Studies in the Scriptures

Tabernacle Shadows

 The PhotoDrama of Creation

 

 

SCRIPTURE STUDIES

VOLUME SIX - THE NEW CREATION

 

 STUDY VI

Ordnung und Disziplin in der Neuen Schöpfung.

Die Bedeutung der Ordination. Nur die zwölf Apostel bevollmächtigt. „Geistliche“ und „Laien“. Erwählung von Ältesten in jeder Versammlung. Wer hat dabei mitzuwirken? Wie und wann soll diese Wahl vorgenommen werden? Eine bloße Mehrheit nicht genügend. Verschiedene Dienste. Ein bezahltes Amt? Zucht in der Versammlung. Falsch verstandene Berufung zum Predigen. „Weiset die Unordentlichen zurecht.“ Das Ermahnen kein allgemeiner Befehl. Öffentlicher Tadel selten. „Sehet zu, dass niemand Böses mit Bösem vergelte.“ Anreizung zur Liebe. Unsere Versammlungen. Verschiedenheit und Art unserer Zusammenkünfte. Die Lehre ist noch immer unentbehrlich. Gelegenheit zum Stellen von Fragen. Beispiele nützlicher Zusammenkünfte. „Ein jeder aber sei in seinem eigenen Sinne völlig überzeugt.“ Begräbnisfeiern. Zehnten, Kollekten, Almosen.

Bei der Betrachtung dieses Gegenstandes tun wir wohl daran, die Einheit der Herauswahl deutlich im Sinne zu behalten, und dass, während die ganze Herauswahl in aller Welt eins ist, so doch in einem anderen Sinne des Wortes jede einzeln genommene Versammlung oder jede Schar von Gläubigen eine Vertretung des Ganzen bildet. Jede einzelne Ekklesia hat darum den Herrn als ihr Haupt zu betrachten und die zwölf Apostel als die zwölf Sterne, die Leuchten, die Lehrer, die der Herr besonders in seiner Hand hielt und lenkte, die er als seine Mundstücke zur Unterweisung seiner Herauswahl benutzte, an jedem Platze, in jeder Versammlung, das ganze Zeitalter hindurch.

Jede Versammlung oder Ekklesia, selbst wenn sie nur aus zweien oder dreien besteht, sollte den Willen des Hauptes betreffs aller Angelegenheiten zu erkennen trachten. Sie muss eine Einheit mit allen Versammlungen „desselben kostbaren Glaubens“ an das Opfer des Erlösers und die Verheißungen Gottes empfinden, wo immer sie ist.

In jeder Versammlung sollte Freude herrschen, wenn von dem Gedeihen der anderen Kunde kommt, wenn erkennbar wird, dass der Herr, als Oberaufseher über sein Werk, heute wie zu jeder Zeit sich sowohl besonderer Werkzeuge zum Dienste an der Herauswahl als Ganzes, als auch in jeder kleineren örtlichen Versammlung gewisser brauchbarer Glieder zu deren Dienst bedient. So auf den Herrn blickend, um den Charakter derer, die er wohl als Diener gebrauchen möchte, zu erkennen, deren mit Demut und gutem Ruf gepaarter Eifer, deren klare Auffassung der Wahrheit und sichtliche Salbung mit dem Geiste sie als vom Herrn gewünschte Vorsteher erkennbar machen, wird jede Versammlung dazu kommen, solche Werkzeuge zum Dienste an der ganzen Herauswahl zu erwarten und einen Anteil an der allgemeinen Segnung und Bedienung der ganzen Herauswahl mit der uns vom Herrn verheißenen Speise zur rechten Zeit zu wünschen. Jede Versammlung wird sich insonderheit auch daran erinnern, dass der Herr für das Ende des Zeitalters besondere Segnungen verheißen hat (Luk. 12:37), dass er dem Haushalte des Glaubens durch geeignete Werkzeuge seiner eigenen Wahl (Matth. 24:45-47) Altes und neues verschaffen werde. – Matt. 13:52

Diese Werkzeuge wird der Herr selbst beaufsichtigen und führen. Alle mit dem Haupte verbundenen Glieder müssen ihm vertrauen und nach der Erfüllung seiner Versprechen Ausschau halten. Dabei müssen sie „die Geister prüfen“ und die vorgetragenen Lehren, woher sie auch kommen mögen, an der Schrift erproben. Dieses Erproben bedeutet kein Misstrauen gegen die als Werkzeuge Gottes erkennbaren Kanäle der Wahrheit, sondern vielmehr ein Festhalten am Herrn und seiner Wahrheit, die über allen Lehrern und allen Äußerungen derselben steht; es bedeutet ferner, dass sie ihr Ohr nicht Menschenworten leihen, sondern auf die Stimme des Oberhirten lauschen wollen, dass dessen Worte für sie Wohlgeschmack haben, dass sie wünschen, diese Nahrung zu kauen und zu verdauen. Glieder, die so handeln, erstarken rascher im Herrn und in der Kraft seiner Stärke als andere, weil sie auf die Leitung und Belehrung des Herrn genauer acht haben.

Diese Einheit des Ganzen, dieses allgemeine Zusammenhalten, diese Belehrung aller durch ein gemeinsames Werkzeug, das der Herr zu dem Zwecke beschafft hat, seine Kleinodien bei seiner zweiten Gegenwart zu sammeln (Mal. 3:17; Matth. 24:31), macht eine gewisse Ordnung innerhalb jeder kleineren Versammlung oder Ekklesia keineswegs überflüssig. So klein eine Versammlung auch sein mag, es sollte Ordnung in ihr herrschen. Mit dem Worte „Ordnung“ meinen wir nicht Steifheit oder Formenwesen. Jene Ordnung ist die beste und befriedigendste, die ohne Lärm aufrecht erhalten wird, gleich einem den Blicken entzogenen Räderwerke. Auch in Versammlungen von drei, fünf und mehr Gliedern sollte im Aufblick zum Herrn zu bestimmen gesucht werden, wer in der Gruppe in der Wahrheit an besten vorgeschritten sei und sonst die verschiedenen Eigenschaften habe, die ihn gemäß den Andeutungen der Heiligen Schrift als Ältesten kennzeichnen: ob er imstande sei, die Wahrheit zu lehren, ob er tadellos wandle, ob er es verstehe, ohne Reibung Ordnung aufrecht zu erhalten, was an seiner Familie beobachtet werden kann usw.

Richtet sich die kleine Versammlung Denken und Handeln nach dem Worte und Geiste des Herrn, so sollte das Ergebnis einer gemeinsamen Entscheidung, wie sie in der Wahl der Diener zum Ausdruck gebracht worden ist, in dem betreffenden Falle als der Wille des Herrn anerkannt werden. Die Wahl wird der Wahrscheinlichkeit nach auf die besten und geeignetsten Mitglieder der Versammlung fallen. Immerhin muss darauf geachtet werden, dass solche Wahlen nie ohne Überlegung und Gebet getroffen werden. Sie sollten daher immer zum voraus angesagt werden. Natürlich muss auch darauf gesehen werden, dass nur Glieder der Neuen Schöpfung, Brüder und Schwestern, dem Willen des Herrn durch ihre Stimmabgabe Ausdruck zu geben versuchen, Glieder, die die Schritte der Bereuung der Sünde, des Gutmachens nach Kräften, der Annahme des Sühnopfers Jesu als Grundlage ihres Einvernehmens mit Gott und der völligen Weihung an den Herrn durchlaufen haben und so der Salbung mit dem Geiste und aller Vorrechte des „Hauses der Söhne“ teilhaftig geworden sind. Solche allein sind in der Lage, den Willen des Hauptes zu erkennen und zum Ausdruck zu bringen. Diese allein machen die Versammlung, den Leib Christi, aus, indes andere, die den Schritt der Weihung noch nicht vollzogen haben, aber ihr Vertrauen auch auf das kostbare Blut setzen, als Glieder des „Haushaltes des Glaubens“ gerechnet werden mögen, auf deren Fortschritte gerechnet wird, und für deren Wohlergehen gesorgt werden muss.

Einsetzung (Ordination) von Ältesten in jeder Versammlung

„Als sie ihnen aber in jeder Versammlung Älteste gewählt hatten, beteten sie mit Fasten und befahlen sie dem Herrn.“ - Apg. 14:23 Diese Stelle, sowie die vielen anderen, wo von Ältesten in allen Versammlungen die Rede ist, rechtfertigt die Annahme, dass es in der ersten Kirche Allgemein so gehalten wurde, wie es in unserer Stelle von Ikonium, Lystra und dem pisidischen Antiochien gesagt ist. Die Bezeichnung „Älteste“ umfasst, wie wir schon sahen, Evangelisten, Hirten, Lehrer und Propheten (öffentliche Redner); darum ist es wichtig zu wissen, auf welcher Grundlage die Ältesten sich als „gewählt“ oder „verordnet“ betrachten sollten. Das griechische Wort, das mit „gewählt“ (Luther „geordnet“) übersetzt ist, gibt erschöpfenden Aufschluss; es heißt „cheirotoneo“, d.h. die Hand aufheben. Die Gläubigen bezeichneten also ihre Ältesten durch das Aufheben der Hände in öffentlicher Abstimmung.

 Anders verhält es sich mit der Einsetzung der Apostel, von welcher in Joh 15:16 die Rede ist: „Ich habe euch auserwählt und euch gesetzt.“ Dort steht auch ein anderes griechisches Wort (tithemi), wie auch in 1. Tim. 2:7, wo der Apostel von seiner Einsetzung oder Ordination spricht: „Ich bin bestellt worden als Prediger und Apostel“, womit angedeutet ist, dass das Apostelamt nicht von Menschen ist, sondern „durch Jesum Christum und Gott, den Vater.“ - Gal. 1:1

Alle Glieder des gesalbten Leibes, welche mit dem Haupte verbunden und seines Geistes teilhaftig sind, sind mithin in gleicher Weise gesetzt oder ordiniert, nicht zum Apostelamte, sondern zum Dienste an der Wahrheit, ein jeglicher nach seinen Kräften und Gelegenheiten. (Jes. 61:1) Die Zwölfe allein waren von Gott dem Vater und Jesu Christo als „Bevollmächtigte“ auserwählt, „eingesetzt“ oder ordiniert. Doch kehren wir zur Wahl, Ordination oder Anerkennung der Ältesten durch die Versammlungen (Ekklesia) der Neuen Schöpfung zurück. Das Wählen durch Handaufheben war damals allgemeiner Brauch. Der Apostel gebraucht dasselbe griechische Wort, wo er sagt, wie Titus sein Gehilfe wurde. Er schreibt: „Er ist auch von den Versammlungen gewählt (durch Handaufheben) worden zu unserem Reisegefährten.“ (2. Kor. 8:19) Das Wörtchen „auch“ in diesem Text deutet an, dass der Apostel ebenso gewählt wurde. Nicht zum Apostel wurde er gewählt - der er schon war -, sondern zum Abgesandten der Versammlung zu Antiochien (Apg. 13:2), die ohne Zweifel für die Kosten dieser ersten Missionsreise aufkam. Die späteren Reisen Pauli scheinen ohne Beschluss der Christen von Antiochien und daher auch nicht auf ihre Kosten erfolgt zu sein. (2. Tim. 1:15) In der Urkirche waren alle frei, ihre Fähigkeiten nach eigenem Ermessen in den Dienst der Sache zu stellen. Die Versammlungen konnten beschließen oder ablehnen, den Aposteln besondere Aufträge zu geben, und die Apostel ihrerseits konnten solche Aufträge ablehnen oder übernehmen; beide Teile erfreuten sich der gleichen Gewissensfreiheit.

Aber erwähnt denn das Neue Testament hinsichtlich der Ältesten nichts anderes als deren Wahl durch Handaufheben? Gab es keine sogenannte Ordination, war keine Ermächtigung zum Predigen, Lehren usw. nötig? Wir wollen diese Frage untersuchen.

Auf den ersten Blick scheint Titus 1:5 unserer obigen Anschauung zu widersprechen: „Deswegen ließ ich dich in Kreta, dass du, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen (Luther: einsetzen) möchtest, wie ich dir geboten hatte.“ Man sollte meinen, Titus sei ermächtigt gewesen, Älteste einzusetzen, ohne auf die Wünsche der Versammlungen Rücksicht zu nehmen. So fasst es auch die bischöfliche Kirche auf, und sie handelt demgemäß. Katholiken, Episkopale und bischöfliche Methodisten erkennen den Bischöfen ein apostolisches Recht zu, Älteste in den Versammlungen einzusetzen, ohne diese abstimmen zu lassen.

Genauer betrachtet, lässt jedoch dieser Vers erkennen, dass er dies nicht meinen kann. Titus sollte die Ältesten anstellen, wie Paulus ihm geboten hatte. Wenn nun Paulus selber die Ältesten durch Handaufheben (Abstimmung) bezeichnen ließ (Apg. 14:23), so hat er sicherlich Titus nicht geboten, es anders zu machen.

Ohne Zweifel war den Brüdern der Rat des Apostels und des Titus, den er ihnen als treuen Diener der Wahrheit aufs Wärmste empfohlen hatte, sehr erwünscht, und solche Ratschläge sind gewiss eingeholt und dann auch befolgt worden. Gleichwohl suchten die Apostel, und die ihrem Beispiele folgten, die Verantwortlichkeit da, wo Gott sie hin verlegt hat: nämlich bei der Versammlung. An dieser war es, „die Geister (Lehren und Lehrer) zu prüfen, ob sie von Gott seien.“ (1. Joh. 4:1) „So jemand nicht nach diesem Worte redet, so ist es, weil kein Licht in ihm ist“ und „von solchen wende dich hinweg“, rät der Apostel. Solche sollten nicht gewählt und in keiner Weise als Lehrer, Älteste usw. anerkannt werden.

In allen Fällen war die Mitwirkung der Versammlung (Ekklesia) erforderlich, ob sich diese, wie Apg. 14:23 sagt, durch eine Abstimmung kundgab oder nicht. Setzen wir den Fall, Titus hätte Älteste eingesetzt, die den Brüdern nicht gepasst hätten. Wie lange hätte da wohl Friede geherrscht? Was hätten solche Älteste den Versammlungen für Dienste leisten können? Gar keine!

Die Scheidung der Christen in zwei Klassen, Geistliche und Laien, stammt nicht vom Herrn noch von seinen zwölf Aposteln; sie ist vielmehr ein frommer Betrug. Dieser hat den Antichristen erzeugt, dessen Geist auch heutzutage noch durch die „Geistlichkeit“ über das Erbe Gottes zu herrschen versucht und dies um so besser vermag, je dicker die Finsternis ist, in welcher die Versammlung sitzt. Der Herr und die Apostel anerkannten nicht die Ältesten, sondern die Versammlung (Ekklesia), als den Leib Christi. Wie hoch auch treue Älteste als Diener des Herrn und der Versammlungen geehrt und geschätzt werden mochten, so geschah es nicht etwa, weil sie selbst oder andere Älteste sie dieser Ehre würdig gehalten hätten. Die Wahlversammlung musste sie anerkennen; sie musste im Lichte des Wortes Gottes erkennen, ob sich solche auch der Eigenschaften, Gnadengaben oder Fähigkeiten erfreuten, die sie für die Ältestenstellung kennzeichneten. Wo es an diesen gebrach, sollten die Versammlungen sie dieser Ehre nicht würdig erachten. Kein Ältester kommt mithin durch Selbstwahl zu seiner Stellung. Hätte jemand die Neigung, die Versammlung, die da ist der Leib Christi, zu übersehen und sich selbst und seine Meinung höher zu schätzen als das Ganze, so wäre er schon an diesem Mangel an Demut, am Sinn für die Einheit des Leibes, als ungeeignet, Ältester zu sein, erkennbar.

Selbst dann, wenn kein Zweifel über die Wählbarkeit eines Bruders möglich ist, sollte ein solcher eine öffentliche Stellung in der Versammlung (als Leiter, Abgesandter usw.) nicht anders als nach erfolgter Wahl annehmen. Die schriftgemäße Methode zur Bestellung der Ältesten ist die Wahl durch die Versammlung. Es ist eine Tat des Gehorsams gegen ein Gebot der Schrift, wenn ein Bruder verlangt, dass er in aller Form rechtlich gewählt werde. Dies gibt einerseits den Ältesten einen sicheren Halt, und andererseits erinnert es die Versammlung an ihre Pflicht, Älteste im Namen und Geiste des Herrn zu bestellen, d.h. durch die Wahl Gottes Willen zum Ausdruck zu bringen. Nach der Schrift bleiben die Glieder der Versammlung für alles Reden und Handeln der Ältesten als ihrer Diener und Repräsentanten verantwortlich. Dies steht so recht im Gegensatze zu der vorherrschenden Anschauung, dass die Ältesten über die Versammlung zu verfügen und zu herrschen hätten, und macht allen Redensarten ein Ende, die darauf hinauslaufen, dass die Versammlungen das Volk der Ältesten seien, anstatt „das Volk Gottes, dem ich diene“.

Warum versteht man diese doch so klaren Angaben der Schrift nicht besser und stellt sie so wenig in den Vordergrund? Weil es menschlich ist, nach Würde und Vorrang zu haschen, weil jedermann diesem Hange gerne nachgibt; weil die verkehrten Verhältnisse seit 17 Jahrhunderten als richtig gegolten haben; weil die Leute diese Verhältnisse bequem finden und den Freiheiten vorziehen, mit denen Christus frei macht. Endlich gibt es viele, die so felsenfest davon überzeugt sind, die Gebräuche Babylons seien richtig, dass es ihnen nie in den Sinn gekommen ist, auch einmal das Wort Gottes darüber zu befragen.

Der Zeitraum der Ältestenschaft

Über die Dauer des Dienstes, für welche ein Ältester gewählt werden soll, sagt die Schrift nichts; wir sind mithin frei, diese Frage nach eigenem Denken und Urteilen zu entscheiden. Viele im Schosse der Versammlung können als fortgeschrittene Brüder den Ältesten gleich geachtet werden, mögen sehr nützlich sein und hochgeschätzt werden, auch wenn sie nicht von der Versammlung als Älteste, als Evangelisten, Hirten oder Lehrer eingesetzt werden. Dazu gehören auch die „älteren Frauen“, welche die Apostel öfter rühmend erwähnen, ohne dabei im geringsten anzudeuten, dass sie als Älteste oder Lehrer in der Versammlung bezeichnet worden wären. Andererseits können auch solche, die seinerzeit gewählt wurden, aufhören, die Eigenschaften zu besitzen, um derer willen sie einst als Älteste bezeichnet wurden, oder sie können sich auch so kräftig entwickeln, dass sie zu größeren Dienstleistungen in der Herauswahl berufen erscheinen. Wir würden demnach vorschlagen, die Ältesten, wenn noch wenig geprüft, auf ein viertel oder halbes Jahr, wenn schon besser bewährt und vorteilhaft bekannt, auf ein ganzes Jahr zu wählen. Da aber ein Gebot hierüber oder auch ein Rat, eine Andeutung, nicht gegeben ist, muss es den Versammlungen anheimgestellt werden, jede für sich den Willen des Herrn zu erkennen zu suchen.

Die Zahl der Ältesten

Die Zahl der Ältesten ist durch die Schrift nicht festgelegt. Diese, scheint uns, sollte zur Zahl der Mitglieder der Versammlung im richtigen Verhältnis stehen, unter Berücksichtigung des Umstandes, ob sich auch in ihrem Schosse geeignete Persönlichkeiten befinden. (Von niemandem sollte blindlings vorausgesetzt werden, er sei gläubig und geweiht; von beidem muss er durch Wort und Tat unmissverständliche Beweise gegeben haben, lange bevor er zum Ältesten gewählt wird.) Wir halten es für das Richtigste, dass so viele gewählt werden, wie die nötigen Eigenschaften besitzen, und dass die verschiedenen Aufgaben dann unter dieselben verteilt werden. Sind sie vom richtigen Eifer beseelt, so wird irgendeine Art Mitarbeit an der Verbreitung der Erntewahrheiten bald einige in Anspruch nehmen und Teile der Zeit von manchen mit Beschlag belegen. So sollte jede Versammlung eine Art theologisches Seminar sein, von dem wirksame Lehrer stets auf größere Arbeitsfelder ausgehen. Ein Ältester, der sich als eifersüchtig erweisen und versuchen würde, andere am Dienen zu hindern, sollte abberufen werden; aber an seine Stelle sollte nicht ein Ungeeigneter oder ein Neuling zur Befriedigung seiner Eitelkeit gewählt werden. Die Versammlung (als Glied am Leibe Christi) muss so wählen, wie sie denkt, dass der Herr es gern sähe.

Vielleicht ist es nicht unnütz, davor zu warnen, dass in Ermangelung eines geeigneten Ältesten ein ungeeigneter gewählt werde: besser gar keiner als ein solcher. In der Zwischenzeit, d.h. bis sich ein zweiter Bruder findet, können ja die Zusammenkünfte dazu dienen, das Einfachste zu lernen. Dabei hätte die Bibel als Textbuch zu dienen und die Stelle des Lehrers könnten die Bände der „Schrift-Studien“ oder Nummern des „Wachtturms“ vertreten. Dies beschließen wäre gleichbedeutend mit einer Wahl Br. Russells zum Ältesten. Tauchen dabei Fragen auf, die das geistige Wohlergehen eines der Versammelten betreffen, und auf die die Heilige Schrift eine Antwort geben kann, so wird es den Verfasser stets freuen, wenn sie per Post an ihn gerichtet werden.

Wer hat dabei mitzuwirken?

