thess. 4:7) Und wiederum: „Ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder;
allein gebrauchet nicht die Freiheit zu einem Anlass für das Fleisch“
(Gal. 5:13), zu üblem Tun; gebrauchet eure Freiheit vielmehr zum Hingeben
gegenwärtiger Rechte zugunsten der Wahrheit und des Dienstes an ihr, auf
dass ihr so opfernde Priester der königlichen Priesterschaft sein möget,
die mit der Zeit im Reiche Gottes herrschen werden als Miterben Christi,
um der Welt die Segnungen Gottes auszuteilen.
Zahlreich sind die Schriftstellen,
welche zeigen, dass die Berufung der „Neuen Schöpfung“ eine Berufung
zur Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit ist. (Phil. 3:14; 2. Petr. 1:3
usw.) Aber stets zeigt der Herr, dass der Weg zu dieser Herrlichkeit
schmal ist und durch Opfer, Prüfungen und Erprobungen führt. Nur wer von
seinem Geist gezeugt, ja, davon erfüllt ist, wird schließlich ein Überwinder
werden und die herrlichen Dinge erreichen können, zu denen er berufen
war. Der Weg zu ihnen ist für die Berufenen gangbar gemacht worden durch
den, der verheißen hat: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird
in Schwachheit vollbracht.“
Wir dürfen nicht glauben, dass es
verschiedene Berufungen gebe, sondern müssen eingedenk sein der Erklärung
des Apostels: „Ihr seid berufen worden in einer Hoffnung eurer Berufung.“
(Eph. 4:4) Wer also denkt, er habe die Wahl in dieser Angelegenheit, der
irrt. Im zukünftigen Zeitalter wird es für die Welt keine Berufung geben;
Gott wird alsdann keine besondere Klasse mehr herauswählen, die er
absondern, auszeichnen und zu einer besonderen Stellung führen könnte.
Im Tausendjahrreich wird der Herr die Welt nicht einladen, sondern ihr
befehlen, den Gesetzen und Grundsätzen der Gerechtigkeit zu gehorchen,
jeder einzelne wird der Regierung des Tausendjahrreiches zu gehorchen
gezwungen, nicht nur eingeladen werden. Ungehorsame werden Streiche
empfangen und Unverbesserliche werden aus der Mitte ausgerottet werden,
wie geschrieben steht. (Apg. 3:23) Sie werden den zweiten Tod sterben, von
dem es keine Wiederherstellung, kein Wiederaufleben, gibt.
Wenn es auch keine zweite Berufung während
des Evangeliums-Zeitalters gibt, wie wir gesehen haben, so gibt es doch
eine zweite Klasse Geretteter während dieses Zeitalters - die Große
Schar, „deren Zahl niemand zählen kann“. (Offb. 7:9-14) Sie wird Gott
dienen in seinem Tempel und vor dem Thron, während die Braut auf dem
Thron sein wird, bestehend aus den Gliedern oder lebendigen Steinen des
Tempels. Die Glieder der Klasse der Großen Schar haben keine besondere
Berufung. Sie hätten es ebenso leicht und in einer sie selbst besser
befriedigenden Weise zu der Herrlichkeit der göttlichen Natur gebracht,
wenn sie freudigeren, volleren Gehorsam geleistet hätten. Sie werden
schließlich auch Überwinder, was durch die Palmen in ihren Händen
angedeutet ist; aber ihr Mangel an Eifer ließ sie der Teilhaberschaft an
der Überwinderklasse verlustig gehen, der Miterbschaft an der ewigen
Herrlichkeit der Neuen Schöpfung, und schon vorher des größten Teiles
der Freude, des Friedens und der Zufriedenheit, die schon in diesem Leben
das Teil der Überwinder sind. Der Rang, den sie einnehmen werden, wird,
wie wir schon früher zeigten, in manchen Punkten dem der Engel ähnlich
sein.
Die Berufung zur Neuen Schöpfung ist
auf eine bestimmte Zeit beschränkt, wie der Apostel erklärt: „Jetzt
ist die wohlangenehme Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Kor.
6:2), und: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen
nicht.“ (Hebr. 3:15) Dieser Tag, dieses Jahr, dieses Zeitalter der
Annahme begann mit der Weihung unseres Herrn Jesu. Er wurde berufen. Er
nahm sich nicht selbst die Ehre, und so ist es auch seither gehalten
worden: „Niemand nimmt sich selbst die Ehre“. (Hebr. 5:4) Gar zu
dreist wäre ein Mensch, wenn er einen Anspruch auf seine Verwandlung zur
göttlichen Natur erheben wollte, seine Verwandlung aus einem Glied der
Familie Adams, einem Erben seiner Schuld zu einem Miterben Christi an
allen Gütern und Herrlichkeiten und Ehren, deren Erbe Jesus wurde,
nachdem er der Berufung gefolgt und der rechtmäßige Erbe aller dieser Güter
für alle Ewigkeit wurde.
Diese Berufung, dieser „Tag des Heils“,
diese „Zeit der Annahme“ wird ebenso sicher einmal enden, wie sie zur
bestimmten Zeit begann. Gott hat es so geordnet, dass eine festbestimmte
Zahl Menschen zur Neuen Schöpfung gelangen soll; sobald diese Zahl voll
ist, wird der Zweck des Evangeliums-Zeitalters vollbracht sein. Wir dürfen
auch bemerken, dass, sobald die genügende Zahl berufen ist, die Berufung
aufhören muss; denn es wäre nicht vereinbar mit der Weisheit Gottes,
auch nur einen einzigen Menschen mehr zu berufen, als er zuvor bestimmt
hat, auch wenn er zuvor wüsste, wie viele Berufene des Gehorsams
ermangeln und verfehlen würden, ihre Berufung und Erwählung festzumachen,
und die daher ersetzt werden müssten. Es wäre des Allmächtigen nicht würdig,
mit seinen Geschöpfen mutwillig zu scherzen und auch nur eine einzige
Einladung mehr ergehen zu lassen, als durchgeführt werden könnte, wenn
sie angenommen wird. Die Schrift bezeugt, dass für jedes Glied der
festbestimmten zuvor beschlossenen Zahl zukünftiger Priesterkönige eine
Krone vorhanden ist, und dass für jeden, der des Herrn Berufung annimmt
und sich dem Herrn weiht, eine dieser Kronen in Bereitschaft liegt. Wir können
nun wohl nicht annehmen, dass der Herr, nachdem ein Berufener die Berufung
angenommen hat, ihm mitteilen würde, es sei jetzt keine Krone mehr verfügbar,
er müsse warten, bis ein bereits Angenommener sich als untreu erwiesen
und sein Kronenrecht verloren habe. Unseres Herrn Ermahnung: „Halte fest
was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme“, scheint nicht nur
diese bestimmte Zahl Kronen, sondern auch am Ende des Zeitalters eine Zeit
vorauszusetzen, da die ihren Bundesverpflichtungen nicht gewissenhaft
Nachkommenden verworfen und andere Anwärter auf ihre Kronen anerkannt würden.
- Offb. 3:11
Nach unserem Verständnis hat die
allgemeine Berufung zur Miterbschaft mit unserem Erlöser, zur Gliedschaft
der Neuen Schöpfung im Jahre 1881 aufgehört. Aber wir nehmen an, dass
von den damals Geweihten eine große, sich auf alle Teile der
Namenchristenheit verteilende Zahl - etwa 20.000 bis 30.000 - sich bis zum
Ende der Übergangszeit nicht werden getreu erwiesen haben. Diese werden,
wenn ihre Erprobung durchgeführt und zu ihrem Nachteil ausgefallen ist,
einer nach dem anderen aus der Schar der Berufenen ausgemerzt, um anderen,
die sich, seitdem die direkte Berufung aufhörte, geweiht haben, Platz in
der Familie Christi und seiner Miterben zu machen. Diese werden nun
ebenfalls auf die Probe gestellt und, wenn unwürdig befunden, wiederum
durch andere ersetzt, die sich in einer der Geweihten würdigen
Herzensstellung befinden. Da bedurfte es seit 1881 keiner allgemeinen
Berufung mehr. Den jetzt Zugelassenen kann die Gelegenheit, der Vorrechte
teilhaftig zu werden, geboten werden, wenn sie auch nicht unter der
allgemeinen Berufung gekommen sind, die seit 1881 nicht mehr ergeht. Sie
werden auf Probe zugelassen, je nachdem sich Gelegenheit bietet,
entstandene Lücken auszufüllen. Wir erwarten, dass dieses Gehen und
Kommen weitergehen wird, bis das letzte Glied der Neuen Schöpfung würdig
befunden worden sein wird, bis alle Kronen bleibend verteilt sind.
Der Apostel erklärt: „Ihr aber, Brüder,
seid nicht in Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb ergreife.“ (1.
Thess. 5:4) Gestützt auf die verschiedenen angeführten Schriftstellen
sind wir geneigt anzunehmen, dass in dieser Erntezeit des
Evangeliums-Zeitalters ein gewisses Maß Erkenntnis der Wahrheit über den
Plan Gottes, die Gegenwart des Menschensohnes und das Erntwerk allein
Geweihten des Herrn gegeben wird. Wir nehmen an, dass auf diese Weise die
„gegenwärtige Wahrheit“ eine gute Erprobung der wahren
Herzensstellung eines jeden Geweihten bewirken kann, gerade wie die Verkündigung
der Gegenwart des Herrn und der Ernte am Ende des jüdischen Zeitalters
die Probe für Israel nach dem Fleische war. Wir glauben ferner, dass die,
welche in dieser Erntezeit zu einer klaren Erkenntnis der Wahrheit kommen
und Beweise der Aufrichtigkeit ihres Glaubens an das kostbare Blut und
ihrer völligen Weihung geben, wenn ihnen ein klarer Einblick in den Plan
Gottes geschenkt ist, als solche angesehen werden sollten, die das Zeugnis
haben, dass sie vom Herrn angenommen sind als voraussichtliche Miterben
Jesu Christi, auch wenn sie sich erst nach 1881 geweiht haben. Hat ihre
Weihung schon stattgefunden, bevor die Berufung aufhörte, so können wir
verstehen, dass sie nach so langer Zeit in die richtige geweihte Stellung
gekommen sind, und dass die Erkenntnis der gegenwärtigen Wahrheit ihnen
als eine Gnadengabe geschenkt wurde, als ein Zeugnis dafür, dass sie den
Geist Gottes haben. Gehörten sie im Jahre 1881 noch nicht zu den
Geweihten, so dürfen wir schließen, dass sie jetzt Eintritt in die
Klasse der Berufenen erlangt haben, weil ihnen die Plätze früherer
Berufener angewiesen wurden, die es an Eifer fehlen ließen, die weder
kalt noch warm waren, und die deshalb ausgewiesen und in die Finsternis
draußen verstoßen wurden, wo sie den ihnen gebührenden Teil der
kommenden Drangsal schmecken und, weil sie auf das Wort nicht haben hören
wollen, nun mit Schlägen gezüchtigt und erzogen werden müssen. Diese
werden nach einer Zeit schwerer Trübsal zu einem Platz in der Großen
Schar gelangen, während sie, hätten sie willig und freudig gelitten, zu
einem Platz neben Christo auf dem Thron hätten gelangen können.
Wie
Gott beruft
„Aus ihm aber seid ihr in Christo
Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und
Heiligkeit und Erlösung.“ - 1. Kor. 1:30
Christus
unsere Weisheit
Die
Weisheit wird hier als der erste und insofern als der wichtigste Schritt
auf dem Wege der Errettung bezeichnet. Salomos Zeugnis stimmt damit überein,
wenn er sagt: „Weisheit ist das wichtigste; mit all deiner Kraft erwirb
Verständnis.“ Wie gut unsere Vorsätze auch sein mögen, seien wir
stark oder schwach, wir bedürfen der Weisheit, um den richtigen Weg
einzuschlagen. Das ist ein allgemein anerkannter Grundsatz. Alle, auch
selbst weniger intelligente Menschen suchen nach mehr Kenntnis und
Weisheit; selbst solche, die die verkehrten Wege einschlagen, tun dies,
weil sie ihnen am Anfang keineswegs verkehrt schienen. So war es schon bei
Mutter Eva der Fall. Sie hatte Verlangen nach Kenntnis und Weisheit; und
allein in der Tatsache, dass der Genuss der verbotenen Frucht ihr als ein
Weg zur Weisheit erschien, bestand die Versuchung zum Ungehorsam dem Schöpfer
gegenüber. Wie sehr bedürfen wir also einen weisen Berater, um uns auf
die Wege der Weisheit und des Friedens zu führen!
Und wie Mutter Eva in ihrer
Vollkommenheit eines weisen Führers bedurfte, wie viel mehr wir, ihre
gefallenen unvollkommenen Kinder! Unser himmlischer Vater hat, als er uns
zur Gliedschaft der Neuen Schöpfung berief, unsere Mängel vorausgesehen.
Er wusste, dass unsere eigene Weisheit unzulänglich sein werde; dass des
Widersachers List und seine fälschliche Weisheit uns betören könnte, um
uns Licht als Finsternis und Finsternis als Licht erscheinen zu lassen.
Darum musste uns Christus zur Weisheit gemacht werden. Um zu Gott zu
gelangen, um des Verdienstes Jesu Christi und danach der Sohnschaft
teilhaftig zu werden, bedürfen wir der Hilfe, der Anleitung, der
Weisheit, der Öffnung der Augen unseres Verständnisses, damit wir die
Vorkehrungen Gottes in seinem Sohn zu unseren Gunsten erkennen können.
Um für die Weisheit von oben hörende
Ohren zu haben, bedarf es zunächst einer ernsten Gesinnung. Wir müssen
ein gutes Maß Demut besitzen, damit wir nicht mehr von uns denken, als
sich zu denken gebührt, damit wir unsere Schwachheiten, Gebrechen und
unsere Unwürdigkeit mit Gottes Augen betrachten lernen. Wir müssen
ferner bis zu einem gewissen Grad offen und ehrlich sein, um die durch die
Demut erkannten Mängel zuzugeben und als solche zu erkennen. Wer in
dieser Selbsterkenntnis sich umsieht, nach Gerechtigkeit, nach Übereinstimmung
mit Gott, den führen Gottes Vorkehrungen hin zu Jesus als dem Retter. Wie
unvollständig wir auch zuerst die Lehre der Versöhnung verstehen mögen,
das müssen wir wenigstens begreifen, dass wir „von Natur Kinder des
Zornes sind, gleichwie die übrigen“ - Sünder; dass Christi Opfer ein
gerechtes und hinreichendes war, dass er das von Gott ausersehene
Opferlamm war (1. Mose 22), und dass Gott sein Opfer annahm; dass wir
durch seine Striemen geheilt, durch seinen Gehorsam vom Vater angenommen
werden können; dass unsere Sünden auf ihn gelegt wurden, dass er sie
wegnahm, dass seine Gerechtigkeit, sein Verdienst uns angerechnet werden
kann und unsere Mängel wie ein Kleid verhüllt. Das müssen wir einsehen
- Christus muss uns zur Weisheit gemacht sein, bevor wir dieser Kenntnis
entsprechend handeln und durch aufrichtige Annahme seines Verdienstes in
den Augen des Vaters gerecht gemacht, angenommen und geheiligt, und zu
seiner Zeit frei und herrlich gemacht werden können. Aber Christus hört
nicht auf, unsere Weisheit zu sein, wenn wir einen Schritt weitergehen,
wobei er dann unsere Gerechtigkeit wird. Nein; wir bedürfen seiner immer
noch als unsere Weisheit, als unseres weisen Beraters. Unter seiner
Leitung müssen wir einsehen lernen, wie weise es ist, sich ganz zu weihen
und dieser Weihung gemäß ein Leben in Heiligung zu führen, in völliger
Unterwerfung unter den Willen des Vaters. Bei jedem Schritt, den wir
weiter tun, ist Weisheit die Hauptsache, und durch dieses ganze Leben der
Hingabe oder Heiligung, bei jedem Schritt auf der Pilgerfahrt nach der
himmlischen Stadt, bedürfen wir der Weisheit von oben, von der der
Apostel sagte, sie sei „zuerst rein, sodann friedsam, gelinde, folgsam,
voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.“
(Jak. 3:17) Irdische Weisheit handelt nach den Erfordernissen der
Selbstsucht, des Eigenwillens, des Hochmuts, der Selbstgerechtigkeit, der
Selbstgenügsamkeit, und diese Dinge führen, wie der Apostel zeigt, zu
bitterer Eifersucht und zu Streit, weil solche Weisheit nicht von oben
kommt, sondern irdisch, sinnlich, teuflisch ist. Die himmlische Weisheit
stimmt im Gegenteil überein mit der himmlischen Liebe, die nicht groß
tut, sich nicht aufbläht, sich nicht unanständig gebärdet, nicht das
Ihrige sucht, sich nicht der Ungerechtigkeit freut, sondern sich mit der
Wahrheit freut. (1. Kor. 13:5, 6)
Diese Weisheit handelt auch nach den
Grundsätzen der Ordnung, denn wenn sie auch alle Eigenschaften, die der
Apostel Jakobus erwähnt, in sich schließt, so weist sie doch diesen
Eigenschaften ihren besonderen Platz an. Wenn auch der Geist der Weisheit
von oben friedsam ist, das heißt, den Frieden wünscht und ihn zu fördern
sucht, so gibt er doch dem Frieden nicht den ersten Platz, sondern der
Reinheit. Es ist irdische Weisheit, die Frieden um jeden Preis anrät und
das Gewissen schweigen heißt, nur um Frieden zu haben. Die Weisheit, die
rein ist, ist harmlos, ehrenhaft und offen, sie liebt das Licht, sie ist
nicht von der Finsternis, von der Sünde; sie fordert nicht, was verborgen
werden müsste; sie hält das Verborgene meist für Werke der Finsternis,
die heimlichen Dinge meist für böse Dinge. Sie ist friedsam, soweit dies
vereinbar ist mit Ehrenhaftigkeit und Reinheit, sie wünscht Frieden,
Eintracht und Einigkeit. Aber da der Friede nicht zuerst kommt, so kann
sie nur mit den Dingen von Herzen zufrieden und in voller Übereinstimmung
sein, die ehrbar, rein und gut sind.
Die himmlische Weisheit ist gelinde,
nicht barsch, rau, weder in ihren Absichten noch in ihren Methoden.
Dennoch kommt die Gelindigkeit nicht an erster, sondern erst an dritter
Stelle, nach der Reinheit, nach der Friedsamkeit. Jene, die sie haben,
sind nicht zuerst gelinde und dann rein und friedsam, sondern zuerst rein,
geheiligt durch die Wahrheit. Weil sie Frieden zu haben und zu finden wünschen,
sind sie gelinde und gerne zum Frieden bereit; aber sie können nur mit
dem Frieden machen, was rein, friedsam und gelinde ist; sie können mit
einem bösen Werk nicht ausgesöhnt werden; einen solchen Weg verbietet
der Geist der himmlischen Weisheit.
Himmlische Weisheit ist voller
Barmherzigkeit und guter Früchte. Sie freut sich der Barmherzigkeit, von
der sie sieht, dass sie einen Hauptzug des Charakters Gottes bildet, den
sie sich anzueignen bestrebt ist. Barmherzigkeit und alle guten Früchte
des Geistes unseres Herrn gehen sicherlich aus einem Herzen hervor, das
von der Weisheit von oben erleuchtet ist, und diese Früchte werden auch
reif. Aber diese Barmherzigkeit, die Rücksicht nimmt auf unwissentliche
und unwillentliche Verfehlungen und solchen Mitmenschen gerne und
hilfsbereit beispringt, kann keine Gemeinschaft haben mit solchen, die
wissentlich Böses tun, weil der Geist der Weisheit nicht in erster Linie
barmherzig, sondern in erster Linie rein ist. Darum kann die
Barmherzigkeit dieser Weisheit sich auch unwillentlichen und unwissenden
Übeltätern gegenüber bekunden.
Die Weisheit von oben wird auch als
unparteiisch bezeichnet; Parteilichkeit ist Ungerechtigkeit; und die
Reinheit, Friedsamkeit, Milde, Barmherzigkeit und die guten Früchte des
Geistes der Weisheit von oben bringen uns dahin, dass wir die Person nicht
ansehen, sie nach nichts anderem beurteilen als nach ihrer Gesinnung und
in dieser allein ihren Wertmesser sehen. Die äußere Erscheinung des natürlichen
Menschen, die Hautfarbe usw., hat für den Geist des Herrn, für den Geist
der Weisheit von oben nichts zu bedeuten. Er ist unparteiisch; er sucht,
was rein, friedsam, milde und wahr ist, wo immer es auch zu finden sei,
und unter welcherlei Begleiterscheinungen es auch auftreten mag.
Die Weisheit von oben ist ferner ohne
Heuchelei. Sie ist so rein, so friedsam, so milde, so barmherzig gegen
alle, dass die Heuchelei ganz überflüssig ist, wo jene Weisheit
herrscht. Sie unterhält kein Einvernehmen, keine Vorliebe, keine
Gemeinschaft mit dem, was sündhaft ist, weil sie Gemeinschaft und
Vorliebe hat für alles, was rein ist oder Reinheit, Frieden und
Freundlichkeit fördert. Hierbei ist kein Raum für Heuchelei.
Gott hat uns in allen diesen Punkten
die himmlische Weisheit durch seinen Sohn gegeben, nicht allein in der Ankündigung
seines Erlösungswerkes, sondern auch dadurch, dass uns der Sohn die
Gnadengaben des Geistes und den Gehorsam gegenüber dem Vater vorgelebt
hat. So belehrte er uns durch sein Wort und durch sein Vorbild. Außerdem
kommt die Weisheit von oben zu uns durch die Apostel als Christi
Vertreter, durch ihre Schriften, und ferner durch alle, die diesen Geist
der Weisheit von oben schon empfangen haben und täglich bestrebt sind,
ihr Licht in einer Weise scheinen zu lassen, die ihrem Vater im Himmel
Ehre macht.
Christus
unsere Rechtfertigung
Wir haben schon im 15. Kapitel des 5.
Bandes die Versöhnung des Menschen mit Gott, deren Grundsatz ist, dass
das Verdienst unseres Herrn Jesu allen denen zur Rechtfertigung
angerechnet wird, die es annehmen, besprochen. Hier wollen wir nun den
Sinn des gebräuchlichen Wortes Rechtfertigung oder Gerechtmachung genauer
untersuchen; denn er scheint von der Mehrheit der Kinder Gottes nur
unvollkommen verstanden zu werden.
In dem Wort „Rechtfertigung“ liegen
drei Gedanken: 1. der Gedanke der Gerechtigkeit, des Rechtsmaßstabes; 2.
dass etwas mit diesem Maßstab nicht übereinstimmt, dem vollen Maß nicht
entspricht; 3. dass die Person oder die Sache, die mangelhaft ist, gerecht
gemacht werden soll. Wir denken an folgendes Bild: In den Schalen einer
Wage liegen auf der einen Seite die Gerechtigkeit, auf der anderen Seite
der Gehorsam des Menschen. Dieser sollte das genaue Gegengewicht bilden,
aber der Gehorsam eines jeden ist mehr oder weniger mangelhaft; er bedarf
eines Zugewichts, um dem Gewicht der Gerechtigkeit voll zu entsprechen.
Adam war vollkommen erschaffen, er war eins mit Gott, ihm gehorsam. Dies
war ein richtiger, von Gott gewollter, gerechter Zustand, in dem er hätte
bleiben sollen. Durch seinen Ungehorsam aber kam er unter den göttlichen
Fluch und wurde sofort verworfen, weil er das von Gott gewollte Maß nicht
mehr erfüllte. Seine Nachkommen sind alle in Sünde geboren und in
Ungerechtigkeit empfangen; sie sind auf niedrigerer Stufe stehend ins
Leben gekommen als ihr Vater Adam; sie weichen noch mehr von dem ursprünglichen
Ebenbild Gottes, das die Gerechtigkeit fordert, ab. Es ist demnach nutzlos
für irgendeinen Nachkommen Adams, vor Gott hinzutreten, um ihn
aufzufordern, ihn zu messen und zu wägen, damit er erfahre, ob er auch
vollwertig sei und den göttlichen Maßstab absoluter Gerechtigkeit
erreiche. Da der vollkommene Mensch sein Vollgewicht durch seinen
Ungehorsam einbüsste, wie viel weniger können wir, die wir das
Vollgewicht nie besaßen, die wir unvollkommen, gefallen, herabgekommen
sind, hoffen, die Anforderungen der Gerechtigkeit ganz zu erfüllen, um
uns vor Gott zu rechtfertigen? Wir haben alle gesündigt und ermangeln des
Ruhmes, den wir vor Gott haben sollten, der Herrlichkeit, in der Adam
einst erschaffen wurde.
Wenn wir also einsehen, dass wir als
Geschlecht alle ungerecht und unvollkommen sind und niemand durch Werke
den Anforderungen der Gerechtigkeit genügen könnte, so begreifen wir
auch, dass niemand etwas übrig hat, was er als Lösegeld für seinen
Bruder Gott darbringen könnte. (Psalm 49:7) Niemand kann für den Mangel
eines anderen aufkommen; nicht nur für andere, nein, auch für sich
selbst hat er zu wenig; denn wir haben alle gesündigt und ermangeln der
vollkommenen Gerechtigkeit. Kann also Gott Sünder, gefallene Menschen,
annehmen, mit ihnen verkehren, nachdem er sie doch schon verurteilt,
seiner Gunst und des Lebens unwürdig und des Todes schuldig erklärt hat?
Er zeigt uns selbst den Weg, auf dem dies möglich ist, auf dem er gerecht
bleiben und doch jeden gerecht machen kann, der an Jesum glaubt. Er zeigt,
dass er Christum zum Mittler des Neuen Bundes bestellt, und dass Christus
die Welt durch sein eigenes kostbares Blut erkaufte; dass zur rechten Zeit
(während des Tausendjahrreiches) Christus seine große Macht an sich
nehmen, die Erde als König beherrschen und alle Geschlechter der Erde mit
einer Erkenntnis der Wahrheit segnen und den, der da will, zum Ebenbild
Gottes, wie es in Adam vertreten war, wiederherstellen werde; letzteres
aber wird durch die Erfahrungen des Falles und der Wiederherstellung noch
besonders befestigt sein. Dieses Werk der Zurückbringung der Menschen zur
Vollkommenheit wird das Werk der tatsächlichen Rechtfertigung sein, zur
Unterscheidung von der zugerechneten „Gerechtigkeit aus Glauben“ der
Herauswahl im Evangeliums-Zeitalter. Diese tatsächliche Gerechtmachung
beginnt mit der tausendjährigen Herrschaft unseres Herrn; sie wird allmählich
fortschreiten, bis jeder einzelne die denkbar günstigste Gelegenheit
gehabt haben wird, in den Besitz dessen zurückzugelangen, was in Adam
verloren ging, und noch dazu in den Besitz der Erfahrungen, was für ihn
von großem Nutzen sein wird. Gott sei gedankt für diese Zeit der tatsächlichen
Gerechtmachung, der Zurechtbringung, der Zurückführung der Willigen und
Gehorsamen aus unserem Geschlecht von der Unvollkommenheit zur
Vollkommenheit, körperlicher, geistiger und sittlicher Vollkommenheit.
Jetzt sprechen wir aber insonderheit
von der Neuen Schöpfung und von den Maßnahmen Gottes zur Rechtfertigung
dieser kleinen Zahl aus den Menschen, die er berufen hat zur göttlichen
Natur, zur Herrschaft und Unsterblichkeit. Diese bedarf der Rechtfertigung
ebenso sehr wie die Welt; denn von Natur „waren wir Kinder des Zornes
wie die übrigen.“ Solange sie als Sünder dem Todesurteil unterworfen
waren, konnte Gott mit denen, die er zur Neuen Schöpfung beruft, ebenso
wenig verkehren wie mit der Welt. Wenn die Welt gerechtfertigt, vollkommen
gemacht werden muss, bevor Gott ihr seine Gunst wieder zuwenden kann, wie
kann er mit der Herauswahl verkehren und sie zur Miterbschaft seines
Sohnes berufen, bevor sie gerechtfertigt worden ist? Es muss zugegeben
werden, dass Rechtfertigung eine notwendige Vorbedingung unserer Berufung
zur Neuen Schöpfung ist. Aber wie kann das geschehen? Müssen wir tatsächlich
zu leiblicher, geistiger und sittlicher Vollkommenheit wiederhergestellt
werden? Nein, Gott hat nicht eine tatsächliche Gerechtmachung im Fleisch
für uns vorgesehen, sondern eine zugerechnete, die in der Schrift als
„Rechtfertigung aus Glauben“ bezeichnet wird. Alle jene, die, solange
die Herrschaft der Sünde und des Todes fortdauert, auf die Botschaft der
Gnade und des Erbarmens in Christo hören und mit der Weisheit von oben so
übereinstimmen, dass sie zugeben, sie seien Sünder, die dann an des
Herrn Botschaft von der Gnade und des Erbarmens in Christo glauben, ihre Sünde
bereuen und, soweit dies möglich, gutmachen, bringt Gott nicht zur tatsächlichen
menschlichen Vollkommenheit zurück, sondern handelt mit ihnen, als wären
ihre Mängel durch das Verdienst Christi gutgemacht. Wenn er mit ihnen
handelt, so tut er es, als wären sie recht und gerecht, indem er sie
durch Glauben rechtfertigt.
Diese Glaubensgerechtigkeit wird uns
aber nur so lange zugerechnet, wie wir Glauben haben. Sie wird bezeugt
durch unsere Bemühungen, des Herrn Willen zu tun. Sobald Glaube und
Gehorsam aufhören, wird auch die Glaubensgerechtigkeit nicht mehr
zugerechnet. Dagegen hört die Glaubensgerechtigkeit nicht auf, wenn wir
einen Schritt weiter tun, nämlich den der Heiligung oder Weihung. Sie
geleitet die Neuen Schöpfungen, macht jeden Schaden gut, der uns des
Todesurteils Adams teilhaftig machen würde, und kommt auf für alle
Schwachheiten und Mängel in Worten, Gedanken und Werken, die uns zur Last
fallen, insofern sie nicht absichtlich, sondern Folgen der ererbten
Unvollkommenheit sind. Sie geleitet die Neuen Schöpfungen bis an das Ende
ihrer Pilgerfahrt, in allen Prüfungen und Proben, deren sie bedürfen, um
sich als der Neuen Schöpfung würdig auszuweisen. Darum sagt auch der
Apostel: „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo
Jesu sind, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln“
(Röm. 8:1, 4) - ungeachtet dessen, dass wir den Schatz der neuen Natur in
irdenen Gefäßen haben, und daher fortwährend ungewollte Mängel
vorhanden sind, deren geringster uns des ewigen Lebens auf jeder Stufe,
auf menschlicher wie auch auf geistiger, unwürdig machen würde, wenn wir
nicht bedeckt wären durch unser hochzeitliches Kleid, das Kleid der
Gerechtigkeit Christi, durch die zugerechnete oder Glaubensgerechtigkeit.
Wir bedürfen ihrer, und sie bleibt unser Kleid, solange wir in Christo
bleiben und noch im Fleische sind; aber sie wird aufhören, sobald unsere
Erprobung endet, sobald wir als Überwinder angenommen und der ersten
Auferstehung teilhaftig geworden sind. Wie der Apostel erklärt: Es wird
gesät in Verwesung, Unehre und Schwachheit, aber es wird auferweckt in
Unverweslichkeit, Herrlichkeit und Kraft (1. Kor. 15:42, 43), im Ebenbild
unseres Herrn, des lebendig machenden Geistes, der selbst das Ebenbild des
Vaters ist. Wenn diese Vollkommenheit einmal erreicht ist, dann bedürfen
wir der zugerechneten Gerechtigkeit nicht mehr, weil wir dann tatsächlich
vollkommen sein werden. Für die Gerechtigkeit an sich bedeutet es keinen
Unterschied, dass die Vollkommenheit der Neuen Schöpfung auf höherer
Stufe erreicht wird, als die Vollkommenheit der Welt; die Menschen werden,
wenn sie Gottes Gnade annehmen, am Ende des Wiederherstellungswerkes auch
gerecht oder vollkommen sein, wenn auch auf niedrigerer Stufe als die Neue
Schöpfung - ein jegliches vollkommen in seiner Art. Diejenigen, welche
jetzt zur göttlichen Natur berufen und durch Glauben zuvor gerechtfertigt
sind, damit sie berufen und erprobt werden können, werden nicht tatsächlich
gerecht und vollkommen sein, bevor sie in der ersten Auferstehung jene Fülle
des Lebens und der Vollkommenheit erreicht haben, in der keine Spur mehr
von der jetzigen Unvollkommenheit, die jetzt durch die zugerechnete
Glaubensgerechtigkeit nicht beseitigt, sondern nur zugedeckt ist, zu
finden sein wird.
Der
Grund oder die Grundlage unserer Rechtfertigung
Es hat in manchen Köpfen Verwirrung
angestiftet, dass unterlassen worden ist, die verschiedenen Aussagen
Gottes über diesen Gegenstand miteinander zu vergleichen. Einige haben
aus der Erklärung des Apostels, dass wir aus Glauben gerechtfertigt sind
(Röm. 3:28; 5:1; Gal. 3:24), den Schluss gezogen, der Glaube sei so
wertvoll in Gottes Augen, dass er unsere Unvollkommenheit aufwiege. Andere
verstehen die Erklärung des Apostels, dass wir aus Gnade gerechtfertigt
sind (Röm. 3:24; Titus 3:7), so, dass Gott gerecht und rein mache, wen er
wolle, ganz willkürlich, ohne Rücksicht auf den Glauben und die
Eigenschaften des Menschen. Wieder andere leiten aus der Erklärung, dass
wir gerechtfertigt sind durch sein Blut (Röm. 5:9; Hebr. 9:14; 1. Joh.
1:7), ab, der Tod Christi habe alle Menschen gerechtfertigt, ob sie
glauben und gehorchen oder nicht. Wieder andere schreiben wegen Röm. 4:25
der Auferstehung Christi die Rechtfertigung aller Menschen zu. Endlich
gibt es solche, die aus Jak. 2:24 schließen, dass es auf unsere Werke
ankomme, ob Gott uns seine Gnade zuwenden könne oder nicht.
Alle diese Aussagen der Schrift sind
Wahrheit, aber sie sind verschiedene Seiten ein und derselben Frage. Es
ist gerade so, als wenn wir ein großes Gebäude von allen Seiten
betrachten, in dieser Weise zeigen auch die Apostel bald die eine, bald
die andere Seite ihres Gegenstandes. Um ein richtiges Gesamtbild zu
erhalten, müssen wir somit alle diese Aussagen zusammenstellen.
Zunächst sind wir gerechtfertigt aus
Gnade. Es bestand durchaus keine Verpflichtung Gottes, etwas für unsere
Wiederherstellung zu tun, nachdem er uns gerechterweise verurteilt hatte.
Es war ein Akt freier Gunst oder Gnade, dass Gott, den Fall voraussehend,
bevor der Mensch erschaffen wurde, aus Mitleid das geschlachtete Lamm vor
Grundlegung der Welt zum Brandopfer und Lösegeld ausersah. Unsere Aussöhnung
mit dem Vater und die Art und Weise, wie er sie hinausführen wollte, ist
in seine freie Entscheidung gestellt.
Sodann sind wir gerechtfertigt durch
das Blut Christi, durch sein Erlösungswerk, seinen Tod, das heißt die
Gnade Gottes uns gegenüber wurde dadurch kund, dass er für uns die Fürsorge
traf, dass „Jesus Christus durch Gottes Gnade den Tod für jedermann
schmeckte“ und so die Strafe für Adam bezahlte. Und da die ganze Welt
wegen Adams Schuld unter den Fluch kam, so soll die endliche Wirkung das
Ausstreichen der Schuld der ganzen Welt sein. Lasst uns auch diesen
zweiten Punkt festhalten wie den ersten: Gottes Gnade bedient sich nur
dieses einen Kanals, so dass, „wer den Sohn hat, Leben hat; wer aber den
Sohn Gottes nicht hat, auch das Leben nicht hat, ... sondern der Zorn (das
Todesurteil) Gottes bleibt auf ihm.“ - 1. Joh. 5:12; Joh. 3:36
Drittens war es ein Teil des Planes
Gottes, dass Christus Jesus nicht nur der Erlöser des Geschlechtes,
sondern auch der Segner und Wiederhersteller aller derer werden sollte,
die mit Gott ausgesöhnt zu werden wünschen. War also einerseits der Tod
Jesu unumgänglich notwendig, um die Möglichkeit unserer Aussöhnung zu
schaffen, so hätte er nicht der Kanal zu unserer Segnung und
Wiederherstellung werden können, wenn er tot geblieben wäre. Er ist also
zu unserer Rechtfertigung auferstanden. Der Vater, der ihn als
Schlachtopfer ausersah, damit er unser Lösegeld würde, hat ihn auch
wiederum aus den Toten auferweckt, auf dass er, wenn seine Zeit gekommen
ist, die Menschen gerecht machen und zu einem gerechten Zustand zurückbringen,
mit Gott aussöhnen könne.
Viertens sind wir (die Kirche) aus
Glauben gerechtfertigt in dem Sinne, dass Gott während des gegenwärtigen
Zeitalters nicht für eine tatsächliche Gerechtmachung oder
Wiederherstellung, sondern nur für eine zugerechnete Gerechtigkeit aus
Glauben Vorsorge getroffen hat. Diese kann natürlich nur solchen
zugerechnet werden, die diesem Glauben gemäß leben. Ob wir daran glauben
oder nicht, Gottes Vorkehrungen, die er sich vorgesetzt hat, nach welchen
er handelt, und die schließlich zur rechten Zeit ihren Zweck erfüllen
werden, bleiben bestehen; aber unsere Teilnahme an den uns vor der Welt
angebotenen Vergünstigungen ist nur möglich, wenn wir glauben, und
nicht, wenn wir nicht glauben. Während des Tausendjahr-Zeitalters wird
allen die Länge und Breite des göttlichen Erlösungsplanes geoffenbart
werden. Das Königreich Gottes wird in der Welt aufgerichtet sein, und der
die Menschheit erkauft hat und mit der nötigen Macht ausgerüstet worden
ist, um alle zu segnen und zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen, wird
alle tatsächlich gerecht machen und zur Vollkommenheit wiederherstellen,
die die Gnade Gottes unter Gottes Bedingungen wünschen und annehmen
werden.
Freilich, Glaube wird auch wesentlich
sein, solange die Wiederherstellung zur tatsächlichen Gerechtmachung
fortschreitet; denn „ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu
gefallen“, und die Wiederherstellungs-Segnungen werden unter Bedingungen
verliehen werden, die Glauben voraussetzen. Aber der Glaube, der alsdann
als Bedingung für jeden weiteren Schritt der Wiederherstellung entgegen
verlangt werden wird, wird grundverschieden sein von dem Glauben, der
jetzt von denen, die zu „Heiligen“, „Miterben Jesu“, „Neuen Schöpfungen“
berufen sind, verlangt wird. Wenn das Reich Gottes aufgerichtet, Satan
gebunden sein und die Erkenntnis des Herrn die Erde füllen wird, werden
alle sehen, dass Gottes Verheißungen in Erfüllung gegangen sind. Vieles,
was jetzt nur dem Auge des Glaubens sichtbar ist, wird alsdann tatsächlich
gesehen und erkannt werden können. Aber des Glaubens werden dennoch alle
bedürfen, die auf dem Wege zur Wiederherstellung wandeln wollen, und so
wird die tatsächliche Gerechtmachung am Ende des Tausendjahr-Zeitalters
nur von denen erreicht werden, die zuvor im Glauben und in Werken
ausgeharrt haben. Wenn auch von jener Zeit geschrieben steht: „Die Toten
werden gerichtet werden nach dem, was in den Büchern geschrieben steht,
nach ihren Werken“ im Gegensatz zum Gericht der Herauswahl, das jetzt
nach ihrem Glauben erfolgt, so werden doch die Werke jener nicht ohne
Glauben sein, ebenso wenig wie unser Glaube ohne die Werke, die wir zu tun
imstande sind, bleiben kann.
Die
Bedeutung der Aussage des Apostels, dass Gott die Nationen durch Glauben
rechtfertigen werde (Gal. 3:8), geht aus dem Zusammenhang klar hervor. Er
zeigt, dass die Versöhnung der wiederhergestellten Menschheit mit Gott
nicht eine Frucht des Gesetzesbundes sein wird, sondern ein Akt der Gnade,
der von der Erfüllung der Bedingungen des Neuen Bundes abhängt, an die
geglaubt und denen nachgelebt werden muss von allen, die Vorteile davon
genießen wollen. Der Unterschied zwischen der Rechtfertigung jetzt und im
neuen Zeitalter ist der, dass die Gläubigen des jetzigen Zeitalters, wenn
sie den wahren Glauben haben, durch zugerechnete Gerechtigkeit sofort
Zutritt zum Vater erhalten, während Glaube und Gehorsam unter den günstigeren
Verhältnissen des nächsten Zeitalters nicht zugerechnete Gerechtigkeit
einbringen, sondern - am Ende der tausend Jahre des Königreiches - tatsächliche
Gerechtigkeit und Gemeinschaft mit Gott herbeiführen werden. Bis dies der
Fall ist, wird die Welt unter der Leitung des Mittlers stehen, dessen
Aufgabe es sein wird, ihr den Willen Gottes klarzumachen, überhaupt mit
ihr zu verkehren, die Gehorsamen zu bessern und wiederherzustellen, bis er
sie tatsächlich vollkommen gerecht gemacht haben wird. Wenn dies einmal
geschehen ist, wird er die Menschen ohne Fehl und Makel dem Vater
vorstellen und alsdann die Herrschaft wieder Gott dem Vater übergeben. -
1. Kor. 15:24.
Gegenwärtig sucht der Herr sich nur
eine besondere Klasse aus, die die Neue Schöpfung zu werden bestimmt ist.
Zu dieser himmlischen Bestimmung wurde niemand berufen, der nicht zuvor
zur Erkenntnis der Gnade Gottes in Christo gebracht und dadurch befähigt
worden wäre, an diese Anordnung Gottes zu glauben, auf das großartige
Endresultat des Planes Gottes ein so vollständiges Vertrauen zu setzen,
dass es einen bestimmenden Einfluss auf alle seine Entscheidungen im
gegenwärtigen Leben ausübt und das zukünftige Leben ihm so überaus
wertvoll und im Vergleich damit das gegenwärtige Leben mit allen seinen
Interessen als Verlust, als Unrat erscheint. Alle, welche in dieser
dunklen Zeit der Vorherrschaft des Bösen den Glauben an die Weisheit,
Liebe und Macht des Schöpfers festhalten, gelten vor Gott so, als hätten
sie das ganze Tausendjahrreich hindurch gelebt, und als wären sie zur
menschlichen Vollkommenheit wiederhergestellt worden. Dieser Zustand der
Rechtfertigung wird ihnen in der Absicht gewährt, sie zu befähigen, jene
menschliche Vollkommenheit, zu der sie endlich gelangen würden, als Opfer
darzubringen, so dass sie ihre als vollkommen gerechneten Leiber und alle
ihre Wiederherstellungsvorrechte, irdische Hoffnungen, Bestrebungen und
Interessen als Gott angenehme Schlachtopfer darstellen können. Solche
vertauschen die Hoffnung auf irdische Herrlichkeit mit der Hoffnung auf
die Verheißung der göttlichen Natur, der Miterbschaft mit Christo, an
die zur Erprobung unserer Aufrichtigkeit Bedingungen geknüpft sind, die
uns jetzt Leiden, Schaden und Unehre bei den Menschen einbringen.
Endlich muss diese jetzt aus Glauben
gerechtfertigte Klasse auf der Hut sein, ihren Glauben nicht durch
eigenwillige, dem göttlichen Willen zuwiderlaufende Werke zu vernichten.
Die Glieder dieser Klasse müssen wissen, dass Gott in seiner Güte ihnen
zwar ihren Glaubensstandpunkt anrechnet, ihre Übertretungen als durch das
Opfer auf Golgatha gesühnt betrachtet - sie zudeckt - sie nach ihrem
Geist, Sinn und Willen und nicht nach ihrem Fleisch und dessen Handlungen
beurteilt hat, dass er aber dennoch erwartet, das Fleisch werde soweit wie
möglich, soviel an uns ist, der neuen Gesinnung untertan gemacht und zu
jedem guten Werk benutzt werden, wo immer sich Gelegenheit bietet; und
soweit haben natürlich unsere Werke mit unserer Rechtfertigung zu tun.
Sie sind eine Bestätigung, ein Beweis der Aufrichtigkeit unserer Weihung.
Nichtsdestoweniger beurteilt uns Gott nicht nach unseren Werken, sondern
nach unserem Glauben. Wollte er uns nach unseren Werken beurteilen, so würden
wir alle als solche erfunden, die des Ruhmes ermangeln, den wir vor Gott
haben sollten. Aber nach ihren Herzen, ihren Absichten beurteilt, können
die Neuen Schöpfungen vor dem göttlichen Maßstab dank der Vorkehrung
des Gnadenbundes bestehen, indem das Verdienst des Opfers Christi für
ihre unabsichtlichen Verfehlungen aufkommt. Sicherlich kann niemand etwas
dagegen haben, dass der Herr von uns erwartet, dass wir solche Früchte
der Gerechtigkeit hervorbringen, wie sie jetzt unter der Herrschaft der
Unvollkommenheit überhaupt möglich sind. Mehr als das fordert Gott
nicht; weniger aber sollten wir nicht als vor ihm annehmbar und einer
Belohnung würdig betrachten.
Zur Erläuterung der Gnadenvorkehrung
zur Rechtfertigung aus Glauben und der Beziehungen, in denen unsere Werke
zu ihnen stehen, diene die elektrische Straßenbahn. Die Kraftstation
entspricht ungefähr der Quelle unserer Rechtfertigung, der Gnade Gottes.
Der Draht oder die Kraftleitung entspricht - allerdings nur sehr
unvollkommen - unserem Herrn Jesu, der des Vaters Mittel zu unserer
Rechtfertigung ist; der Wagen ist zu vergleichen mit den Gläubigen, und
den Leitstangen, die am Draht laufen, entspricht der Glaube. 1. Die ganze
Einrichtung spielt nur, wenn die Kraftstation Strom liefert. 2. Der Strom
gelangt nur zu dem Wagen durch den Draht. 3. Ohne den Arm des Glaubens,
der sich nach dem Herrn Jesus, dem Kanal unserer Rechtfertigung,
ausstreckt und ihn festhält, können wir keinen Segen empfangen. 4. Der
durch das Festhalten am Herrn Jesu empfangene Segen entspricht der
Erleuchtung des Wagens durch den elektrischen Strom; sie beweist, dass er
vorhanden ist und benutzt werden kann. 5. Der Motorführer und sein Hebel
entsprechen dem menschlichen Willen und 6. der Motor selbst unseren Fähigkeiten,
die der Kraft, die aus dem Glauben kommt, zur Verfügung stehen. Diese
sechs Teile müssen zusammenwirken, wenn wir Fortschritte machen sollen,
wenn wir den uns verordneten Lauf vollenden und schließlich am Ziel
angelangen sollen, das in diesem Bild unseren Platz als Neue Schöpfungen
in unseres Vaters Haus mit seinen vielen Wohnungen (seinen
Existenzbedingungen für die Söhne verschiedener Natur) darstellt.