Die Wählerschaft besteht einzig aus der Herauswahl, den Brüdern und Schwestern der Neuen Schöpfung. Der allgemeine „Haushalt des Glaubens“, die uneingeweihten Gläubigen, haben keinen Anteil an solch einer Wahl, denn dieselbe soll den Willen des Herrn zum Ausdruck zu bringen suchen, was nur durch seinen Leib, der seinen Geist hat, geschehen kann. alle Geweihten sollten sich an der Wahl beteiligen, und jeder mag Vorschläge machen, womöglich an einer eigens dazu einberufenen Versammlung, etwa acht Tage vor der Wahl, damit Zeit zum Überlegen bleibt.

Einige haben in Vorschlag gebracht, Stimmzettel zu gebrauchen, damit sich ein jeder freier fühlte, seinem persönlichen Wunsche Ausdruck zu geben. Allein wir halten dafür, dass dadurch ein großer Vorteil der offenen Abstimmung verloren gehe: der erzieherische Wert, die Förderung des Charakters. Jeder sollte lernen, offen und gerade und gleichzeitig liebevoll und freundlich zu sein. Das Wahlergebnis, des sei ein jeder eingedenk, ist der Wille des Herrn, der durch die Glieder seines Leibes nach Maßgabe ihres Könnens und Vermögens zum Ausdruck gelangt ist. Niemand ist frei, seiner Pflicht auszuweichen oder einen dem anderen vorzuziehen, es sei denn, er halte diese Bevorzugung für den Ausdruck der Meinung des Herrn.

Die Mehrheit genügt nicht

In den Dingen dieser Welt entscheidet meist die absolute Mehrheit der Stimmenden oder Wählenden. Aber es ist klar, dass es in der Versammlung, die da ist sein Leib, nicht so gehalten werden kann. Vielmehr sollte, soweit tunlich, die Einstimmigkeit der Wähler erstrebt werden. Ein mit knapper Mehrheit gewählter Bruder könnte sich nicht wohl fühlen, nicht sicher sein, dass die Wahl den Willen des Herrn zum Ausdruck gebracht hat; auch die Versammlung könnte es nicht. Es sollte vielmehr nach einem anderen Bruder Umschau gehalten und acht Tage nach dem ersten Wahlgange ein zweiter veranstaltet werden, um zu sehen, ob sich Einstimmigkeit oder sehr große Mehrheit für ihn findet. Dies sollte, je in Abständen von einer Woche, so lange fortgesetzt werden, bis sich das erwünschte Resultat fände. Würde mit dieser Methode nichts erreicht, so sollte die Wahl überhaupt aufgegeben oder zwei bis drei gewählt werden, die dann abwechselnd den Dienst versehen würden, damit alle zu ihrem Rechte kommen. Wo aber die Liebe für den Herrn und die Wahrheit groß ist, wo um die göttliche Führung gebetet wird, wo jeder den anderen höher schätzt als sich selbst, wird auch bei gleich guter Eignung mehrerer Kandidaten eine Einigung darüber, welches wohl der Wille des Herrn sein möchte, meist zu erzielen sein. „Tut nichts aus Parteisucht oder eitlem Ruhm.“ (Phil. 2:3) „Bewahret die Einheit des Geistes (der Gesinnung) in dem Bande des Friedens.“ - Eph. 4:3

Gleicherweise wie die Ältesten sollten auch die Gehilfen und Gehilfinnen auf Grund eines untadeligen Rufes einer Wahl würdig erachtet werden. (1. Tim. 3:8-13) Gehilfen sollten für jede notwendige Dienstleistung gewählt werden, und sie sollten soviel als möglich von den Eigenschaften der Ältesten, den Gnadengaben des Geistes, haben, fähig sein zu lehren und ansprechendes Auftreten haben.

Die verschiedenen Dienstleistungen

Wie wir schon gesehen haben, können Älteste besondere Gaben, der eine in dieser, der andere in jener Richtung, haben. Die einen besitzen die Gabe des Aufmunterns, die anderen die Gabe des Lehrens; noch andere sind gute öffentliche Redner; die einen verstehen es, noch nicht Glaubende zu interessieren (Verkündiger der guten Botschaft, Evangelisten); die anderen, für die Wohlfahrt der Herde an ihrem Wohnorte oder im allgemeinen zu sorgen (Hirten). Was Paulus den Ältesten der Versammlung von Ephesus sagt, gibt uns einen allgemeinen Überblick über die verschiedenen Dienstleistungen, für die sich ein Ältester eignen kann, und die ein jeder nach Maßgabe seiner Fähigkeiten ausüben soll. Seine Worte sind es wert, von einem jeden, der sich für irgendeine Dienstleistung wählen lässt, mit Sorgfalt und Gebet betrachtet zu werden. Wir lassen diese Worte hier folgen: „Habet nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung (Ekklesia) Gottes zu hüten.“ (Apg. 20:28) Jawohl, die Ältesten haben vor allem auf sich selbst acht zu geben, damit sie das bisschen Ehre ihrer Stellung nicht hochmütig und herrisch mache, damit sie sich nicht die Autorität und Ehre anmaßen, die allein dem Haupte, dem Oberhirten, gebührt. Die Herde zu weiden, das ist des Herrn Vorrecht, wie geschrieben steht: „Er wird seine Herde weiden wie ein Hirt.“ (Jes. 40:11) Wenn also jemand zum Ältesten gewählt wird, so geschieht es, damit er den Oberhirten vertrete, damit er dessen Werkzeug oder Kanal sei, auf dass der große Hirte der Herde den Seinigen durch ihn „Speise zur rechten Zeit“, „Altes und Neues“, senden könne.

„Wehe den Hirten, welche die Schafe meiner Weide zu Grunde richten und zerstreuen! spricht Jehova. Darum spricht Jehova, der Gott Israels, also über die Hirten, die mein Volk weiden: „Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie vertrieben, und habt nicht nach ihnen gesehen; siehe, ich werde die Bosheit eurer Handlungen an euch heimsuchen, spricht Jehova ... Ich werde Hirten über sie erwecken, die sie weiden werden; und sie sollen sich nicht mehr fürchten und nicht erschrecken.“ - Jer. 23:1, 2, 4

Das Auflegen der Hände

1. „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, welche dir gegeben worden ist durch Weissagung mit Hände-Auflegen der Ältestenschaft.“ - 1. Tim. 4:14

2. „Sie stellten die sieben (Diakone) vor die Apostel; und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf.“ - Apg. 6:6

3. „In Antiochien, in der dortigen Versammlung ... sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werke aus, zu welchem ich sie berufen habe. Da fasteten und beteten sie; und als sie ihnen die Hände aufgelegt hatten, entließen sie sie.“ - Apg. 13:1-3

4. „Die Hände lege niemandem schnell auf und habe nicht teil an fremden Sünden.“ - 1. Tim. 5:22

5. „Als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Sprachen und weissagten.“ - Apg. 19:6

6. „Dann legten sie (die Apostel) ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist.“ - Apg. 8:17-19

7. „Fache an die Gnadengabe Gottes, die in dir ist durch das Auflegen meiner Hände.“ - 2. Tim. 1:6

Wir haben hier die Stellen, wo vom Hände-Auflegen in der Versammlung der Neuen Schöpfung die Rede ist, zusammengestellt. Die drei letzten (5, 6, 7) handeln von der Verleihung der Gaben, welche in der Urkirche gebräuchlich waren. Die Apostel legten den Geweihten die Hände auf, und dies verlieh den Gläubigen eine oder mehrere Gaben: Zungenreden usw. „Ein bestimmtes Maß des Geistes ist jedem gegeben zum allgemeinen Nutzen.“ (Band. 5, Kap. 8.) Die vier ersten Stellen (1, 2, 3, 4) zeigen, dass das Hände-Auflegen auch ein Zeichen der Billigung war, nicht aber ein Zeichen, dass der die Hände Auflegende nun dem anderen etwas gestattete (Ordination im Sinne der Namenkirche).

1. Timotheus, Paulus Adoptivsohn im Dienste, war schon getauft worden und hatte durch die Hand des Apostels Paulus schon eine Gabe des Heiligen Geistes empfangen (siehe 7), als er diesen nach Jerusalem geleitete. (Apg. 21:15-19) Ohne Zweifel war es dort und damals, dass Jakobus und alle Ältesten (wohl in diesem Falle die Apostel), die Weihung des Timotheus und enge Geistesverwandtschaft mit Paulus bemerkend, diesen segneten, ihm zum Zeichen der Billigung die Hände auflegten; und der Bericht gibt zu verstehen, dass dies nicht der allgemeine Brauch war, nach der alle Gefährten des Paulus so ausgezeichnet wurden. Im Falle des Timotheus handelten sie „durch Weissagung“ (wohl infolge erhaltener Weisung vom Herrn).

2. Die sieben Diakone wurden dadurch, dass ihnen die Apostel die Hände auflegten, nicht ermächtigt, zu predigen. Einerseits waren sie gar nicht zu Predigern, sondern zur Bedienung der Tische gewählt worden; andererseits waren sie infolge ihrer Salbung mit dem Heiligen Geiste berechtigt, soweit sie es konnten und Gelegenheit dazu fanden, zu predigen. So finden wir denn auch in Stephanus, ohne dass im geringsten erwähnt würde, er sei dazu von jemandem ermächtigt oder ordiniert worden, einen so eifrigen Prediger, dass er der erste Nachfolger des Meisters war, der sein Zeugnis mit seinem Blute besiegelte. Das Hände-Auflegen der Apostel im Falle der Diakone bedeutete einfach, dass die Apostel die Wahl der Versammlung guthießen, und deshalb segneten sie die Gewählten.

3. Das Hand-Auflegen bei Barnabas und Paulus konnte wiederum nicht bedeuten, dass diese von nun an das Recht hätten, zu predigen. Denn sie waren bereits als Älteste anerkannt und hatten schon mehr als ein Jahr lang in Antiochien gelehrt. Außerdem hatten sie zuvor auch schon anderswo gepredigt. (Apg. 9:20-29; 11:26) Das Hände-Auflegen bedeutete demnach lediglich, dass die Versammlung die Missionsreise der beiden Abgesandten guthieß, dass sie von Herzen daran teilnahmen und vermutlich für die Kosten aufkam.

4. In diesem Falle deutet der Apostel an, dass, wenn Timotheus einem Mitarbeiter im Weinberge die Hände auflegte, er für diesen die Verantwortlichkeit der Herde gegenüber auf sich nahm, sodass, wenn der Betreffende sich dann nicht bewährt hätte, Timotheus davon betroffen worden wäre. Er sollte also darauf achten, niemanden bei der Versammlung zu empfehlen, der dann hernach den Schafen Gottes im Wandel oder in der Lehre Schaden zufügen würde.

Es sollte nicht leichthin auf Gefahr gehandelt werden. Vorsicht ist geboten, wenn wir einen Empfehlungsbrief mitgeben oder öffentlich zu jemandem stehen. Das ist für alle Kinder Gottes ratsam und zwar um so mehr, je größer ihr Einfluss ist. Übrigens beachte, dass das Hand-Auflegen des Timotheus, die Ordination durch denselben, nicht erforderlich war, um jemandem zum Predigen zu ermächtigen; das Recht zu predigen, je nach eigenem Vermögen, ist vom Herrn allen verliehen, welche den Heiligen Geist der Salbung empfangen haben.

Ein bezahltes Amt?

Das bezahlte Predigeramt, das jetzt gebräuchlich und von vielen als unvermeidlich bezeichnet ist, war in der ersten Kirche unbekannt. Unser Herr und die Zwölfe waren, soweit wir aus der Schrift zu schließen vermögen, arm; Jakobus, Johannes und Matthäus vielleicht ausgenommen. Daran gewöhnt, für die Leviten zu sorgen, schien es vermutlich den Juden ganz natürlich, für alle religiösen Zwecke beizusteuern. Die Jünger hatten einen Kassierer, Judas (Joh. 12:6; 13:29) und litten offenbar nie Mangel, wiewohl sie auch andererseits niemals um Almosen baten. Hierüber finden wir in den Worten unseres Herrn auch nicht die leiseste Andeutung. Er vertraute einfach auf die Vorsehung seines Vaters, und einige ehrbare Frauen dienten ihm mit ihrer Habe. - Matth. 27:55, 56; Luk. 8:2, 3

Hätte unser Herr in seinen Predigten und Gleichnissen Aufrufe zum Kollektieren gebracht, so hätten diese sie entkräftet. Nichts ist so ansprechend, wie die zutage tretende Selbstlosigkeit des Meisters und seiner zwölf Auserwählten, Judas ausgenommen, den dieser Mangel zu Fall brachte. (Joh. 12:5, 6) Die Geldliebe, der Hang zu prunken, und das Kollektenwesen in Babylon tragen viel dazu bei, seinen sonst starken Einfluss abzuschwächen; und dass die heutigen Getreuen des Herrn diesen Geist nicht unter sich wohnen haben, so wenig wie die Gläubigen zur Zeit seiner ersten Gegenwart, spricht sehr zu ihren Gunsten bei denen, die draußen sind und ihren Wandel beobachten, ohne ihre Lehre völlig würdigen zu können. In sehr bemerkenswerter Weise hat der Herr bisher für das Nötige in seinem Erntewerk gesorgt, und wir sind gewiss, dass es dabei bleiben wird, indem wir dafür halten, dass dies des Herrn Absicht ist.

Mögen jene, denen die Güter und Annehmlichkeiten dieser Welt wünschenswert erscheinen, dieselben im Handel oder in einträglichen Berufen suchen! Niemand möge ein Diener des Evangeliums Christi werden, es sei denn aus Liebe zu Gott, seiner Wahrheit und zu den Brüdern, aus Liebe, die auf äußerliches Wohlsein, Reichtum und Ehre bei den Menschen freudig, nicht murrend, verzichtet. Aber ach, die Namenchristenheit ist groß und weltlich geworden; ihre Diener tragen Titel wie Ehrwürden, Hochwürden, Hochehrwürden, Exzellenz, Doktor der Theologie; und diese Titel werden nicht nach Maßgabe der Bedürfnisse, sondern, wo das Freikirchensystem mächtig aufgeblüht, wie in England und in den Vereinigten Staaten, nach Maßgabe der Geschicklichkeit der Geistlichen, seiner Gemeinde starken Zuzug, namentlich von reichen Leuten, zu schaffen, verliehen. Die natürlichen Folgen dieses Verfahrens sind nicht ausgeblieben: „Seine Priester lehren um Lohn, und seine Propheten wahrsagen um Geld; und sie stützen sich auf Jehova und sagen: Ist nicht Jehova in unserer Mitte? kein Unglück wird über uns kommen!“ - „Seine Wächter sind blind, sind alle ohne Erkenntnis; sie alle sind stumme Hunde, die nicht bellen können; sie träumen, liegen da, lieben den Schlummer. Und die Hunde sind gefräßig, kennen keine Sättigung; und das sind Hirten! Sie haben kein Verständnis; sie alle wenden sich auf ihren eigenen Weg, ein jeder von ihnen allen seinem Vorteil nach.“ „Sie werden sich selbst Lehrer aufhäufen nach ihren eigenen Lüsten, indem es ihnen in den Ohren kitzelt, und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln sich hinwenden.“ - Micha 3:11; Jes. 56:10, 11; Phil. 3:2; 2. Tim. 4:3

Einige mögen einwenden, dass beide Extreme (zu große Besoldungen und gar keine Besoldungen), vermieden werden sollten. Solche können sich auf Stellen berufen wie: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“, und „wenn wir euch das Geistliche gesät haben, ist es ein Großes, wenn wir euer Fleischliches ernten?“ Aber selbst diese kräftigsten Stellen der Schrift handeln nicht von fürstlichen Gehältern, sondern nur von dem absolut Notwendigen. Der Apostel deutet dies an durch die Anführung des Gebotes: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.“ Der Ochse sollte seinen Hunger stillen können, mehr nicht. Den Grundton seines eigenen Dienstes gibt der Apostel an, wenn er schreibt: „Ich werde euch nicht zur Last fallen, denn ich suche nicht das Eure, sondern euch ... Ich will aber sehr gern alles verwenden und völlig verwendet werden für eure Seelen, wenn ich auch, je überschwenglicher ich euch liebe, um so weniger geliebt werde.“ - 2. Kor. 12:14, 15

Weder die Fußspuren Jesu noch diejenigen Pauli führen uns zum Grundsatze der Besoldung. Paulus zeigt zwar, dass es der Gerechtigkeit nicht zuwiderlaufen würde, für geistliche Dienste irdischen Lohn zu fordern; aber von sich selbst sagt er: „Ich habe niemandes Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. Ihr selbst wisset, dass meinen Bedürfnissen und denen, die bei mir waren, diese Hände gedient haben. Ich habe euch alles gezeigt, dass man, also arbeitend, sich der Schwachen annehmen und eingedenk sein müsse der Worte des Herrn Jesu, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.“ - Apg. 20:33-35

„Als ich bei euch anwesend war und Mangel litt, fiel ich niemandem zur Last, (denn meinen Mangel erstatteten die Brüder, die aus Mazedonien kamen), und ich hielt mich in allem euch unbeschwerlich, und werde mich also halten.“ - 2. Kor. 11:9

 „Wir haben aber dieses Recht nicht gebraucht, sondern wir ertragen alles, auf dass wir dem Evangelium des Christus kein Hindernis bereiten.“ - 1. Kor. 9:12

Wir sind darin genau so frei wie die Apostel; und das Feststehen zur Sache sollte uns dazu führen, auch in diesem Stücke in ihre Fußstapfen zu treten. Der Herr, die Apostel und deren Genossen, welche reisten und ihre ganze Zeit in den Dienst der Wahrheit stellten, nahmen freiwillige Gaben von ihren Brüdern an, um ihre Bedürfnisse zu bestreiten, und, wie schon gesagt, das Auflegen der Hände der Versammlung von Antiochien bei der Aussendung des Paulus und Barnabas scheint anzuzeigen, dass die Versammlung die Kosten auf sich nahm und sich in dieser Weise an dem Werke beteiligte, genau wie die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, wenn sie „Pilgrime“ aussendet und für deren Ausgaben aufkommt.

Dafür hingegen gibt es keine Andeutung, dass die Ältesten, welche der Versammlung zu Hause dienten, dafür einen Gehalt oder Entschädigungen bezogen hätten; und wir halten dafür, dass es sich für jede Ortsversammlung als vorteilhaft erweisen würde, freiwillige Dienste, seien es viele oder wenige, bedeutende oder unbedeutende, von ihren eigenen Mitgliedern anzunehmen. Die schriftgemäße Methode ist der geistigen Wohlfahrt zuträglich; sie geht darauf aus, alle Glieder zur Ausübung der verschiedenen Fähigkeiten, die ihnen zuteil geworden, zu veranlassen, und führt eher dazu, dass alle auf den Herrn als den wahren Hirten sehen, als wenn Unterhirten in Sold genommen werden. Nimmt die Zahl der fähigen Mitglieder zu, nun, so kann ja das Beispiel der Versammlung von Antiochien befolgt, können einige als Missionare, Pilgrime usw. ausgesandt werden. Wenn in diesem Falle eine Versammlung das Arbeitsfeld, auf dem sie sich nützlich machen kann, als sehr groß erkennt und einen Bruder unter sich hat, der seine ganze Zeit nutzbringend auf demselben zubringen kann, und nun von sich aus beschließt, seine Bedürfnisse zu bestreiten, kennen wir keine Stelle in der Schrift, welche die Annahme eines derartigen Anerbietens untersagen würde. Aber sowohl der dienende Älteste als auch die seine Bedürfnisse bestreitende Versammlung sollten darauf achten, dass die bewilligte Summe nicht weiter als zur Deckung der notwendigen Ausgaben des Ältesten und derer reiche, die ordentlicherweise auf ihn angewiesen sind. Ferner sollten beide Teile darauf achten, dass alle Glieder der Versammlung ihre Fähigkeiten üben, insonderheit diejenigen, welche sich zur Ältestenstellung eignen; sonst wird sicherlich der Geist Babylons, die Namenkirchlichkeit, aufblühen.

Zucht in der Versammiung
(Matth. 18:15-18)

Das Anwenden von Zuchtmitteln ist nicht ausschließlich Sache der Ältesten, sondern auch die der ganzen Versammlung. Wenn einer abzuirren oder in Sünde zu fallen scheint, so sollte er zunächst nur von demjenigen darauf aufmerksam gemacht werden, dem er unrecht getan, oder der die Sünde bemerkt zu haben glaubt. Vermag sich der Getadelte nicht zu rechtfertigen, oder beharrt er auf dem bösen Wege, dann sollten zwei oder drei Brüder, die in der Sache nicht voreingenommen sind, gebeten werden, sich dieselbe vorlegen zu lassen, um dem Tadler wie dem Getadelten mit ihrem Rate beizustehen. Es können dies nun Älteste sein oder nicht; ihre Ältestenschaft würde ihnen in diesem Falle nicht mehr Autorität verleihen, ausgenommen insofern, als ihr Urteil für reifer gehalten und von ihrem Rate größerer Nutzen erwartet wird. Entscheidet dieses kleine Komitee einstimmig zugunsten des einen, so sollte sich der andere fügen und die ganze Angelegenheit als erledigt betrachtet werden, nachdem der Ermahnung nachgekommen oder das begangene Unrecht nach Möglichkeit gutgemacht worden ist. Sollte aber eine der streitenden Parteien auch jetzt noch in dem beharren, was als unrecht betrachtet wurde, so darf derjenige, welcher die Sache in Fluss gebracht, oder einer von den zugezogenen Zeugen, oder am liebsten diese alle zusammen dann, aber erst dann, die Angelegenheit vor die Versammlung bringen. Daraus ist klar ersichtlich, dass die Ältesten nicht die Richter und Regenten der Glieder sind; das Recht, zu verhören und zu urteilen wird von unserem Herrn selbst der Versammlung zuerkannt.