Die
Rechtfertigung und die Alttestamentlichen Überwinder
Die Aussagen der Apostel zeigen, dass
es, schon bevor das kostbare Blut zu unserer Erlösung vergossen war,
Heilige gegeben hat. Es werden Henoch, Noah, Abraham, Isaak, Jakob, David
und verschiedene andere heilige Propheten namhaft gemacht, die aus Glauben
gerechtfertigt worden seien. Da sie nicht an das kostbare Blut glauben
konnten, welches war wohl der Glaube, der sie rechtfertigte? Wir antworten
mit der Schrift: „Sie glaubten Gott, und das wurde ihnen zur
Gerechtigkeit (Rechtfertigung, Gerechtmachung) gerechnet.“ Zwar
offenbarte ihnen Gott nicht die Methode seines Planes, wie er es uns gegenüber
tat, so dass sie nicht, wie wir, sehen konnten, wie Gott gerecht bleiben
und doch jene rechtfertigen kann, die an Jesum glauben. Und, wenn dies so
ist, dann kann ihnen auch nicht zur Last gelegt werden, dass sie nicht
glaubten, was ihnen gar nicht geoffenbart wurde. Was Gott ihnen aber
offenbarte, das glaubten sie, und jene Offenbarungen enthielten, wenn auch
nur in Keimform, schon alles, was wir jetzt haben, ungefähr so, wie die
Eichel schon den ganzen Eichbaum enthält. Henoch verkündigte das Kommen
des Messias und die Segnungen, die sich daraus ergeben würden. (Judas
14,15) Abraham glaubte Gott, dass sein Sohn das große Vorrecht haben
sollte, alle Geschlechter der Erde zu segnen. Dies setzt eine Auferstehung
der Toten voraus, weil damals schon viele Geschlechter ins Grab gesunken
waren. Abraham glaubte, dass Gott imstande sei, die Toten aufzuerwecken,
und dieser Glaube war stark genug, ihn willig zu machen, selbst Isaak, in
dem doch die Verheißungen erfüllt werden sollten, daranzugeben, indem er
folgerte, dass Gott ihn auch aus den Toten auferwecken könne. Wie viel
Abraham und andere von der Methode Gottes, die Aufrichtung seiner
Herrschaft auf Erden und die Gerechtmachung aller Gehorsamen betreffend zu
erkennen vermochten, das können wir nicht bestimmt wissen, aber wir haben
das Zeugnis unseres Herrn dafür, dass Abraham sich vom Tausendjahrreich
einen genügend klaren Begriff machen konnte, um sich darauf zu freuen.
(Joh. 8:56) Vielleicht konnte er sich sogar vorstellen, dass der Herr das
große Sühnopfer darbringen werde.
Die Rechtfertigung der Heiligen im
vorigen Zeitalter ermöglichte Gottes Freundschaft; dagegen ermöglicht
die Rechtfertigung der Heiligen des jetzigen Zeitalters Leben. Trotz
dieser Verschiedenheit ist Glaube zu beiden Rechtfertigungen notwendig.
Alle waren dem Todesurteil von Rechts wegen unterworfen, und darum konnte
niemand als freigesprochen gelten, „zum Leben gerechtfertigt sein“ (Röm.
5:18), bevor nicht von unserem Erlöser das große Sühnopfer dargebracht
worden war. Der Apostel erklärt, das Opfer sei vorher notwendig gewesen,
damit Gott gerecht bleiben und dennoch die vorher geschehenen Sünden
hingehen lassen und alle rechtfertigen könne, die des Glaubens an Jesum
sein würden. (Röm. 3:25, 26) Voraussehend, dass das Lösegeld bezahlt
werden würde, konnte die Gerechtigkeit nichts dagegen einwenden, dass es
zuvor denen verkündet werde, die solcher Gunst Gottes - eben, weil sie
seinem Worte glaubten, und deren Glaube stark genug war, um sie so weit
gerecht und zu Freunden Gottes zu machen - für würdig befunden werden
würden.
Der Apostel bezeichnet (Röm. 5:18) die
„Rechtfertigung zum Leben“ als die Vorkehrung Gottes durch Christum,
von der einst alle werden Nutzen ziehen können. Diese „Rechtfertigung
zum Leben“ ist es auch, die jetzt den zur Neuen Schöpfung Berufenen um
ihres Glaubens willen vor den übrigen Menschen zugerechnet wird. Die
Rechtfertigung der Auserwählten aber bleibt nicht stehen bei der Ermöglichung
des Einvernehmens und Umganges mit Gott als dessen Freunde und nicht
Fremde und Feinde, sondern den Auserwählten wird durch denselben Glauben
das Anrecht auf Wiederherstellung (zur menschlichen Vollkommenheit)
zuteil, gesichert durch das Opfer des Erlösers und dadurch werden sie in
die Lage versetzt, dieses Anrecht auf Wiederherstellung daranzugeben, zu
opfern, um auf diese Weise Unterpriester und Mitopferer Jesu Christi, des
großen Hohenpriesters unseres Bekenntnisses zu werden.
War es den Heiligen des alten Bundes möglich,
mit Gott in Harmonie zu kommen durch den Glauben an die Ausführung eines
Planes, der ihnen nicht vollständig enthüllt wurde und dessen Ausführung
noch nicht einmal begonnen hatte, so war es für die göttliche
Gerechtigkeit unmöglich weiterzugehen, bevor das Lösegeld tatsächlich
bezahlt und Christus gestorben war. Darum sagt der Apostel (Hebr. 11:40),
dass „Gott für uns (die Herauswahl des Evangeliums-Zeitalters, die Neue
Schöpfung) etwas Besseres vorgesehen habe, auf dass sie (die demütigen
und glaubenden Heiligen der Vorzeit) nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“.
Darum auch erklärt unser Herr Jesus, dass, obwohl kein größerer Prophet
aufgestanden sei als Johannes der Täufer, er trotzdem, weil er starb,
bevor das Lösegeld tatsächlich bezahlt war, der Kleinste in der Königreichs-Klasse
des Himmelreiches in der Neuen Schöpfung größer sein werde als
Johannes, und zwar deshalb, weil diese Klasse zum Leben gerechtfertigt und
berufen ist, erst mit Christo zu leiden und danach zu herrschen. - Matth.
11:11
Wir haben schon darauf hingewiesen,
dass Christus und die erhöhte Herauswahl während des
Tausendjahr-Zeitalters die Welt gerecht machen und wiederherstellen
werden, und dass diese Rechtfertigung nicht, wie die unsere, eine
zugerechnete, sondern eine tatsächliche sein wird, eine Rechtfertigung
durch Werke in dem Sinne, dass der Glaube zwar auch erforderlich, aber die
Werke ausschlaggebend sein werden. (Offb. 20:12; Matth. 25:35, 36) Gegenwärtig
muss die Neue Schöpfung im Glauben wandeln, nicht im Schauen; ihr Glaube
wird erprobt; er muss ausharren, als sähe er den Unsichtbaren; er muss an
Dinge glauben, die, äußerlich betrachtet, für den gewöhnlichen
Verstand unwahrscheinlich, unvernünftig sind. Dieser Glaube muss durch
unsere wenn auch unvollkommenen Werke bewiesen werden; für das Fehlende
kommen die vollkommenen Werke unseres Herrn auf. Unser Glaube ist vor Gott
deshalb annehmbar, weil Gott darauf Rücksicht nimmt, dass wir, wiewohl
unvollkommen, nach Kräften suchen, Gott zu gefallen und dadurch Teilhaber
der Gesinnung Christi zu werden. Freuen wir uns, um der Gerechtigkeit
willen zu leiden, so gilt dies als Beweis dafür, dass wir auch unter
angenehmeren Verhältnissen die Gerechtigkeit lieben und ihr treu bleiben
werden. Wenn einmal die Erkenntnis des Herrn die ganze Erde erfüllen
wird, wenn das Dunkel und der Nebel, die jetzt des Herrn Getreue umgeben,
verschwunden sein werden, wenn einmal die Sonne der Gerechtigkeit die Welt
erleuchten wird mit Wahrheit, richtiger Erkenntnis Gottes, seines
Charakters und seines Planes, wenn einmal die Menschen die Beweise von
Gottes Liebe und Gnade und Versöhnung durch Christum sehen werden in der
Schrittweisen Hebung derer, die so mit ihm eins zu werden suchen, wenn die
Wiederherstellung in leiblicher und moralischer Beziehung wird beobachtet
werden können, dann wird der Glaube ziemlich verschieden sein von dem
jetzt notwendigen blinden Glauben, dann werden die Menschen nicht mehr wie
in einem Spiegel sehen, dunkel und unklar; dann wird das Auge des Glaubens
sich nicht abmühen müssen, um Beweise von den herrlichen Dingen zu
sehen, die Gott in Bereitschaft hat für die, die ihn lieben. Diese
herrlichen Dinge werden vielmehr den Menschen mehr oder weniger deutlich
gezeigt werden. Ihr Glaube an Sichtbares wird also wesentlich verschieden
sein von dem Glauben, der jetzt von der Neuen Schöpfung gefordert wird.
Aber dieser Glaube an das Unsichtbare ist in Gottes Augen kostbar, und
darum hat Gott auch eine so hohe Belohnung darauf gesetzt, welcher nur
eine kleine Schar, die sie im Glauben erfasst, nachjagt. Wenn aber, was
sie geglaubt, im Tausendjahr-Zeitalter vor aller Augen offenbar ist und
nicht mehr wird geleugnet werden können, dann wird es nicht mehr am
Platze sein, jene besonders auszuzeichnen, deren Zweifel dann erst
schwinden.
Wenn einmal die Erkenntnis des Herrn die Erde erfüllen und nicht mehr
einer zu seinem Nächsten sagen wird: „Erkenne den Herrn“, dann werden
die Menschen nicht mehr nach ihrem Glauben, der dann nichts
Verdienstliches mehr sein kann, sondern nach ihren Werken und ihrem
Gehorsam beurteilt werden; denn es wird geschehen, dass die Seele, die
nicht auf jenen großen Propheten hören wird, ausgerottet werden wird aus
der Mitte des Volkes. (Apg. 3:23) In der gegenwärtigen Zeit, wo die Erfüllung
der Absichten Gottes noch zukünftig und mithin im Verborgenen ist, wo die
Sünde vorherrscht und Satan der Fürst der Welt ist, belohnt der Herr den
Glauben, wie geschrieben steht: „Euch geschehe nach eurem Glauben“
(Matth. 9:29), und: „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat:
unser Glaube.“ (1. Joh. 5:4) Hinsichtlich der Prüfung der Welt aber im
Tausendjahrreich lesen wir, dass die Werke maßgebend sein werden, wenn
auch der Glaube erforderlich sein wird. Ihnen wird geschehen nach ihren
Werken; diese werden sie am Schluss der tausend Jahre bestehen lassen oder
verurteilen. - Offb. 20:12
Rechtfertigung bedeutet, wie wir schon
gesehen haben, die völlige Versöhnung der Sünder mit Gott. Nirgends
lesen wir, dass der Sünder vor Christo gerecht gemacht werden müsste;
wohl aber muss der Sünder durch das Verdienst Christi vor dem Vater
gerechtfertigt werden. Die Untersuchung dieses Punktes ist vielleicht ein
Beitrag zum Verständnis der ganzen hier untersuchten Frage.
Der Schöpfer hält sich an das von ihm
verkündete Gesetz, wonach Adam und sein Geschlecht sich ewigen Lebens und
der Gunst Gottes erfreuen sollten, solange sie gehorsam blieben, indes
Ungehorsam den Tod und den Verlust der Gunst Gottes als Strafe zur Folge
haben würde. Diese Anordnung bleibt bestehen. Bevor die Menschheit wieder
mit Gott verkehren und durch seine Gunst ewiges Leben erhalten kann, muss
sie erst auf irgendeine Weise wieder mit dem Schöpfer ausgesöhnt, wieder
zur Vollkommenheit, die im vollen göttlichen Licht bestehen und vollen
Gehorsam leisten kann, zurückgeführt werden. So liegt die Welt
gleichermaßen jetzt außerhalb des Bereiches des Allmächtigen. Dieser
hat die Dinge so geordnet, dass seine eigene Gerechtigkeit die Menschen
nicht erreicht und Raum lässt für seinen Rechtfertigungs- und
Wiederherstellungsplan, der es gestattet, die Willigen und Gehorsamen
durch den Erlöser zur Vollkommenheit zurückzubringen. Bis dies geschehen
wird, dient der Erlöser als Mittler zwischen Gott und dem Sünder.
Der Mittler ist zwar selbst vollkommen
gerecht, aber er ist durch kein Gesetz oder Urteil, das er wider Adam und
sein Geschlecht gefällt hätte, abgehalten, mit den Menschen zu
verkehren, mit ihren Unvollkommenheiten Erbarmen zu haben. Er hat ja die
Welt wissentlich in diesem verdorbenen Zustand gekauft. Er nimmt die
Menschheit, wie sie ist, und im Tausendjahrreich wird er sich dann eines
jeden Einzelnen in wirksamer Weise annehmen, von den Schwachen wenig, von
den Stärkeren mehr verlangen, sich selbst und die Gesetze seines Reiches
den verschiedenen Eigenheiten, Gebrechen und Schwächen seiner Untertanen
anpassen, denn „der Vater ... hat das ganze Gericht dem Sohne
gegeben.“ (Joh. 5:22) Der Sohn wird den Menschen die unverkürzte
Forderung des göttlichen Gesetzes in hellem Licht zeigen, so dass sie
wissen werden, wohin sie es schließlich bringen müssen, bevor sie vor
Gott am Ende des Tausendjahrreiches gerecht und annehmbar sein können.
Aber er wird nicht sofort den verwerfen, der diesen Forderungen nicht
gleich nachkommt, sondern den Übertretern für unabsichtliche Fehler sein
eigenes Verdienst in freier Gnade zurechnen, ihre Schulden aus seinem Vermögen
bezahlen.
Christus hat den Preis schon durch
Hingabe seiner selbst beschafft. In einer bestimmten Weise hat er jenes
Verdienst schon zugunsten des Haushaltes des Glaubens benutzt, und am
Schlusse dieses Zeitalters wird er es zugunsten der ganzen Menschheit
anwenden. Das wird „die Freude sein, die allem Volke widerfahren
wird.“ Gott hat durch die Vorbilder des Versöhnungstages gezeigt, dass
er das Opfer annehmen wird, und dass dann Christus und die Herauswahl die
Herrschaft antreten und strenge Gesetze einführen werden, das heißt eine
Alleinherrschaft, bei der die gewöhnlichen Gesetze der augenblicklichen
Bedürfnisse wegen unterbrochen und schärfere Gesetze angewendet werden,
die für vollkommene, gerechte, mit den Gesetzen des Reiches Jehovas
einverstandene Untertanen überflüssig wären, aber den revolutionären,
anarchistischen Zuständen, die die Sünde der Welt herbeigeführt hat,
angepasst sein werden.
Diese unbeschränkte Herrschaft, bei
der der König zugleich Richter und Priester sein wird, bezweckt, wie wir
oben gesehen haben, die Welt tatsächlich, nicht nur gerechneterweise,
gerecht und auch fähig zu machen, gerechte Werke im Glauben zu
vollbringen und mit diesen in der Schlussprüfung zu bestehen. Die tatsächliche
Rechtfertigung wird aber erst am Ende, nicht schon am Anfang des
Tausendjahrreiches erreicht sein.
Die Rechtfertigung aus Glauben in der
Jetztzeit bezweckt, einigen wenigen, die Gott in besonderer Weise in
seinen Dienst zu stellen beabsichtigt, die Teilnahme am abrahamitischen
Bund als Same der Verheißung, als Jesu Mitopferer und Miterben, zu ermöglichen.
Selbst mit diesen kann Gott nicht direkt verkehren; auch nachdem sie aus
Glauben und durch die Zurechnung des Verdienstes Jesu gerecht geworden,
werden sie als unzulänglich behandelt und unterrichtet, dass sie einzig
in dem Geliebten angenommen sind, in Christo; stünde dieser für ihre
Bundesverpflichtungen nicht gut, so wären dieselben wertlos.
Da der einzige Zweck des
Evangeliums-Zeitalters der ist, aus der Menschheit eine kleine Zahl
auszuerwählen, die Glieder der Neuen Schöpfung werden sollen, so war
diese Rechtfertigung „zum Leben“ notwendig, um den Bewerbern zur Neuen
Schöpfung zu ermöglichen, die Bedingungen auf sich zu nehmen, die von
solchen Bewerbern gefordert werden müssen. Diese Bedingungen lassen sich
zusammenfassen in der Aufforderung, sich selbst zu opfern; und da Gott
nicht als Opfer annimmt, was unvollkommen ist, so können Angehörige des
gefallenen, verurteilten Geschlechtes nicht als Opfer angenommen werden,
sie seien denn zuvor als von aller Sünde freigesprochen gerechnet worden.
Dies ermöglicht uns, wie der Apostel es in Röm. 12:1 ausdrückt,
„unsere Leiber Gott als lebendige Opfer darzustellen, heilig, annehmbar
- welches unser vernünftiger Dienst ist.“
Was haben wir nun von solchen zu
halten, die es zwar bis zum Glauben an Gott und zu der zugerechneten
Gerechtigkeit bringen, aber nunmehr vor dem Weitergehen auf dem Weg des
Herrn zurückschrecken, weil sie gewahr werden, dass der Eintritt durch
die schmale Pforte und der Wandel auf dem schmalen Pfad der völligen
Weihung bis in den Tod die Verleugnung und Hingabe des eigenen Ichs
erfordert?
Ist
Gott zornig über sie? Wir glauben, nein; vielmehr müssen wir glauben,
dass sie, soweit sie auf dem Wege der Gerechtigkeit Fortschritte machen,
Gott wohlgefällig sind. Ja, der Apostel bezeugt, dass solche auch einen
Segen bekommen. „Sind wir nun aus Glauben gerechtfertigt, so haben wir
Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum.“ (Anmerkung: Es ist die spätere Ansicht des Autors gewesen, dass diese
Schriftstelle betrachtet werden mag, dass sie sich auf die lebendgebende
Rechtfertigung bezieht). Solcher Friede setzt wenigstens eine teilweise Kenntnis des Planes
Gottes und seiner Absicht, des Gläubigen Schuld irgend einmal in Zukunft
zu tilgen, voraus. (Apg. 3:19) Ferner setzt er voraus, dass der Gläubige
mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit schon in hohem Grade einverstanden
ist, denn gerechtmachender Glaube wirkt immer bessernd. Wir freuen uns für
alle, die es soweit bringen; wir freuen uns, dass sie dieses Vorrecht vor
der Masse der Menschheit haben, die der Fürst dieser Welt vollständig
blind gemacht hat, so dass sie gegenwärtig die Gnade Gottes in Christo
nicht sehen noch würdigen kann. Wir möchten alle solche herzlich
ermuntern, bis zu völligem Gehorsam fortzuschreiten und sich so der Gunst
Gottes zu erfreuen.
Empfanget
die Gnade Gottes nicht umsonst
Doch wie sehr wir uns auch mit solchen
freuen und, wie viel Friede und Freude auch solche Gläubige empfinden mögen,
indem sie auf dem Pfad der Gerechtigkeit zu wandeln bestrebt sind, so müssen
wir doch, um aufrichtig zu sein, solchen sagen, dass sie, wenn sie den
schmalen Weg des Opferns vermeiden, „die Gnade Gottes umsonst
empfangen“. (2. Kor. 6:1) Warum? Weil die Gnade Gottes, bestehend in der
ihnen zugerechneten Gerechtigkeit Christi, bezweckt, der Ausgangspunkt zu
noch größeren Vorrechten und Segnungen zu werden, nämlich zur Berufung
der Neuen Schöpfung. Wird nun von dieser Gelegenheit kein Gebrauch
gemacht, so ist die Gnade Gottes umsonst empfangen worden. Diese
Gelegenheit ist nie zuvor geboten worden und wird wohl auch nie wieder
geboten werden; wenigstens sagt die Schrift nichts darüber. Die
Gelegenheit, wiederhergestellt zu werden, wird allen, Gerechtfertigten und
Nichtgerechtfertigten, im kommenden Zeitalter angeboten; die ersteren
werden, sofern das Ergebnis des Wiederherstellungsverfahrens in Betracht
gezogen wird, vor den letzteren nichts voraus haben, nur die Dauer des
Verfahrens wird wohl kürzer sein. In dieser Hinsicht haben sie also die
Gnade Gottes so gut wie umsonst empfangen; sie bringt sie nicht weiter als
zur menschlichen Vollkommenheit. Gottes Gnade zeigt ihnen im gegenwärtigen
Zeitalter seine der Welt verborgen bleibende Güte, damit sie ihre
Rechtfertigung dazu benutzen, den Ruf anzunehmen und den Lauf nach dem
herrlichen Preis anzutreten, der den Auserwählten, der königlichen
Priesterschaft, verheißen ist.
Die Mehrheit der aufrichtigen Gläubigen
in der Namenchristenheit ist anscheinend nie über den ersten Schritt, den
der Rechtfertigung, hinausgekommen. Sie haben „geschmeckt, dass der Herr
freundlich ist“, und das genügt ihnen. Besser wäre es für sie
gewesen, wenn sie von diesem Schmecken einen größeren Hunger und Durst
nach Gerechtigkeit, nach Wahrheit, nach mehr Kenntnis des Charakters und
Planes Gottes, nach weiterem Wachstum in Gnade, Erkenntnis und Liebe, nach
tieferem Ermessen dessen, was Gott von ihnen wollte und mit ihnen
beabsichtigte und worüber im nächsten Abschnitt, der der „Heiligung“
gewidmet ist, ausführlicher gesprochen werden soll, bekommen hätten.
Soweit wir sehen können, haben solche
gerechtfertigte Gläubige nur im gegenwärtigen Leben von ihrer
Rechtfertigung einen Nutzen. Sie empfinden es als eine Erleichterung, dass
sie von Gottes Güte und seinem beabsichtigten Verfahren mit ihnen etwas
wissen. Aber ihre Kenntnis ist zu unvollkommen, um einen sicheren Grund für
ihre Empfindungen abzugeben; darum singen sie auch zuweilen:
„Oft
machet mir der Zweifel Pein,
Ob
ich denn auch wirklich sein.“
Wiewohl Christus ihnen insofern zur
Weisheit gemacht ist, dass sie ihr Bedürfnis nach einem Retter und einem
Teil der durch Christum ihnen zugänglich gemachten Errettung erkennen, so
ist es doch nach Gottes Plan nicht zulässig, dass er ihnen noch weiter
zur Weisheit gemacht werde und sie in die Kenntnis der Tiefen Gottes einführe,
es sei denn, dass sie durch Weihung und völlige Hingabe Nachfolger
Christi werden, die in seine Fußstapfen zu treten bereit sind. Der
gerechtfertigte Gläubige ist noch keineswegs eine Neue Schöpfung, selbst
dann nicht, wenn er, einiges von den Wegen und Anforderungen Gottes
erkennend, einen anständigen, vernünftigen, ehrenhaften Wandel zu führen
bestrebt ist. Er ist noch von der Erde, irdisch; er hat nie seine
irdischen, menschlichen Rechte, die Jesus ihm zurückkaufte, für die
himmlischen Dinge darangegeben, zu denen der Herr durch die Rechtfertigung
den Zugang eröffnete. Wie im Vorbild die Leviten niemals das Innere der
Stiftshütte betreten noch auch die dort aufgestellten Geräte sehen
durften, so können auch im Gegenbild die nur Gerechtfertigten nicht in
die Tiefen Gottes dringen, noch deren Herrlichkeit sehen oder würdigen,
es sei denn, dass sie zu Gliedern der königlichen Priesterschaft auf
Hoffnung werden durch völlige Weihung ihrer selbst.
Zu erwarten, dass der Herr solche Gläubige
im Tausendjahrreich bevorzugen und besonders begünstigen werde, nachdem
sie die Gnade Gottes im gegenwärtigen Leben umsonst empfingen, hieße ein
besonderes Vorrecht erwarten, nachdem man ein anderes Vorrecht nicht
wertgeschätzt und keinen Gebrauch davon gemacht hat. Würde es nicht viel
besser zu dem Verfahren Gottes in der Vergangenheit und Gegenwart passen,
wenn solche, die im Evangeliums-Zeitalter nicht besonders begünstigt
worden sind, im kommenden Zeitalter besonders begünstigt werden? Würde
das nicht sehr gut übereinstimmen mit den Worten des Herrn: „Es sind
Letzte, die werden Erste sein, und Erste, die werden Letzte sein“? Ja,
der Apostel deutet unmissverständlich darauf hin, dass, wenn einmal die
Neue Schöpfung vollzählig und das Tausendjahrreich angebrochen sein
wird, Gottes Gunst sich zuerst dem Volke Israel nach dem Fleisch zuwenden
werde, von dem sie am Anfang des Evangeliums-Zeitalters gewichen ist. - Röm
11:25-32; Apg. 15:16; Amos 9:11, 12
Den Alttestamentlichen Überwindern,
die ihren Glauben und die daraus sich ergebende Rechtfertigung vor Gott
festhielten und zum Lohn dafür als „Fürsten über die ganze Erde“
eingesetzt werden sollen, brachte ihre Festigkeit den Verlust irdischer
Vorteile ein. (Hebr. 11:35) Die Heiligen der jetzigen Zeit, die von ihrer
Rechtfertigung Gebrauch machen wollen, müssen es auf Kosten des Fleisches
tun. Die kleine Herde wird aus den Allertreuesten unter ihnen bestehen,
die ihr Leben im Dienst der Wahrheit und der Brüder hingeben und so dem
Anführer unserer Errettung ähnlich werden. Die übrigen, die anderswo
(Offb. 7:9) als die „große Schar“ bezeichnet werden, müssen ihren
Lohn (die geistige Natur) ebenfalls auf Kosten des Fleisches verdienen;
aber weil sie in der Darangabe des Lebens nicht eifrig genug waren, kommen
sie um den großen Lohn der Neuen Schöpfung, um die Königswürde. Diese
drei Klassen scheinen die einzigen zu sein, die aus den besonderen
Gelegenheiten des jetzigen Zeitalters, aus der Rechtfertigung aus Glauben,
im kommenden Zeitalter Nutzen ziehen werden.
Die Wirkungen des Königreiches, die
unter dem Licht einer vollen Erkenntnis stehen und in der Richtung der
Charaktere der Menschen sich zeigen werden, werden sich aus verschiedenen
Gründen zunächst am stärksten an Israel nach dem Fleisch offenbaren,
das, wenn seine Blindheit gewichen ist, für des Herrn Gesalbten außerordentlich
eifrig sein und, wie es in der Prophezeiung dargestellt ist, sagen wird:
„Siehe da, unser Gott, auf den wir harrten, dass er uns retten würde.“
(Jes. 25:9) Bald darauf aber werden die Segnungen und Gelegenheiten zur
Wiederherstellung der ganzen Welt zugänglich werden, damit alle Nationen
Kinder Abrahams werden in dem Sinne, dass sie an seinen Verheißungen
Anteil erhalten, wie geschrieben steht: „Ich werde dich zum Vater vieler
Nationen machen; in deinem Samen sollen alle Geschlechter auf Erden
gesegnet werden.“
Christus
ist uns gemacht zur Heiligung
Wie die Weisheit und Erkenntnis Gottes
uns zuteil wird als Frucht des zu unseren Gunsten angewendeten Opfers
unseres Herrn Jesu, und wie unsere Rechtfertigung, als wir an sein Lösegeld
glaubten und uns von der Sünde ab- und der Gerechtigkeit zuwandten, durch
sein Verdienst erfolgte, so kommt auch unsere Heiligung durch ihn. Kein
Mensch kann sich in dem Sinne heiligen, dass er sich selbst gut genug
macht, um in Gottes Familie, der von seinem Geist gezeugten Neuen Schöpfung
als Glied aufgenommen zu werden.(Joh. 1:13; Hebr. 5:4) Wie das Verdienst
Christi zu unserer Rechtfertigung notwendig war, so bedürfen wir auch als
Glieder seines Leibes, als königliche Unterpriester, seiner Annahme, wenn
wir unsere Berufung und Erwählung fest machen möchten. Der Apostel
tadelte etliche, weil sie „das Haupt nicht festhalten“ (Kol. 2:19),
und wir begreifen, dass eine solche Anerkennung Christi Jesu, nicht nur
als Befreier von Sünde, sondern zudem als Haupt, Vertreter, Führer,
Belehrer und Bewahrer seines Leibes, der da ist die Herauswahl, für ein
jedes Glied derselben sehr wichtig ist. Der Herr Jesus selbst deutet auf
die Notwendigkeit unseres Verbleibens unter seiner Obhut hin, indem er
wiederholt mahnt: „Bleibet in mir ... Gleichwie die Rebe nicht von sich
selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr
nicht, ihr bleibet denn in mir. Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in
euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch
geschehen.“ (Joh. 5:4, 7) Der Apostel weist ebenfalls hin auf die
Notwendigkeit unseres Verbleibens in Christo, wenn er sagt: „Es ist
furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ (Hebr. 10:31)
Was damit gemeint ist, zeigt er durch die Anführung der
alttestamentlichen Stelle: „Denn unser Gott ist ein verzehrendes
Feuer.“ Gottes Liebe und Gerechtigkeit brennt wider alle Sünde, und
„alle Ungerechtigkeit ist Sünde.“ „Er kann die Sünde nicht
sehen“ (oder ertragen); darum hat er nicht für die Erhaltung, sondern für
Zurechtbringung, Wiederherstellung des Sünders, für dessen Erlösung von
der Strafe der Vernichtung gesorgt.
Dies gibt uns im Einklang mit
verschiedenen Aussagen der Schrift die Zusicherung, dass eine Zeit kommen
wird, da es weder Sünde noch Sünder, weder Leiden noch Kümmernisse
geben wird. Gott sei Dank, dass wir uns selbst über den Zug des göttlichen
Charakters freuen können, der uns zeigt, dass Gott ein verzehrendes Feuer
ist, wenn wir wissen, dass er in Christo Jesu für uns eine Zuflucht
bereitet hat, nach welcher unsere unwissentliche Unvollkommenheit
zugedeckt wird - wenn wir wissen, dass er für unsere schließliche
Befreiung von Sünde, Tod und jeglicher Schwachheit, für unsere
Verwandlung in sein Bild gesorgt hat. Die Neue Schöpfung wird die
Ebenbildlichkeit Gottes in der Vollkommenheit und Fülle göttlicher Natur
erhalten; die „große Schar“ aber in einer den Engeln ähnlichen
Vollkommenheit, die sie befähigt, das Gefolge der erhöhten Herauswahl,
die „Jungfrauen, die ihr folgen“, zu sein (Psalm 45:14). Die
Alttestamentlichen Überwinder werden in menschlicher Vollkommenheit
Gottes ebenbildliche Söhne im Fleisch, Vertreter des himmlischen Reiches
auf Erden, Kanäle zur Vermittlung des göttlichen Segens auf alle
Geschlechter der Erde sein dürfen. Schließlich, wenn die Prüfungen und
Gelegenheiten des Tausendjahr-Zeitalters alle Willigen und Gehorsamen zur
Vollkommenheit gebracht haben werden und ihre Treue Gott gegenüber
bewiesen sein wird, dann werden auch sie zu menschlicher Vollkommenheit
gelangen, als Ebenbilder Gottes im Fleisch. Alle diese werden alsdann den
Willen Gottes so vollkommen und von Herzen erfüllen, dass Gott nicht mehr
ein verzehrendes Feuer sein braucht, weil alle Ungerechtigkeit unter der
Zucht des Mittlers, dem Gottes Weisheit und Liebe alles übergab,
beseitigt worden sein wird. Christus wird alsdann „von der Mühsal
seiner Seele Frucht sehen und sich sättigen“, das heißt mit dem
Ergebnis zufrieden sein.
Heiligung bedeutet, etwas zu heiligem
Dienst weihen und absondern. Sünder werden nicht zur Weihung
aufgefordert, sondern zur Buße, und reuige Sünder werden ebenfalls nicht
zur Weihung aufgefordert, sondern zum Glauben an den Herrn Jesum Christum,
auf dass sie gerechtfertigt werden. Weihung wird nur von der Klasse
verlangt, die an Gottes Verheißungen in Christo und deren Gewähr durch
das Lösegeld glaubt. Damit soll nicht etwa gesagt sein, dass Heiligung
nicht für alle Menschen das richtige wäre; nein, nur hat Gott
vorausgesehen, dass, solange ein Mensch die Sünde liebt, es durchaus
zwecklos ist, ihn einzuladen, ein heiliges Leben zu führen. Der Mensch
muss erst einsehen, dass er ein Sünder ist und der Sinnesänderung
bedarf. Auch soll damit nicht gesagt sein, dass sich der reuige Sünder
nicht weihen, nicht ein Leben in Heiligkeit zu führen bestrebt sein
solle; wohl aber bedeutet es, dass Weihung erst mit erfolgter
Rechtfertigung Wert besitzt. Nach Gottes Anordnungen müssen wir erst
begreifen lernen, wie gütig er ist, indem er für eine Sühnung unserer Sünden
gesorgt hat. Wir müssen seine Vergebung als freie Gabe in Christo
annehmen, bevor wir in eine Herzensstellung gelangen, die uns gestattet,
uns seinem Dienst zu weihen. Außerdem müssen wir uns daran erinnern, was
der Zweck aller Vorkehrungen des Evangeliums-Zeitalters ist. Die Berufung
zur Sinnesänderung, die Verkündigung der guten Botschaft, die
Rechtfertigung durch den Glauben daran und die Aufforderung an die so
Glaubenden, sich selbst Gott zu weihen, sind Teile des einen großen
Planes, den Gott jetzt hinausführt, um die Neue Schöpfung zu entwickeln.
Gott hat zuvor bestimmt, dass alle, die zur Neuen Schöpfung gehören möchten,
erst Opferer sein müssen; es muss ein jeder etwas haben, das er Gott
opfern kann, gerade wie unser Hohepriester, der sich selbst Gott opferte.
(Hebr. 7:27; 9:14) Die Unterpriester müssen ebenfalls ihr eigenes
menschliches Leben opfern; wie der Apostel ermahnt: „Ich ermahne euch
nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als
ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer
vernünftiger Dienst ist.“ (Röm. 12:1) Nun merke, dass, da unsere
Leiber nicht tatsächlich heilig sind, sie gerechneterweise heilig gemacht
werden müssen, bevor sie vor Gott annehmbar, als heilig bezeichnet werden
können. Wir müssen also aus Glauben an Christum gerechtfertigt sein,
bevor wir irgend etwas Heiliges und Annehmbares auf Gottes Altar zu legen
imstande sind, und unser Opfer muss im Namen unseres großen
Hohenpriesters geschehen und um seinetwillen angenommen werden, bevor wir
als „seine“ königliche Priesterschaft betrachtet werden können.
(Anmerkung: Hier ist zur rechten Erkenntnis der Feinheiten der Lehre von
Weihung und Rechtfertigung genau zu beachten, was der Verfasser im Vorwort
zu diesem Band sagt, wenn er abschließend bemerkt, dass Rechtfertigung
erst nach erfolgter Weihung erfolgt, wobei wir verstehen, dass die Annahme
der Weihung durch Gott, welch letztere mit der Übergabe an den Herrn
Jesus als den Hohenpriester erfolgte, natürlich erst nach erfolgter
Rechtsprechung vor sich geht.
Der Gang ist folgender: Der Sünder hört
von Jesus und kommt willigen Herzens zu ihm, sagend: „Herr Jesus ich
will Dir folgen, wohin Du gehst.“ Das ist eine Weihung. Damit derjenige,
welcher sich so dem Hohenpriester Jesus übergab, als Mitopferer vom Vater
angenommen und erkannt werde, stellt der Hohepriester den Geweihten dem
Vater dar, sich mit seinem Verdienst für ihn verbürgend. Infolgedessen
erkennt der Vater einen solchen als gerechtfertigt an, was aber
wohlverstanden nicht geschehen würde, wenn er sich nicht vollends geweiht
hätte. Rechtfertigung oder Gerechtsprechung durch Gott erfolgt nur nach
Zurechnung des Verdienstes Christi; über dieses Verdienst und seine
Zurechnung verfügt bis heute aber noch der Herr Jesus allein und er
rechnet natürlich niemand sein Verdienst zu, der sich ihm nicht vorher zu
diesem Zweck, zur Nachfolge in seinen Fußstapfen völlig übergibt, und
diese völlige Übergabe an ihn ist die Weihung; denn es steht
geschrieben: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Es ist also völlig
klar, dass Rechtfertigung oder Rechtsprechung nach der Weihung erfolgt.
Wir empfehlen dringend, vor Fortsetzung des Studiums Bruder Russells
letztes Vorwort zu diesem Band sorgfältig und ganz zu lesen).
Heiligung wird der große König natürlich
auch während des Tausendjahr-Zeitalters verlangen. Die ganze Welt wird
aufgefordert werden, sich zu heiligen von jeglicher Unreinheit, von Sünde
jeder Art abzulassen, dem göttlichen Willen zu gehorchen, der durch die
Gesetze des neuen Reiches und seiner Fürsten kundgemacht werden wird.
Dann kann es geschehen, dass einige das Äußerliche ihres Lebens, aber
nicht ihr Herz reinigen; solche mögen wohl in geistiger, sittlicher oder
körperlicher Hinsicht Fortschritte machen; sie dürfen die Segnungen der
Wiederherstellung, die Vollkommenheit jener herrlichen Zeit, bis zu deren
Ablauf genießen. Wenn aber ihre Heiligung am Ende des Zeitalters nicht
auch ihre Gedankenwelt, ihre Herzen, erreicht haben wird, so werden sie
als nicht geeignet betrachtet werden für die ewigdauernden Verhältnisse
jenseits des Tausendjahr-Zeitalters, unter denen nichts bestehen wird, was
nicht in absoluter Übereinstimmung mit dem Willen Gottes ist, sowohl
Gedanken als auch Worte und Werke betreffend.
Aber lasst uns, während wir die
Heiligung als Grundsatz, dem sich die ganze Welt im kommenden Zeitalter
wird anpassen müssen, erkennen, nicht außer Acht lassen, dass die
Schrift zuerst zu „unserer“ (das heißt der Neuen Schöpfung)
Ermahnung geschrieben ist. Wenn die Zeit angebrochen sein wird, da die
Welt, Heiligung betreffend, unterrichtet werden wird, dann wird sie den
großen Propheten zum Lehrer haben und die Sonne der Gerechtigkeit wird
mit der Erkenntnis Gottes die Welt erleuchten. Alsdann wird es keinen
Wirrwarr einander widersprechender Lehren und Anschauungen mehr geben;
denn der Herr hat mit Bezug auf jenes Zeitalter verheißen: „Alsdann
werde ich die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle
den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.“ (Zeph. 3:9) Der
Apostel wendet sich ausschließlich an „Neue Schöpfungen“ wenn er
schreibt: „Christus ist ‘uns’ gemacht von Gott zur Weisheit, zur
Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Befreiung.“ Darum lasst uns auf
diese Dinge um so mehr achten, da sie zu unserer Ermahnung geschrieben und
uns unentbehrlich sind, um unsere Berufung und Erwählung zur Teilnahme an
der Neuen Schöpfung festzumachen.
Wie der Herr einst zum Volk Israel
sprach: „Heiliget euch“, und „ich werde euch heiligen“ (3. Mose
20:7, 8; 2. Mose 31:13), so fordert er auch die geistlichen Israeliten
auf, sich zu weihen, ihre Leiber als lebendige Opfer darzustellen, sich
Gott darzustellen auf Grund des Sühnopfers Christi. Nur diejenigen, die
es jetzt, zur annehmbaren Zeit, tun, nimmt der Herr an und sondert sie ab
als ein ihm geheiligtes Volk, trägt sie in das Lebensbuch des Lammes ein
(Offb. 3:5) und hält für einen jeden von ihnen eine Krone in
Bereitschaft, die Krone der Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit, die
sie erhalten werden, sofern sie ihren Bundesverpflichtungen getreulich
nachkommen, was „ihr vernünftiger Dienst“ ist. – Röm. 12:1; Offb.
3:11
Wie im Vorbild die Weihung die Leviten
verpflichtete, der Gerechtigkeit zu folgen, nicht aber zu opfern, so war
die Weihung Aarons und seiner Nachkommen zur Priesterwürde ein Vorbild
der Weihung derer, die Gottes Berufung zur königlichen Priesterschaft
annehmen. Die äußeren Zeichen der Priesterweihe waren die weißen
Kleider, als Sinnbild der Rechtfertigung, ferner die Salbung mit Öl und
die Darbringung der Opfer, an denen alle Priester Anteil hatten. - Hebr.
8:3
So unterscheidet denn das levitische
Vorbild deutlich zwei verschiedene Weihungen: zunächst die allgemeine,
die die Leviten überhaupt betraf, und sodann jene besondere, die einige
Leviten zur Priesterwürde erhob. Die erstere stellt eine allgemeine
Weihung zu heiligem Leben und Gehorsam gegenüber Gott dar, wie alle
Christen vertrauen, dass ihnen durch Gottes Gnade, durch Christum,
probeweise „Rechtfertigung zum Leben“ wurde, was ihnen Frieden mit
Gott bewirkt. Dies erfahren und verstehen alle wahren Gläubigen in diesem
Zeitalter in großem Maß. Aber der Apostel erklärt, dass „das Endziel
des Gebotes Liebe aus reinem Herzen“ ist. (1. Tim. 1:5) Das heißt: Gott
hat vorausgesehen, dass uns unser Einverständnis mit der ersten Weihung,
mit den jetzigen Bedingungen unserer Rechtfertigung, zu einem weiteren
Schritt veranlassen wird, nämlich, dem der Weihung zum Opferdienst.
Warum? Weil ein heiliger Wandel und
Gehorsam gegenüber Gott Liebe aus reinem Herzen für Gott und unsere
Mitmenschen einschließt. Reine Liebe zu Gott ist Liebe aus ganzem Herzen,
aus ganzer Seele, mit allen unseren Kräften; und eine solche Liebe wartet
nicht erst auf Befehle, sondern bittet um Gelegenheit, zu dienen und
spricht: „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“ Jeder aufrichtige,
„wahre Israelit“ zur Zeit der ersten Gegenwart hatte die erste, durch
die allgemeine Levitenweihe vorgeschattete Weihung hinter sich: an solche
richtete der Herr seine besondere Berufung, sich in den Tod zu weihen,
ihre irdischen Interessen für himmlische daranzugeben, in den Fußstapfen
des Anführers unseres Heils auf dem schmalen, zur Ehre, Herrlichkeit und
Unsterblichkeit führenden Wege zu wandeln. Wer dieser Einladung folgte,
der wurde als Priester angenommen, als Glied des Leibes des Hohenpriesters
unseres Bekenntnisses, als Sohn Gottes gerechnet. - Joh. 1:12
Gerade so ist es das ganze
Evangeliums-Zeitalter hindurch gewesen. Der durch die Leviten
vorgeschatteten Weihung zum Gehorsam und zur Gerechtigkeit folgt erst die
Erkenntnis, dass Gerechtigkeit höchste Liebe zu Gott und den Wunsch
bedeutet, seinen Willen zu kennen und zu tun; dann die Erkenntnis, dass
die ganze Schöpfung so in Verwirrung und in Gegensatz zu Gott geraten
ist, dass Übereinstimmung mit Gott Gegensatz zu aller Ungerechtigkeit in
uns und um uns bedeutet; indem wir zu Gott aufsehen und beten, um zu
erfahren, warum er uns berufen, unsere Weihung angenommen und für sie
doch keine andere Form möglich gemacht hat als die der Selbsthingabe
antwortet der Herr: „Ihr seid berufen worden in einer Hoffnung eurer
Berufung“ (Eph. 4:4), und dass diese Berufung zur Miterbschaft an der
Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit unseres Herrn in seinem Reich sei
(Luk. 12:32; Röm. 2:7), und dass der Weg dazu schmal und mühselig sei,
weil das Ertragen dieser Prüfungen für jene unentbehrlich ist, die er zu
so hoher Ehre führen will. (Matth. 7:4; Röm. 8:17) Wenn wir dann endlich
der Berufung Gottes durch den Mund des Apostels: „Ich ermahne euch, Brüder,
durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges,
heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, welches eurer vernünftiger Dienst
ist“ - gehorchen, wenn wir uns in den Tod geweiht haben, dann werden wir
als Priester, Glieder der königlichen Priesterschaft, Unterpriester des
großen Hohenpriesters unseres Bekenntnisses, Jesu Christi, als Neue Schöpfung
betrachtet.
Solche Gläubige aber, die, nachdem sie
erkannt haben, dass „das Endziel des Gebotes Liebe aus reinem Herzen“
ist, sich weigern, bis dahin fortzuschreiten und der Aufforderung zum
Opfer Folge zu leisten, erfüllen den von Gott bestimmten Zweck einer
Rechtfertigung aus Glauben nicht, handeln insofern ihrer Verpflichtung zum
Gehorsam gegenüber der Gerechtigkeit zuwider und verwerfen damit die
„eine Hoffnung unserer Berufung.“ Empfangen diese nicht die Gnade
Gottes umsonst? Können wir im Hinblick auf die Heiligen der früheren
Zeitalter, daran gedenkend, was es sie kostete, ein gutes Zeugnis zu
empfangen, Gott durch Glauben zu gefallen und so ihre Rechtfertigung zur
Gemeinschaft mit Gott festzuhalten (Hebr. 11:5, 32-39), erwarten, dass die
den gegenbildlichen Leviten des Evangeliums-Zeitalters ermöglichte
Rechtfertigung zum Leben bei weniger Ergebenheit an den Herrn und seine
Gerechtigkeit werde erfolgen können? Sicherlich müssen wir schließen,
dass jene, die als gerechtfertigte Gläubige (gegenbildliche Leviten)
angenommen werden, und, wenn sie die „Kosten der Jüngerschaft
berechnet“ haben (Luk. 14:27, 28), die ihre Weihung mit sich bringt,
dann ablehnen, Glauben an des Herrn verheißene Hilfe zu üben, und sich
weigern, ihren „vernünftigen Dienst“ durch vollständige Weihung bis
zum Tod auszuführen oder diese Weihung vernachlässigen - dass jene
zwecklos begünstigt worden sind. Gewiss können sie nicht weiter als
solche gelten, die Rechtfertigung zur Gemeinschaft mit Gott besitzen. Sie
verlieren die den gegenbildlichen Leviten angebotenen Vorrechte und
sollten nicht länger als solche angesehen werden.
Unter jenen aber, die Gottes Gunst zu würdigen
wissen, deren Herzen für diese Vorrechte dankbar und zum vernünftigen
Dienst der vollen Weihung entschlossen sind, und welche die Verpflichtung
zum Gehorsam Gott und seiner Gerechtigkeit gegenüber, zum Gehorsam bis in
den Tod, auf sich nehmen, gibt es auch zwei Klassen:
Die erste besteht aus jenen
gegenbildlichen Leviten, die freudig und willig ihr Leben daran geben,
Mittel und Wege suchen, dem Herrn, den Brüdern und der Wahrheit zu
dienen, und es als lauter Freude und Ehre achten, irdische
Annehmlichkeiten, Zeit, Einfluss, Mittel, kurz, alles daranzugeben, was
das gegenwärtige Leben ausmacht. Die freudigen, willigen Opferer, die
gegenbildlichen Priester, werden binnen kurzem erhöht werden und mit
ihrem Herrn die königliche Priesterschaft bilden, sie werden alsdann
nicht mehr opfern, und sonach nicht mehr durch Aaron und sein Haus, das für
sein Volk Opfer darbringt, vorgeschattet sein, sondern sie werden das große
Gegenbild Melchisedeks, des Priesters auf seinem Thron, sein und während
des Tausendjahr-Zeitalters der Welt die Segnungen austeilen, die durch die
besseren Opfer während des gegenbildlichen Versöhnungstages, des
Evangeliums-Zeitalters, sichergestellt wurden.