Wenn nun also in einem Streithandel die beiden ersten Schritte getan worden und die Ältesten sich dessen vergewissert haben, dann ist es deren Pflicht, die ganze Versammlung der Geweihten als Gerichtshof einzuberufen, damit sie von der Angelegenheit bis ins einzelne Kenntnis nehme und im Namen des Hauptes eine Entscheidung treffe. Und es sollte so völliges Licht in die Angelegenheit gebracht und der Schuldige so großmütig behandelt werden, dass die Entscheidung einstimmig oder wenigstens mit sehr starker Mehrheit getroffen werden könnte. So wird der Friede und die Einigkeit der Versammlung gewahrt bleiben. Umkehr des Schuldigen muss bis zum Augenblick der Urteilsfällung durch die Versammlung möglich bleiben; ja, es ist gerade der Zweck der verschiedenen Schritte, den Schuldigen zur Umkehr zu bringen. Nicht die Strafe ist der Zweck des Verfahrens; sie ist nicht unsere, sondern Gottes Sache. „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr.“ (Röm 12:19) Wann auch der Schuldige seinen Fehler bereuen und sich bessern mag, es soll immer für alle, die des Herrn Geist besitzen, eine Ursache sein, zu danken und sich zu freuen; denn andere sind nicht Glieder seines Leibes. - Röm 8:9

Wenn sich nun der Schuldigbefundene der Entscheidung der Versammlung nicht unterwerfen will, so soll keine andere Strafe über ihn verhängt werden als die, dass die Brüder sich von ihm zurückziehen, die brüderlichen Beziehungen zu ihm abbrechen, ihn als Heiden und Zöllner behandeln. - Matth. 18:17

Nie während des ganzen Verfahrens sollen die Verfehlungen des Schuldigen allgemein kundgemacht und dadurch Schande auf diesen, die Versammlung und den Herrn selbst gebracht werden. Auch dann sollte nicht lieblos von dem Schuldigen geredet werden, nachdem die Brüder sich von ihm zurückgezogen haben, so wenig wie wir von Heiden und Zöllnern Böses aussagen, sondern jedermann Gutes erweisen sollten. (Titus 3:2; Gal. 6:10) Was aber das Gebot der Liebe „allen Menschen“ gegenüber fordert, wie viel mehr muss das einem Bruder gegenüber gelten, einem Gliede des Leibes Christi, der da ist die Versammlung. Wie viel weniger darf solch einer durch unrichtige oder übertriebene Aussagen geschädigt werden! Ja noch mehr; seine Schwachheiten, Mängel oder Sünden sollten sorgfältig verdeckt werden, nicht nur vor der feindlichen Welt, sondern auch vor dem Haushalte des Glaubens und sogar vor der Herauswahl, solange es nicht absolut notwendig ist, die Versammlung zu benachrichtigen. Der Geist der Liebe hofft allezeit, dass der Schuldige unter dem Einflusse eines Missverständnisses handelte, und betet um Gnade und Weisheit von oben, damit es ihm vergönnt sei, einen Bruder von dem Irrtum seines Weges zurückzuführen und so (möglicherweise) eine Seele (Neue Schöpfung) vom (zweiten) Tode zu erretten. – Jak. 5:20

Möchte doch der Heilige Geist, der Geist der Liebe, so reichlich in jedem Mitgliede der Herauswahl wohnen, dass es ein jedes schmerzt, irgend etwas Ungünstiges über irgend jemand, insbesondere über einen Bruder, zu hören! Dies würde sofort der Hälfte aller Reibung oder mehr ein Ende machen. Die Gefahr, dass die Befolgung der in Matth. 18:15-18 gegebenen Methode des Herrn zahlreiche Gerichtssitzungen der Herauswahl nötig macht, besteht nicht. Sie bezweckt nur die Beseitigung der Anlässe zu Streiterei und die Erzeugung des Respekts vor der Entscheidung, welche die Versammlung im Namen des Herrn zu treffen berufen werden könnte. Wenn übrigens Ordnung und Liebe vorherrscht, wird jeder suchen, soweit wie möglich auf sich selbst acht zu haben, anstatt seinen Bruder zu missbilligen oder zu bekritteln oder vor dem kleinen Komitee oder der ganzen Versammlung zu verklagen, ohne dass die Sache wichtig genug ist, um den Schuldigen, die Versammlung oder die Wahrheit ernstlich zu gefährden.

Ohne Frage haben die weitaus meisten Schwierigkeiten in der Herauswahl (wie in der Familie oder in der menschlichen Gesellschaft überhaupt) ihre Ursache keineswegs in einem Wunsche, unrecht zu tun, oder in einem absichtlich begangenen Unrechte, sondern in Missverständnissen und teilweise unrichtigen Auslegungen von Absichten und Beweggründen. Die Zunge richtet dabei das größte Unheil an. Es ist daher ein Teil des Geistes des gesunden Sinnes, über seine Lippen ebenso sehr zu wachen wie über sein Herz, aus dem die lieblosen Gedanken aufsteigen, die, wenn die Lippen ihnen Ausdruck geben, böse Leidenschaften entzünden und oft viele schädigen. Die Neue Schöpfung - die Herauswahl - hat von ihrem Herrn und Haupte in diesem Stücke sehr genaue Weisungen empfangen. Der Geist der Liebe sollte einen jeden so sehr erfüllen, dass er allein zu seinem Beleidiger geht, ohne sich vorher mit irgend jemand anders besprochen zu haben. Dabei sollte nicht bezweckt werden, den Übertreter zu beschämen, zu beschimpfen oder sonst wie zu bestrafen, sondern nur einem Unrecht eine Ende zu machen und, wenn möglich, für erlittenen Schaden Entschädigung zu fordern. Anderen davon zu erzählen, vorher oder nachher, ist lieblos, unfreundlich und läuft dem Worte und Geiste unseres Hauptes zuwider. Nicht einmal zum Zwecke des Ratsuchens sollte davon gesprochen werden; wir haben den Rat des Herrn, welcher vollständig genügt; wir brauchen ihn nur zu befolgen. Ist der Fall besonders schwierig, so mag der Weiseste unter den Ältesten zu Rate gezogen werden, jedoch so, dass derselbe nicht erfährt, um wen es sich handelt.

Ist die Sache nicht ernstlicher Natur, so sollte es mit dem persönlichen Schritte bei dem Übertreter sein Bewenden haben, ob er nun höre und nachgebe, oder nicht. Scheint der zweite Schritt notwendig, so soll der Fall dem Komitee nur in Gegenwart beider Teile vorgetragen werden. So würde üble Nachrede vermieden, und das Komitee träte ohne Voreingenommenheit an die Sache heran und wäre um so besser imstande, beiden Teilen weise Ratschläge zu erteilen. Denn der Fehler kann ebenso gut ganz oder teilweise auf Seiten des Klägers liegen. Jedenfalls wird der Beschuldigte durch eine so offene Behandlung zugunsten des Komitees gestimmt und leichter nachgeben, wenn er sieht, dass auch das Komitee findet, er habe Unrecht. Aber ob er nun nachgebe oder nicht, so bleibt die Sache so lange ein Geheimnis, worüber zu niemandem geredet wird, bis sie, falls sie wichtig genug ist, vor die Versammlung gebracht und dort endgültig entschieden wird. Dann erst erhalten alle Heiligen davon Kenntnis, und je weiter diese in der Heiligung fortgeschritten sind, um so mehr werden sie wünschen, nicht mehr als durchaus notwendig zu irgend jemandem von den Schwachheiten oder Vergehungen eines anderen zu reden.

Der einzelne muss sich nun selber einen klaren Begriff von der Richtigkeit der Entscheidung der Versammlung machen; denn er hat von sich aus dementsprechend zu handeln. Der Entzug der Gemeinschaft und des Umganges hat den Zweck, den Schuldigen zu bessern; dies wird vom Herrn selbst vorgeschrieben. Es dient der Herauswahl als Schutz, sich von solchen fernzuhalten, die unordentlich und nicht dem Geiste der Liebe gemäß wandeln. Dieser Entzug soll übrigens nur so lange dauern, bis der Betreffende sein Unrecht eingesehen und nach Möglichkeit gutgemacht hat.

Anklagen gegen Älteste

„Wider einen Ältesten nimm keine Klage an, außer
bei zwei oder drei Zeugen“ - 1. Tim. 5:19 –

In diesem Verse bringt der Apostel zwei Grundgedanken zum Ausdruck: 1. Dass jemand, den die Versammlung als Ältesten berufen hat, dadurch schon als im Besitz eines guten, edlen Charakters stehend und als besonders eifrig für die Wahrheit und ergeben in Gott anerkannt worden ist; 2. dass solche Personen infolge ihrer hervorragenden Stellung in der Versammlung den Angriffen des Widersachers besonders ausgesetzt sind. Sie werden leichter als andere der Gegenstand des Neides und Hasses, wie es auch der Herr voraussagte: „Wundert euch nicht, Brüder, wenn die Welt euch hasst“; „wenn die Welt euch hasst, so wisset, dass sie mich vor euch gehasst hat“; „haben sie den Hausherrn Beelzebub geheißen, wie viel mehr seine Hausgenossen!“ (1. Joh. 3:13; Joh. 15:18; Matth. 10:25) Je treuer und fähiger ein Bruder, je ähnlicher er dem Meister, um so richtiger ist es, wenn er zum Ältesten gewählt wird; und je pflichttreuer ein Ältester, um so sicherer kann er sein, Feinde zu haben, nicht nur Satan und seine Engel, sondern auch solche, welche Satan irrezuführen und zu täuschen vermag.

Dies sollte einen Ältesten davor schützen, auf die Aussage eines einzelnen hin verurteilt zu werden, sofern sein Wandel sonst richtig erscheint. Auf bloße Gerüchte ist überhaupt nicht zu hören; denn kein wahrer Mitberufener, der des Herrn Anordnung (Matth. 18:15) kennt, wird ein Gerücht in Umlauf setzen oder solchen glauben, die dies tun und sich dadurch als ungehorsam erweisen. Um auch nur gehört zu werden, müssen die Ankläger in der Lage sein, als Ohren- oder Augenzeugen aufzutreten. Doch gilt auch im Falle der Ältesten das allgemeine Verfahren. Der erste, der etwas Unrichtiges zu bemerken glaubt, sollte, wenn eine persönliche Unterredung nutzlos geblieben, zwei oder drei Brüder mitnehmen und diese zu Zeugen des Widerstandes des Ältesten machen. Erst dann, wenn der Älteste sich nicht bessern würde, sollte Timotheus oder irgend sonst jemand die Angelegenheit der Versammlung unterbreiten.

Der Umstand, dass die Anschuldigung vor zwei oder drei Zeugen verlangt wird, genau wie für alle Glieder, lässt vermuten, dass der Apostel nichts weiter wollte, als dem Ältesten alles und jedes Recht sichern, dessen sich alle Brüder erfreuten. Es mag sein, dass einige aus der Forderung, dass ein Ältester nicht bei den Brüdern allein, sondern auch außerhalb der Versammlung einen guten Ruf haben müsse, den Schluss zogen, ein Ältester müsse gerade wegen seiner einflussreichen Stellung auf die Anschuldigung hin vor die Versammlung gestellt werden. Doch die Worte des Apostels stellen fest, dass sich ein Ältester der gleichen Rechtsgelegenheiten erfreuen soll wie andere.

Jede Neue Schöpfung sollte sich dies wohl einprägen und daran denken, dass sie sich nur als Zeuge ein Urteil bilden soll. Was andere zu wissen vorgeben und leichthin erzählen, dem sollte keiner Glauben noch auch Beachtung schenken. Wenn zwei oder drei nach des Herrn Vorschrift jemanden vor der Versammlung beschuldigen, nicht leichthin und in böser Absicht, sondern der vom Worte Gottes erhaltenen Belehrung gemäß, auch dann noch soll ihnen nicht ohne weiteres geglaubt, sondern beide Teile sollen gehört werden, der eine in Gegenwart des anderen, und die Entscheidung und Ermahnung der Versammlung sollte nach dem Geiste Gottes sein und in Worte gefasst, welche dem Übertreter auf den rechten Weg zurückhelfen und ihn nicht in die Finsternis draußen stoßen.

Falsch verstandene Berufung zum Predigen

Viele Leute behaupten, sie seien vom Herrn berufen worden, das Evangelium zu predigen. Zuweilen fügen sie auch im nächsten Augenblick hinzu, sie hätten nie gewusst, warum, und sie fühlten sich zu diesem Dienste gar nicht fähig, oder die Umstände hätten sie immer verhindert, dem Ruf Folge zu leisten. Werden sie nun gefragt, wie denn der Ruf an sie ergangen sei, so kommt schließlich an den Tag, dass sie sich nur einbildeten oder vermuteten, berufen zu sein. Der eine hatte einmal (vielleicht bevor er überhaupt ein Christ war) den Eindruck, er sollte sich ganz Gott und seinem Dienste weihen, und sein höchster Begriff von dem Dienst für Gott und „Predigen“ ist von dem Einflusse desjenigen Predigers der Namenkirche hergeleitet, dessen Vorträge er samt seinen Familienangehörigen anhörte. Ein anderer wünschte anderen zu Gefallen Prediger zu werden und sagte zu sich selber: Wie gut würde mir doch der Kanzelrock stehen, und wie angenehm wäre es, mich der Achtung, des Titels und des Gehaltes eines Geistlichen, selbst zweiten oder dritten Ranges, zu erfreuen! Hat einer ein gut Stück guter Meinung von sich selbst, so hat er möglicherweise noch den weiteren Eindruck, dass, wie die erwählten Apostel ungelehrte und unwissende Leute waren, Gott möglicherweise gerade deshalb an ihn gedacht habe, weil es ihm an Begabung und Bildung gebreche. Aber, Gott hat vielen solchen, und seiner Kirche zumal, dadurch einen Dienst geleistet, dass er ihnen den Weg verlegte, auf dem ihr Ehrgeiz, den sie für göttliche Berufung hielten, zu wandeln begehrte.

Wie schon gezeigt, ist ein jedes Glied der Neuen Schöpfung zum Predigen berufen - nicht durch seine Einbildungskraft oder seinen Ehrgeiz, sondern durch das Wort, welches alle, die die Gnade Gottes nicht umsonst empfangen haben, auffordert, die Tugenden dessen zu verkündigen, der sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte berufen hat. (1. Petr. 2:9) Dieser Ruf umschließt mithin alle, die vom Geiste der Wahrheit gezeugt sind: Mann und Weib, Sklaven und Freie, Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Schwarze, Braune, Rote, Gelbe und Weiße. Was bedarf es weiteren Auftrages als: „Er hat ein Lied in meinen Mund gelegt“ - eben „die Gütigkeiten Jehovas“? - Psalm 40:3; 107:43.

Gewiss, der Herr erwählte und berief die zwölf Apostel in besonderer Weise, aber auch zu einem besonderen Dienste; gewiss, er hat sich auch vorgenommen, soweit sein Volk auf seine Worte zu hören bereit ist, die verschiedenen Glieder seines Leibes nach seinem Gutdünken zu „setzen“, das eine zu diesem, das andere zu jenem Dienste, „ein jedes nach seiner eigenen Fähigkeit.“ (Matth. 25:15) Aber er zeigt uns auch deutlich, dass viele suchen werden, sich selber als Lehrer einzusetzen; dass es Pflicht der Herauswahl sei, beständig auf ihn als ihr Haupt und ihren Führer zu schauen, und nicht ehrgeizige Brüder zu begünstigen, die dabei das Ihre suchen; dass, wenn sie es in diesem Stücke fehlen lassen, dies einer Vernachlässigung des Wortes Gottes, einem Mangel an Liebe und Gehorsam gleichkomme und schließlich zum ernstlichen Schaden einer solchen Versammlung und der selbstherrlichen Lehrer ausschlagen werde.

Die Regel, nach welcher der Herr handelt ist deutlich in Luk. 14:11 ausgedrückt, wo wir lesen: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Danach hat sich die Herauswahl in allen Stücken, in denen sie den Willen des Herrn zu erforschen und ihm zu gehorchen suchen soll, zu richten. Der Herr stellt solche in den Vordergrund, deren Eifer, Treue und geduldiges Ausharren im Gutestun sich in kleinen Dingen ausgewiesen hat. „Wer im Geringsten treu ist, ist auch in vielem treu.“ (Luk. 16:10) „Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen.“ (Matth. 25:21, 23) Schon auf der untersten Stufe der Leiter ist reichlich Raum zur Betätigung des Eifers und der Treue. Wer nur recht will, wird nicht lange vergeblich nach Gelegenheit suchen, dem Herrn, der Wahrheit und den Brüdern auf unscheinbare Weise, die den Hochmütigen nicht gut genug ist, weil sie nach Dienstleistungen trachten, die ihnen mehr Ehre bei den Menschen einbringen, zu dienen. Die Treuen aber werden jeden Dienst mit Freuden leisten. So muss dem Willen Gottes als einer Kundgebung seiner Weisheit von jedem Gliede der Neuen Schöpfung gewissenhaft nachgelebt werden, insbesondere bei Abstimmungen in den Versammlungen, welche den Willen des Hauptes zum Ausdruck bringen sollten.

Ein sich selbst suchender Bruder sollte, auch wenn er sich sonst eignen würde, nicht als Ältester gewählt und ein weniger befähigter ihm vorgezogen werden, wenn er demütig ist. Der hierin für den Übergangenen liegende stumme Tadel sollte allen gut sein, auch ohne ein Wort über die Ursachen des Wahlergebnisses zu verlieren. Und wenn sich ein wohl befähigter Ältester als herrschsüchtig auszuweisen, sich als über der Versammlung stehend, eine eigene Klasse bildend und sein Recht zum Lehren als von der Versammlung unabhängig (oder wie manche sagen, als direkt vom Heiligen Geiste empfangen) zu betrachten anfinge, so wäre es einem solchen gegenüber gütig und pflichtgemäß zugleich gehandelt, wenn er eine Zeitlang mit weniger hervorragendem oder auch gar keinem Dienst betraut würde, bis er sich die darin liegende Missbilligung merkt und so den Fallstricken des Widersachers entrinnt.

Alle sollten dessen eingedenk sein, dass Strebsamkeit in der Herauswahl ebenso notwendig ist wie in der Welt, nur dass in der Neuen Schöpfung nicht danach gestrebt wird, groß und vornehm zu sein, sondern dem Herrn und seinen Brüdern, selbst den geringsten, zu dienen. Wir wissen alle, wie der Hochmut Satan zu Fall brachte, aus einem bei Gott in Gunst stehenden Diener einen Feind seines Schöpfers und Gegner aller Gerechtigkeit machte. Gleicherweise werden alle, welche in seine Wege treten und sprechen: „Ich will hinaufsteigen hoch über die Sterne Gottes (mich setzen über die anderen Söhne Gottes) ... mich gleich machen dem Höchsten“ (ein Herrscher unter ihnen, der sich göttliche Autorität anmaßt, ohne von Gott dazu bestellt zu sein, eine Stellung einnimmt, die der göttlichen Ordnung zuwiderläuft) - von Gott missbilligt und ihm dadurch in entsprechendem Maße entfremdet werden. Der Einfluss solcher ist gleich demjenigen Satans ein schädlicher. Wie Satan ein unsicherer Lehrer wäre, geradeso würde von seinem Geiste Geleitetes in Finsternis geraten, anstatt zum Lichte zu gelangen, denn sie befänden sich nicht in der richtigen Herzensstellung, um selber Licht zu empfangen und als Boten, die es an andere weitergeben könnten, gebraucht zu werden.

Wenn sich ein Bruder je berufen fühlen sollte, einigermaßen öffentlich zu predigen, auch dann noch, wenn sich die Gelegenheit hierzu nicht in der angegebenen Weise geboten hätte, wenn er Neigung dazu zeigen sollte, sich der Versammlung, ohne dazu gewählt worden zu sein, aufzudrängen, oder wenn ein erwählter Leiter oder Ältester seine Stellung festzuhalten und sie als ein wohlerworbenes Recht zu betrachten versuchen sollte, ohne sich einer Wiederwahl zu unterwerfen, so können wir sicher sein, dass er entweder nicht gemerkt hat, wie er zu handeln hätte, oder aber, dass er die böse, sich selbst suchende Gesinnung hat, mit welcher kein Dienst in der Versammlung vereinbar ist. In beiden Fällen wird es notwendig sein, bei der ersten Gelegenheit eine Neuwahl vorzunehmen; und zwar, wie wir schon angedeutet, etwa am ersten Sonntage eines Jahres oder eines Quartals.