Die andere Klasse besteht aus Gläubigen,
die zwar dem Herrn von Herzen zugetan sind, freudig ihr Alles dem Herrn
und seinem „vernünftigen Dienst“ weihen und dadurch ihre Würdigkeit
erweisen, gegenbildliche Leviten zu sein, weil sie Gottes Gunst nicht
vergeblich empfangen haben, deren Liebe und Eifer aber, wiewohl sie der
Berufung folgen und so der einen Hoffnung unserer Berufung und aller
Vorrechte der Auserwählten teilhaftig werden, nicht stark genug sind, um
sie anzutreiben, das Opfer, zu dem sie sich verpflichteten, nun auch zu
vollenden. Solche verfehlen, ihr Opfer auf den Altar zu binden, um es dort
zu lassen; deshalb können sie nicht als genaues Abbild unseres großen
Hohenpriesters gerechnet werden, dem es eine Freude ist, des Vaters Willen
zu tun; sie verfehlen, zu überwinden und können mithin nicht zu den „Überwindern“
gezählt werden, die mit ihrem Herrn als Glieder der „königlichen
Priesterschaft“ das Königreich der Himmel ererben sollen; sie
verfehlen, ihre Berufung und Erwählung durch genaue Einhaltung der
eingegangenen Verpflichtungen festzumachen.
Was
geschieht nun mit diesen? Haben sie alles verloren, weil sie zwar wohl um
den Preis gelaufen sind, aber es an dem nötigen Eifer haben gebrechen
lassen, so dass sie das Ziel nicht erreichten? Nein, Gott sei Dank, nein!
Selbst wenn ihr Glaube und Eifer sich in den schwersten Proben als
unzureichend erwies, um zur Priesterklasse zu gehören, so erwies doch der
Umstand, dass sie wenigstens Glauben und Eifer genug hatten, um sich in
den Tod zu weihen, ihre Aufrichtigkeit und Würdigkeit zum Levitendienste.
Dennoch war es nicht genug, dass sie sich völlig weihten; sie müssen
auch den Beweis erbringen, dass sie den Herrn von Herzen lieben und ihn um
keinen Preis verleugnen würden; dies müssen sie, auch wenn sie nicht
treu genug sind, um in seinem Dienste Opfer darzubringen. Welches ist die
Probe, die sie bestehen müssen, um sich der Levitenstellung im Königreiche
würdig zu erweisen? Und auf welche Weise werden sie auf die Probe
gestellt werden?
Wir haben schon von der Großen Schar
der dem Herrn wahrhaft Geweihten gesprochen, von der in Offb. 7:13-15 die
Rede ist. „Dies sind die, welche aus der großen Drangsal kommen, und
sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiß gemacht in dem
Blute des Lammes. Darum sind sie vor (und nicht auf) dem Thron Gottes und
dienen ihm Tag und Nacht (das heißt: fortwährend) in seinem Tempel
(seiner Herauswahl); und der auf dem Throne sitzt, wird sein Zelt über
ihnen errichten“, wird ihnen die geistige Natur verleihen und ihnen
Gelegenheit geben, ihm und der herrlichen Braut zu dienen. Törichte
Jungfrauen! Sie haben die Gelegenheit, Glieder der Braut zu werden,
verpasst; aber dennoch sind sie Jungfrauen reinen Herzens. Sie verlieren
den Preis, aber sie gewinnen später, nach schweren Prüfungen, Anteil am
Hochzeitsmahl des Bräutigams und der Braut als die Gefährtinnen, die ihr
folgen; auch sie werden dem König vorgestellt werden. „Sie werden geführt
werden unter Freude und Jubel, sie werden einziehen in den Palast des Königs.“
(Psalm 45:14,15) Als Leviten haben sie verfehlt, den Preis der königlichen
Priesterschaft zu erringen, aber Leviten sind sie dennoch und können Gott
in seinem herrlichen Tempel der Herauswahl dienen, obwohl sie daselbst
weder Säulen noch lebendige Steine sein können. - Offb. 3:12; 19:6-7;
Psalm 45:14, 15
Der Vers, der auf die letzte Stelle
folgt, erinnert uns an die vorbildlichen Leviten der früheren Zeit, die
im Volk Israel als „die Väter“ bezeichnet wurden, und gibt uns die
Zusicherung, dass sie dadurch belohnt werden sollen, dass sie Fürsten über
die ganze Erde werden.
Gleicherweise scheinen die drei Söhne
Levis (Kehath, Gerson und Merari) vier Klassen vorzuschatten. 1. Die Zelte
Moses, Aarons und der ganzen Priesterfamilie Amram (des Sohnes Kehaths)
standen vor der Stiftshütte auf der Ostseite. Diese Familie war mit allen
religiösen Angelegenheiten betraut; alle anderen Leviten waren in dieser
Beziehung ihre Diener und Helfer und wurden darum hoch geehrt. 2. Südlich
von der Stiftshütte lagerte die Familie Kehath, die nächste
Verwandtschaft der Familie Amram; ihrer Obhut waren die heiligen Gegenstände
anvertraut, die Altäre, der Leuchter, der Tisch und die Bundeslade. 3. Nördlich
von der Stiftshütte lagerte die Familie Merari, der Familie Kehath im
Range folgend; sie bewahrte die mit Gold bezogenen Bretter, Pfosten und
Sockel auf. 4. Auf der Rückseite der Stiftshütte lagerte die Familie
Gerson, die die untergeordnetsten Dienste zu leisten hatte; sie hatte die
Schnüre der äußeren Vorhänge usw. in Verwahrung.
Diese vier Levitenfamilien mögen auch
vier unterschiedliche Klassen der gerechtfertigten Menschheit zur Zeit, da
die Versöhnung mit Gott zur Tatsache geworden sein wird, darstellen: die
königliche Priesterschaft, die Alttestamentlichen Überwinder, die große
Schar und die Geretteten der Welt. Es scheint nicht ungewöhnlich, dass
bei Vorbildern auch die Namen von Bedeutung sind. So bedeutet Amran „erhöhtes
Volk“. Welch ein passender Name für das Vorbild der „kleinen
Herde“, deren Haupt Christus Jesus ist! Die Schrift bezeichnet diese
Priester als „hoch erhöht“, „sehr erhaben“. Kehath bedeutet
„Verbündeter“ oder „Gefährte“. Aus der Familie Kehath stammten
Amram und die Priester. Sie mag daher das Vorbild der Alttestamentlichen
Überwinder sein, deren Glaube, Ergebenheit und Gehorsam gegenüber Gott
und deren Willigkeit, um der Gerechtigkeit willen zu leiden, so voll
bezeugt ist, und mit denen wir uns so nahe geistig verwandt fühlen. Sie
waren in Wahrheit des Herrn Verbündete und unsere Gefährten und stehen
in mancher Beziehung dem Christus näher als irgendwelche anderen. Merari
bedeutet „Bitterkeit“; dies passt auf die Familie Merari als Vorbild
der Großen Schar, der zur geistigen Natur Gezeugten, die den Preis der königlichen
Priesterschaft nicht erhalten, aber „gerettet werden, doch so wie durchs
Feuer“, kommend aus großer Trübsal und bitterer Erfahrung zu
ehrenvoller Dienerstellung, die ihr bestimmt ist. Gerson endlich bedeutet
„entflohen“, „gerettet“; der Name passt gut auf das, was uns als
Vorbild der geretteten Menschheit erscheint. Allen Menschen wird zur
Flucht und Freiheit verholfen, zur Befreiung aus den Banden des
Widersachers, aus Blindheit und Knechtschaft.
Die
erste Stellung und den ersten Rang unter den gegenbildlichen Leviten, den
Gerechtfertigten, wird also die königliche Priesterschaft einnehmen;
ihrer ist das Reich mit seiner Würde und Verantwortlichkeit. Zu ihrer
Rechten stehen ihre nächsten Verwandten, die Alttestamentlichen Überwinder,
die sie zu „Fürsten über die ganze Erde“ machen werden. Zu ihrer
Linken stehen ihre getreuen Brüder der Großen Schar.(Anmerkung:
Der spätere Gedanke des Verfassers ist der, dass gewisse Schriftstellen
zu lehren scheinen, dass die Alttestamentlichen Überwinder den Vorrang
nicht haben werden, sondern während des Millenniums im Range niedriger
stehen werden als die große Schar, dass sie aber am Ende desselben zur
geistigen Natur und höheren Ehren gelangen werden.) Und hinter ihnen endlich steht die im
Tausendjahrreich aus Sünde und Tod befreite Menschheit, deren Ergebenheit
sich in der schweren Prüfung am Ende des Tausendjahr-Zeitalters erwiesen
haben wird. - Offb 20:7-9
Alle vier Klassen werden aus
gegenbildlichen Leviten bestehen, die sich als von Herzen Gott ergeben
ausgewiesen haben werden. Dies bedeutet indes nicht, dass die im voraus
vor der Welt aus Glauben Gerechtfertigten, die sich weigern oder
verfehlen, weiterzugehen und das Endziel des Gebotes - Liebe aus reinem
Herzen - zu erfüllen, die also insofern die Gnade Gottes umsonst
empfangen, nun jede Gelegenheit verscherzt haben. Wenn, nachdem sie die
Kosten einer Teilnahme am Priesterdienst überschlagen, sie das Anerbieten
ablehnen, so können sie natürlich nicht dafür gelobt und belohnt
werden, dass sie den „vernünftigen Dienst“ nicht zu würdigen
verstanden; aber andererseits können sie gerechterweise auch nicht dafür
bestraft werden; sonst wäre die Berufung zur Ehre, Herrlichkeit und
Unsterblichkeit nicht mehr eine Gnade, sondern ein Zwang, nicht mehr eine
Einladung, sondern ein Befehl, nicht mehr ein freiwilliges Opfer, sondern
eine Verpflichtung. Auch wenn sie aus ihrer Rechtfertigung keinen Nutzen
zu ziehen verstanden, bleiben sie ein Teil der erkauften Welt, genau wie
sie es waren, bevor sie an Christum glaubten; aber ihre Verantwortlichkeit
hat freilich zugenommen, seit sie Recht von Unrecht zu unterscheiden
gelernt haben. Mit anderen Worten: Es werden gegenwärtig nur jene endgültig
daraufhin geprüft, ob sie ewigen Lebens würdig oder ewigen Todes wert
sind, die sich dem Herrn freiwillig „bis in den Tod“ weihen. Alle
anderen kommen noch nicht ins Gericht und werden es nicht kommen, bis das
Tausendjahrreich aufgerichtet ist. Unterdessen ist jedoch jeder Mensch,
nach dem Maßstab des ihm gewordenen Lichtes, im Begriff, seine
Existenzbedingungen im Tausendjahrreich und seine Aussichten auf ewiges
Leben zu verbessern oder zu verschlechtern, je nachdem er seinem Gewissen
und der ihm gewordenen Erkenntnis gemäß oder dagegen handelt.
Bei den völlig Geweihten jedoch liegen
die Dinge anders. Durch ihre völlige Weihung bis in den Tod verzichten
sie auf das irdische Leben überhaupt, durch Hingabe für das himmlische,
das ihr Teil werden wird, wenn sie treu bleiben bis in den Tod, sonst
nicht. Für solche bedeutet also Untreue den ewigen Tod, so sicher wie für
die Ungehorsamen und Abfallenden am Ende des Tausendjahrreiches.
Keine Levitenklasse hat Anteil an Land
Kanaan. Dies ist eine deutliche Vorschattung der Tatsache, dass die
unvollkommenen Zustände der jetzigen argen Welt nicht das Erbteil derer
sind, die ihr Alles dem Herrn geweiht haben und mit seiner Gerechtigkeit
von Herzen einverstanden sind. Kanaan stellte die Widrigkeiten der Prüfungszeit
dar, die Besiegung der Feinde, die Überwindung des Bösen, vornehmlich während
des Tausendjahrreiches. Gott hat für alle, die er als gegenbildliche
Leviten völlig gerecht macht, ein besseres, sündloses, vollkommenes Erbe
in Bereitschaft. Die Priester werden die ersten sein, die dieses Erbe
antreten; dies wird bei der ersten Auferstehung geschehen, bei der sie die
göttliche Natur erhalten werden. Dann werden die Alttestamentlichen Überwinder
an die Reihe kommen; sie werden das Erbe menschlicher Vollkommenheit
gleich bei ihrer Auferstehung antreten. Hiernach folgt die Große Schar
derer, die auf geistiger Stufe vollkommen gemacht werden soll, und endlich
die Gerson-Klasse, die übrige Menschheit, deren Erziehung, Hebung und
Erprobung das Tausendjahr-Zeitalter ausfüllen werden. Sie wird
schrittweise diesem Erbe näher geführt und allmählich vom Tode zum
Leben aufgerichtet werden, dessen sie sich am Ende des Millenniums wird würdig
erweisen können.
Auch dass einzig jene Gläubigen, die
sich vollständig bis in den Tod weihen, vom Heiligen Geist gezeugt sind
und als Glieder des großen Hohenpriesters gelten, ist im Vorbild
vorgeschattet; nicht die Leviten überhaupt, sondern nur die Opferer, die
Priester, erhielten von dem heiligen Öl, das den Heiligen Geist
darstellt. Die Priester wurden alle mit Öl besprengt, das mit Blut
vermengt war, womit angedeutet ist, dass der Heilige Geist nur dank des
Vergießens von Blut das Teil der Glieder des Christus wird, dank des
blutigen Sühnopfers Jesu Christi, das sie rechtfertigt, und infolge ihrer
freiwilligen Verpflichtung, Mitopferer Christi zu sein, um ihr Leben in
seinem Dienst niederzulegen. - 2. Mose 29:21
Die Salbung des Hohenpriesters war noch
eine besondere Sache. Sie stellte die Einheit der auserwählten Kirche
dar. Denn diese Salbung kam nur auf den einen, der das Hohepriesteramt
bekleiden sollte, zuerst auf Aaron, danach der Reihe nach auf jeden seiner
Söhne, die ihm in der Würde folgten. (2. Mose 28:41; 40:13, 15) Unser
Herr Christus Jesus wurde als „das Haupt der Versammlung, die da ist
sein Leib“, gesalbt, „mit dem Öl der Freude (dem Heiligen Geist) über
(als Haupt über) seine Genossen“, seine Miterben, die Unterglieder der
königlichen Priesterschaft. Das ganze Öl wurde auf ihn ausgegossen, und
„aus seiner Fülle (von seinem Überfluss) haben wir empfangen Gnade um
Gnade.“ Es ist eine unsagbar große Gabe, dass uns um des Verdienstes
seines Sühnopfers willen unsere Sünden vergeben und wir gerecht gemacht
worden sind; und ebenso liegt es fast jenseits der Grenze des Glaubhaften,
dass wir berufen worden sind, das Reich mit ihm zu ererben, dass unsere
Weihung durch die Besprengung mit seinem Blut und Öl besiegelt werden
kann, und dass wir an der Salbung unseres Hauptes teilhaben können.
Der Prophet David gibt uns unter des
Herrn Leitung eine Beschreibung der Salbung, wie alles Öl über unser
Haupt ausgegossen wurde und von ihm auf alle Glieder herabfließen musste.
(Psalm 133:1-3; 45:7; Luk. 4:18) Die Glieder der Herauswahl sind die Brüder,
deren Gesinnung sie antreibt, einträchtig beieinander zu wohnen. Alle,
die mit dem Haupt eins sind, müssen Zuneigung haben zu den übrigen
Gliedern seines Leibes, der da ist die Versammlung, und je nach dem Grad
dieser Zuneigung erhalten sie mehr oder weniger von dem Heiligen Geist der
Salbung. (Band 5, Kapitel 9) Dieses heilige Salböl stellt den Heiligen
Geist dar und die Erleuchtung, die er allen denen verleiht, die Gott als
„Glieder auf Probe“ der königlichen Priesterschaft, der Neuen Schöpfung,
annimmt, deren jedes versiegelt ist, gleichsam gezeichnet vom Heiligen
Geist, der ihm verliehen worden ist. (Band 5, Kapitel 9)
Die in dieser Weise vom Heiligen Geist
als voraussichtliche Glieder der Neuen Schöpfung bezeichneten Gläubigen
erhalten vom Herrn die Zusicherung: „Sie sind nicht von der Welt,
gleichwie ich nicht von der Welt bin.“ „Ich habe euch auserwählt (aus
der Welt ausgewählt) und euch gesetzt, auf dass ihr hingehet und Frucht
bringet, und eure Frucht bleibe.“ „Wenn ihr von der Welt wäret, würde
die Welt das Ihrige lieben, weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern
ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt.“
(Joh. 15:16, 19; 17:16) Obwohl diese Zeichen der Heiligung bis zu einem
gewissen Grad von der Welt bemerkt werden können, dürfen wir doch nicht
erwarten, dass sie uns Ehre und Bewunderung und Billigung bei der Welt
eintragen; sondern vielmehr müssten wir erwarten, dass diese Kundgebungen
des Heiligen Geistes an den Neuen Schöpfungen als Zeichen von Schwäche
und Unmännlichkeit angesehen werden. Die Welt würdigt und billigt, was
ihr als ein kraftvolles, energisches, nicht allzu sehr rechtliches,
gewissenhaftes Leben erscheint. Unser Herr erklärt uns, warum die Welt
seine Nachfolger nicht billigt, nämlich weil Finsternis das Licht hasst,
weil der Maßstab seiner königlichen Priesterherrschaft für Gedanken,
Worte und Werke ein anderer, erhabener ist als der der Menschen überhaupt,
und daher als eine Verurteilung ihrer eigenen Anschauungen erscheint. Die
Welt zieht es vor, gebilligt und geschmeichelt zu werden; und was immer
sie im geringsten in den Schatten stellt, dem geht sie so weit wie möglich
aus dem Weg oder widersteht ihm. Diese Missbilligung durch weltlich Weise
unter den Namenchristen bildet einen Teil der Prüfung der königlichen
Priesterschaft, und wessen Weihung nicht durchaus von Herzen kommt, der
wird die Gemeinschaft der Welt vermissen und suchen, ihre Billigung zu
erhalten, und dabei verfehlen, in richtiger Herzensstellung das Opfer der
irdischen Interessen hinauszuführen, das er zu bringen begonnen hatte. Er
wird verfehlen, Priester, Glied der Neuen Schöpfung, zu werden. Dennoch
mag der Herr, mit Rücksicht auf ihre guten Absichten, solche retten durch
feurige Trübsale, in denen das Fleisch, das zu opfern sie nicht eifrig
genug gewesen waren, zerstört werden wird; so mögen sie dann würdig
erachtet werden, Anteil zu haben an den Segnungen und Belohnungen der Großen
Schar, die aus großer Drangsal kommt, um vor dem Thron zu dienen, auf dem
die kleine Herde mit ihrem Herrn sitzen wird.
Die Heiligung besteht nicht nur aus
zwei Handlungen, einerseits der völligen Weihung seiner selbst seitens
des Menschen, andererseits der völligen Annahme des Geweihten durch Gott,
sondern sie schreitet fort. Unsere Weihung, obwohl sie völlig und
aufrichtig gemeint sein muss, wenn sie überhaupt vor Gott annehmbar sein
soll, ist anfangs durch eine verhältnismäßig geringe Erkenntnis und
wenig Erfahrung gestützt.
Wir müssen also in gleichem Masse an
Heiligkeit zunehmen, wie die Erfahrung und Erkenntnis zunimmt. Anfangs
sind unsere Herzen wohl voll, nachdem aller Eigenwille ausgetrieben ist;
aber unsere Herzen vermögen eben im Anfang nur wenig zu fassen. Wenn sie
sich dann erweitern, muss die Weihung Schritt halten und auch den großen
Raum füllen, wie der Apostel ermahnt: „Seid erfüllt mit dem Geiste“,
und wiederum: „Lasst die Liebe zu Gott in eure Herzen ausgegossen werden
und mehr und mehr überfließen.“ Die Vorkehrung, die diese Erweiterung
unserer Herzen gestattet, ist in den Worten des Gebetes unseres Erlösers
für uns ausgedrückt: „Heilige sie durch die Wahrheit; dein Wort ist
Wahrheit.“ – Joh. 17:17
Das Wort oder die Botschaft Gottes, die
Weisheit von Gott in Christo ist es, die uns zuerst die Gnade Gottes uns
gegenüber bemerken lässt und die uns Schritt für Schritt zur Weihung
anleitet und treibt; dasselbe Wort, dieselbe Botschaft Gottes durch
Christum ist es auch, die unsere Herzen erweitert und erfüllt. Aber wenn
es auch Gottes Sache ist, die Wahrheit zu geben, die uns erfüllen und
heiligen soll, so bleibt dennoch unserer Pflicht bestehen, der
Weihestellung unserer Herzen gemäss zu handeln, zu hungern und zu dürsten
nach dieser heiligenden Wahrheit, uns täglich davon zu nähren, und so im
Herrn und seiner Kraft zu erstarken. Die Weihung zum Herrn allein genügt
nicht; der Herr will nicht bloße „Bewerber“ für die Neue Schöpfung
haben. Die Bewerber müssen vielmehr geschult, erzogen und erprobt werden,
damit sie die verschiedenen Charakterzüge der Neuen Schöpfung zur
Entwicklung bringen und jeder Charakterzug muss auf seine Festigkeit und
Gottergebenheit hin geprüft werden, damit sich Gott gleichsam dessen
vergewissern kann, dass diese Neuen Schöpfungen, nachdem sie in allen Stücken
geprüft wurden, dem treu bleiben werden, der sie berufen hat, und mithin
würdig sind, durch einen Anteil an der ersten Auferstehung zur großen
Freude ihres Herrn einzugehen.
Wie schon die Rechtfertigung aus
Glauben die große Gabe des „Friedens mit Gott“ einbringt, so bedeutet
auch dieser weitere Schritt der völligen Weihung, der Überlassung aller
Angelegenheiten dieses Lebens an Gott, der Verzicht auf jede irdische
Hoffnung und Bestrebung und ihr Ersetzen durch die himmlischen Hoffnungen
und Bestrebungen, die der Neuen Schöpfung in Aussicht gestellt sind, eine
große Erleichterung, großen Frieden im Herzen, und zwar um so mehr, je
mehr wir von den außerordentlich großen Verheißungen Gottes an die Neue
Schöpfung erfassen und auf uns anwenden. Diese Verheißungen werden in Röm.
8:28 in den Worten zusammengefasst: „Wir wissen aber, dass denen, die
Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz
berufen sind.“
Diese Sicherheit ist die „zweite
Gnadengabe“ Gottes im eigentlichen Sinne dieses Wortes. Jedoch nicht so,
dass sie den Augen des Fleisches sichtbar wäre; aber sie gibt unseren
Herzen wahre Ruhe, sie erfüllt sie mit unbegrenztem Vertrauen zu Gott und
gestattet uns, die außerordentlich großen und kostbaren Verheißungen
der Schrift auf uns anzuwenden.
Da unsere natürlichen Charaktere
verschieden sind, so werden auch die Erfahrungen, die jeder einzelne mit
seiner vollen Weihung macht, verschieden sein. Bei einigen wird die volle
Übergabe an den Herrn, die Erkenntnis, dass er in besonderer Weise für
sie sorgt, als voraussichtliche Glieder der auserwählten Kirche, nur
wahren Herzensfrieden erzeugen; bei anderen, die mitteilsamerer Natur
sind, wird die Freude sich laut durch Jubeln und Lobpreisungen kundgeben.