„Weiset die Unordentlichen zurecht“

„Wir ermahnen euch aber, Brüder: Weiset die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmet euch der Schwachen an, seid langmütig gegen alle. Sehet zu, dass niemand Böses mit Bösem vergelte, sondern strebet allezeit dem Guten nach gegeneinander und gegen alle.“ - 1. Thess. 5:14, 15

Diese Ermahnung gilt nicht den Ältesten allein, sondern der ganzen Versammlung mit samt den Ältesten. Sie anerkennt, dass, wenn auch die ganze Versammlung, als Gottes Neue Schöpfung, vor ihm als die Gesamtheit Neuer Schöpfungen in Christo Jesu vollkommen dasteht, doch ein jeder einzelne seine Unvollkommenheiten nach dem Fleische habe. Sie zeigt ferner, was wir alle erkennen, dass diese Unvollkommenheiten nicht bei allen gleicher Art und gleicher Tragweite sind; gerade wie in Kindern nach dem Fleische die Neigungen verschieden sind, und daher das Verfahren der Eltern auch je nach denselben verschieden sein muss, so gibt es auch in der Familie Gottes große Verschiedenheiten, sodass es nötig ist, dass darauf gegenseitig Rücksicht genommen werde. Aber nicht in der Weise, dass wir Freude empfänden, die Unvollkommenheiten des anderen zu entdecken. Eine solche Stellung würde uns sehr schaden, indem sie in unseren Herzen die Sucht erstarken lassen würde, andere zu bekritteln, unseren Blick für die Schwachheiten und Unvollkommenheiten der anderen schärfen und uns vielleicht in dem Maße für unsere eigenen Mängel blind machen würde. Solches Kritisieren liegt dem Geiste und der Absicht des Apostels in obiger Ermahnung durchaus fern. Diese richtet sich an solche, die vom Geiste der Wahrheit, vom Geiste der Heiligkeit, vom Geiste der Demut, vom Geiste der Liebe gezeugt sind. Wer infolge dieser Zeugung in den Gnadengaben des Geistes heranwächst, fürchtet und sieht zuerst seine eigenen Mängel, indem seine Liebe für die anderen ihn dazu führen wird, die der anderen in seinem Herzen soviel wie möglich zu entschuldigen. Aber wenn auch dieser Geist der Liebe Recht hat, die Fehler und Schwachheiten der Brüder zu verzeihen, so muss er gleichwohl darauf acht haben, ihnen Gutes zu tun, nicht durch barsche Worte, Zank und Streit, gegenseitige Bekrittelung und üble Nachrede, sondern in einer mit der goldenen Regel der Liebe verträglichen Art und Weise. Er wird mit Freundlichkeit, Milde, Langmut und Geduld den Schwachheiten des anderen Rechnung tragen, aber gleichzeitig dem anderen nach Kräften helfen, diese Schwachheiten loszuwerden, indem er sich dessen erinnert, dass er deren auch verschiedene abzulegen hat.

Die Unordentlichen sollen also auf ihrem bösen Wege nicht ermutigt und unterstützt werden, sondern liebevoll und freundlich sollen sie daran erinnert werden, dass Gott ein Gott der Ordnung ist; dass also, je mehr wir ihm ähnlich und von ihm begünstigt zu werden wünschen, wir um so genauer auf Ordnung acht haben müssen. Sie sollten daran erinnert werden, dass Gottes Anordnung nichts ferner liegt als Anarchie. Wie die Weltleute darin einig sind, dass die denkbar schlechteste Regierungsform besser ist als Anarchie, so sollte auch das Volk Gottes, welches den Geist des gesunden Sinnes, den Heiligen Geist empfangen hat, diesem Grundsatze innerhalb der Versammlung huldigen. So ermahnt uns denn auch der Apostel, einer dem anderen zum Besten der Gesamtheit und der Sache des Herrn untertan zu sein. Wären wir alle vollkommen, so würden wir alle genau gleich denken und bedürften nicht, dass sich einer dem anderen unterordne. Aber da unser Bestreben ungleich ist, ist es notwendig, dass ein jeder auf den anderen und dessen Standpunkt im Beobachten und Urteilen Rücksicht nehme, und dass ein jeder im Interesse des allgemeinen Friedens suche, in einem, ja jedem Stücke nachzugeben, wo dies zur Erhaltung der Einheit des Geistes im Bande des Friedens notwendig ist, ausgenommen natürlich, wenn dadurch Grundsätze preisgegeben werden müssten.

Die Unordentlichen sind vielleicht wegen ihrer Eigenschaft nicht ganz zu tadeln. Viele sind von Jugend an unordentlich und bleiben es später in Kleidung und in allen irdischen Angelegenheiten. Ihre Unordentlichkeit ist mithin ein Teil ihrer Schwachheit. Dann sollte derselben voller Mitleid und Freundlichkeit gedacht werden; nur darauf muss geachtet werden, dass ihre Unordentlichkeit der Versammlung Gottes keinen Schaden zufügt, die Versammlung an ihrer Nützlichkeit zum Erforschen der Wahrheit und zum Dienste an der Wahrheit beizutragen, nicht hindert. Es ist nicht Gottes Wille, dass sein Volk vor lauter Milde im Verkehr mit Unordentlichen schwach werde. Freundlich und liebevoll, aber fest zugleich, sollte solchen gezeigt werden, dass Ordnung das erste Gesetz im Himmel ist und es mithin auch denen wichtig sein müsse, welche himmlische Gesinnung haben; und dass es für eine Versammlung sündhaft sein würde, einem, zwei oder mehreren Gliedern zu gestatten, die göttliche Regel zu missachten, welche im Worte Gottes ausgedrückt und im allgemeinen von der Versammlung, welcher sie angehören, verstanden wird.

Das Ermahnen kein allgemeiner Befehl

Es wäre jedoch ein schwerer Irrtum zu glauben, dass der Apostel auch an dieser Stelle, wo er ganz allgemein redet, der Meinung wäre, dass ein jedes Mitglied der Versammlung ermahnen sollte. Weislich und hilfreich zu ermahnen ist eine sehr schwere Sache, und gar wenige haben diese Gabe. Darum ist die Wahl von Ältesten durch die Versammlung so zu verstehen, dass sie diejenigen an die Spitze stellen sollte, welche, verbunden mit natürlicher Veranlagung, die fortgeschrittenste geistige Entwicklung zeigen, nicht nur zum Leiten der Zusammenkünfte usw., sondern auch zur Aufrechterhaltung von Ordnung und weiser, gütiger, aber nicht schwächlicher, sondern fester Ermahnung der Unordentlichen. Dass es der Apostel so meint, geht deutlich aus den vorhergehenden Versen hervor, welche wir hier ebenfalls anführen wollen:

„Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die erkennet, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen und dass ihr sie über die Maßen in Liebe achtet, um ihres Werkes willen. Seid in Frieden untereinander.“ - 1. Thess. 5:12, 13

Wenn bei der Wahl der Ältesten mit göttlicher Weisheit verfahren wurde, so folgt daraus, dass die Erwählten in hoher Achtung stehen; und da Neulinge nicht gewählt werden sollten, so folgt weiter, dass die Erwählten um ihrer Werke willen geschätzt und auserkoren, dass an ihrem ganzen Gebaren erkannt worden ist, dass sie nebst gewissen natürlichen Gaben und Anlagen ein besonders reichliches Maß Heiligen Geistes der Liebe, Weisheit und Niedriggesinntheit haben. „Seid in Frieden untereinander“, wie der Apostel ermahnt, bedeutet, dass die Versammlung, nachdem sie Älteste zu ihren Vertretern gewählt, von ihnen nun auch erwartet, dass sie die Dienste verrichten, zu denen sie gewählt, und dass dann nicht ein jeder versuchen soll, nur Leiter, Vertreter, Ermahner usw. zu sein. Wie wir schon gesehen, soll nicht ein jeder den anderen selber richten; nur die Versammlung als Ganzes kann einen von der Gemeinschaft und der Teilnahme an den Zusammenkünften ausschließen. Und auch diese Maßregel soll erst Platz greifen, wie schon ausgeführt, nachdem die verschiedenen Schritte mehr vertraulicher Art getan wurden und alle Bemühungen, Besserung zu erzielen, nutzlos geblieben sind, sodass eine längere Duldung des Unordentlichen die Interessen der Gesamtheit gefährden würde. In den zuletzt angeführten Versen ermahnt der Apostel, dass die Versammlung die erkenne (d.h. anerkenne), und von denen, die sie gewählt hat, erwarten soll, dass sie die Interessen der Herauswahl wahrnehmen und die Unordentlichen so lange zurechtweisen, bis es ernst genug wird, um die Entscheidung der Versammlung anzurufen.

Öffentlicher Tadel selten

Solche Ermahnung kann unter bestimmten Umständen öffentlich vor der Versammlung vorgenommen werden müssen, wie der Apostel an Timotheus schreibt: „Die da (offenkundig) sündigen, überführe vor allen, auf dass auch die übrigen Furcht haben.“ (1. Tim. 5:20) Ein solcher öffentlicher Tadel setzt notwendigerweise voraus, dass die begangene Sünde offenkundig und schwer gewesen ist. Bei verhältnismäßig leichten Verstößen gegen Regeln der Ordnung sollten die Ältesten der goldenen Regel, dem Gebote der Liebe, gemäß darauf achten, „einander anzureizen zur Liebe und zu guten Werken“, und darauf achtend, werden sie erkennen, dass ein Wort im Vertrauen dem Übertreter viel hilfreicher ist als öffentlicher Tadel, der ein empfindsames Gemüt verwunden könnte, ohne dass eine Notwendigkeit dazu vorläge, und wo Liebe in solchen Fällen einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Doch auch, wenn eine schwere Vergehung öffentlichen Tadel durch einen Ältesten erfordert, sollte dieser liebevoll und mit dem Wunsche erteilt werden, dass der Getadelte sich bessern und den Rückweg finden möchte, und nicht etwa mit dem Bestreben, den Getadelten auszuschließen oder verhasst zu machen. Auch hat ein Ältester nicht die Befugnis, irgend jemanden von den Zusammenkünften auszuschließen. Eine solche Maßregel steht, wie schon gesagt, nur der Versammlung zu, und auch dieser nur, nachdem der Angeschuldigte volle Gelegenheit erhalten hat, sich zu verteidigen, zu bessern und um Verzeihung zu bitten. Die Versammlung der dem Herrn Geweihten vertritt den Herrn, der Älteste vertritt nur die Versammlung. sie war es, die bei der Ältestenwahl dem Willen des Herrn nach bestem Wissen und Gewissen Ausdruck zu verleihen suchte; sie ist die oberste Instanz in allen solchen Dingen, darum ist auch der Wandel eines Ältesten stets von der Versammlung, deren Anschauung den Willen des Herrn ausdrücken soll, zu beobachten und nötigenfalls zu berichtigen.

Wir möchten an dieser Stelle die Frage etwas näher untersuchen, wie weit sich die Pflicht der Versammlung, die Unordentlichen zurechtzuweisen oder durch die Ältesten zurechtweisen zu lassen oder auch von den Zusammenkünften auszuschließen, erstreckt. Zu einer Ausschließung auf immer ist die Versammlung nicht befugt. Der Bruder, welcher, nachdem er einem Mitbruder oder der Versammlung Unrecht getan, umkehrt und sagt: „Ich bereue meinen bösen Weg und verspreche, mich in Zukunft zu bemühen, richtig zu handeln“, oder sonst etwas derartiges, muss völlige, herzliche Vergebung finden, wie wir sie selbst vom Herrn für alle unsere Übertretungen erhoffen. Einzig der Herr hat das Recht, auf immer auszuschließen, eine Rebe vom Weinstocke abzuschneiden. Die Schrift belehrt uns, dass es eine Sünde zum Tode gibt, für welche zu beten nutzlos ist (1. Joh. 5:16), und wir sollten erwarten, dass eine solche absichtliche Sünde, die den zweiten Tod nach sich zieht, so offenkundig wäre, dass, wer mit dem Herrn wandelt, sie leicht gewahr würde. Wir sollten niemanden wegen Dingen richten, die in seinem Herzen sein mögen, denn wir vermögen nicht in den Herzen zu lesen. Wenn aber jemand absichtlich Sünde zum Tode begeht, so wird es sicherlich offenbar werden: durch seine Lippen, wenn es sich um Verleugnungen z.B. der Grundlehren von der Versöhnung durch Christi kostbares Blut handelt; durch seine Handlungen, wenn er wieder nach dem Fleische wandelt, „wie die gewaschene Sau sich wieder im Kote wälzt“. Von solchen handeln Hebr. 6:4-8 und 10:26-31; von solchen gilt des Apostels Warnung, dass wir keinen Verkehr mit ihnen haben, nicht mit ihnen essen, sie nicht ins Haus nehmen, sie nicht grüßen sollten (2. Joh. 9-11), weil solche, die noch Umgang mit ihnen pflegen, geachtet würden, als nähmen sie für die Feinde Gottes, für ihre bösen Taten oder ihre bösen Lehren Partei.

Hinsichtlich der wegen Unordentlichkeit Ausgeschlossenen gelten ganz andere Verhaltungsmaßregeln. Sie sollten nicht als Feinde behandelt noch als Feinde betrachtet werden, sondern als irrende Brüder, wie der Apostel sagt: „Wenn aber jemand unserem Worte durch den Brief nicht gehorcht (wenn er unordentlich ist, sich weigert, sich gesunden Anschauungen von der Liebe und edler Denkungsart eingegebenen Ordnungsregeln zu unterwerfen), den bezeichnet und habet keinen Umgang mit ihm, auf dass er beschämt werde; und achtet ihn nicht als einen Feind, sondern weiset ihn zurecht als einen Bruder.“ (2. Thess. 3:14, 15) Dieser Fall wäre bei offener und öffentlicher Widersetzlichkeit gegen die Ordnungsregeln, welche der Apostel als des Herrn Mundstück aufgestellt hat, gegeben. Solch offenkundiger Widersetzlichkeit sollte von der Versammlung, nachdem die Sache wirklich so befunden, durch einen Tadel begegnet werden. Nützt das nichts, und fährt der Betreffende fort, sich der uns vom Herrn durch den Apostel gegebenen Ordnung zu widersetzen, so sollte er als so vollständig im Widerspruch stehend betrachtet werden, dass es unpassend wäre, weiter mit ihm zu verkehren, bis er sich den vernünftigen Anforderungen unterworfen hat. Er soll auf der Straße nicht ungegrüßt bleiben, sondern nur von den Zusammenkünften der Glaubenden ausgeschlossen sein. Dies liegt in den Worten unseres Herrn: „Er sei dir wie ein Heide und ein Zöllner.“ Unser Herr meinte nicht, dass wir einen Heiden oder Zöllner beleidigen oder sonst wie unfreundlich behandeln sollen, sondern nur, dass wir nicht wie Brüder mit ihm umgehen, keine vertraulichen Beziehungen mit ihm unterhalten sollten. Der Haushalt des Glaubens muss durch gegenseitige Liebe und Anhänglichkeit und verschiedene Beweise dieser Gefühle zusammengehalten und gefestigt werden. Der Entzug dieser Beweise soll dem ausgeschlossenen Bruder Schmerz verursachen, damit das Bedürfnis in ihm erwache, sich zu bessern und dadurch wieder Zutritt zu den Zusammenkünften zu erlangen. Darin liegt eine Aufmunterung, Wärme, Herzlichkeit, aufrichtige Brüderlichkeit in den Beziehungen unter den verschiedenen Gliedern des Leibes des Herrn vorherrschen zu lassen.

„Tröstet die Kleinmütigen“

Indem wir mit der Untersuchung der Worte des Apostels in unserem Text fortfahren, bemerken wir, dass die Versammlung die Kleinmütigen trösten soll. Wir erkennen daran, dass der Heilige Geist unsere sterblichen Leiber keineswegs so umgestaltet, dass sie gar keine Schwächen mehr hätten. Es gibt manche mit schwachen Sinnen und andere mit schwachen Körpern, und ein jeder bedarf um seiner eigenen Schwachheit willen des Mitleids. Die Kleinmütigen werden nicht durch Wunder geheilt; auch sollten wir nicht annehmen, dass Kleinmütige, welche nicht die ganze Länge, Breite, Höhe und Tiefe des Planes Gottes erfassen können, deshalb nicht doch Glieder am Leibe des Herrn sein können. Im Gegenteil, so wenig der Herr für seine Herauswahl solche aussucht, die körperlich stark und gut entwickelt sind, ebenso wenig sucht er ausschließlich geistig Starke, die imstande sind, jede Einzelheit des Planes Gottes sofort völlig zu erfassen. Es wird natürlich auch solche am Leibe geben, aber andere sind kleinmütig und bringen es daher nicht einmal bis zur Durchschnittserkenntnis. Welchen Trost sollten wir solchen geben? Wir antworten, dass die Ältesten in ihren Darlegungen der Wahrheit, und alle Glieder der Versammlung in ihrer Beziehung zu solchen, dieselben trösten sollten, nicht gerade dadurch, dass sie ihre Schwachheit erwähnen und zu vergeben bereit sind, sondern dadurch, dass sie das, was sie sagen, dem Fassungsvermögen der Schwachen anpassen und sich nicht wundern, wenn nicht alle Glieder der Familie Gottes gleich rasche Fortschritte machen. Niemand sollte denken, dass Brüder von so schwachen Fähigkeiten nicht zum Leibe gehören. Der Sinn würde ziemlich derselbe bleiben, wenn die verbesserte Übersetzung „Tröstet die Verzagten“ annehmen würde. Es gibt nun einmal solche, denen es von Natur an Mut und Widerstandskraft gebricht, und die daher mit dem besten Willen und treuesten Herzen nicht bis zum gleichen Grade wie andere „stark im Herrn“ sind und „den guten Kampf des Glaubens“ in offener Feldschlacht so kämpfen können. Der Herr aber sieht ihren Wunsch, ihre Absicht, mutig zu sein und treu zu ihm zu stehen, und das müssen auch die Brüder tun, wenn sie den Überwindern zugezählt zu werden wünschen.

Alle sollten erkennen, dass der Herr sein Volk nach seiner Herzensgüte beurteilt. Wenn also die Kleinmütigen Verständnis und guten Willen genug haben, die Grundlage des göttlichen Planes über die Erlösung durch Christum Jesum und ihre Rechtfertigung durch den Glauben an den Erlöser zu erfassen, und wenn sie, gestützt auf diese Erkenntnis, sich dem Herrn gänzlich weihen, dann müssen sie in jeder Hinsicht so behandelt werden, dass sie sich völlig und gänzlich als Glieder am Leibe Christi fühlen, und empfinden, dass ihre Unfähigkeit, jeden Zug des Planes Gottes selber zu erklären, klar zu erfassen, oder nach außen so fest zu verteidigen, wie andere es können, ihnen nicht so ausgelegt wird, als hätte der Herr ihre Weihung nicht angenommen. Sie sollten vielmehr zu weiterer Hingabe an den Herrn ermutigt werden, und angespornt werden, zu tun, was ihre Hand zur Ehre Gottes oder zum Segen der Brüder zu tun findet, in dem Gedanken Trost suchend, dass zur rechten Zeit alle, die in Christo bleiben, die Früchte des Geistes hervorbringen und den Weg des Opferns gehen, neue Leiber mit vollkommener Befähigung erhalten werden, in welchen alle Glieder imstande sein werden, zu erkennen, wie sie selbst erkannt worden sind. Bis dies möglich ist, versichert uns der Herr, dass seine Kraft in unserer Schwachheit mächtig ist.

„Nehmet euch der Schwachen an“

Diese Ermahnung setzt voraus, dass in der Versammlung die einen schwächer sind als die anderen, nicht nur körperlich, sondern auch geistig, in dem Sinne, dass ihre menschlichen Leiber vom Falle einen so großen Schaden davon getragen haben, dass sie als Neue Schöpfungen größere Schwierigkeiten haben, zu wachsen und sich zu entwickeln. Solche darf man nicht abstoßen, im Gegenteil, wir müssen bedenken, dass, wenn der Her sie würdig erachtet hat, seine große Gnade und Güte zu erkennen, er auch wohl imstande ist, sie durch den, der uns geliebt und mit seinem kostbaren Blute erkauft hat, zu Überwindern zu machen. Solchen gelten die Verheißungen, dass, wenn wir in uns selbst schwach sind, wir im Herrn und in der Macht seiner Stärke stark sein können, indem wir alle unsere Sorgen auf ihn werfen und uns im Glauben auf seine Gnade stützen, und dass sie in der Stunde der Versuchung oder der Schwachheit die Erfüllung seines Versprechens schmecken können: „Meine Gnade genügt dir; denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.“ (2. Kor. 12:9) An diesem Ermuntern und Ertragen kann die ganze Versammlung teilnehmen, wiewohl natürlich die Ältesten den Schwachen gegenüber ihre besonderen Pflichten haben, weil sie die erwählten Vertreter der Versammlung sind. Der Apostel führt in 1. Kor. 12:28 neben den Propheten und Lehrern auch „Hilfeleistungen“ an. Es ist sicherlich Gottes Wohlgefallen, dass jedes Glied der Versammlung bestrebt ist, nicht nur den Ältesten, sondern einem jeden Hilfe zu leisten, allen Menschen, wo sich Gelegenheit bietet wohl zutun, insonderheit aber dem Haushalt des Glaubens.

„Seid langmütig gegen alle“

Wenn die Neuen Schöpfungen der Ermahnung gehorchen, langmütig unter allen Umständen gegen alle zu sein, werden sie nicht nur sich gegeneinander benehmen, wie es sich für sie gebührt, sondern sie werden dabei auch eine der größten Gnaden des Geistes, die Geduld, üben. Geduld ist eine Gnadengabe des Geistes, zu deren Ausübung wir in allen Angelegenheiten des Lebens reichlich Gelegenheit finden, sowohl gegenüber solchen, die draußen sind, als auch gegenüber den Gliedern der Versammlung; und es ist gut, wenn wir uns erinnern, dass die ganze Welt auf unsere Geduld Anspruch hat. Wir bemerken dieses erst recht, nachdem wir einen deutlichen Einblick in die uns durch die Schrift geoffenbarte Lage der seufzenden Schöpfung erhalten haben. Wir erkennen dann, wie schwer der Fall die Menschheit geschädigt hat, wie geduldig Gott den Sündern gegenüber ist, wie liebevoll er sein muss, dass er für ihren Loskauf und ihre Wiederherstellung Vorsorge getroffen hat, wie er so glorreiche Gelegenheiten beschafft hat, dank denen nicht nur die Herauswahl aus dem Kot und Abgrund von Sünde und Tod herausgeholt werden, sondern die ganze Menschheit zur Vollkommenheit zurückkommen kann. Dann erkennen wir ferner, wie völlig bis jetzt die Welt vom Widersacher, „dem Gott dieser Welt“, welcher sie noch verblendet und betrügt, irregeführt worden ist. - 2. Kor. 4:4

Diese Erkenntnis sollte uns sicherlich sehr geduldig machen! Und wenn wir nun mit der Welt Geduld haben, wie viel mehr sollten wir mit denen Geduld haben, die nicht mehr von der Welt sind, die durch Gottes Gnade Vergebung für ihre Sünden in Christo gefunden haben, aufgenommen worden sind in die Familie Gottes, und nun in Jesu Fußspuren zu wandeln bestrebt sind. Welche liebende, langmütige Geduld sollten wir gegen solche Mitschüler haben, gegen Glieder des Leibes des Herrn! Gewiss könnten wir uns ihnen gegenüber nicht anders als geduldig erweisen, und gewiss würde unser Herr und Meister unsere Ungeduld solchen gegenüber besonders missbilligen und in irgendeiner Weise tadeln. Außerdem bedürfen wir selber sehr der Geduld in unserem Kampfe gegen die Welt, das Fleisch und den Widersacher, den wir unter so ungünstigen Umständen kämpfen müssen. Die Erkenntnis alles dessen wird uns helfen, uns allen gegenüber geduldiger zu machen.

„Sehet zu, dass niemand Böses mit Bösem vergelte“

Das ist mehr als ein persönlicher Rat; es ist eine an die Herauswahl als Körperschaft gerichtete Aufforderung und gilt jeder Versammlung des Volkes Gottes. Es bedeutet, dass, wenn jemand vom Haushalte des Glaubens zur Rache, Vergeltung von Bösem mit Bösen geneigt ist, sei es an einem Mitgliede des Haushaltes oder an Draußenstehenden, die Versammlung sich nicht der Einmischung in fremde Händel schuldig mache, wenn sie dagegen einschreite. Es wird hier vielmehr als Pflicht der Versammlung bezeichnet, darauf zu sehen, dass solches nicht geschehe, dass niemand Böses mit Bösem vergelte, dass vielmehr die richtige Gesinnung in der Versammlung herrsche. Wenn also die Ältesten von Vorkommnissen hören, welchen obige Aufforderung gelten könnte, so ist es ihre Pflicht, die Schuldigen an das Wort des Herrn zu erinnern; und sollten diese nicht darauf hören, so ist es weitere Pflicht der Ältesten, die Angelegenheit der Versammlung zu unterbreiten. Dann ist es Sache der letzteren, darauf zu sehen, dass die Dinge in Ordnung gebracht werden. Dabei bleibt es aber einem jeden dringend anbefohlen, mit freundlicher Teilnahme die Interessen des anderen wahrzunehmen, einander nicht allein vor Rückschritten zu warnen und zu bewahren, sondern auch zu ermutigen, zu tun, was recht ist. Wir sollten uns über jeden Fortschritt eines Bruders freuen und ihn bei jedem weiteren Fortschritt ermutigen, indem wir sowohl einzeln als auch als Versammlung unsere Billigung zeigen. Wenn wir dies tun, freuen wir uns immer mehr, wie es der Apostel auch sagt, und das mit gutem Grund; denn, wenn wir einander so gegenseitig helfen, so wird der Leib des Christus an Liebe zunehmen, dem Haupte immer ähnlicher und für die Miterbschaft am Reiche immer geeigneter werden.

„Lasst uns aufeinander acht haben zur Anreizung zur Liebe
und zu guten Werken“
- Hebr. 10:24 -

Welch ein lieblicher und herrlicher Gedanke ist hier ausgedrückt! Während andere ihre Mitgenossen beobachten, um sie über Fehler zu ertappen und zu entmutigen oder ihre Schwächen zu eigenem Vorteile auszunutzen, sollen die Neuen Schöpfungen im Gegenteil die Anlagen eines jeden zu dem Zwecke kennen zu lernen suchen, möglichst in Wort und Tat alles zu vermeiden, was sie verletzen oder ärgern könnte, und alles zu tun und zu sagen, was sie zu Liebe und zu gutem Verhalten anzureizen vermöchte.

Warum auch nicht? Fordert nicht die ganze Stellungnahme der Welt, des Fleisches und des Teufels zu Neid, Selbstsucht und Missgunst, zu Sünde in Gedanken, Worten und Werken auf? Warum sollten die Neuen Schöpfungen vom Leibe des Christus sich nicht nur solcher Handlungen untereinander und nach außen enthalten, sondern auch sich ermutigen, in der entgegengesetzten Richtung zu handeln, nämlich sich zu Liebe und guten Werken zu ermutigen? Gewiss ist, wie jede Ermahnung des Wortes Gottes, auch diese hier nicht nur vernünftig, sondern auch vorteilhaft.

Unsere Versammlungen

„Indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei etlichen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das um so mehr, je mehr ihr den Tag herannahen sehet.“ - Hebr. 10:25

Diese Ermahnung des Apostels steht in vollem Einklange mit der Verheißung des Herrn: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ (Matth. 18:20) Der Zweck des Zusammenkommens ist gegenseitige Förderung in geistigen Dingen. Da bietet sich Gelegenheit zur Ermunterung und Anreizung zu innigerer Liebe zum Herrn und zueinander, zu mehr und mehr guten Werken jeder Art, die unserem Vater Ehre machen und der Brüderschaft und selbst allen Menschen zugute kommen sollten. Wenn jemand sagt, er liebe Gott, hasst aber seinen Bruder, so weiß er nicht, was er sagt, und betrügt sich selbst. (1. Joh. 4:20) In ähnlichem Selbstbetruge befinden sich, glauben wir, die, welche sagen: „Ich sehne mich, bei dem Herrn zu sein, seiner Gesellschaft, seiner Segnungen teilhaftig zu werden“, aber die Gelegenheiten versäumen, sich mit den Brüdern zu versammeln und sich nicht freuen, in ihrer Gesellschaft zu sein.

Alle menschlichen Wesen suchen Gesellschaft auf und zwar erfahrungsgemäß nach dem Grundsatze: „Gleich und gleich gesellt sich gern.“ Wenn uns also die Gesellschaft geistlich Gesinnter nicht erwünscht ist, wenn wir den Gelegenheiten dazu aus dem Wege gehen, dann können wir sicher sein, dass dies in bezug auf unseren geistlichen Zustand Zeichen von Krankheit sind. Der natürliche Mensch liebt die Gesellschaft Seinesgleichen, verabredet mit demselben Geschäfte oder Vergnügen, und dies zu Zwecken, welche im Vergleiche zu den außerordentlich großen und herrlichen Verheißungen der Neuen Schöpfung ganz geringfügig sind. Die Erneuerung unserer Gesinnung durch den Geist macht nun unserem Bedürfnisse nach Gesellschaft nicht ein Ende, sondern gibt ihm nur eine neue Richtung, in welcher wir andere Gesellschaft und andere Interessen finden, ein Interesse für die Geschichte der Sünde und der seufzenden Schöpfung in Vergangenheit und Gegenwart, für den Plan Gottes zum Rückkauf und zur bevorstehenden Befreiung der seufzenden Schöpfung; für unsere hohe Berufung zur Miterbschaft mit dem Herrn; für die Zeichen, die darauf deuten, dass sich unsere Erlösung naht usw. Das ist ein ausgiebiges Gebiet zum Nachdenken, zum Studieren und zu gemeinsamer Besprechung.

Kein Wunder, wenn wir sagen, dass, wer den Vorteil nicht zu würdigen weiß, der im Zusammenkommen und Besprechen dieser Dinge mit anderen liegt, in gewisser Beziehung geistig krank ist, ob er nun imstande ist, sein eigenes Gebrechen zu erkennen oder nicht. Er kann an einer Art geistlichen Hochmuts leiden, an geistiger Selbstherrlichkeit, die ihn dazu führt, zu denken: „Ich will nicht in die allgemeine Schule Christi gehen, um dort meinen Unterricht mit seinen anderen Nachfolgern zu empfangen; ich will zu Hause Privatunterricht empfangen; er wird mich allein belehren, tiefer in die geistigen Geheimnisse einführen.“ Einige wenige scheinen an dieser geistigen Selbstsucht zu kranken, sich für besser zu halten, als die übrigen Brüder des Herrn, zu wähnen, der Herr werde ihretwegen von seiner Methode abweichen, die wir in der Schrift skizziert finden, sie besonders bedienen, weil sie mehr von sich halten, als sich zu halten gebührt, und weil sie es so haben wollen. Solche Brüder sollten bedenken, dass ihnen keiner der Segensverheißungen des Herrn gilt, solange sie in dieser Herzensstellung verharren und demgemäss handeln. Im Gegenteil, „der Herr widersteht den Hochmütigen und erzeigt seine Gnade den Demütigen.“ Der Herr segnet, die seine Gebote hören und befolgen; „wenn ihr mich liebet, so haltet meine Gebote.“ Denen, die in der richtigen Herzensstellung sind, genügt es, dass der Herr das Zusammenkommen angeordnet hat, dass er seinen besonderen Segen auch da spendet, wo sich nur zwei oder drei in seinem Namen versammeln, dass die Herauswahl sein Leib ist und durch gegenseitige Dienstleistungen der Glieder gefördert wird, und dass sich die Glieder in allen Gnadengaben und Früchten des Geistes gegenseitig Auferbauen sollen.

Zuweilen liegt das Gebrechen nicht ausschließlich in der geistlichen Selbstherrlichkeit, sondern teilweise in dem Vernachlässigen des Wortes Gottes und in der Neigung zu nur menschlichem Verständnis, indem man annimmt, dass die Verheißung: „Sie werden alle von Gott gelehrt sein“ eine Einzelbelehrung bedeute, die ein jeder besonders empfange. Der Brauch und die Lehre der Apostel und die Erfahrungen des Volkes Gottes widersprechen aber solchen Begriffen.

Auf der anderen Seite müssen wir nun nicht in den entgegengesetzten Fehler verfallen und nach unzähligen Versammlungen und Volkstümlichkeiten haschen, sondern eingedenk sein, dass der Herr seinen Segen nur dem Zusammenkommen der Seinigen verheißt, auch wenn es deren nur zwei oder drei sind, und dass der Apostel nur „unsere Versammlungen“ im Auge hat. Es ist nicht Sektengeist, welchen der Herr und der Apostel hier pflanzen, wenn sie ermahnen, dass die Versammlungen, in welchen die Kinder Gottes mit anderen zusammenkommen, nicht weltlich sein sollen, sondern christlich, Versammlungen von solchen, welche des Herrn Gnade erkannt, angenommen, sich ihm gänzlich geweiht und in seinen Dienst gestellt haben. Weltkinder sollen nicht aufgefordert werden, zu diesen Versammlungen zu kommen. Sie sind nicht von euch, wie auch ihr nicht von der Welt seid; würden sie nur durch musikalische oder andere Veranstaltungen angelockt, so ginge der richtige Geist verloren; denn wo Weltlichkeit und der Wunsch vorherrscht, den Weltlichen zu gefallen und sie anzuziehen, da würde gar bald Zweck und Ziel unseres Zusammenkommens aus den Augen verloren werden. „Ihr aber, Geliebte, erbauet euch selbst auf euren allerheiligsten Glauben.“ (Judas 20) - „Erbauet einer den anderen.“ (1. Thess. 5:11) und „habt acht aufeinander zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken.“ - Hebr. 10:24

Lasst die zum Bösen Geneigten zusammenkommen, wenn sie wollen; lasst die zur Selbstgerechtigkeit Neigenden ihre eigenen Versammlungen haben; und lasst die Geistgezeugten zusammenkommen und sich gegenseitig nach den im Worte Gottes enthaltenen Vorschriften erbauen. Wenn sie diese übersehen, so macht dann nicht das Haupt der Kirche und die treuen Apostel dafür verantwortlich, wenn schlimme Folgen eintreten. Der Herr und die Apostel haben uns das richtige Verfahren vorgelegt.

Damit ist nun nicht gemeint, dass Draußenstehenden der Zutritt zu den Versammlungen der Herauswahl gewehrt werden sollte, wenn sie sich genug dafür interessieren, dass sie zu kommen wünschen, „eure Ordnung zu sehen“ und einen Segen zu haben von eurer heiligen Unterredung, von eurer Ermunterung zur Liebe und zu guten Werken, von eurer Auslegung des göttlichen Wortes zur Verheißung usw. Das erhellt aus 1. Kor. 14:24. Das Wesentliche ist, dass „unsere“ Versammlungen nicht Zusammenkünfte von Ungläubigen seien, wo fortgesetzte Anstrengungen gemacht würden, die Herzen der Sünder zu brechen. Der Sünder soll frei sein beizuwohnen, aber dabei in aller Muße die Ordnung und Liebe beobachten können, die unter den Geweihten des Herrn herrscht. Wenn er dies auch nur unvollständig versteht, so mögen seine Sünden doch durch Beachten des Geistes der Heiligkeit und Reinheit in der Kirche getadelt werden, und er mag sich von seinem Irrtume und Irrglauben durch Beachten der Ordnung und Harmonie der Wahrheit, welche unter dem Volke Gottes herrscht, überzeugen können. - 1. Kor. 14:23-26.

Der Charakter der Versammlungen

Wir bemerken zuerst, dass hierüber, wie über andere Gegenstände, dem Volke Gottes keine starren Regeln hinterlassen worden sind. Es herrscht volle Freiheit, sich den nach Zeit und Ort wechselnden Gebräuchen anzupassen, den Geist eines gesunden Sinnes zu gebrauchen, Weisheit von oben zu suchen und den Grad, bis zu welchem sein Volk dem Herrn in der Denkungsart ähnlich geworden ist, durch sein Verhalten dem Gebote der Liebe gegenüber zu bekunden. Dieses Gebot der Liebe wird in den Abänderungen der Gebräuche der ersten Kirche sicherlich zu größter Mäßigung führen; vor gründlichen Änderungen wird man sicher so lange zögern, bis sie als notwendig erkannt sind, und auch dann wird man die Neuerungen so genau wie möglich im Sinne und Geiste der ersten Kirche halten.

In der ersten Kirche haben wir die Apostel als besondere Lehrer. Wir haben Älteste, die den Versammlungsdienst, den Pilgerdienst und den Dienst als Propheten oder öffentliche Redner verrichteten, und aus 1. Kor. 14 dürfen wir schließen, dass jedes Glied der Kirche von den Aposteln aufgemuntert wurde, jede Gabe oder natürliche Anlage zur Verherrlichung des Herrn und zum Dienste an den Brüdern durch Ausübung seiner Fähigkeiten zu verwenden, im Herrn und in der Wahrheit zu erstarken, den anderen helfend und von den anderen Hilfe empfangend. Der Verlauf einer gewöhnlichen Versammlung in den Tagen der Apostel kann jedoch heutzutage nicht in jedem Stücke zum Vorbilde genommen werden, weil die besonderen Gaben des Geistes heutzutage nicht mehr erteilt werden. Sie wurden seinerzeit der ersten Kirche zuteil zur Überzeugung der Draußenstehenden, wie auch zur Ermutigung der Christen selbst in einer Zeit, wo es ohne diese Gabe für niemanden möglich gewesen wäre, gefördert und auferbaut zu werden. Dennoch können wir aus den vom Apostel gutgeheißenen Gebräuchen manches lernen, was mit Vorteil von den kleinen Versammlungen des Herrn allerorts angewendet werden kann.

Die wichtigste Vorschrift ist die gegenseitige Hilfeleistung, „einander auferbauend in dem allerheiligsten Glauben.“ Es war nicht Brauch, dass einer oder mehrere Älteste regelmäßig predigten oder überhaupt die ganze Auferbauung allein besorgten. Es war vielmehr Brauch, dass jedes Glied sein Teil dazu beitrug, wobei natürlich das Teil der Ältesten um so wichtiger war, je befähigter und begabter sie waren. Es ist leicht ersichtlich, dass dies ein Verfahren ist, bei welchem mancher, ob Hörer oder Beitragender, viel Segen empfangen kann. Und wer kann nicht bezeugen, dass selbst der ungeschickteste Redner, die ungebildetste Person, wenn nur das Herz von Liebe für den Herrn und Hingabe an ihn voll ist, Gedanken mitteilen kann, die zu hören gar köstlich sind. Versammlungen, wie die in 1. Kor. 14 beschriebene, waren sicherlich Regel. Wollen wir es heute ungefähr gleich halten, so mag an solchen Versammlungen einer ermahnen, einer die Wahrheit darlegen, einer beten, einer ein Lied vorschlagen, einer ein Gedicht vorlesen, das seine Gedanken und Gefühle ungefähr ausdrückt und mit dem gerade behandelten Gegenstande im Zusammenhange steht, so würde der Herr alle Glieder seines Leibes zu gegenseitiger Auferbauung verwenden.

Wir sind nicht der Meinung, dass in der ersten Kirche nie gepredigt worden sei. Im Gegenteil. Wo immer die Apostel hinkamen, wurden sie als besonders geeignete Ausleger des Wortes Gottes betrachtet, welche nur kurze Zeit verweilen würden. Es ist daher wahrscheinlich, dass während ihres Besuches sie allein öffentlich redeten, wiewohl wir nicht bezweifeln, dass neben den öffentlichen Versammlungen kleinere gesellige Zusammenkünfte stattfanden, an welchen alle reden konnten. Dem gleichen Brauche folgten ohne Zweifel andere, die nicht Apostel waren. Barnabas, Timotheus, Apollos, Titus; einige trieben damit Missbrauch und übten bösen Einfluss aus, wie Hymenäus, Philetus und andere.

Wo der Herr kein Gesetz erlassen hat, halten wir weder uns noch andere für berechtigt, Vorschriften zu machen. Das Folgende erhebt also nicht den Anspruch, etwas anderes als freundliche Ratschläge zu sein.

1. Belehrung ist notwendig, damit die Weissagungen und die Sittengebote kennen gelernt und die Gnaden des Christus zur Entwicklung gebracht werden.

2. Weil nicht jeder die Sprache gleich gut zu handhaben weiß, und weil nicht jeder gleich scharfen Verstand hat, und da auch das Erkenntnisvermögen, wie nach physischem, so nach dem geistigen Alter verschieden ist, so sollten bei den Versammlungen Gelegenheiten geboten werden, bei denen ein jeder dem, was er gelernt hat, Ausdruck geben könnte, damit ihm, wenn er nicht richtig verstanden hat, durch die Äußerung anderer zurechtgeholfen werden könnte.

3. Es sollten in regelmäßigen kurzen Zeitabschnitten Versammlungen stattfinden, in denen einem jeden Gelegenheit geboten wäre, Darlegungen der Wahrheit vorzubringen, welche möglicherweise von denen abweichen, welche sonst von der Versammlung gutgeheißen werden.

4. Es ist Erfahrungstatsache, dass es sehr vorteilhaft ist, wenn ein jeder beim Hören seiner Brüder selber, sei es durch Zeugnisablegen, sei es durch ein Gebet, seine Ergebung an den Herrn mit dem Mund bekennt.

Die Notwendigkeit der Lehre

Wir leben in einer Zeit, da man meist über die Lehre spottet, und viele behaupten, auf den Glauben an eine bestimmte Lehre komme es nicht an, sondern nur auf gute Werke und richtigen Wandel. Die Schrift sagt aber genau das Gegenteil und stellt den Glauben in erste, die Werke in zweite Linie. Unser Glaube ist unserem Herrn wohlannehmlich, und nach unserem Glauben wird er uns belohnen, wiewohl er mit Recht erwartet, dass der gute Glaube so viel gute Werke hervorbringen werde, wie dies bei der Schwachheit des irdenen Gefäßes möglich ist. So versteht die Schrift die Sache überall. „Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott wohlzugefallen“, und „dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“ (Hebr. 11:6; 1. Joh. 5:4) Niemand kann also ein Überwinder werden, ohne Glauben an Gott und Gottes Verheißungen zu üben. Wer an Gottes Verheißungen glauben soll, der muss sie auch verstehen, und der Glaube wird um so stärker werden, je mehr der Lernende von dem göttlichen Plane der Zeitalter und den damit verknüpften außerordentlich großen und herrlichen Verheißungen versteht. Darum ist Belehrung notwendig. Das Volk Gottes soll von den göttlichen Dingen mehr wissen als die Welt, damit seine größere und bessere Erkenntnis auf seinen Wandel, seine Absichten und Hoffnungen einen heiligenden Einfluss ausüben kann. „Jeder, der die Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst“ (1. Joh. 3:3), ist eine Schriftstelle, welche mit dem Vorhergehenden vollständig übereinstimmt. Wer seinen Wandel zu reinigen versuchen will, muss, wenn seine Bemühungen Erfolg haben sollen, mit der Reinigung des Herzens beginnen, wie die Schrift uns sagt; und das Reinigungsmittel ist der Glaube an die Verheißungen. Diese muss er also kennen lernen; sie sind die Lehrer Christi.