Wir müssen dieser Verschiedenheit der natürlichen Charaktere stets
eingedenk sein und auch die Brüder zu verstehen suchen, deren Erfahrungen
von den unseren verschieden sind. Auch unter den zwölf Aposteln bestanden
solche Unterschiede. Einige, besonders Petrus, Jakobus und Johannes,
konnten ihre Erfahrungen besser zum Ausdruck bringen als die anderen. So
blieb es sogar auch nach Pfingsten noch, nach der Ausgießung des Heiligen
Geistes. Die feurigen Brüder mögen die vom Apostel geforderte Mäßigung
lernen, und die kalten, gar zu nüchternen mögen beten, dass sie die
Gnadengaben Gottes höher schätzen und ihre Gefühle besser äußern,
lauter den preisen lernen, der uns berufen hat aus der Finsternis zu
seinem wunderbaren Licht. Jakobus und Johannes, zwei der Lieblingsjünger
Jesu, die wegen ihrer Feurigkeit und ihres Eifers „Donnersöhne“
genannt wurden, bedurften, einmal wenigstens, der Zurechtweisung und
Ermahnung, damit sie sich daran erinnerten, wes Geistes Kinder sie seien.
(Luk. 9:54, 55) Petrus, der wegen seiner raschen Anerkennung des Messias
gelobt worden war, musste ein anderes Mal wegen einer Verirrung seines
Eifers als Widersacher bezeichnet werden. Dennoch zeigte der Herr seine
Vorliebe für die warmen, feurigen Charaktere dieser drei Apostel; die
drei Genannten waren allein mit ihm im Sterbezimmer der Tochter des Jairus
und auf dem Berg der Verklärung; sie begleiteten ihn auch in der
Passionsnacht im Garten Gethsemane weiter als die anderen. Eifer ist also
dem Herrn wohlgefällig und bringt uns ihm näher; aber allezeit muss
dieser Eifer ihn als Haupt anerkennen und sich durch sein Wort und seinen
Geist leiten lassen.
Heiligung bedeutet nicht menschliche
Vollkommenheit, wie einige irrtümlich ausgelegt haben. Sie ändert die
Eigenschaften oder den Zustand unserer geistigen Fähigkeiten nicht; sie lässt
die Schäden unseres Leibes nicht auf wunderbare Weise verschwinden. Sie
betrifft nur den Willen, der durch Christum als vollkommen angenommen
wird; sie ist eine Hingabe des Leibes als Opfer - bis in den Tod. Dieser
Leib wird, wie wir gesehen haben, durch die Rechtfertigung aus Glauben
auch nicht tatsächlich, sondern nur gerechneterweise, gemäss unserem
Willen, unserer Herzensstellung, unseren Absichten, gerecht gemacht. Der
neue Wille sollte, wie der Apostel ermahnt, jede Fähigkeit, jede
Gelegenheit, die sich ihm in diesem Leben bietet, in volle Übereinstimmung
mit dem Herrn zu bringen suchen. Er sollte versuchen, seinen Einfluss bei
allen Menschen, mit denen er in Berührung kommt, in derselben Richtung
wirksam zu machen. Damit ist nicht gemeint, dass er in den wenigen kurzen
Jahren des gegenwärtigen Lebens imstande sein werde, seinen armen
unvollkommenen Leib oder den anderer vollkommen zu machen. Im Gegenteil,
der Apostel versichert uns, indem er von der Herauswahl spricht, dass gesät
werde in Verweslichkeit, in Schwachheit, in Unehre, ein unvollkommener natürlicher
Leib, und dass wir nicht vor der Auferstehung neue Leiber empfangen, die
stark, vollkommen, herrlich, unsterblich sind. Erst dann werden wir die
Vollkommenheit erreicht haben, die wir suchen, und die der Herr uns
verleihen wird, wenn wir im gegenwärtigen Zustand der Schwäche und
Unvollkommenheit von Herzen kommende Treue kundgeben.
Dennoch bedeutet Herzenstreue gegenüber
dem Herrn eine fortgesetzte Bemühung unsererseits, unseren ganzen Wandel,
ja, jeden unserer Gedanken, und alle Absichten unserer Herzen dem göttlichen
Willenunterzuordnen. (Hebr. 4:12) Das ist unsere erste und beständige
Pflicht; das bleibt bis ans Ende unsere Pflicht, denn „dies ist Gottes
Wille: eure Heiligung“ und „seid heilig, denn ich (der Herr) bin
heilig.“ - 1. Thess. 4:3; 1. Petr. 1:16
Absolute Heiligkeit muss das Ziel sein,
dem unsere Gesinnung freudig und völlig nachzujagen sich bestrebt. Sie
muss es bleiben, wiewohl wir sie niemals tatsächlich erreichen, solange
wir den Gebrechen unserer gefallenen Natur und den Verführungen der Welt
und des Widersachers ausgesetzt sind. Aber Tag für Tag, je mehr wir von
Gott gelehrt werden, je mehr unsere Erkenntnis über seinen herrlichen
Charakter wächst, je mehr wir dies schätzen lernen, um so mehr wird die
neue Gesinnung Einfluss über uns und Stärke in uns gewinnen, um die
Schwachheiten des Fleisches, welcher Art sie auch sein mögen, zu
überwinden.
Wahre Heiligung des Herzens bedeutet
auch Eifer im Dienst des Herrn; sie bedeutet Verkündigung der guten
Botschaft; sie bedeutet, dass einer den anderen in dem allerheiligsten
Glauben auferbaut; sie bedeutet, dass wir allen Menschen, je nachdem sich
Gelegenheit bietet, insonderheit aber dem Haushalt des Glaubens, Gutes
erweisen; sie bedeutet, dass auf diese mannigfache Weise unser dem Herrn
geweihtes Leben für die Brüder Tag für Tag geopfert werden soll, bei
jeder Gelegenheit, die sich uns bietet (1. Joh 3:16); sie bedeutet, dass
unsere Liebe für den Herrn, für unsere Brüder, für unsere Angehörigen,
für die Menschheit überhaupt, mehr und mehr unsere Herzen fülle, je
mehr wir in Gnade, Erkenntnis und Gehorsam gegenüber dem göttlichen Wort
und Vorbild wachsen.
Dennoch sind alle Ausübungen unserer
Kräfte im Dienst anderer nichts weiter als Mittel, durch die der Herr es
uns möglich macht, unsere Weihung vollständig zu machen. Wie Eisen das
Eisen schärft, so bringen uns unsere Bemühungen im Dienst anderer
manchen Segen ein. Doch während wir der hohen Stellung, in der wir unsere
Nächsten lieben wie uns selbst (insbesondere den Haushalt des Glaubens),
näher und näher kommen, muss die Quelle hierfür unsere alles übertreffende
Liebe zu unserem Schöpfer und Erlöser und der Wunsch sein, zu handeln
und zu sein, wie es ihm wohlgefällt. Wir müssen also zunächst vor allem
Gott geweiht sein; er muss in Herz und Gemüt die erste Stelle einnehmen,
und unsere Liebe zu ihm muss sich dann kundgeben darin, dass wir unsere Brüder
und alle Menschen lieben und ihr Bestes suchen.
Geheiligt
durch die Wahrheit
Wir haben bereits bemerkt, dass die von
Gott geforderte Heiligung, das heißt die Heiligung, die die Voraussetzung
für die Erlangung eines Platzes in der Neuen Schöpfung ist, nur solchen
erreichbar ist, die in der Schule Christi sind, von ihm lernen und durch
die Wahrheit geheiligt werden. Weder Irrtum noch Unwissenheit heiligt.
Andererseits aber müssen wir nun auch nicht auf die Annahme verfallen,
dass jede Wahrheit heiligt. Wiewohl die Wahrheit im allgemeinen allen
bewundernswert erscheint, die sie lieben und den Irrtum hassen, so lautete
doch des Herrn Ausspruch nur: „Deine (das heißt des Vaters) Wahrheit
heiligt.“ Die ganze zivilisierte Welt ist auf der Jagd nach Wahrheit;
ihre Jäger heißen Geologen, Astronomen, Physiker, Chemiker. Auch die
Staatsmänner beteiligen sich an diesem Suchen nach dem, was recht ist.
Aber wir gewahren, dass diese Wahrheitsbestrebungen nicht heiligen, dass
sie vielmehr meist in entgegengesetzter Richtung wirken, wie denn auch der
Apostel sagt, dass die Welt durch Weisheit Gott nicht erkennt. (1. Kor.
1:21) Es ist eine Tatsache, dass die Kürze unseres Lebens und unsere vom
Fall herrührende Unvollkommenheit und Entkräftung einen Versuch
unsererseits, die ganze Wahrheit zu umfassen, als Zeitvergeudung
erscheinen lässt. Darum sind es auch in der Welt nur die Spezialisten,
die Erfolg haben. Wer seine Aufmerksamkeit der Astronomie widmet, findet für
seine Zeit und seine Kräfte auf diesem Gebiet allein Beschäftigung
genug; er wird wenig Zeit übrig haben für andere Wissenschaften, auch für
deren höchste nicht: „Deine Wahrheit“ - den göttlichen Plan der
Zeitalter. Deshalb ermahnt auch der Apostel Paulus, der ein gebildeter
Mann war, den Timotheus, sich zu hüten vor der fälschlich sogenannten
Wissenschaft. Wissenschaft bedeutet Wahrheit, und sicherlich dachte der
Apostel nicht daran, die Aufrichtigkeit der Forscher seiner Zeit zu
bestreiten und sie als absichtliche Fälscher hinzustellen. Vielmehr lesen
wir in seinen Worten einen Gedanken, den die von der Wissenschaft
durchlaufene Bahn voll und ganz bestätigt, dass nämlich, wenn auch jede
Wissenschaft ein Stück Wahrheit enthält, doch alle menschlichen Lehren
nicht unbedingte, unvermengte Wahrheit sind. Sie sind nur die besten
Vermutungen derer, die die Wahrheit, ein jeder auf seinem Gebiet, suchen;
oft hat eine Vermutung der anderen widersprochen. Wie die Gelehrten vor 50
Jahren die Vermutungen der Gelehrten früherer Zeiten verwarfen, so
verwerfen die Gelehrten der Gegenwart die Ansichten ihrer Vorgänger.
Der Apostel Paulus war nicht nur ein
weiser und völlig geweihter Mann, ein Glied der königlichen
Priesterschaft, von Natur besser ausgerüstet als viele seiner Gefährten,
um in den Fußstapfen des großen Hohenpriesters zu wandeln, sondern er
stand außerdem, in seiner Eigenschaft als einer der erwählten zwölf
Apostel des Lammes (in Ersetzung des Judas Iskariot), unter besonderer göttlicher
Leitung - insbesondere hinsichtlich seiner Lehren - und war von dem Herrn
dazu bestimmt, das ganze Evangeliums-Zeitalter hindurch der Belehrer des
Haushaltes des Glaubens zu sein. Die Worte eines solchen Glaubenshelden
und Vorbildes, das er uns durch seine Weihung vorlebte, sollten daher bei
uns sehr ins Gewicht fallen, wenn wir die Laufbahn betrachten, die wir als
geweihte und angenommene Glieder der königlichen Priesterschaft betreten
haben. Er ermahnt uns, jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde
abzulegen und mit Ausharren zu laufen den vor uns liegenden Wettlauf,
hinschauend auf Jesum, den Anfänger unseres Glaubens, bis er auch der
Vollender desselben werden wird. (Hebr. 12:1, 2) Anderswo spricht er zu
unserer weiteren Ermahnung von seinen Erfahrungen: Ich habe gefunden, dass
meine volle Weihung für den Herrn mir nicht gestattet, meine geistigen Kräfte
in verschiedenen Richtungen zu betätigen oder sie im Aufsuchen
verschiedener Wahrheiten zu zersplittern. Die Wahrheit der göttlichen
Offenbarung hat mich, seitdem sie in mein Herz gekommen und meine schon
geweihten und geheiligten Fähigkeiten mehr und mehr in Anspruch nimmt,
immer klarer erkennen lassen, dass, wenn mir daran gelegen ist, den großen
Preis zu gewinnen, ich ihm meine ganze Aufmerksamkeit widmen muss, genau
wie jene, die nach irdischen Zielen laufen, sie stets im Auge behalten müssen.
„Eines aber tue ich: Vergessend was dahinten (meine einstigen
Bestrebungen als Forscher, meine einstigen Aussichten als römischer Bürger
und als ein Mann von mehr als Durchschnittsbildung, vergessend die
Anziehungskraft der verschiedenen Wissenschaften und Lorbeeren, die sie
ihren Jüngern verheißen), und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist
(das Auge meines Glaubens unablässig richtend auf das, was ich hoffe,
liebe, dem ich mich geweiht habe, nämlich das große Anerbieten, Miterbe
mit meinem Herrn zu werden, der göttlichen Natur und seines großen
Werkes der Segnung der Welt durch sein Reich), jage ich, das Ziel
anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo
Jesu.“ – Phil. 3:13, 14
Rührung
ist nicht Heiligung
Manche Christen sind nicht recht klar
darüber, worin die den treuen Opferern dieses Zeitalters verheißenen
Beweise des Herrn, dass sie angenommen sind, bestehen. Einige erwarten mit
Unrecht äußerliche Zeichen, wie sie zu Pfingsten der ersten Kirche
zuteil wurden. (Band 5, Kapitel 9) Andere erwarten innerliche, frohe Gemütsbewegungen
und sind daher ihr Leben lang hinsichtlich ihrer Annahme durch den Herrn
im Ungewissen, wenn diese Erregungen ausbleiben. Ihre Erwartungen stützen
sich auf Erfahrungen anderer Brüder, die davon Zeugnis abgelegt haben. Es
ist daher wichtig, sich dessen bewusst zu werden, dass die Schrift solche
Erregungen nirgends verheißt, dass wir alle in der einen Hoffnung unserer
Berufung berufen sind, und dass die Verheißungen der Vergebung der früheren
Sünden, des ermutigenden Lächelns des Vaters, seiner Gnade, die uns bei
unserem Lauf aufrecht hält, uns ans Ziel gelangen und den großen Preis
erlangen hilft, seiner in jeder Zeit der Not ausreichenden Gnade,
Gemeingut aller derer sind, die die Bedingungen der hohen Berufung
angenommen haben. Was aber sehr verschieden ist, das ist die Art und
Weise, in der die verschiedenen Kinder Gottes diese sowie jede Verheißung
annehmen, sie sei zeitlicher oder geistiger Natur, sie komme von Menschen
oder von Gott. Die einen sind sehr erregbar und empfindsam und bezeugen
und beschreiben daher ihre Empfindungen in lebhafter Weise. Auch das
Verfahren des Herrn selbst ist nicht bei allen seinen Kindern dasselbe.
Sehen wir uns die Sache gerade beim Haupt der Herauswahl, unserem Herrn
Jesus, an. Als er sich im Alter von dreißig Jahren völlig weihte, bis in
den Tod, des Vaters Willen zu tun, und nachdem er mit dem Heiligen Geist
ohne Maß gesalbt worden war, da war er nicht, soweit die Schrift
berichtet, mit außerordentlich froher Erregung erfüllt. Ohne Zweifel
erhielt er wohl die Gewissheit, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben,
vom Vater gebilligt zu sein und von Gottes Segen geleitet zu werden, was
auch die Erfahrungen sein möchten, die er machen würde. Dennoch wurde er
vom Geist nicht auf den Gipfel eines Berges der Freude geführt, sondern
in die Wüste getrieben, und die ersten Erfahrungen, die er als Neue Schöpfung
machte, waren sehr ernstliche Versuchungen. Dem Widersacher wurde
gestattet, ihn zu versuchen, um zu sehen, ob er sich davon abbringen
lasse, des Vaters Willen zu tun; ob er sich bewegen lasse, zu versuchen,
das Werk, zu dessen Hinausführung er ins Fleisch gekommen war, auf eine
Weise zu vollenden, die ihm den Opfertod ersparen würde. So geht es,
glauben wir, wohl auch einigen der Nachfolger des Herrn in der ersten Zeit
nach ihrer Weihung. Sie empfinden Furcht und Zweifel, die der Widersacher
in ihnen erregt, indem er ihnen glaubhaft zu machen versucht, dass es
gegen Gottes Liebe und Weisheit verstoße, die Hingabe irdischer Rechte
und Ansprüche zu verlangen. Lasst uns in diesem Punkt nicht einer den
anderen richten! Wenn einer seiner Freude lauten Ausdruck zu verleihen
vermag, lasst uns alle mit ihm uns freuen. Und wenn ein anderer nach
seiner Weihung viel Anfechtung und Kummer zu erdulden hat, lasst uns alle
Mitleid mit ihm haben, andererseits aber uns freuen, dass seine
Erfahrungen denen unseres Herrn so ähnlich sehen.
Jene beiden lieben Gottesmänner, John
und Charles Wesley, waren beide zweifellos geweihte Männer; und doch tat
ihre Auffassung der Weihung nicht nur einigen wohl, sondern sie fügte
anderen in gewissem Maße Schaden zu, indem sie eine unschriftgemäße
Erwartung schuf, die nicht bei allen eintrat und dadurch durch Entmutigung
Böses bewirkte.
Es war ein schwerer Missgriff
ihrerseits, zu glauben und zu lehren, dass die Weihung bei allen Geweihten
den gleichen Grad freudiger Erregung hervorbringe. Die Kinder gläubiger
Eltern, welche von Kind auf christliche Lebensluft geatmet, alle Dinge
dieses Lebens im Licht des Glaubens ihrer Eltern und im Licht der Worte
Gottes beurteilen gelernt und daher von jeher versucht haben, den göttlichen
Willen zu erkennen und zu tun, sollten nicht erwarten, wenn sie einmal das
Alter der Verantwortlichkeit erreicht und sich persönlich dem Herrn
geweiht haben, dieselbe überströmende Freude zu empfinden, wie ein
anderer, der bis zu dem Zeitpunkt ein „verlorener Sohn“ gewesen ist,
ein Fremdling, der von den heiligen Dingen nichts wusste.
Die Bekehrung eines solchen bedeutet
eine gründliche Änderung, ein Hinwenden zu Gott von allen menschlichen
Bestrebungen, die ihn bisher von Gott abgezogen hatten und ihn zum Sklaven
der Sünde und Selbstsucht machten. Jener dagegen, dessen ganze Gefühls-
und Gedankenwelt von Kindesbeinen an durch christliche Eltern auf Gott und
seine Gerechtigkeit hingewiesen wurde, kann keine plötzliche Änderung
oder Umwälzung seiner Gefühle empfinden und sollte daher nichts
derartiges erwarten. Ein solcher sollte vielmehr erkennen, dass er von
Jugend auf bis zur Reife der persönlichen Verantwortlichkeit von Gott begünstigt
wurde, dass seine Annahme zur Zeit seiner Weihung die vollbewusste Übernahme
seiner bisherigen Stellung zu Gott, eine völlige Weihung jeglicher Gaben
und Fähigkeiten in den Dienst des Herrn, seiner Wahrheit und seines
Volkes bedeutet, dass seine Weihung sein „vernünftiger Dienst“ ist,
und dass, nachdem er sein ganzes schon als gerecht gerechnetes irdisches
Ich dem Herrn nun bewusst geweiht, er die außerordentlich großen und
herrlichen Verheißungen auf sich beziehen darf, die nur die Geweihten und
ihre Kinder angehen. Wenn einem solchen alsdann ein klarer Einblick in den
Plan Gottes oder wenigstens dessen Anfänge zuteil wird, so sollte er
daraus erkennen, dass die auf das Evangeliums-Zeitalter beschränkte hohe
Berufung an ihn ergeht, und sich darüber freuen.
Die Aussage des Apostels: „Wir
wandeln im Glauben und nicht im Schauen“ - gilt für die ganze
Herauswahl des Evangeliums-Zeitalters. Der Herr wünscht unseren Glauben
so zu fördern, dass wir ihm auch da vertrauen, wo wir ihn nicht begreifen
können. Zu diesem Zweck lässt er manche Dinge teilweise geheimnisvoll
bleiben, wenigstens für das natürliche Auge und Urteil, und dadurch wird
der Glaube viel sicherer gefördert, als es durch äußere Zeichen und
Wunder geschehen könnte. Die Augen unseres Verständnisses für göttliche
Dinge müssen durch die Verheißungen der Schrift geöffnet werden, durch
ein Unterscheiden und Verstehen lernen seiner Wahrheit, damit wir uns im
Glauben an Dingen erfreuen lernen, die wir jetzt nicht mit Augen sehen
noch mit unserer natürlichen Vernunft begreifen können.
Auch die Öffnung der Augen unseres
Verständnisses geht nach des Apostels Zeugnis schrittweise vor sich. Er
bittet für die, die bereits zur Herauswahl Gottes gehören, die er als
Geweihte, Heilige anredet, dass die Augen ihres Verständnisses geöffnet
werden möchten, damit sie mehr und mehr erkennen mögen mit allen
Heiligen (in einer Weise, wie andere es nicht vermögen) die Länge und
Breite und Höhe und Tiefe der Weisheit und Liebe Gottes. Der Gedanke,
dass die geistigen Güter der Neuen Schöpfung, die ihr nach der Weihung
zuteil werden, nicht den natürlichen Sinnen, sondern nur dem Glauben
erkennbar sind, ist in den Vorbildern der Stiftshütte auch schon
angedeutet. Der äußere Vorhang verhüllte den Leviten die heiligen Geräte
(tiefere Wahrheiten). Diese wurden nur von denen gesehen, die als Priester
ins Heiligtum Eintritt hatten, wie die tieferen Wahrheiten auch nur von
denen erkannt werden, deren Wunsch, zur königlichen Priesterschaft zu gehören,
stark genug ist, um sie anzutreiben, sich in den Tod zu weihen. (siehe
„Die Stiftshütte“)
Die freudige Erregung kommt denen, bei
denen sie natürliche Anlage des Temperaments ist, nicht selten wieder
abhanden. Was solche aber immer als Gnadenerfahrung und Erregung empfinden
können, wenn sie im Herrn bleiben und in seinen Fußstapfen zu wandeln
suchen, das sind die Freuden des Glaubens, die irdische Wolken und Kümmernisse
nicht zu verdunkeln vermögen. Die Freude soll, so ist es des Herrn Wille,
nicht von ihnen genommen werden, es sei denn für einen Augenblick, wie es
bei unserem Herrn Jesu der Fall war, als er am Kreuze ausrief: „Mein
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Da unser Meister, indem
er Adams Stelle einnahm, alle Erfahrungen des Sünders über sich ergehen
lassen musste, so musste er eben, wenn auch nur für einen Augenblick, die
Abtrennung des Sünders von Gott empfinden. Und wer weiß, ob solch ein
dunkler Augenblick nicht auch der Würdigsten unter den Nachfolgern des
Lammes wartet? Solche Erfahrungen würden freilich nicht auf lange Zeit
zugelassen werden, und die Seele, die in dem dunklen Augenblick auf den
Herrn zu vertrauen fortfährt, wird für diesen Glaubens- und
Vertrauensbeweis reichlich belohnt werden, wenn die Wolke sich verzogen
hat und der Sonnenschein der Gegenwart des Herrn wieder leuchtet.
Eine andere Ursache teilweiser
Verfinsterung deutet ein Dichter an, der darum betete, dass nicht von der
Erde aufsteigendes Gewölk den Herrn seinen Blicken entziehen möge. Die
meisten Wolken, die zwischen den geweihten Gotteskindern und ihrem
himmlischen Vater und älteren Bruder auftauchen, sind solch irdisches Gewölk.