Wir müssen jedoch zwischen diesen und den Lehren von Menschen scharf unterscheiden. Die Lehren Christi sind das, was er und seine inspirierten Apostel im Neuen Testamente beurkundet haben. Die Lehren der Menschen hingegen sind in den Glaubensformeln der Menschen zusammengefasst, deren viele stark von den Lehren des Herrn und alle unter sich abweichen. Außerdem ist es nicht genügend, dass wir einmal belehrt wurden; denn wir nehmen, wie der Apostel es ausdrückt, die Schätze der Gnade Gottes in schadhafte irdene Gefäße auf, die sehr durchlässig sind. Wenn wir also aufzunehmen aufhören, so haben wir bald nichts mehr. Darum bedürfen wir „Gebot auf Gebot, Vorschrift auf Vorschrift,“ und beständiger Wiederholung und Durchsicht unseres Studiums des Planes Gottes, alle von der göttlichen Vorsehung in unseren Bereich gestellten Hilfsmittel dazu benutzend, und soweit wie möglich der Aufforderung des Apostels gehorchend, nicht „vergessliche Hörer, sondern Täter des Werkes“ und so „Täter des Wortes“ zu sein. – Jak. 1:22-25

Unser zweiter Rat mag vielleicht nicht sofort so völligen Anklang wie der erste finden. Es liegt nahe, dass viele wenn nicht alle, denken, diejenigen, welche die Wahrheit am deutlichsten, fließendsten, genauesten darstellen können, sollten auch die einzigen sein, die sie ausdrücken, und die anderen sollten hören und lernen. Dies ist in mancher Hinsicht ganz richtig. Wir meinen nicht, dass solche als passend betrachtet werden sollen, zu lehren, oder dass zu solchen als Lehrern aufgeblickt und ihre Worte als Belehrung betrachtet werden sollten, die gar nicht zu belehren fähig sind, und den Plan Gottes selber nicht völlig begreifen. Aber es besteht ein großer Unterschied, jemand zum einzelnen Lehrer einzusetzen - wie in dem Falle eines Ältesten - und einer Versammlung, bei der alle Mitglieder der Neuen Schöpfung eine Gelegenheit haben, irgendeinen Gedanken kurz auszudrücken oder Fragen zu stellen, wobei verstanden ist, dass solche Fragen, Zweifel oder Äußerungen nicht als jene der ganzen Versammlung gelten. Auf diese Weise können unrichtige Begriffe, z.B. in Form von Fragen, zur Kenntnis gebracht werden, und es bietet sich dann eben Gelegenheit, sie zu berichtigen, oder es können Gedanken geäußert werden, die würdig sind, der Versammlung empfohlen zu werden. Darum sollte es bei solchen Versammlungen niemals an jemandem fehlen, der in der Wahrheit vorgerückt genug ist, um seinen Glauben auf die Schrift zu gründen und den Weg des Herrn deutlicher zu zeigen. Wozu denn diese Fragen? Weil es oft schwierig und zuweilen unmöglich ist, die Dinge so einfach auszudrücken, dass alle, die aufrichtig sind, auch imstande sind, gleich aus einer einzigen Erläuterung klug zu werden. Die Fragen bieten dann Gelegenheit, die gleiche Wahrheit an verschiedenen Bildern zu erklären, eine Methode, von der unser Herr durch seine Gleichnisse vielfach Gebrauch gemacht hat. Wird der gleiche Gegenstand von verschiedenen Seiten beleuchtet, so wird seine Kenntnis auch vollständiger und harmonischer. So haben wir auch schon zu bemerken Gelegenheit gehabt, dass eine zuweilen ungeschickt ausgedrückte Wahrheit bei manchen Hörern Aufnahme fand, indes eine mehr logische Ausführung nicht verstanden wurde. Die Darlegungen des weniger fähigen Redners waren eben dem geringeren Fassungs- und Urteilsvermögen der Hörer angepasst. Wir sollen uns darüber freuen, wenn die gute Botschaft verkündigt wird und hungrige Herzen findet, welches auch die Werkzeuge seien, die diesem Zwecke dienen, wie geschrieben steht: „Etliche zwar predigen Christum auch aus Neid und Streit.“ Wir können uns nur freuen, wenn jemand zur richtigen Erkenntnis des Herrn gebraucht wird, auch wenn wir die unlauteren Beweggründe bedauern müssen, die zuweilen zur Verkündigung antreiben. Der Herr, seine Wahrheit und seine Brüder sind es, die wir lieben, und denen wir zu dienen wünschen. Darum können wir uns so einrichten, dass nichts der Verkündigung im Wege steht. Damit soll nicht gesagt sein, dass wir Unfähige und Unlogische zu Lehrern in der Versammlung machen sollten, oder dass wir die unlogischen Darstellungen der Wahrheit für besonders wirksam hielten, im Gegenteil! Aber gleichwohl dürfen wir solche nicht gänzlich außer acht lassen, sintemal sie sich bei diesem oder jenem oft als geeignete Kanäle erweisen und von der ersten Kirche benutzt wurden.

Wir kommen nun zu unserem dritten Vorschlag. So sicher wir uns auch fühlen mögen, die Wahrheit zu besitzen, so wäre es doch sicher unweise gehandelt, allen Fragen und abweichenden Meinungsäußerungen die Tür zu verschließen und zu verriegeln, damit ja nichts zu Gehör gebracht werde, was dem Vorsteher oder der ganzen Versammlung als Irrtum erscheint. Eine einzige Einschränkung sollte durchgeführt werden, nämlich, dass die Zusammenkünfte der Neuen Schöpfungen nicht der Betrachtung zeitlicher Angelegenheiten, weltlicher Wissenschaften oder menschlicher Lehren, sondern ausschließlich dem Studium göttlicher Offenbarung gewidmet werden. Bei diesem letzteren sollte die Versammlung stetsfort den Unterschied zwischen den Grundlagen der Lehren Christi (an welchen kein Mitglied rütteln noch dulden darf, dass sie in Frage gestellt werden) und der Besprechung von Lehren für Fortgeschrittene festhalten, welche selbstredend mit den Grundlehren vereinbar sein müssen. Letztere sollten jederzeit frei und ungehindert erörtert werden können; am besten in besonders zu diesem Zweck geweihten Zusammenkünften, doch nicht so, dass die gleiche Sache immer und immer wieder vorgebracht und so ein einzelnes Mitglied die ganze Versammlung verwirren und mit seiner persönlichen Liebhaberei hinhalten könnte. Möge ein solches seine Sache im rechten Augenblicke vorbringen, in Gegenwart von jemand, der in der Wahrheit wohl bewandert ist; und wenn dann die Versammlung die Sache als schriftwidrig abgelehnt hat und der, welcher sie vorgebracht, von der Schriftwidrigkeit derselben noch nicht überzeugt ist, so möge ihm wenigstens verboten werden, innerhalb längerer Frist (etwa vor Ablauf eines Jahres), die Versammlung wieder damit zu behelligen; bei Ablauf dieser Frist bliebe es wiederum der Versammlung vorbehalten, zu entscheiden, ob der Gegenstand einer neuen Besprechung wert sei oder nicht.

Gewähren wir solche Freiheit innerhalb der eben angegebenen Schranken nicht, so laufen wir eine zweifache Gefahr: einerseits in den gegenwärtigen Zustand der Namenchristenheit zu verfallen, in deren regelmäßigen Zusammenkünften keiner ein Wort reden darf; und die andere Gefahr ist die, dass jemand, dem irgendein Gedanke (mag er noch so falsch und vernunftwidrig sein) als Wahrheit erscheint, sich niemals befriedigt fühlen würde, solange man ihn nicht anhörte, während er, nachdem er in verständiger Weise angehört worden ist, auch dann, wenn er sich von der Besprechung nicht hat überzeugen lassen, zur Einsicht gelangen muss, dass es unpassend und nutzlos ist, mit seinem Gedanken immer wieder zu kommen.

Nun zu unserem vierten Vorschlag. Das Wachstum in der Erkenntnis führt leicht zu einer Verminderung der Ergebenheit, so seltsam sich dies auch anhören mag. Unsere Fähigkeiten sind so gering, und die Zeit, die wir auf religiöse Dinge verwenden können, ist so beschränkt, dass uns die Zuwendung unserer Aufmerksamkeit auf eine besondere Richtung anderen Gebieten fast ganz entrückt. Der Christ soll nicht Kopf ohne Herz, noch Herz ohne Kopf sein. Der „Geist eines gesunden Sinnes“ weist uns an, alle Früchte der Gnade zu pflegen, damit sie an Rundung gewinnen und den Charakter vervollkommnen. In unseren Tagen strebt alles vielmehr dem Spezialisieren zu; ein Arbeiter besorgt dies, ein anderer jenes im gleichen Geschäft, sodass es heutzutage wenige Arbeiter gibt, die ein Handwerk in so umfassender Weise kennen, wie es ehedem der Fall war. Dieser Neigung muss die Neue Schöpfung entgegenarbeiten und „gerade Bahn machen für ihre Füße“, damit sie es nicht, während sie eine Gnadengabe pflegt, an der richtigen Verwendung einer anderen Gabe Gottes völlig gebrechen lasse.

Jedem Menschen wohnt die Fähigkeit, seine Ergebenheit zu bezeugen, in mehr oder weniger hohem Grade inne. Sie stellt ihre Ansprüche an unser Gewissen und unser Hoffen. Lassen wir sie brach liegen, so laufen wir Gefahr, dass unser Interesse und unsere Liebe für die Wahrheit ausartet, uns nicht mit größerer Liebe zum Herrn und mit lebhafterem Wunsche erfüllt, ihm zu gefallen, sondern uns auf eine Stufe herabzieht, wo wir uns mit bloßer Erläuterung begnügen, und die Besprechungen mehr zum Austausche menschlicher Gedanken dienen, wobei es dann nicht fehlen kann, dass Zerstörungswut, Streitsucht, Ehrgeiz, Zank und Eitelkeit unter uns Platz greifen. Deshalb bedarf, glauben wir, die Neue Schöpfung nicht nur bei jeder Zusammenkunft des Gebetes und der Lobpreisung, sondern außerdem einer wöchentlichen Versammlung, die vorab diesem Zwecke dienen und Gelegenheit bieten müsste, von seinen christlichen Erfahrungen Zeugnis abzulegen, freilich nicht in der Weise, wie es meistens geschieht, durch Vorbringen von Erfahrungen aus den letzten zwanzig Jahren, durch Darstellung seiner Bekehrung usw., sondern durch Mitteilung der Herzenserfahrungen, die man seit der Versammlung der Vorwoche gemacht hat. Solche Erfahrungen sind denen, die davon hören, eine Hilfe; bald werden die Hörer ermutigt, wenn die erwähnten Erfahrungen günstiger Art sind, bald getröstet, wenn sie von Prüfungen, Schwierigkeiten und Verlegenheiten der anderen hören, indem sie daran erkennen, dass sie nicht die einzigen sind, die fehlgehen oder etwas zu ertragen haben.

Auf diese Weise mögen alle erfahren, wie recht der Apostel hat, wenn er schreibt: „Lasst euch das Feuer der Verfolgung unter euch, das euch zur Prüfung geschieht, nicht befremden, als begegne euch etwas Fremdes.“ (1. Petr. 4:12) Auf diese Weise werden wir erfahren, dass alle vom Volke Gottes ihre Widrigkeiten und Schwierigkeiten haben; das erweckt die Teilnahme des einen für den anderen, und mit der Teilnahme wächst die Hilfsbereitschaft und der Geist der Liebe, die heilige Gesinnung. Solche Versammlungen könnten mit großem Nutzen einen Gedanken zur Besprechung herausgreifen, der in der vorhergehenden Sonntagsver­sammlung angeregt worden ist; dieser Gedanke sollte im täglichen Leben stets gegenwärtig gehalten und die täglichen Erfahrungen mit ihm verglichen und in Zusammenhang gebracht werden. Das gibt für die Andachtsversammlung in der Woche reichlichen Stoff. Es ist ja sicher, dass ein jeder Christ reichlich Gelegenheit hat, Lehren aus seinem Leben zu ziehen. Aber die meisten denken nicht, merken nichts, lassen so diese wertvollen Belehrungen unbeachtet an sich vorübergehen und lernen erst, wenn sie besonders schwere und bittere Erfahrungen machen, was sie aus den täglichen, kleinen Botschaften des Herrn an sie hätten lernen können.

Ein Beispiel: Angenommen, in der Sonntagsversammlung sei der Text betrachtet worden: „Der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird euren Sinn bewahren.“ (Phil. 4:7) Da sollte nun bis zur nächsten Wochenversammlung jeder Bruder darauf achten, inwieweit dieses Wort sich an ihm selber erfüllt, die Dinge anmerken, die diesen Frieden unterbrechen oder verhindern und Unruhe und Unfrieden bringen. In der Wochenversammlung würde nun ein jedes seine Erfahrungen mitteilen und die Belehrung, die es für sich daraus geschöpft habe, und so könnte in der zweiten Hälfte der Woche ein jedes sich nicht nur die eigenen, sondern auch die Erfahrungen der anderen in der ersten Wochenhälfte zunutze machen. Die Zuneigung des einen für den anderen würde vertieft, und die Vorzüge des Friedens vor dem Streite träten immer deutlicher in die Erscheinung. Der Friede Gottes erfüllte mehr und mehr die Herzen, und immer ersichtlicher würde, wie es möglich ist, diesen Frieden selbst mitten im Trubel und Strudel des Lebens, über den wir keine Macht haben, zu bewahren. Der Charakter dieser Versammlungen wird für jeden ein weiterer Nutzen sein. Wer seine eigenen Fehler deutlich erkennt und ernstlich bemüht ist, in den Gnadengaben des Geistes zu wachsen, dem wird es auch mit der Ergebung an den Herrn, mit dem Wunsche, ihm zu gefallen und mehr und mehr von seinem Geiste zu haben, um so ernster sein.

Den größten Nutzen haben wir von solchen wie von anderen Versammlungen, wenn Ordnung herrscht; nicht eine Ordnung, die jedes Leben und Regen in der Zusammenkunft erstickt, sondern eine Ordnung, welche die Freiheit wahrt, der Planlosigkeit, der Anarchie wehrt, und eine weise, liebevolle, freundliche Regelung ermöglicht. Zum Beispiel sollte der Sonderzweck einer jeden Versammlung im Voraus vereinbart sein und der Leitende denselben festhalten, dabei aus Liebe alle zulässige Freiheit lassend. Es sollte gelten, dass an solchen Andachtsversammlungen nicht allgemein gefragt oder diskutiert, nicht gepredigt wird, da für diese Zwecke besondere Zusammenkünfte bestehen, wo dann ein jeder, der zu fragen oder mitzureden, oder eine Predigt anzuhören wünscht, herzlich willkommen ist. Darum sollte, um die allgemeine Diskussion zu vermeiden, bei diesen Andachtsversammlungen nur der Leitende (im Namen der Versammlung) antworten oder kritisieren, aber auch nur, wo es nötig ist. Der Leitende hat ferner darauf zu achten, dass nicht dieses oder jenes Zeugnisablegen zu lange dauert, dadurch ermüdend wirkt und anderen die Zeit und Gelegenheit wegnimmt, dass ferner die Zusammenkunft nicht länger dauert als die vorher ausgemachte Zeit. Diese Pflichten des Leitenden setzen voraus, dass er ein Ältester der Versammlung sei. Ein Neuling, dem es an der nötigen Erfahrung fehlte, könnte, selbst wenn er von den besten Absichten beseelt wäre, sich zu wenig oder dann zu fest an die gegebenen Regeln halten; er könnt durch seine Nachsicht den Nutzen der Zusammenkunft beeinträchtigen, oder durch ungeschicktes Ausdrücken und Anwenden richtiger Regeln diese oder jene würdigen Brüder oder Schwestern verletzen. Auch deshalb ist es wünschenswert, dass solche Versammlungen von einem Ältesten oder einem, der sich zur Ältestenschaft eignet, geleitet werden, weil der Leitende das Wort Gottes hinreichend kennen, in der Gnade erfahren und zur Belehrung befähigt sein sollte, damit er imstande sei, mit einem ermutigenden Worte oder hilfreichen Rat auf die verschiedenen Zeugnisse zu antworten. Denn „ein Wort zu seiner Zeit, wie gut!“ (Spr. 15:23) – wie viel hilfreicher oft als lange Reden unter anderen Umständen.

Nachdem wir im Vorhergehenden länger bei einer der vier Arten von Zusammenkünften verweilt haben, die wir, nebenbei gesagt, als die förderlichste und wichtigste betrachten, möchten wir noch einige Vorschläge mit Rücksicht auf die anderen Zusammenkünfte machen. Diese sind verschieden, je nach Umständen, Verhältnissen und der Zahl der Teilnehmer. Sind es deren ungefähr fünfzig und einige unter ihnen besonders befähigt, öffentlich zu reden und die Wahrheit klar darzustellen, so glauben wir, dass ein Vortrag wöchentlich, zu dem dann Freunde, Nachbarn oder andere Außenstehende eingeladen werden können, von Vorteil ist. Wo aber der Herr für solche Redner nicht gesorgt hat, da sind wir der Ansicht, es sei besser, überhaupt keine Vortragsversammlungen zu veranstalten, sondern den Text von einigen Teilnehmern, die in gleichem Maße dazu befähigt sind, besprechen zu lassen, indem sie nacheinander abwechseln und die Ansprache halten. Je mehr Gelegenheit geboten wird, dass ein jeder nach Maßgabe seiner Befähigung mitwirken kann, vorausgesetzt, dass dies in aller Demut und mit der notwendigen Klarheit geschieht, um so besser werden unseres Erachtens die Interessen der Gesamtheit gewahrt.

Darum erscheint uns die Diskussions-Versammlung nach der Andachtsversammlung als die wichtigste. Der Vorsitz in derselben sollte wechseln. Dem Vorsitzenden der nächsten Versammlung sollte das Recht eingeräumt werden, den zu behandelnden Gegenstand oder Text unter einige leitende Brüder, etwa eine Woche im voraus, zu verteilen, damit ein jeder sein Stück vorbereiten kann und umso besser imstande ist, seine Gedanken darzulegen. Zur Vorbereitung leisten nächst der Heiligen Schrift die „Schriftstudien“ und „Wachttürme“ wertvolle Dienste. Die Redner mögen dann ihren Gedanken mit eigenen Worten oder durch Auszüge aus den „Schriftstudien“, „Wachttürmen“ usw. Ausdruck geben.

Nach Eröffnung der Versammlung durch Lobpreisung und Gebet sollte der Leitende die Redner der Reihe nach zum Sprechen auffordern und hernach die allgemeine Diskussion eröffnen, in welcher der Zustimmung Ausdruck gegeben oder Einwände erhoben werden können. Will die allgemeine Diskussion nicht in Fluss kommen, so sollte der Leitende dieselbe durch geschickte Fragestellung beleben. Der Leitende sollte, wenn er antwortet, nur zu dem sprechen, der eben geredet hat, das eben Gesagte mit der Wahrheit in Einklang bringen, wo es nötig ist, oder den Sprechenden einladen, seiner Ansicht noch weiteren Ausdruck zu geben. Andererseits sollten die verschiedenen Sprecher ihre Bemerkungen nur an den Leitenden richten, nicht einer an den anderen, damit keiner persönlich oder verletzend werde. An der Diskussion sollte der Leitende nur in der oben angedeuteten Weise teilnehmen, dennoch aber imstande sein, das Gesagte kurz zusammenzufassen, bevor die Zusammenkunft mit Lobpreisung und Danksagung geschlossen wird.

Jeder Punkt sollte gründlich durchgegangen und der ganze Gegenstand gut erörtert und erforscht werden, sodass er von allen klar erfasst wird. Oder bei einigen verwickelteren Gegenständen sollte besser der Leitende am Schlusse der Prüfung eines jeden Themas seine Ansichten zusammenfassen und dartun. Wir wissen für ein gründliches Studium in der Schrift keine bessere Art von Zusammenkünften als diese. Wir halten sie für das Volk des Herrn für viel vorteilhafter als die Vortragsversammlungen.

Sie werden den oben unter 1-3 gegebenen Anregungen gerecht. Wer zusammenhängend reden kann, findet dabei volle Gelegenheit, seine Fähigkeit zu betätigen; wer fragen oder mitreden möchte, der kann es, indem er sich über die behandelten Gegenstände äußert; endlich kann auf diese Weise die Versammlung selbst die Gegenstände bezeichnen, die das nächste Mal behandelt werden sollen, und das ist besser, als wenn es der Leitende tut. In solchen Zusammenkünften sollte sich ein jeder frei fühlen, Fragen zu stellen und einen Gegenstand zur Diskussion vorzuschlagen. Deshalb sollte der Geist der Liebe und des Erbarmens, der Hilfsbereitschaft und der Überlegung alle so durchdringen, dass sie einem jeden dieses Recht gönnen. Selbst dann, wenn der in Anregung gebrachte Gegenstand mit den in der betreffenden Versammlung vorherrschenden Anschauungen in Widerspruch stände, sollte, sofern derselbe mit den Grundlehren des Wortes Gottes vereinbar ist, dem Antragsteller das Recht eingeräumt werden, sich in einer dafür vorgesehenen Zusammenkunft auszusprechen. Je nach der Wichtigkeit des Gegenstandes und dem Interesse, das er für die Versammlung haben kann, mag dem Redner eine längere oder kürzere Frist für seinen Vortrag eingeräumt werden. Nachher sollte allgemeine Diskussion walten, nach welcher dem Vortragenden einige Minuten zur kurzen Wiederholung gegönnt würden. Der Leitende hätte dann das Ergebnis der Besprechung zusammenzufassen und die Versammlung zu schließen.

Sehr fördernd wirken auch erfahrungsgemäß die „Beröer-Bibelstudien“. In ihnen werden nicht etwa die Bände der „Schriftstudien“ nur vorgelesen, sondern der Plan Gottes Zug für Zug gründlich studiert. Die Bände der „Schriftstudien“, in welchen der Plan Gottes in verständlicher Weise dargelegt ist, dienen dabei als Leitfaden durch die Bibel. Das bloße Lesen besorgen die lieben Freude mit ebenso großem und größerem Vorteile zu Hause. In den Zusammenkünften werden Teile eines jeden dort behandelten Gegenstandes durchgesprochen und in das Licht einschlägiger Schriftstellen gerückt. Dabei sollte sich womöglich ein jeder zu dem besprochenen Punkte äußern, bevor zu einem anderen Punkte übergegangen würde. Einzelne dieser Studien haben darin Stoff zur Besprechung für 1-2 Jahre gefunden. (In Verbindung mit der Versammlung zu Brooklyn gibt es 34 Versammlungen dieser Art, die in verschiedenen Räumlichkeiten und an für die Freunde passenden Abenden abgehalten werden. Sie werden von verschiedenen Ältesten geleitet.)