Sie entstehen, wenn wir uns an irdische Dinge hängen, anstatt unsere
Gedanken auf himmlische Dinge zu lenken, wenn wir unser Weihegelübde
vernachlässigen, wenn wir im Opfer und Geopfertwerden lässig sind, wenn
wir nachlassen, uns in den Dienst der Brüder zu stellen oder allen
Menschen nach Möglichkeit Gutes zu tun. Zu solchen Zeiten, wo der Blick
vom Herrn und seiner Führung abgewendet ist, sammeln sich die Wolken
rasch, und der Sonnenschein der Gemeinschaft, des Glaubens, des Vertrauens
und der Hoffnung wird dementsprechend verdunkelt. Das ist eine Zeit
seelischer Krankheit und Unruhe. In seiner Gnade lässt der Herr solche Trübsal
zu, ohne uns deshalb aus seiner Gunst zu verstoßen. Wenn er uns sein
Antlitz verhüllt, so geschieht es, damit wir zu unserer Belehrung
erfahren, wie verlassen und in welch unbefriedigender Lage wir wären,
wenn nicht seine Gegenwart mit seinem Sonnenschein unseren Weg erleuchten
und jegliche Last dieses Lebens uns leicht erscheinen lassen würde.
„Der
da heilet alle deine Gebrechen“
„Preise Jehova, meine Seele, und
vergiss nicht alle seine Wohltaten! Der da vergibt alle deine
Ungerechtigkeit, der da heilt alle deine Krankheiten; der dein Leben erlöst
von der Grube, der dich krönt mit Güte und Erbarmungen; der mit Gutem sättigt
dein Alter; deine Jugend erneuert sich wie die des Adlers.“ - Psalm
103:2-5
Wenn der Herr einerseits zulässt, dass
die Neue Schöpfung solche Krankheiten erdulden muss, wie wir sie eben
angedeutet haben, so ist er andererseits auch stets bereit, ihnen
abzuhelfen, wenn der Leidende in die richtige Herzensstellung kommt. Der
Leidende muss, wenn er seine Mängel empfindet, vor den Thron der Gnade
hintreten, mit der Bitte, dass der Mattigkeit seiner Neuen Schöpfung
abgeholfen werde, dass frisches Leben und Gesundheit im Lichte der Gnade
Gottes wiederkehren möge. Der Apostel ermahnt uns (Hebr. 4:16), „mit
Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir
Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe.“ Alle
Neuen Schöpfungen machen Erfahrungen dieser Art, und wenn sie sie richtig
verwerten, so werden sie immer stärker im Herrn und in der Macht seiner
Stärke, so dass selbst die Fehltritte und Schwachheiten, ihre Hilfsbedürftigkeit,
ihr Anlehnen im Glauben auf den Arm des Herrn, zu ihrem geistigen Vorteil
ausschlagen, so dass sie wachsen und erstarken in einer Weise, wie es
nicht möglich wäre, wenn sie aller Prüfungen und Widrigkeiten enthoben
wären, oder wenn gar der Herr sein Antlitz nicht vor ihnen verbergen würde,
wenn ihre Herzen erkalten oder erschlaffen oder sie ihre geistigen
Vorrechte missachten. Jedes Mal, wenn die Neue Schöpfung das Bedürfnis
empfindet, Vergebung und Hilfe zu suchen, dient ihr dies dazu, ihr von
neuem einzuprägen, dass des Erlösers Sühnopfer und Versöhnungswerk
notwendig war. Sie empfindet alsdann, dass Christi Opfertod nicht nur für
die vergangenen Sünden (die Sünden Adams sowohl als auch unsere eigenen,
begangen, bevor wir durch den Sohn zum Vater kamen) genug getan, sondern
dass seine Gerechtigkeit durch sein einmaliges Opfer für jedermann
hinreichend ist, alle unsere geistigen, sittlichen und leiblichen Mängel
gut macht, sofern sie nicht von uns selbst gewollt sind. So wird die Neue
Schöpfung während ihrer ganzen Reise auf dem schmalen Pfad beständig
daran erinnert, dass sie um einen Preis erkauft wurde, nämlich mit dem
kostbaren Blut Christi, und ihre Erfahrungen und Fehltritte drängen sie näher
und näher an den Herrn heran, indem sie immer höher schätzen lernt, was
Christus einst als Erlöser getan, und was er jetzt als Helfer und Erlöser
zu tun bereit ist.
Manche Neuen Schöpfungen haben nicht
gelernt, aus solchen geistigen Beschwerden oder Gebrechen den von Gott
beabsichtigten Nutzen zu ziehen, sondern sind eher geneigt, in ihren
Herzen zu sprechen: „Ich habe mich wieder vergangen; jetzt kann ich
nicht mehr vor den Thron Gottes hintreten, wenn ich nicht zuerst dem Herrn
meine guten Absichten durch das Erringen eines Sieges bewiesen habe.“ So
schieben sie auf, was sie gerade in erster Linie tun sollten. Sie suchen
in eigener Kraft einen Sieg zu erringen; da sie aber durch die Erkenntnis
ihrer vorigen Schwachheit entmutigt worden sind, sind sie nicht in der
geeigneten Verfassung, einen guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, weder
gegen ihr eigenes Fleisch, noch gegen den Widersacher. So gehen sie einer
sicheren Niederlage entgegen und, was schlimmer ist, sie verlieren mehr
und mehr die Gewohnheit, sich bei dem Herrn nach Hilfe umzusehen, und so
wird das Gewölk, das ihnen den Sonnenschein der göttlichen Gnade verhüllte,
immer dichter und dichter, bis es den Bedauernswerten schließlich als
unvermeidliches Übel erscheint.
Gerade umgekehrt sollte es gehalten
werden. Sobald der Fehler in Wort oder Tat erkannt und der dadurch
gestiftete Schaden, soweit wie möglich, gutgemacht worden ist, sollte der
Thron der Gnade aufgesucht werden, aber im Glauben, nicht im Zweifel. Wir
dürfen von unserem Herrn nicht denken, dass er einen Anlass wider uns
sucht und uns barsch anfahren wird, sondern uns vielmehr daran erinnern,
dass seine Güte und sein Erbarmen groß genug waren, um ihn zu
veranlassen, für unsere Erlösung zu sorgen, als wir noch Sünder waren.
Sicherlich ist seine Liebe für uns, nachdem wir seine Kinder geworden und
vom Geist gezeugt worden sind, und seitdem wir in seinen Wegen - nach dem
Geist, nicht nach dem Fleisch - zu wandeln suchen, um so überschwenglicher,
so sehr wir auch straucheln mögen. Sicherlich muss er uns noch mehr
lieben, als da wir „noch Kinder des Zornes waren gleich wie die übrigen.“
Wir müssen des eingedenk sein, dass, gleichwie ein rechter irdischer
Vater sich seiner Kinder erbarmt, so auch der Herr sich derer erbarmt, die
Ehrfurcht vor ihm haben. Wir müssen an unsere besten Freunde und ihre
Liebe und Teilnahme für uns denken und uns dann Gott noch unendlich viel
liebevoller, gütiger und treuer vorstellen, als die Besten unter seinen
Geschöpfen. Solchen Glauben, solches Vertrauen fordert er, aber er
belohnt es auch. Alle, die Glauben genug hatten, um ein erstes Mal zum
Herrn zu kommen, haben auch, wenn sie nur wollen, Glauben genug, um sich
bei Gott Zugang zu verschaffen, Tag für Tag, in allen Prüfungen,
Schwierigkeiten und Vergehungen. Lassen sie aber die Wolken immer mehr
zwischen sich und den Herrn treten, lehnen sie es ab, nach der Ermahnung
der Schrift, vor dem Thron der Gnade um Frieden und Wiederherstellung der
Gemeinschaft zu bitten, dann werden sie schließlich nicht würdig
befunden werden, der besonderen Klasse, die der Herr jetzt auserwählt,
zugezählt zu werden. Der Vater sucht solche Anbeter, die ihn ehren - das
heißt, die ihn lieben und ihm trauen - und „ohne Glauben aber ist es
unmöglich, ihm wohlzugefallen“; „dies ist der Sieg, der die Welt überwunden
hat: unser Glaube.“ - Joh. 4:23; Hebr. 11:6; 1. Joh. 5:4
Es gibt natürlich auch Schwierigkeiten
auf dem Wege, aber der Herr hat für die notwendige Hilfe und den nötigen
Rat Sorge getragen; sowohl in seinem Wort als auch in den Brüdern, die er
in der Versammlung, die da ist sein Leib, dazu „gesetzt“ hat. (1. Kor.
12:18) Schon das zum Beispiel ist eine Hilfe, wenn wir einsehen, worin
unsere Abirrung besteht, wenn wir erkennen, dass die Verschiebung unseres
Hinzutretens vor den Thron der Gnade, bis wir etwas Eigenes zu unserer
Rechtfertigung vorbringen können, ein Beweis dafür ist, dass wir die große
Belehrung, die Gott seit Jahrhunderten gegeben, nicht völlig zu erfassen
vermögen; dass wir nämlich alle untüchtig sind, das zu tun, was wir möchten,
dass wir mithin des Erlösers bedürfen, der gekommen ist, uns
aufzurichten. Wer damit umgeht, sich selbst zu rechtfertigen, der versucht
etwas Unmögliches, und je schneller er dies erkennt, um so besser für
ihn. Wir sollten täglich dem Herrn Rechenschaft geben, ob es uns leicht
oder schwer fällt. Wenn das Herz des Geweihten weich und an
ununterbrochene Gemeinschaft mit dem Herrn gewöhnt ist, so werden wir
Erleichterung finden, wenn wir, so oft irgendeine Schwierigkeit auftaucht,
gleich vor den Thron der Gnade hintreten und nicht erst den Abend
abwarten. Jedenfalls sollte keine Schwierigkeit über Nacht behalten
werden; der Zugang zum Thron der Gnade steht uns immer offen, und davon
keinen Gebrauch zu machen, würde eine Herzensstellung zeigen, die mit dem
Wort des Herrn unvereinbar ist.
Einzelne bemerken mit Schmerzen, dass
sie, nachdem sie vor den Thron der Gnade getreten sind, nicht den Segen
empfanden, den sie erwarteten - die Vergebung der Sünden und die Aussöhnung
mit dem Vater. Dies mag eine der folgenden drei Ursachen haben: 1. Sie können
es an Glauben haben fehlen lassen, und da in der gegenwärtigen Zeit der
Herr alles nach dem Glauben beurteilt, kann ohne Glauben nichts erhalten
werden. „Dir geschehe nach deinem Glauben.“ - 2. Sie mögen das
Unrecht, das sie vor Gott bekennen, nicht gut gemacht, nicht dafür um
Verzeihung gebeten haben. Oder aber, wenn sie sich gegen den Herrn
vergingen, mögen sie es ihm verschwiegen und nicht um seine Verzeihung
gebeten haben; dann suchen sie natürlich den Frieden umsonst. - 3. Nicht
selten hatten wir Gelegenheit zu bemerken, dass der Mangel an Frieden von
der unvollständigen Weihung des Betenden herrührte. Solche suchen bei
Gott Freude und Frieden und den Sonnenschein der Gnade - geistige Güter,
die in der Stiftshütte durch Schaubrote und den Schein des goldenen
Leuchters vorgeschattet waren - während sie in Wirklichkeit noch außerhalb
der Weihung stehen, mithin nicht zur königlichen Priesterschaft gehören,
nur Leviten sind, die bis jetzt die besondere Gnade, das Vorrecht des
gegenwärtigen Zeitalters, umsonst empfangen haben.
Das
beste Heilmittel gegen Mangel an Glauben besteht im Studium des Wortes
Gottes, im Nachdenken über Gottes Güte in der Vergangenheit und
Gegenwart, in dem Bemühen, zu erkennen, dass er gnädig ist, außerordentlich
viel gütiger, als wir es je zu wünschen oder zu denken vermocht hätten.
Das Heilmittel im zweiten Fall wäre das sofortige unumwundene Bitten um
Vergebung, ein Gutmachen des begangenen Unrechtes, soweit dies möglich
ist, und dann eine Rückkehr zum Thron der Gnade in voller
Glaubenszuversicht. Im dritten Fall liegt das Heilmittel in der Vollendung
der Weihung oder Hingabe, die der Herr von allen verlangt, die an den
besonderen Vergünstigungen des gegenwärtigen Evangeliums-Zeitalters
Anteil haben wollen.
Ferner soll hier noch von einer anderen
Art Kranker unter den Geweihten die Rede sein. Es sind jene, die, wiewohl
allem Anschein nach gerechtfertigt und aufrichtig geweiht, in der
Beherrschung des Fleisches wenig oder gar keine Fortschritte zu machen
scheinen. Ja, es sieht manchmal so aus, als hätte sie ihr Glaube an
Gottes Güte und Barmherzigkeit durch Austreibung der Furcht den
Versuchungen durch das Fleisch zugänglicher gemacht, als sie vordem
waren, da sie den Herrn noch weniger gut kannten. Solche machen
Erfahrungen, die nicht für sie allein, sondern für den ganzen Haushalt
des Glaubens, dem sie angehören, sehr betrübend sind. Ihr Wandel
erscheint wie eine Reihe von Fehltritten und Reuebezeugungen; die einen
handeln verkehrt in der Verwaltung irdischer Güter, die anderen fehlen in
sittlicher oder gesellschaftlicher Beziehung.
Die Arznei, deren solche bedürfen, ist
der Hinweis darauf, dass die Neue Schöpfung nicht aus solchen bestehen
wird, die nur Selbstverleugnung, Darangabe irdischer Dinge, Ablassen vom
Wandel nach dem Fleisch und einen Wandel nach dem Geist versprechen,
sondern aus solchen, die infolge ihres Ausharrens in der Bereitwilligkeit,
ihr Versprechen zu erfüllen, als Überwinder von ihm, der im Herzen
liest, anerkannt werden können. Sie sollten daran erinnert werden, dass
das für alle Geweihten richtige Verfahren darin besteht, die Freiheit,
mit der Christus sie freigemacht hat, zu benutzen und allen Fleiß und
alle Sorgfalt darauf zu verwenden, dass sie aller der Weihung verheißenen
Segnungen teilhaftig werden möchten, und müssten sie deswegen auch
Sklaven werden (indem sie sich selbst im Handel und Wandel, im Denken und
Reden bestimmte Schranken setzen), ernstlich den Herrn um die Hilfe
bittend, die er durch des Apostels Worte verheißen hat. „Meine Gnade
genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.“ Jedes
Mal, wenn sie sich bei einer Übertretung ertappen, sollten sie die davon
Betroffenen um Entschuldigung bitten, aber nicht nur das, sondern ihren
Fehltritt auch vor dem Herrn bekennen und so durch Glauben seine Vergebung
erlangen. Sie sollten ihm versprechen, in Zukunft sorgfältiger zu sein,
und ihrer Freiheit noch weitere Beschränkungen auferlegen, und zwar
gerade in der Richtung, in der sie gefehlt haben. Von solchen Brüdern und
Schwestern dürfte gelten, was der Apostel als „unordentlich wandeln“
bezeichnet, ein Benehmen, das mit dem des Herrn und seiner Apostel nicht
übereinstimmt.
Wenn sie jedoch wachen und beten und über
jedes ihrer Werke und Worte wachen und „jeden Gedanken gefangen nehmen
unter den Gehorsam des Christus“ (2. Kor. 10:5), dann wird es sicherlich
nicht lange dauern, bis sie selbst und auch die Brüder von der
Aufrichtigkeit ihrer Herzen überzeugt sein werden, und ihr Wandel wird so
vorsichtig sein, dass alle ihnen anmerken werden, nicht nur, dass sie mit
Jesu gewandelt, sondern auch, dass sie von ihm gelernt, seine Hilfe
gesucht und benutzt haben, um Siege über ihre Schwachheiten
davonzutragen.
In einem späteren Abschnitt werden wir
die Weisungen des Herrn hinsichtlich der Behandlung sehen, die die Brüder
solchen angedeihen lassen sollten, die nach dem Fleisch wandeln, des Herrn
Sache in Verruf bringen und ihr Schande machen. Hier bemerken wir jedoch
gleich, dass, solange sie von ihrer Reue über ihren falschen Wandel, von
ihrem Wunsch, richtig zu wandeln und dem Herrn zu glauben und zu trauen,
sichere Beweise geben, sie als Brüder geachtet werden sollten. So nötig
es sein mag, sich von ihnen so lange fernzuhalten, bis sie irgendeinen
greifbaren Beweis dafür bringen, dass die Macht der Gnade in ihren Herzen
genügend erstarkt ist, um die Schwachheiten ihres Fleisches einigermaßen
im Zaume zu halten, sollten sie doch ermutigt werden, zu glauben, dass der
Herr barmherzig und von großer Güte ist für jene, die ihm vertrauen und
von Herzen seine Wege zu gehen wünschen. Freilich dürfen sie nicht in
dem Glauben bestärkt werden, dass sie würdig erfunden werden könnten,
den Überwindern beigezählt zu werden, es sei denn, dass es ihnen mit
ihrem Eifer für die Gerechtigkeit so ernst wird, dass in unzweideutiger
Weise ersichtlich wird, dass ihr Fleisch der neuen Gesinnung unterworfen
ist.
Wir haben schon Geweihte des Herrn
gefunden, deren neues Leben dem Erlöschen nahe war. Sie wünschten zwar
sehnlichst die Gemeinschaft mit dem Herrn, aber es fehlte ihnen an der nötigen
Erkenntnis, wie diese Gemeinschaft herbeigeführt und festgehalten werde.
Sie hatten zwar die Bibel, aber ihre Aufmerksamkeit war von ihr abgelenkt;
sie waren gewohnt, sich nach Lehren umzusehen, Katechismen nachzuschlagen
usw. So wandelten sie nach den Überlieferungen der Menschen und nicht
nach der Gesinnung, nach dem Geist Gottes, und entbehrten infolgedessen
der richtigen geistigen Nahrung. Die Folge davon war, dass sie zwar wohl
dem Formenwesen abgeneigt waren, aber nicht wussten, wie sie es machen
sollten, sich mehr mit ihrem ganzen Herzen dem Herrn zu nahen. Es fehlte
ihnen eben die Erkenntnis seiner Güte, des Reichtums seiner Gnade in
Christo Jesu, des großen Planes zur einstigen Errettung der Welt und der
Berufung der Herauswahl zur neuen Natur. So schwer Erkrankte bedürfen vor
allem der reinen unverfälschten Milch des Wortes und dann der „starken
Speise“ der göttlichen Offenbarung. Sie sollten nicht verachtet oder
vernachlässigt werden, auch dann nicht, wenn sie, nachdem ihnen die
Hohlheit des Kirchentums zum Bewusstsein gekommen ist, einen Ersatz dafür
in weltlichen Zerstreuungen und dergleichen gesucht haben. Wir haben
solche gekannt, die in geistiger Beziehung ganz gleichgültig geworden
waren, nachdem sie in verschiedener Richtung vergeblich nach
Herzensbefriedigung gesucht hatten, die aber sofort erstarkten, sobald
ihnen die „gegenwärtige Wahrheit“ angeboten wurde. Wir glauben, dass
es in den verschiedenen Namenkirchen noch mehr solche gibt. Ihnen die Hand
zu reichen, um sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht zu führen,
aus geistigem Hungertod zu überströmender Gnade und Wahrheit, ist ein
großes Vorrecht jener, die das Licht der gegenwärtigen Wahrheit schon
empfangen haben. Damit uns aber der Herr brauchen kann, solche zu segnen,
müssen wir Weisheit und Gnade von oben in seinem Worte suchen und sie in
freundlicher und beständiger Weise und mit gläubigem Herzen anwenden.
Probeweise
Rechtfertigung sollte zur Heiligung führen.
Wir haben schon gesehen, dass die
Gerechtmachung nicht nur darin besteht, dass wir daran glauben, dass
Christus als Erlöser für die Menschheit gestorben, und infolgedessen
eine Wiederaussöhnung des Geschlechtes mit Gott und eine bestimmte
Segnung möglich sei, sondern um ein aus Glauben Gerechtfertigter zu
werden, ist vielmehr eine gewisse Weihung erforderlich. Rechtfertigung aus
Glauben schließt die Erkenntnis in sich, dass die Sünde außerordentlich
sündhaft ist (Röm. 7:13), und den Wunsch, von ihr loszukommen, sowohl
von ihrer Herrschaft als auch von der darauf gesetzten Strafe - den Wunsch
also, gerecht zu sein, eines Sinnes mit dem gerechten Schöpfer, in Übereinstimmung
mit allen Gesetzen der Gerechtigkeit. Rechtfertigung aus Glauben setzt
ferner voraus, dass der Gläubige sich vorgenommen hat, in allen Dingen
dieses Lebens Gerechtigkeit walten zu lassen. So weitgehende Heiligung
bringt in Verbindung mit dem Glauben an das Lösegeld die probeweise
Rechtfertigung, setzt aber noch kein Opfer voraus. Gott hat ein Recht zu
fordern, dass alle seine Geschöpfe die Gerechtigkeit gutheißen und die
Ungerechtigkeit hassen, und andernfalls sie als Fremde, als Feinde zu
betrachten. Aber Gott verlangt nicht von uns, dass wir unser Leben in
seinem Dienst oder sonst für irgendeine Sache opfern. Das Opfer wird in
der Schrift als etwas Freiwilliges hingestellt, als etwas, das das Gesetz
nicht fordert, obwohl es nach des Apostels Erklärung ein „vernünftiger
Dienst“ ist, indem er uns auffordert, unsere Leiber als lebendige Opfer
darzustellen, Gott annehmbar. - Röm. 12:1
Bei einigen mag nun die Weihung zum
Opfer sehr bald, nachdem sie den Glauben an den Herrn fanden und der
Wunsch in ihren Herzen entstand, in seinen gerechten Wegen zu wandeln,
eintreten. Aber vorausgehen kann diese Weihung nicht, weil wir, wie
bereits gesehen, erst aus Glauben probeweise gerechtfertigt sein müssen,
um etwas zu haben, was wir Gott anbieten können, und das er auf seinem
Altar neben dem Opfer unseres teuren Erlösers brauchen kann.
Andere verharren einige Zeit in der
Stellung dieser Probeweisen „Rechtfertigung aus Glauben“, ohne dem
Gedanken, sich völlig zu weihen oder irdische Interessen für den Herrn
und seine Sache daranzugeben, auch nur Näherzutreten. Aber bei den
heutigen Verhältnissen wird, wer den Pfad hin zur Rechtfertigung, der
Gerechtigkeit, der Übereinstimmung mit Gott betritt, nicht weit auf ihm
voranschreiten brauchen, um auf Widerstand zu stoßen, sei es seitens des
Fleisches, der Welt oder des Widersachers. Sie gewahren, dass der Pfad
allmählich steigt, steiler und schwieriger wird. Wer auf ihm weiter
wandeln will, inmitten der heutigen, von der Sünde beherrschten Verhältnisse,
wird bald merken, dass ihm sein Wandel irdischen Nutzen, irdische
Bestrebungen, Freundschaften usw. kostet. Hier ist der Kreuzweg erreicht:
Zu der einen Abzweigung, dem aufwärts führenden Pfad zu Herrlichkeit,
Ehre und Unsterblichkeit, kann der Pilger nur gelangen, wenn er eintritt
durch die Tür der Demütigung, Selbstverleugnung und Selbsthingabe.
Einmal eingetreten bemerkt der Pilger, dass der Weg rau und schwierig ist,
dass ihm aber dennoch ungesehen helfende Geister zur Seite stehen, dass
die köstlichen Verheißungen Christi, des Anführers, hier und dort als
Lichter zu seiner Ermutigung dienen, ihm versichernd, dass er hinreichende
Gnade und Beistand bis zum Ende der Reise empfangen wird. Wenn er
ausharrt, wird er bemerken, dass alle Dinge zu seinem Besten mitwirken,
zur künftigen Gliedschaft der Neuen Schöpfung, zum Anteil an dem
glorreichen Werk des tausendjährigen Königreiches.
Vor diesem Tor, das volle Weihung zum
Opfer, ja, zum Tode bedeutet, steht mancher probeweise aus Glauben
Gerechtfertigte eine kleine Weile still und überschlägt die Kosten,
bevor er eintritt, bevor er der Einladung des Wortes folgt; er nimmt
seinen Mut zusammen, um die Reise anzutreten, zu der ihn die guten
Zusicherungen ermutigen.
An diesem Tor vorbei führen zahlreiche
Nebenwege, auf denen viele, die bis hierher gekommen sind, auf leichtere
Weise zu Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit zu gelangen suchen.
Umsonst! Es gibt dieser Nebenwege Hunderte. Die einen führen eine
Zeitlang aufwärts und erfordern ein wenig Selbstverleugnung; andere
schwenken gleich ab und führen abwärts zu den Vorteilen und Aussichten
dieser Welt. Auf keinem von diesen Nebenwegen aber findet der Wanderer die
ermutigenden Verheißungen, die nur für jene sind, die durch die enge
Pforte der Weihung eintreten. Sie sind Lichter auf dem schmalen Weg der
Nachfolge Christi, in der auf irdische Bestrebungen verzichtet wird, damit
sie den höchsten Grad der Gemeinschaft mit Christo Jesu und den Anteil an
der zukünftigen Herrlichkeit erreichen.
Freude und Friede kommen von dem
Augenblick an, da wir an den Herrn glauben, seine Versöhnung annehmen,
den Entschluss fassen, nach Gerechtigkeit zu streben und Sünde zu meiden.
Diese Freude und dieser Friede bleiben ungetrübt bis vor die enge Pforte
am Anfang des schmalen Weges; aber der Gerechtigkeit weiter nachzujagen
erfordert Selbstverleugnung, Selbsthingabe; wird dieses Opfer nicht
gebracht, tritt man nicht durch die enge Pforte ein, dann verdunkeln sich
auch der Friede und die Freude über die Gunst Gottes. Ganz werden sie
freilich nicht verschwinden, solange der probeweise aus Glauben
Gerechtfertigte auf anderen Wegen der Gerechtigkeit zu folgen sucht, sie
weiterhin liebt und die göttliche Gunst wertschätzt, auch dann nicht,
wenn er vor dem Eintritt durch die enge Pforte zurückschreckt, aber volle
Freude und voller Friede kann solchen nicht zuteil werden, solange sie
nicht erkennen, dass volle Weihung aller ihrer Kräfte nur ein „vernünftiger
Dienst“ ist (Röm. 12:1), die schuldige Anerkennung und Gegenleistung für
die bereits empfangene, in der Sündenvergebung bestehende Gunst Gottes.
In dieser schwachen Herzensverfassung
verbleiben viele recht lange, indes andere die Wege der Welt einschlagen.
Weder die einen noch die anderen werden Bewerber um die Neue Schöpfung,
wenn sie nicht durch die enge Pforte der Selbsthingabe eingehen. Lange
Zeit schneidet sie der Herr nicht ab von besonderen Vorrechten, die dazu
bestimmt sind, sie zur engen Pforte zu führen. Dadurch aber, dass sie
durch sie einzutreten verfehlen, stellen sie sich als solche dar, die
„die Gnade Gottes (die Vergebung ihrer Sünden und ihre Hinleitung zu
der engen Pforte) umsonst empfangen haben“, weil, einmal soweit
gebracht, sie sich „der einen Hoffnung unserer Berufung“ zu versichern
verfehlen oder sich weigern. Mit Recht könnte der Herr zu solchen sagen:
Ich nehme euch wieder alle Vorzugsrechte weg; ihr seid ihrer nicht würdiger
als die übrigen Menschen, mit denen ihr während des
Tausendjahr-Zeitalters euren Teil an Gelegenheit und Gnade haben möget.
Aber besondere Bevorzugung, Barmherzigkeit, Obhut, Fürsorge usw.
meinerseits gibt es für euch hinfort nicht mehr. - Aber der Herr tut dies
nicht sofort und hat mit vielen sehr lange Geduld.
Die außerordentlich großen und
herrlichen Verheißungen des göttlichen Wortes, wie zum Beispiel, dass
alle Dinge denen zum Guten mitwirken, die Gott lieben, haben nur für
solche Geltung, die, nachdem sie von Gott bevorzugt und vor die schmale
Pforte der Selbsthingabe gestellt worden sind, nun auch freudig durch sie
eintreten, für solche, die Gott im höchsten Grade lieben, mehr als sich
selbst. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist
Gottes.“ (1. Kor. 3:23) Sie sind in die Schule Christi eingetreten; in
dieser Schule werden alle Lehren, Ermutigungen und Zuchtmittel, die das
Leben bietet, so überwaltet, dass sie die Schüler für die Königswürde
vorbereiten. Außerhalb dieser Schule haben die Lehren des Lebens keinen
so großen Segen im Gefolge für solche, die es ablehnen, einzutreten und
ihren Willen unter den des großen Lehrers zu beugen.
Denen, die die Gnade Gottes umsonst
empfangen haben, gebricht es, genau genommen, auch an einem Zugang zum
Vater, an einer Grundlage, dem Vater im Gebet zu nahen. Denn wie sollen
solche besondere Fürsorge und Bevorrechtung seitens Gottes erwarten, wenn
sie jede Gegenleistung für die bereits empfangenen Segnungen zu geben
verfehlen? Haben solche, die bereits vom Herrn gesegnet wurden, indem
Christus ihnen zur Weisheit und Probeweisen Rechtfertigung gemacht wurde,
das Recht zu denken, Gott sei nun verpflichtet, ihnen noch mehr zu
schenken? Sollten solche nicht vielmehr erkennen, dass, nachdem sie
solcher Gnade teilhaftig wurden, von der die übrigen des erkauften
Geschlechtes nichts wissen, sie schon mehr als ihren gebührenden Teil
empfangen haben? - dass weitere Erbarmungen und Vergünstigungen Gottes,
wenn sie dem Willen des Herrn weiter zu folgen verfehlen, an ihnen vorbei
und zu solchen übergehen werden, die bis jetzt vom Herrn nicht in
gleichem Maße bevorzugt wurden und daher das gnädige Anerbieten Gottes
noch nicht in gleichem Maße verschmäht haben? Wie der Dichter im
Hinblick auf die große Drangsal es ausdrückt:
Welch
ein schreckliches Erwachen
Harrt
auch derer, die da träumten,
Ihre
Auswahl festzumachen,
Bei
den Schlafenden versäumten!
Aber der Herr ist voller Mitleid und
von großer Güte, und daher mögen wir erwarten, dass, solange jemand
wenigstens den Glauben festhält, Gott ihn nicht völlig verwerfen wird.
Was wäre das Heilmittel für jene, die
in Obigem ihren eigenen Fall erkennen und völlig des Herrn zu sein und völlig
seiner Gunst teilhaftig zu werden wünschen? Unseres Erachtens wäre es
eine völlige Weihung, die völlige Ergebung in den Willen des Herrn in
allen Dingen. Ihre Bestrebungen, ihre Hoffnungen, ihre Aussichten, ihre
Mittel, ja, selbst ihre irdischen Freundschaften sollten sie dem Herrn
hingeben und dafür die Führung seines Wortes und Geistes und seiner
Vorsehung als ihr Gesetz eintauschen, als Richtschnur für ihren künftigen
Wandel. Sie sollten dabei dessen sicher sein, dass auf diese Weise nicht
nur ihre Aussichten im zukünftigen Leben um so herrlicher werden, sondern
auch im gegenwärtigen Leben größerer Herzensfriede ihr Teil sein wird.
Wie sollten sie dies tun? Von Herzen,
in Ehrfurcht und im Gebet. Der Bund mit dem Herrn sollte fest gemacht
werden, womöglich mit hörbarer Stimme; und dabei sollte um Gottes Gnade,
Erbarmen und Segen gebetet werden, weil wir deren bei der Hinausführung
unseres Opfers bedürfen.
Und was sollte geschehen, wenn jemand
nach Gott tastet, aber sich nicht völlig bereit fühlt, seinen Willen
ganz daranzugeben? Er sollte, meinen wir, die Sache dem Herrn im Gebet
vortragen, ihn bittend, dass er das Forschen nach der Wahrheit segne,
damit er erstens mehr und mehr die Vernünftigkeit solchen Dienstes zu
erkennen, sodann die Sicherheit des sich daraus ergebenden Segens und
endlich des Herrn Treue im Halten seiner großen, an die opfernde Klasse
gerichteten Verheißungen wahrzunehmen vermöge. Er sollte ferner den
Herrn bitten, ihn zu befähigen, irdische Dinge richtig abzuschätzen und
abzuwägen, um zu erkennen und nötigenfalls zu erfahren, wie vergänglich
und unbefriedigend alles das ist, wonach die Selbstsucht im gegenwärtigen
Zeitalter strebt und der natürliche Sinn begehrt, auf dass er dadurch
auch befähigt werde, eine Weihung zu vollziehen und den Vorzug zu würdigen,
der darin besteht, seinen Sinn auf das zu richten, was droben ist, anstatt
auf das, was unten ist, die Dinge dieser Welt darangeben, um jener der
anderen Welt teilhaftig zu werden.
Da nun aber die hohe Berufung (Band 3,
Kapitel 6) nicht mehr ergeht, ist da der sich Weihende sicher, noch eine
Gelegenheit zu haben, den großen Preis der neuen Natur mit der
Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit zu erringen? Oder sollte er, wenn
er nicht sicher wäre, dass diese Gelegenheit noch weiter besteht, sich
darum weniger weihen? Unseres Erachtens sollte, selbst wenn diese
Unsicherheit bestünde, der Glaubende sich weihen. Weihung ist in Gottes
Augen unter allen Umständen das richtige. Völlige Weihung wird auch von
denen gefordert, die der Freuden und der Segnungen des Tausendjahrreiches
teilhaftig werden wollen. Hinsichtlich des großen Lohnes aber verweisen
wir auf früher Gesagtes. Unseres Erachtens werden noch viele zum Laufe in
den Schranken zugelassen, um die Plätze solcher einzunehmen, die sich
zwar geweiht haben, aber dann nicht so gelaufen sind, dass sie das Kleinod
erreichten und deshalb nicht mehr als Bewerber angesehen werden. Niemand
wird indes auf einem anderen Wege in die Rennbahn gelassen als durch die
enge Pforte der Weihung, der Hingabe seiner selbst.
Wahrscheinlich haben alle, die durch
die enge Pforte eingetreten sind, die großen und reichen Segnungen, die
Gott für seine treue Neue Schöpfung in Bereitschaft hält, zuerst nicht
so klar und völlig verstanden. Sie sahen wohl erst nur, dass es ein vernünftiger
Dienst ist, und erst danach erfuhren sie mehr von der Länge, Breite, Höhe
und Tiefe der Güte Gottes und der Vorzugsrechte, zu denen die hohe
Berufung zu führen bestimmt ist. So geht es auch denen, die jetzt
eintreten. Sie können die himmlischen, geistigen Dinge nicht völlig würdigen,
es sei denn, sie seien zuvor soweit gekommen, sich völlig zu weihen, was
auch dann ihr vernünftiger Dienst bleibt, wenn die Vollzahl der Überwinder
gefunden wäre. Wir dürfen dessen gewiss sein, dass der unendlich reiche
Herr für solche, die sich, nachdem die himmlische Klasse vollzählig ist,
dem Herrn und seiner Sache weihen, eine Fülle von Segnungen irgendwelcher
anderer Art in Bereitschaft hält, wie sie nur Geweihten und sich
Opfernden zuteil werden können. Es ist möglich, dass sie den
Alttestamentlichen Überwindern zugerechnet werden, die die Gott wohlgefällige
Opferwilligkeit schon hatten (siehe 1. Mose 22; Hebr. 11), bevor die hohe
Berufung erging.
Irrige
Ansichten über Heiligung
Bei der Unklarheit, die in der
Namenchristenheit hinsichtlich des Planes Gottes fast allgemein herrscht,
ist es nicht zu verwundern, dass auch hinsichtlich des Begriffes
„Heiligung“ viel Verwirrung herrscht.
Eine irrige Anschauung, die freilich
von ganz wenigen Kindern Gottes zu ihrem eigenen Schaden festgehalten
wird, ist, dass sie tatsächlich gerecht und heilig seien, dass sie sich
bei einem Rückblick das Zeugnis geben können, sie hätten seit Jahren
nicht mehr gesündigt. Diese finden ihr Vorbild in den Pharisäern zur
Zeit unseres Herrn, „die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht
seien, und die übrigen für nichts achteten“ (Luk. 18:9) und ob dieser
Selbstgerechtigkeit achtlos an den Gnadengaben und Vorrechten
vorbeigingen, die das Erlösungswerk unseres Herrn in ihren Bereich
stellte.
Die Aufmerksamkeit dieser sogenannten
„Heiligen“ und „Sündlosen“ wird in hohem Grad von dem Glauben an
den Herrn und sein Lösegeld, von dem Vertrauen auf das Verdienst seines
Opfers usw. abgelenkt. Denn wozu sollten sie dessen bedürfen, da sie doch
das Gesetz Gottes voll und ganz zu erfüllen imstande sind? Es ist
einerseits eine zu geringen Meinung vom Herrn und andererseits eine zu
hohe Meinung von sich selbst, die sie irreführt. Würden sie den Herrn
hochachten, wie er es verdient, so würden sie auch seine Größe, seine
Herrlichkeit und die Heiligkeit und Vollkommenheit seines Charakters
erkennen; und eine richtige Einschätzung ihrer selbst würde sie bald
belehren (wie sie andere belehrt), dass sie in Worten, Werken und Gedanken
weit hinter dem göttlichen Maßstab zurückbleiben.
Eine andere Klasse solcher
„Heiligen“ geht nicht ganz so weit, sich als sündlos zu erklären,
aber hält sich bei aller Anerkennung ihrer Unvollkommenheit für vollständig
heilig, weil sie die Sünde zu vermeiden, sündlos zu leben versucht. Wie
schon gezeigt, sind wir mit diesen insoweit einverstanden, dass wir
denken, dass alle wahrhaft Geweihten versuchen sollen, nach Kräften die Sünde
zu meiden; jene „Heiligen“ irren darin, dass sie wähnen, die
Vermeidung der Sünde sei der einzige Zweck der Weihung. Sie haben den
Gegenstand vollständig missverstanden; kein Geschöpf Gottes hat ein
Recht zu sündigen; sich der Sünde enthalten, etwas nicht tun, was man
nicht tun darf, kann keineswegs als Opfer bezeichnet werden. Nirgends
fordert uns das Wort Gottes auf, Sünde zu opfern. Jene lieben Freunde,
deren Weihung nicht mehr bedeutet als die Vermeidung der Sünde, sind
gerade soweit gekommen, als alle Gerechtfertigten kommen sollten; sie sind
noch nicht eingetreten durch die enge Pforte der Darangabe der Dinge, die
erlaubt, die recht sind, auf die freiwillig verzichtet werden soll, damit
wir dem Herrn und seiner Sache besser dienen können.
Christus
unsere Erlösung
Das Wort „Erlösung“ bedeutet hier
Errettung, Befreiung, als das Ergebnis des Erlösungswerkes, der
Verwirklichung dessen, wofür das Lösegeld gebracht worden ist. Der in
diesem Wort liegende Gedanke führt uns bis zur Verwirklichung des Sieges
der Herauswahl, zur tatsächlichen Geburt der Neuen Schöpfung, obwohl an
der hier besprochenen Stelle das Werk auch sehr wohl auf die vielen
Hilfeleistungen angewendet werden dürfte, die den Gläubigen auf dem
schmalen Wege zuteil werden, und die sie schließlich mittels Teilnahme an
der ersten Auferstehung zu der „großen Errettung“, zu Ehre,
Herrlichkeit und Unsterblichkeit, bringen werden.
Der Apostel versichert uns, dass
unseres Herrn Opfer für uns eine „ewige Errettung“, eine dauernde
Errettung aus der Knechtschaft der Sünde und deren Strafe, dem Tode,
bewirkt hat. (Hebr. 7:25; 9:12) Diese Erlösung ist freilich für die
ganze Welt, und schließlich wird unser Herr alle, die sich mit dem göttlichen
Gesetz in Übereinstimmung bringen lassen, auf immer von Sünde und Tod
retten. Aber im gegenwärtigen Zeitalter ist, wie wir in der Broschüre
„Die Stiftshütte“ gezeigt haben, diese ewige Errettung, die im
Millennium allen zugänglich gemacht werden wird, indem alle zur
Erkenntnis der Wahrheit gebracht werden sollen, nur dem Haushalt des
Glaubens zugänglich, und auch davon nur denen, die jetzt als Opferer in
den Fußstapfen des Hohenpriesters als Glieder der königlichen
Priesterschaft wandeln. Wenn diese einst von Sünde und Tod auf immer
befreit sind, werden sie Angehörige der Neuen Schöpfung sein, gekrönt
mit Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit.
Lasst uns hier noch einige andere
Stellen betrachten, in denen das griechische Wort „Apolytrosis“
(Befreiung, Errettung) mit „Erlösung“ übersetzt ist. Unser Herr
spricht, indem er auf die alsdann fällige Errettung durch die erste
Auferstehung hinweist, zu den am Ende des Zeitalters lebenden Zeugen,
welche die Zeichen der Zeit wahrnehmen: „Wenn aber diese Dinge anfangen
zu geschehen, so blicket auf und hebet eure Häupter empor, weil eure Erlösung
naht.“ (Luk. 21:28) Zu der gleichen Klasse Neuer Schöpfungen spricht
der Apostel: „Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen
ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung.“ (Eph. 4:30) Diese
beiden Schriftstellen beziehen sich nicht auf den Teil des Erlösungswerkes,
der auf Golgatha geschah, sondern auf die Ergebnisse jenes Teiles, die in
der Vollendung und Erhöhung der Herauswahl, „die da ist sein Leib“,
durch die erste Auferstehung, bestehen.
In Epheser 1:7 erklärt der Apostel:
„Wir haben die Erlösung durch sein Blut.“ Hier spricht er offenbar
von den Segnungen, deren wir im gegenwärtigen Leben teilhaftig werden
durch das Verdienst des Opfers unseres Herrn, das unsere Mängel bedeckt
und für uns ein weit überwiegendes und ewiges Gewicht von Herrlichkeit
bewirkt, indem es in uns wirkt sowohl das Wollen als auch das Vollbringen
nach Gottes Wohlgefallen.
Christus ist uns also schon im gegenwärtigen
Leben zur Erlösung gemacht, indem er uns in den gegenwärtigen Kämpfen
den Sieg gibt, wie er uns schließlich den endgültigen Sieg geben wird,
wenn er uns zu seinem eigenen Bild vollkommen machen wird. Denselben
Gedanken äußert Paulus in Röm. 3:24, wo wir lesen: „Wir werden
umsonst gerechtfertigt durch seine (Gottes) Gnade (und sie erhält uns in
der Gerechtigkeit, solange wir in Christo bleiben), durch die Erlösung,
die in Christo Jesu ist.“ Diese Erlösung wird vollendet sein, sofern
wir dafür in Betracht kommen, wenn wir ihm gleichförmig gemacht sein und
ihn sehen, wie er ist, und teilhaben werden an seiner Herrlichkeit am Tage
der Erlösung (Befreiung). In Röm. 8:22, 23 spricht der Apostel wiederum
von der Vollendung unserer Erlösung oder Befreiung, auf welche wir warten
müssen bis zur von Gott zuvor bestimmten Zeit: „Die ganze Schöpfung
seufzt zusammen und liegt in Geburtswehen bis jetzt. Nicht allein aber
sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben,
auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung
unseres Leibes“ (d.h. natürlich des Leibes Christi, der da ist die
Versammlung, dessen Haupt Jesus ist, und dessen voraussichtliche Glieder
wir sind). Dies erst wird für uns die Vollendung der Erlösung sein, denn
obwohl wir unterdessen mancher Segnung und Errettung teilhaftig werden,
wird unsere Befreiung doch nicht vollständig sein, bevor der Leib Christi
erlöst und wir mit ihm erhöht sein werden. - Röm. 8:20-23
Von unserer jetzigen Lage, unserem
jetzigen Anteil an der Erlösung sagt unser Herr: „Wer an mich glaubt,
hat ewiges Leben“ (Joh. 6:47), und der Apostel sagt: „Wer den Sohn
hat, hat das Leben.“ (1. Joh. 5:12) Wir dürfen aber nicht meinen, dass
der Glaube, von dem hier die Rede ist, nur die Zustimmung unseres
Verstandes zu bestimmten Tatsachen des göttlichen Heilsplanes ist. Nein,
dieser Glaube an das Lösegeld muss derart sein, dass er unseren ganzen
Wandel beeinflusst und uns in Gegensatz zur Sünde bringt, ein lebendiger
Glaube, der sich in von Herzen kommendem Gehorsam kundgibt. Andererseits dürfen
wir die zweite oben angeführte Stelle auch nicht so verstehen, dass die
Gläubigen ewiges Leben im vollen Sinne des Wortes schon jetzt hätten, in
dem Sinne, dass ihnen die Teilnahme an der ersten Auferstehung garantiert
ist. Vielmehr müssen wir verstehen, dass geweihte Gläubige zu neuem
Leben gezeugt sind, den Keim zu neuem Leben in sich tragen, in dem Sinne,
dass Gott ihre neue Gesinnung als den Keim zur Neuen Schöpfung, als
welche sie bei der ersten Auferstehung vollendet sein werden, betrachtet.
Wir finden diese Stellen in voller Übereinstimmung
mit der Aussage des Apostels: „Denn in (auf) Hoffnung sind wir errettet
worden“ (durch Glauben gerechneterweise, nicht tatsächlich gerettet).
Darum müssen wir (wie der Landmann, der sät, wie die junge Mutter)
geduldig warten auf die Vollendung des guten Werkes, das Gott in uns
angefangen, „auf die Gnade (Errettung), die uns gebracht wird bei der
Offenbarung Jesu Christi“ (1. Petr. 1:13) - „wenn er kommen wird, um
in seinen Heiligen verherrlicht zu werden.“ - 2. Thess. 1:10
Die Erlösung, die in Christo Jesu ist
- diese sowohl, deren wir uns jetzt erfreuen, als auch jene, deren wir mit
der Zeit teilhaftig werden sollen - wird in der Schrift immer mit dem Sühnopfer
unseres Herrn in Zusammenhang gebracht: sein Tod war die Sühnung für
unsere Schuld. Aber auch seine Auferstehung ist von allergrößter
Wichtigkeit; denn ein toter Retter hätte die von ihm Erkauften zu dem,
was sie verloren haben, nicht zurückbringen können. Die Erfahrungen, die
unser Herr während seiner Opferzeit machte, befähigen ihn umso mehr zu
dem großen Werk der Befreiung der seufzenden Schöpfung, die er durch
sein Blut zurückgekauft hat. „Worin er selbst gelitten hat, als er
versucht wurde, vermag er denen zu helfen, die versucht werden.“ (Hebr.
2:18) „Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer
Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang
schaffen wird, dass ihr sie ertragen (in der Probe bestehen) könnt.“ -
1. Kor. 10:13
Und wenn er zulässt, dass wir
straucheln, so mag dies zu Zeiten ein Mittel sein, durch das er uns unsere
Schwachheit zum Bewusstsein bringt, uns daran erinnert, dass wir seiner
als Hirten wie auch als Erlöser bedürfen, damit seine Kraft in uns
Schwachen mächtig werden könne. Er wird in seinem Wort dargestellt als
unser Hohepriester, der Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten,
der aber machtvoll ist, uns in der Stunde der Versuchung zu helfen. Es
wird ausdrücklich von ihm gesagt, dass er Mitleid habe mit den
Unwissenden und Verirrten, und befähigt sei, völlig jene zu erretten,
die durch ihn zum Vater kommen und durch lebendigen Glauben in ihm
bleiben, d.h. nach Kräften seinen Willen tun.
So dürfen wir uns unseres Erlösers
freuen als unseres Befreiers im gegenwärtigen Leben und als unseres
Befreiers aus dem Tode durch die erste Auferstehung. - Hebr. 2:17, 18;
4:15, 16; 5:2; 7:25, 26