„Ein jeder aber sei in seinem eigenen Sinne völlig überzeugt“
- Römer 14:5 -

Wer klar denkt, dem ist es ein Bedürfnis und Genuss, in jedem Zuge der Wahrheit zu einer klaren Entscheidung zu gelangen. Und hiernach sollte auch nach des Apostels Forderung ein jegliches Glied der Herauswahl für sich selbst ringen - „in seinem eigenen Sinne.“ Es ist jedoch ein allgemeiner Fehler zu versuchen, das, was von dem einzelnen gilt, auf eine Versammlung anzuwenden; mit anderen Worten, zu versuchen, dass alle von den gleichen Voraussetzungen zu den gleichen Schlüssen gelangen, dass das Wort des Herrn vom einen wie vom anderen genau gleich verstanden wird. Natürlich wünschen wir, und das mit Recht, dass wir alle „Auge in Auge sehen“; aber zu erwarten, dass dies der Fall sein werde, ist vernunftwidrig, weil wir alle aus der Vollkommenheit des Leibes und Geistes gefallen sind, und zwar in verschiedenen Richtungen, wie sich aus der Beobachtung ergibt, dass, wo immer mehrere beisammen sind, auch die Auffassungen verschieden sind. Auch die Verschiedenheit der Erziehung und des Bildungsgrades erschwert oder verhindert die absolute Einheitlichkeit der Ansichten.

Aber fordert nicht der Apostel, dass wir alle einerlei gesinnt seien? Sagt er nicht, dass wir alle von Gott gelehrt sein werden, sodass wir alle den Geist eines gesunden Sinnes erhalten? Ermuntert er uns nicht zu hoffen, dass wir in der Gnade und Erkenntnis wachsen? Mahnt er uns nicht, einander aufzuerbauen in unserem allerheiligsten Glauben?

Gewiss, dies ist so. Aber andererseits sagt der Apostel nicht, dass diese Ziele im Verlaufe einer Zusammenkunft erreicht werden. Im Volke Gottes gibt es nicht allein verschieden entwickelte Sinne, Unterschiede der Erfahrung, Erziehung und Bildung, sondern auch Altersunterschiede der Neuen Schöpfungen, indem die einen noch Kindlein in Christo sind, wenn andere bereits Jünglinge und gereifte Leute sind. Darum dürfen wir uns nicht wundern, wenn einige langsamer verstehen als andere und daher mehr Zeit brauchen, ehe sie hinsichtlich einiger „Tiefen Gottes“ zu einer völligen Überzeugung in ihrem eigenen Sinne hingelangen. Sie müssen zuerst die Elemente erfassen: Dass wir alle Sünder sind, dass uns Christus Jesus für den Preis der Hingabe seines menschlichen Lebens erkauft hat, dass wir jetzt in der Schule Christi sind, um zur Besorgung der Regierungsgeschäfte im Reiche Gottes ausgebildet und fähig gemacht zu werden, dass keiner in diese Schule eintreten kann, er habe denn sein Alles dem Herrn übergeben. Diese Dinge müssen alle sehen und glauben, wenn sie in der Neuen Schöpfung auch nur als Säuglinge sollen anerkannt werden können. Aber wir bedürfen alle der Geduld, einer des anderen, der Verträglichkeit gegenüber den Eigentümlichkeiten eines jeden, der Liebe für die Brüder, welche eine jegliche Gnadengabe des Geistes mehrt und sie dem Vollmaße näher und näher bringt.

Da dies so ist, werden alle Fragen, Antworten oder Bemerkungen in den Zusammenkünften, an deren sich verschiedene beteiligen, am besten an den Leitenden gerichtet, da sie allen Anwesenden (nicht einem einzelnen oder einem Teile der Anwesenden) Nutzen bringen sollen. Dem Leitenden sei es anheim gestellt, den Redner aufzufordern, selber zu den Versammelten zu sprechen. Wer seine Sache gesagt hat, soll die anderen ruhig anhören und nicht meinen, er habe auf alles zu erwidern und seine Meinung noch einmal kundzutun. Es muss dem Herrn zugetraut werden, dass er die Sache so führen und fügen werde, dass offenbar werde, was wahr und richtig ist. Niemand sollte alle dazu zwingen wollen, in allen Einzelheiten genau gleich zusehen, wie er selbst oder wie die Mehrheit sieht. „Im Wesentlichen einig, im Unwesentlichen verträglich“, sei die Losung.

Dennoch sind wir ganz damit einverstanden, dass jeder Zug der Wahrheit seine Wichtigkeit hat, dass auch die kleinste Beirrung schädlich ist, und dass das Volk Gottes um Einheitlichkeit in der Erkenntnis beten und kämpfen sollte. Aber diese Einheit mit Gewalt zu erreichen, dürfen wir nicht hoffen. Einheit in den grundlegenden Anschauungen ist das Wesentliche: wo diese besteht, dürfen wir dem Herrn schon zutrauen, dass er alle Schritt für Schritt, wie es ein jeder bedarf, weiter führen wird; in diesem Stück bedürfen die Leiter der Herde Gottes besonderer Weisheit, Liebe, Festigkeit und Klarheit, damit ihre Zusammenfassungen der Diskussion den Gedanken der Schrift verständlich wiedergeben und alle unter dem segensreichen Einflusse des Wortes Gottes lassen. Diese Zusammenfassungen seien stets klar und liebevoll und nie dogmatisch, es sei denn, es handle sich um die Grundlehren des Glaubens.

Leichenfeiern

Bei Gelegenheiten von Leichenbegräbnissen, wenn es den Anwesenden mehr oder weniger feierlich zumute ist, spricht alles, der kalte, stille Leichnam, die verweinten Augen, die Trauerkleider usw. davon, dass der Tod nicht der Freund, sondern der Feind des Menschen ist. Solche Gelegenheiten eignen sich daher trefflich zur Darlegung der Wahrheit und sollten benutzt werden. Viele der jetzt Interessierten hörten zum erstenmal bei einer Leichenfeier von der gegenwärtigen Wahrheit reden. Denn manche sind zu voll von Vorurteil oder scheuen zu sehr den Spott oder den Widerstand ihrer Freunde, um einer regelmäßigen Versammlung beizuwohnen. Darum sollten solche Gelegenheiten so ausgiebig wie nur immer möglich ausgenützt werden. War der Verstorbene ein Glaubender, seine Familie der Wahrheit feindlich, so sollte er sterbend den Wunsch geäußert haben, dass einer aus der Wahrheit die Leichenrede halten möchte. Beim Tode eines Kindes entscheidet, wo nicht beide Eltern in der Wahrheit sind, die Stellung des Vaters, obwohl die Gattin ein vollkommenes Recht dazu hätte, ihre Wünsche anzubringen. Solchen sollte der Gatte Rechnung tragen, soweit es ohne Verletzung seiner Verantwortlichkeit, die er vor Gott als Haupt der Familie hat, geschehen kann.

In manchen kleinen Versammlungen finden sich Brüder, die wohl imstande sind, eine interessante und eindrucksvolle Leichenrede zu halten. Da wo es an einem solchen Bruder gebricht, mögen die folgenden Anregungen willkommene Dienste leisten.

Der Bruder, welcher die Leichenrede hält, sollte nicht ein naher Verwandter des Verstorbenen sein, wo es aber an einem anderen gebricht, sehen wir nichts Unpassendes darin, dass der Vater, der Sohn oder der Gatte es tut. Wenn der Redner zum öffentlichen Reden nicht fähig und seines Gegenstandes nicht ganz mächtig ist, so wird er gut daran tun, sich von den unten angegebenen Gedanken einiges anzueignen, sie abzuschreiben und dann der Trauerversammlung vorzulesen. Damit dies in eindringlicher, ansprechender Form geschehe, sollte die Abschrift mit schöner Handschrift oder mit der Schreibmaschine gemacht und vorher mehrere Male laut gelesen worden sein. Wir hätten auch nichts dagegen einzuwenden, dass in Ermangelung eines Bruders eine geeignete Schwester eine solche Rede vorlese, dabei trage sie jedoch eine passende Kopfbedeckung.

Unsere Anregungen setzen das Abscheiden eines Bruders in der Wahrheit voraus:

1. Zu Beginn der Feier sollte ein passendes Lied gesungen werden. („Ew’ger Fels gespalten mir“, „Näher, mein Gott, zu Dir“, „Harre, meine Seele“, „Jesus lebt! mit ihm auch ich“ oder andere mehr.)

2. Befinden sich unter den Angehörigen des Entschlafenen Glieder irgendeiner Namenkirche, und wünschen sie, dass ihr Pfarrer an der Feier teilnehmen soll, so mag dieser gleich nach dem Gesang einige Schriftstellen vortragen, die auf die Auferstehung Bezug haben, oder ein Gebet sprechen oder beides. Wo ein solcher Wunsch nicht geäußert wird, beginne der Bruder gleich nach dem Gesang seine

Leichenrede

Liebe Freunde! Wir sind hier versammelt, um unserem Freunde und Bruder die letzte Ehre zu erweisen, bevor wir seine irdischen Überreste dem Schosse der Erde übergeben - Staub zu Staub, Asche zu Asche. Ist auch nichts in der Welt so allgemein verbreitet, wie das Sterben und was ihm vorausgeht und folgt, Krankheit, Schmerz und Kummer, so ist es uns als vernunftbegabten Wesen doch nicht möglich, uns an dieses schmerzliche Zerreißen der Bande der Liebe, der Freundschaft und der Familie zu gewöhnen. Wie viel Balsam wir auch auf die Wunde legen möchten, sie bleibt schmerzhaft, auch dann noch, wenn wir, wie der Apostel sagt, als Christen nicht trauern wie andere, die keine Hoffnung haben. Was würde sich heute besser zur Betrachtung eignen, als eben diese gute Hoffnung, die uns das Evangelium als den Balsam von Gilead bietet, der besser als alles andere imstande ist, irdisches Leid zu heilen.

Doch bevor wir die Hoffnung betrachten können, die uns durch die Schrift gegeben ist, die Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten, auf ein zukünftiges Leben, unter viel glücklicheren Umständen als die gegenwärtigen, begegnet man uns ganz natürlich mit der Frage: „Wozu bedürfen wir solcher Hoffnung? Warum wird uns nicht vielmehr das Sterben erspart, statt dass man uns mit einem Auferstehungsleben tröstet? Warum gönnt uns Gott nur wenige Tage oder Jahre des Daseins, und noch dazu voller Mühe und Arbeit? Warum werden wir alsdann dahingerafft wie Gras, das verdorrt? Warum werden die Bande des Herzens zerrissen und die Familienverhältnisse durch diesen großen Feind unseres Geschlechtes, den Tod, zerstört, der seit 6000 Jahren alle ereilt hat, je nach der Schätzung 25 bis 50 Milliarden Menschen, unsere Brüder nach dem Fleische, als Nachkommen Adams?“ Für denkende Gemüter gibt es kaum eine interessantere Frage als diese.

Der Unglaube behauptet: Da wir nur das Höchststehende unter den Tieren sind, so werden wir wie diese geboren, leben und sterben wie sie, und haben auf ein zukünftiges Leben nicht zu hoffen. Schaudernd ob dieses Gedankens und nicht imstande, das Gegenteil davon zu beweisen, sind wir als Kinder Gottes von Herzen dankbar, das Wort unseres Vaters gehört zu haben, das uns Frieden gibt durch Jesum Christum, unseren Herrn. Die Friedensbotschaft, die unser teurer Erlöser seinen Nachkommen gibt, leugnet nicht die Tatsächlichkeit von Leid und Kummer und Tod. Der Herr erklärt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ und „alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören und hervorkommen.“ O, wie wohltuend ist diese Erklärung der des Unglaubens gegenüber. Sie gibt Hoffnung; und Hoffnung bringt Frieden ein, und zwar um so mehr, je besser wir den Vater und den Sohn kennen lernen, je mehr wir dem vertrauen, dessen Worte wir gehört haben, und der des Vaters Gnadenabsichten verwirklicht.

Wenn sich aber Gott doch vorgenommen, die Toten aufzuerwecken, und uns durch die Kundmachung dieser seiner Absicht tröstet und Freude gibt, warum zerstört er denn erst die Menschen und lässt sie später wiederkommen, wie Moses in Psalm 90:3 sagt? Warum lässt er sie nicht am Leben bleiben? Warum verhindert er nicht den Tod und seine Begleiterscheinungen, Kummer und Leid? Auf diese Frage hat die Schrift, und nur die Schrift, eine Antwort. Sie allein bringt Licht in diese Sache. Sie erzählt, dass Gott den Menschen ursprünglich vollkommen erschaffen hat, in seinem Bilde, dass aber unsere ersten Eltern durch Ungehorsam aus der Gottähnlichkeit fielen und die Strafe für die Sünde, die da ist der Tod, erdulden mussten, dass das ganze Geschlecht diesen Fluch, der über Adam ausgesprochen wurde, geerbt hat. Die Sünde nahm von Geschlecht zu Geschlecht zu und mehrte so die Krankheit und das Leiden und beschleunigte den Tod mehr und mehr.

Wir sind alle einmal irrigerweise belehrt worden, dass die Strafe für Adams Sünde ewige Qual sei, dass die ganze Menschheit diese schreckliche Strafe geerbt habe, und dass nur diejenigen ihr entrinnen, welche Jesu Nachfolger werden. Aber, Gott sei Dank, liebe Freunde, die Schrift weiß nichts von solch einem unvernünftigen, ungerechten und lieblosen Plane Gottes. Die Schrift lehrt im Gegenteil ganz unzweideutig, dass der Tod der Sünde Sold und ewiges Leben eine Gabe Gottes ist, deren nur solche teilhaftig werden können, die mit Gottes geliebtem Sohne eins werden. Da also die Bösen nicht ewiges Leben erhalten, können sie auch nicht ewig leiden. Die Schrift erklärt vielmehr: „Jehova vertilgt alle Gesetzlosen.“ - Psalm 145:20

Beachte, wie deutlich dies Adam mitgeteilt wurde, als er auf die Probe gestellt wurde. Von der Erzählung dieser Begebenheit müssen wir erwarten, dass sie uns Aufklärung gibt darüber, was denn die Strafe für Ungehorsam ist. Aus dieser Erzählung erfahren wir, dass Gott mit den Früchten des Baumes des Lebens für unsere ersten Eltern wunderbare Vorsorge getroffen hatte und durch das Verbot, eine bestimmte Baumfrucht zu essen, ihren Gehorsam auf die Probe stellte. Der Ungehorsam zog die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradiese und die Abschneidung von den Leben erhaltenden Bäumen nach sich, und so gewann allmählich der Tod Gewalt über sie, und zwar in beständig wachsendem Maße, sodass das Leben der Menschen kürzer und kürzer wurde. Es ist allen offenbar, dass der Durchschnitt des menschlichen Lebens heutzutage viel kürzer ist als zur Zeit Adams, welcher 930 Jahre lebte.

Der Ausspruch des Herrn lautet diesbezüglich: „Welches Tages du davon issest, wirst du gewisslich sterben.“ Dieser Tag war ein Tag Gottes, von welchem der Apostel erklärt, er sei gleich tausend Jahren. Binnen eines solchen Tausendjahrtages starb Adam, und keiner seiner Nachkommen hat es auf mehr als tausend Jahre gebracht. Der Urteilsspruch aber, der gegen Adam gefällt wurde, zeigt, dass Gott keineswegs beabsichtigte, seine Geschöpfe zu quälen. Die Strafe geht nicht über den Tod, d.h. Zerstörung des gegenwärtigen Lebens und die damit verbundenen Schmerzen und Leiden hinaus. „Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zur Erde, denn von ihr nist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staube wirst du zurückkehren.“ - 2. Mose 2:17; 3:19; 2. Petr. 3:8

Wir haben gewiss allen Grund, uns darüber zu freuen, dass die Lehre der ewigen Qual als Irrlehre erkannt worden ist, welche nicht aus der Bibel, sondern dem finsteren Mittelalter stammt. In voller Übereinstimmung mit dem Berichte über den Sündenfall sagt Paulus in Röm. 5:12: „Gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen, und durch die (infolge der) Sünde der Tod, und also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben.“ Gibt es für den Tod eine vernünftigere und befriedigendere Erklärung als die eben angeführte der Schrift: nämlich, dass er eine Folge der Sünde ist, dass unser Vater Adam dadurch, dass er bei seiner Prüfung nicht bestand, sondern fiel (ungehorsam wurde), alle seine Rechte und Ansprüche verlor und unter den Fluch kam, der wiederum Krankheit, Leiden, Kummer, Not und ein langsames Dahinsterben nach sich zog; und dass wir nun, ohne einer Prüfung unterstellt zu werden, die zwecklos wäre, da wir infolge der angeerbten Schwachheit nicht bestehen könnten, Teilhaber dieser göttlichen Strafe, ein langsam dahinsterbendes Geschlecht, geworden sind? Diese Erklärung scheint uns befriedigend. Sie allein macht begreiflich, dass das Kindlein im Alter von einer Stunde, einem Tage, einer Woche, einem Monat ebenso wohl sterben muss, wie die, welche einige Jahre leben und ihr Teil zur Vermehrung der Sünde der Menschheit beitragen. „In Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich empfangen meine Mutter“, und „alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“.

Wo ist nun die Hoffnung? Welche Abhilfe gibt es für so traurige Zustände? Was kann für diejenigen geschehen, die jetzt in aller Welt leiden, sorgen und dahinsterben, und für die schon dahingesunkenen tausend Millionen, die ins Gefängnis des Todes, ins Grab, gewandert sind? Selbst können sie sich gewisslich nicht helfen. Seit 6000 Jahren kämpft die Menschheit gegen Krankheit, Leiden und Tod an und hat nichts dagegen zu tun vermocht. Von solchen Bemühungen haben wir somit nichts zu hoffen. Hilfe können wir nur vom Herrn, dem Gott unserer Errettung, erwarten. Er hat sich eine Errettung vorgenommen, und die Schrift ist die Offenbarung seines glorreichen Planes in dieser Beziehung, den er Schritt für Schritt hinausführt. Den ersten Schritt bildete die Beschaffung des Lösegeldes, die Bezahlung unserer Schuld durch den freiwilligen Tod des Erlösers, welcher starb als „der Gerechte für die Ungerechten, auf dass er uns zu Gott führe.“ Kein Angehöriger des verurteilten Geschlechtes konnte für sich allein, geschweige denn für andere, ein Lösegeld aufbringen, wie der Prophet es bezeugt: „Keineswegs vermag jemand für seinen Bruder ... ein Lösegeld zu geben.“ Aber des Menschen Verlegenheit wurde Gottes Gelegenheit. Er sandte Jesum, der für uns sein unverwirktes Leben hingab, ein heiliges, schuld- und sündloses Leben. Dieses Leben nimmt Gott an als Lösegeld, als Ersatz für das von Adam verlorene Leben; und darum kommt dieses Opfer uns allen zugute, weil wir nicht um unserer eigenen Sünde, sondern um Adams Sünde willen, durch den Ungehorsam des einen, verurteilt sind; darum kann Gott gerecht bleiben, indem er uns um des Gehorsams des einen willen aus der Strafe entlässt. Von diesem, Jesus Christus, steht geschrieben, dass „er sich selbst gab zum Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte.“ - 1. Tim. 2:6

Lasst uns beiläufig bemerken, liebe Freunde, dass unser Herr Jesus nicht die Herauswahl allein erkaufte. Die Schrift sagt vielmehr deutlich: „Er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“ (1. Joh. 2:2) Hier haben wir, Gott sei Dank, die Grundlage für die Hoffnung, welche uns befähigt, nicht zu trauern wie andere, die keine Hoffnung oder nur eine nebelhafte Hoffnung, für welche es in der Schrift keinen Grund gibt, haben.

Aber, mag jemand sagen, es ist schon lange her, dass Jesus starb. Warum lässt denn Gott zu, dass Sünde und Tod zu herrschen fortfahren, die Menschheit immer noch zu verschlingen? Wir fragen dagegen: Warum hat Gott mehr denn viertausend Jahre gewartet, ehe er das Lösegeld bezahlen ließ? Wie hierfür, so hat er eben auch für die Segnungen, die aus dem Sühnopfer Jesu hervorgehen sollen, eine zuvor bestimmte Zeit. Der Grund der Verzögerung ist ein doppelter:

Erstens sollte eine genügende Anzahl Menschen geboren werden, damit die Erde voll werde, wenn sie einmal zu einem Paradiese erblüht sein wird. Die in dieser Zeit geborenen Menschen haben eine wichtige Lektion zu lernen: nämlich die außerordentliche Sündhaftigkeit und Verwerflichkeit der Sünde. Sobald die zuvor bestimmte Zeit des Herrn hierfür gekommen ist - und wir glauben, dass sie nicht mehr fern ist -, wird er sein Wort einlösen, sein Reich aufrichten, Satan binden, den Mächten der Sünde und des Todes wehren und die Erkenntnis Gottes über die ganze Erde verbreiten. So wird Christus die Menschheit segnen und Schritt für Schritt der Vollkommenheit, der Gottebenbildlichkeit, in welcher der Mensch erschaffen war, entgegenführen. Die Zeit, in der dies geschehen soll, ist das Tausendjahrreich, um dessen Kommen wir zu beten gelehrt worden sind, und welches eine Zeit, eine Ewigkeit herbeiführen wird, da der Wille des Vaters auf Erden geschieht (befolgt wird), wie im Himmel, d.h. freiwillig. Die ganzen tausend Jahre werden nötig sein, um dieses Segens- und Wiederherstellungswerk zu verrichten, um herbeizuführen, dass die Gerechtigkeit festen Grund auf Erden bekomme, um die ganze Menschheit auf die Probe zu stellen - um zu sehen, wer ewigen Lebens (Dasein auf Erden) würdig sei, und wer nach Erlangung völliger Erkenntnis - weil er der Sünde trotzdem den Vorzug gab, zum zweiten Tode verurteilt werden müsse - „zur ewigen Vernichtung vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke“. Dieser Segnungen werden nicht nur die Menschen der jetzigen Generation, sondern alle 50000 Millionen verstorbener Menschen teilhaftig werden, welche in ihrem Gefängnis, dem Grabe, die Stimme des Menschensohnes hören und hervorkommen werden, um von den Gelegenheiten des Reiches Segen zu empfangen, denn: „Ich habe die Schlüssel des Todes und des Hades“ - sagt der Herr in Offb. 1:18

Zweitens, liebe Freunde, hat der Herr mit der allgemeinen Segnung der Welt gewartet, um sich während dieser Zeit, die wir das Evangeliums-Zeitalter nennen, aus der Menschheit, die er erkauft, ein Volk für seinen Namen herauszusuchen, d.h. ein Volk, das seinen Namen tragen soll, eine Braut, eine kleine Herde, eine auserwählte Klasse, Jünger, die in seine Fußstapfen treten, Heilige. Er sucht ein abgesondertes Volk, eine königliche Priesterschaft, die mit ihm im Tausendjahrreiche herrschen soll, die nicht an der Wiederherstellung zu irdischen Zuständen teilhaben wird, wie vollkommen und herrlich diese auch sein werden, die nicht in das Paradies zurückgeführt werden wird, wie wünschenswert dies auch sein möge, sondern einer viel höheren Gunst teilhaftig werden soll. Sie soll dem Herrn gleich werden, geistige Natur erhalten, Teilhaber der göttlichen Natur werden, hoch erhoben sein über Engel, Fürstentümer und Gewalten, Teilhaber der nunmehrigen Herrlichkeit des Herrn. Welch eine wunderbare Hoffnung! Wie ermuntert sie die, welche der Einladung ein williges Ohr geliehen, Jesu nachgefolgt sind und in seinen Fußstapfen zu wandeln gesucht haben. Welch ein Vorrecht wird es sein, zu solcher Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, wie sie der Herauswahl durch die erste Auferstehung zuteil werden soll, hinzugelangen! Vereinigt mit dem Herrn den Segen Gottes mit vollen Händen über die ganze seufzende Schöpfung auszustreuen! Ja, alsdann, im Reiche Gottes, werden der Geist und die Braut (Christus und die am Ende des Evangeliums-Zeitalters durch die Hochzeit mit ihm verbundene Herauswahl) sagen: „Komm! Wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ - Off. 22:17

Ist dieser Zweck nicht den Verzug des Reiches wert? Sicherlich; und wir dürfen uns über die Gelegenheit, berufen zu werden, freuen, und unsere Berufung und Erwählung fest machen.

Dieser Art war, in wenigen Worten gesagt, die herrliche Hoffnung, die in dem lieben Bruder lebte, dessen Andenken wir heute ehren. Diese Hoffnung war wie ein Anker für seine Seele, welcher ihn befähigte, fest zum Herrn zu stehen und das Los derer zu teilen, welche Christum bekennen, ihr Kreuz auf sich nehmen und ihm folgen. Er hatte schöne Eigenschaften, welche ohne Zweifel viele von euch gar wohl bemerkt haben; aber unsere Freude und Hoffnung gründet sich nicht auf die Annahme, dass er vollkommen gewesen wäre, sondern auf die Tatsache, dass Christus Jesus sein vollkommener Erlöser war, und dass er auf ihn sein Vertrauen setzte. Und wir haben die gar köstliche Verheißung, dass, wer auf ihn vertraut, nicht zuschanden, sondern Überwinder werden soll. Die schönen Eigenschaften unseres Bruders sind sicher aller Nacheiferung wert; dennoch bedürfen wir keines irdischen Vorbildes. Gott selbst hat uns in seinem Sohne ein gar herrliches Vorbild vor Augen gestellt; dem ähnlich zu werden mögen wir uns alle bestreben, wie es unser lieber Bruder tat. Wohl uns, wenn wir nicht in unseresgleichen, sondern in Jesu unser vollkommenes Vorbild sehen! Wohl uns, wenn wir die natürlichen Schäden übersehen, die wir vom Falle Adams geerbt haben, und uns daran erinnern, dass sie bei den Nachfolgern Jesu durch das Kleid seiner Gerechtigkeit alle zugedeckt sind, sodass solche Nachfolger „vor Gott annehmbar werden können in dem Geliebten.“

Endlich, liebe Freunde, lasst uns an diesem Sarge der Kürze des gegenwärtigen Lebens und der Vorrechte und der damit verbundenen besonderen Pflichten derer eingedenk werden, die schon jetzt von den großen Segnungen gehört haben, welche Gott für die Welt in Bereitschaft hält, die schon im gegenwärtigen Leben sehen und schmecken dürfen, wie freundlich der Herr ist. „Wer diese Hoffnung zu ihm hat, der reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist“, sagt der Apostel. Wenn wir hoffen, mit dem Herrn vereinigt zu werden, Teilhaber seiner Herrlichkeit und seines zukünftigen Werkes zu werden, so wissen wir auch, dass unsere Gesinnung verwandelt, unser Herz erneuert werden muss, dass wir nicht allein reinen (ungeteilten) Herzens, d.h. rein in unseren Absichten und Vorsätzen, sondern, soweit dies möglich, auch rein in Wort und Tat werden müssen, soweit es der neuen Gesinnung möglich ist, unsere vom Fall beschädigten Leiber zu unterwerfen und niederzuhalten. Wir müssen nicht nur in Jesu bleiben, bedeckt mit dem Kleide seiner Gerechtigkeit, sondern müssen in unserem Herzen mehr und mehr die Gnadengaben des Geistes pflegen, und gute Entschlüsse sind in dieser Beziehung sehr hilfreich. So lasst uns denn in dieser feierlichen Stunde und mit diesen ernsten und doch so frohen Gedanken in unserem Herzen den ernsten Entschluss fassen, soviel an uns liegt, uns hinfort zu bemühen, noch genauer den Fußstapfen des Meisters zu folgen, und durch unseren Wandel das Licht seiner Wahrheit und Gnade mehr und mehr leuchten zu lassen. Lasst uns danach streben, dass wir unseren Einfluss auf die Welt zu ihrem Troste und ihrer Ermunterung ausüben, und dass wir, soweit wie möglich, Gott in unserem Leibe und Geiste, die beide sein sind, Ehre machen. Amen.“

Auf diese Ansprache mag ein Gebet folgen, das entweder vom Sprecher selber oder sonst einem befähigten Bruder in der Wahrheit gesprochen werden sollte. Niemals sollte ein außenstehender Geistlicher aufgefordert werden, nach der Ansprache zu beten. Es ist soviel wie sicher, dass ein solcher zu Menschen anstatt zu Gott beten und versuchen würde, den Eindruck zu verwischen, den obige Ansprache auf den einen oder anderen der Zuhörer gemacht haben könnte. In dem Gebete sollte Gott insonderheit für die uns in Christo Jesu erwiesene Gnade gedankt und Gottes Segen für alle Anwesenden, insbesondere für die Trauerfamilie, erbeten werden.

Die Feier mag mit ein oder zwei Versen eines passenden Liedes, wie zu Anfang angedeutet, geschlossen werden.

Am Grabe sollte, wenn überhaupt, nur ein ganz kurzes Gebet gesprochen werden, nachdem der Sarg herabgelassen ist.

Es liegt auf der Hand, dass obige Ansprache auch beim Abscheiden einer Schwester brauchbar ist; handelt es sich aber um einen Weltmenschen oder um jemand, der nicht zu den Geweihten gezählt zu werden wünschte, so müssten verschiedenen Änderungen angebracht werden, die sich jedem Befähigten von selbst ergeben werden.

Im Falle eines Kindes sollte die Ansprache ebenfalls in passender Weise abgeändert werden, mögen die Eltern gläubig oder ungläubig sein. Man mag Redewendungen gebrauchen wie die: „Unser junger Freund (unsere junge Freundin), welchen der unbarmherzige Schnitter Tod so früh dahingerafft“, oder ähnliches. Handelt es sich um ein ganz kleines Kind, so erscheint uns Jer. 31:15-17 als passender Text. Bei solchen Gelegenheiten sollte ja nicht verfehlt werden, die unbestreitbare Tatsache hervorzuheben, dass kleine Kinder nicht Sünde zum Tode begehen können, und dass mithin die Schrift bestätigt wird, wonach durch EINES, nicht durch aller Menschen Ungehorsam die Sünde in die Welt kam, und mit der Sünde der Tod als ihr Sold.

Zehnten, Kollekten u. dgl.

Unseres Wissens veranstaltet keine der kleinen Versammlungen vom „Volke Gottes nach diesem Wege“ (Apg. 22:4) öffentliche Kollekten. Wir waren diesen von jeher abhold, nicht etwa, weil wir etwas Sündhaftes darin erblickten, nicht etwa, weil in der Schrift etwas dagegen eingewendet würde, sondern deshalb, weil die Geldfrage in der ganzen Namenchristenheit derart in den Vordergrund getreten ist, dass es uns scheinen wollte, es könnte nur zur Ehre Gottes sein, wenn dieselbe bei uns gar keine Rolle spielte. Leute, die ihr Leben lang mit den Kollektenbüchlein oder -bogen begrüßt worden sind, kommen bald dahin, zu wähnen, das Predigen und Lehren geschehe großenteils um schnöden Gewinnes willen.

Die Aussage der Schrift, dass die Mehrzahl der Getreuen des Herrn Arme dieser Welt sein werden, wird durch unsere Erfahrung durchaus bestätigt. Wir zählen unter uns nur wenige Reiche, Große, Vornehme, aber um so mehr Arme dieser Welt, die aber reich, groß und hervorragend im Glauben sind. Nicht wenige dieser Armen haben sicherlich, als sie in unsere Versammlung kamen, erleichtert aufgeatmet, als sie gewahrten, dass in denselben nicht nach Geld und Gut gefragt wird, und einigen ist dieser Zug als eine Empfehlung des in jenen Versammlungen gepredigten Glaubens erschienen. Wessen Augen sich dem Lichte der gegenwärtigen Wahrheit öffnen, der wird so eifrig und energisch im Dienste derselben, der wünscht so sehr, sein Licht zur Ehre des Vaters und des Sohnes leuchten zu lassen, dass manche laue Christen zu fragen geneigt sind: „Was ist der Beweggrund, was der Zweck solchen Eifers? Was wird diesen das eintragen, welchen Vorteil werden sie davon haben, mich zu interessieren, mir Bücher zu leihen und ihre Zeit dazu zu verwenden, mein Interesse für diese Gegenstände zu erregen?“ Wenn solche Frager dann an einer Zusammenkunft teilnehmen und bemerken, dass weder auf den Beutel geklopft noch kollektiert wird, dann gewinnen sie immer mehr die Überzeugung, dass es Liebe für den Herrn, seine Wahrheit und seine Schafe war, die zu den Bemühungen leitete, die Wahrheit in ihren Bereich zu stellen. Vorurteile gegen die Wahrheit werden durch nichts kräftiger erschüttert als durch solche Beweise der Aufrichtigkeit, des Wohlwollens und der Edelgesinntheit, welche als Ausflüsse des Geistes Gottes, des Geistes der Liebe, erscheinen.

Wiewohl wir nun mit der Unterlassung der Kollekten durchaus einverstanden sind und dies überall aufs wärmste empfehlen, halten wir es doch für unsere Pflicht, andererseits darauf aufmerksam zu machen, dass, wie unedel, selbstisch und kleinlich einer zur Zeit, da der Herr ihn annimmt und er sich dem Herrn weiht, sein mag, er nicht bleibend zu denen gerechnet werden kann, deren Namen im Himmel angeschrieben sind, er nicht beim Herrn, dem Haupte der Herauswahl, bleiben kann, er trage denn einen ersichtlichen Sieg über seine Eigenliebe davon. Wir wissen ganz gut, dass Selbstsucht und Geiz dem Geiste unseres himmlischen Vaters und unseres Herrn Jesu fremd sind. Darum müssen sie auch allen denen fremd sein, welche einst an der Familienähnlichkeit, deren Hauptmerkmal Liebe und Wohlwollen ist, als Kinder ihres Vaters werden erkannt werden. Wem ein gut Stück Selbstsucht angeboren oder anerzogen worden ist, der wird, nachdem er unter die „Mitglieder auf Probe“ der Neuen Schöpfung aufgenommen wurde, sehr bald Gelegenheit finden, in diesem Stücke einen guten Kampf zu kämpfen. Das Fleisch gelüstet wider den Geist der Neuen Schöpfung, und diese muss den Sieg gewinnen, wenn sie einst den Überwindern zugezählt werden soll. Eigenliebe und Habsucht müssen überwunden, Gottseligkeit, Freigebigkeit und Edelgesinntheit müssen gepflegt, großgezogen und in die Tat umgesetzt werden. Möglicherweise wird dieser Kampf bis zur letzten Stunde dauern; aber niemals darf über die Haltung der Gesinnung, des erneuerten Willens, ein Zweifel bestehen; und wer solchen Kämpfern nahe steht, wird an ihrem Wandel wahrnehmen, ob die neue Gesinnung den Sieg über die Gesinnung des Fleisches und die Eigenliebe davongetragen hat.

Wenn wir also das Kollektieren in den Zusammenkünften der Herauswahl unterlassen, so geschieht es keineswegs, um vom Geben abzubringen. Im Gegenteil. Soweit wir beobachten können, empfangen diejenigen, welche dem Herrn am reichlichsten, aufrichtigsten und freudigsten geben, auch den meisten Segen in geistlichen Dingen. Wir sind aber nicht der Meinung, dass das Wort des Herrn: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“, nur denen gelte, welche Geld geben; wir verstehen unter solchen Gott und unserem Erlöser wohlgefälligen Gaben alles, was das Volk Gottes auf seinen Altar legen zu dürfen das Vorrecht genießt. Sooft wir daher gefragt wurden: „Soll ich das oder das einträgliche Geschäft übernehmen, welches mich in die Lage versetzen wird, einen großen Teil dessen, was meine Hand oder mein Kopf verdient, zur Bestreitung der Kosten daranzugeben, welche die Verbreitung der Wahrheit verursacht, oder soll ich mich vielmehr mit einer weniger einträglichen Stellung begnügen, die mir mehr Zeit und Kraft zur Verbreitung der Wahrheit unter meinen Freunden und Nachbarn ließe?“ - antworten wir unabänderlich, dass unseres Erachtens die Opfer an Zeit und die Verwendung persönlichen Einflusses in Gottes Augen noch mehr wert seien als klingende Gaben.

Fühlt sich jemand sowohl zum Verkündigen der Wahrheit als auch zu ehrlichem Geldverdienen fähig, so ginge unser Rat dahin, dass er die Fähigkeit zum Geldverdienen nur in beschränktem Maße verwende, damit ihm um so mehr Zeit und Kraft bleibe zur Verwendung seiner noch höher stehen den Fähigkeit, der Wahrheit zu dienen, was auch durch Kolportieren oder Versenden von Druckschriften geschehen kann.

„Geben ist seliger als nehmen“, ist ein Grundsatz, dessen Richtigkeit alle Kinder Gottes, die schon einigermaßen entwickelt sind, schätzen gelernt haben. Gott ist der große Geber; er gibt fortwährend. Die ganze Schöpfung ist in allen ihren Teilen ein Ergebnis der Freigebigkeit Gottes. Er gab seinem eingeborenen Sohn nebst dem Leben noch das Vorrecht, die Freude, mit ihm aufs engste verbunden zu sein. Er segnete die Engel mit unermesslichen Gütern. Er segnete die Menschen mit Leben und einer Intelligenz, die trotz des Schadens, den ihr der Fall Adams und seine Folgen gebracht, noch jetzt wunderbar ist. Er gab uns die fünf Sinne und schuf in unserer Umgebung alles, was sie erfreuen kann, von den Blumen und Früchten an bis zum glanzvollen Sternenhimmel.

Richten wir endlich unsere Aufmerksamkeit auf die Güter, die Gott für die „kleine Herde“ Neuer Schöpfungen in Bereitschaft hält, so gewahren wir, dass sie alles weit übertreffen, was wir je hätten wünschen oder uns vorstellen können. „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben; uns aber hat Gott es geoffenbart durch seinen Geist.“ Wohlwollen, Geben, Helfen, Segnen ist ein Teil des Charakters Gottes; kann es uns da noch wundern, dass Geben höher, vorzüglicher ist als Nehmen?

Je höher wir nun die geistlichen Güter schätzen lernen, je mehr Gemeinschaft wir mit dem Herrn haben, je mehr wir von seiner Gesinnung haben, je mehr Liebe, Güte und Freigebigkeit Gottes Geist in unsere Herzen gießt, um so mehr freut es uns, allen Menschen Gutes zu tun, besonders aber dem Haushalte des Glaubens. Die Liebe sucht nicht nur das eigene Wohlergehen, sondern hält immer Ausschau nach Gelegenheiten, das Wohlergehen anderer zu fördern, ein wenig Sonnenschein und Wärme in das Leben anderer hineinzutragen, sie in ihrem Kummer zu trösten, ihrem Mangel abzuhelfen. Je mehr von dieser Gesinnung in uns wohnt, je mehr wir durch die Erneuerung unseres Sinnes verwandelt werden, um so höher werden wir das große Werk zu schätzen wissen, das unser in der Zukunft harrt - die Hinausführung des Planes Gottes, die Segnung aller Geschlechter auf Erden, das Austeilen aller Güter, die Gott für die in Bereitschaft hält, die sich mit ihm aussöhnen werden. Darum finden die Neuen Schöpfungen, dass sie in dem Verhältnis, in dem sie in Gnade wachsen, - während sie wohl die verheißene, persönliche Herrlichkeit würdigen - eher mehr an die ihnen durch die Miterbschaft mit ihrem Herrn gewährten Vorrechte denken, der armen seufzenden Schöpfung die Wiederherstellung mit ihren vielfachen Segnungen bringen zu können - eine Aufrichtung aller Willigen zu menschlicher Vollkommenheit, von der alle in Adam fielen.

Dieser Geist der Liebe, dieser Wunsch, zu geben und zu helfen, führt bei seinem Erstarken schon in dieser Zeit dazu, anderen gegenüber Gutes nicht allein zu beabsichtigen, sondern auch zu tun, auf Kosten unserer Zeit, durch Aufbieten unseres Einflusses, damit auch sie mit dem Lichte der gegenwärtigen Wahrheit erleuchtet werden möchten, wie wir es einst wurden. Haben wir nun nicht die Gabe des Lehrens und Auslegens, so treibt uns dieser Geist je nach Zeit und Gelegenheit, Traktate zu verteilen oder mit einigen begleitenden Worten zu versenden. Und ist uns außerdem Geld und Gut beschert, so treibt uns derselbe Geist, es im Dienste des Herrn, zur Verbreitung der guten Botschaft zu verwenden. Wir sind in der Tat der Meinung, der Herr wisse auch heute noch, wie zu jeder Zeit, die Gesinnung zu schätzen, die die arme Witwe trieb, ihre zwei Scherflein in des Herrn Schatzkasten zu werfen. Die Selbstverleugnung, die zum Geben selbst eines so kleinen Betrages nötig war, stellte die Witwe in den Augen des Herrn und mithin auch des Vaters auf die oberste Stufe der Geber - nach seinem eigenen Herzen: „Diese aber hat von ihrem Mangel, den ganzen Lebensunterhalt, den sie hatte, eingelegt.“ - Luk. 21:4

Auf ihre Weise handelte sie nach demselben Geiste, wie unser Herr selbst, der nicht nur den Lebensunterhalt, sondern sein Leben selbst hingab, es täglich, ja stündlich im Dienste der anderen opferte und schließlich, am Kreuze verblutend, sein Werk vollendete.

Wir neigten einige Zeit dahin, uns darüber zu wundern, dass der Herr der Witwe nicht ein wenig zu verstehen gab, dass sie mehr als ihre Pflicht getan, dass sie die zwei Scherflein, oder doch eines davon, zur Bestreitung ihrer eigenen Bedürfnisse hätte behalten sollen. Wären es nicht der Herr und einer der Apostel, die die Handlungsweise der Witwe priesen, wir hätten uns frei gefühlt, in diesem Punkte zu einiger Vorsicht zu mahnen. Aber wir mussten im allgemeinen annehmen, dass nur sehr wenige erst zur Selbsterhaltung ermahnt werden müssen. Sehr wenige bedürfen einer Warnung, ihren ganzen Lebensunterhalt daranzugeben. Es mag solche geben, aber wir sind dessen sicher, dass sie der Herr für ihre übertriebene Freigebigkeit auf irgendeine Weise entschädigen wird. Es ist sicher besser, in dieser Richtung zu irren, als in der entgegengesetzten.

„Da ist einer, der ausstreut, und er bekommt noch mehr (wenn nicht in natürlichen, dann sicherlich in geistlichen Dingen); und einer, der mehr spart als recht ist (zuviel Sorgfalt anwendet, zu besorgt und geizig ist und zu sehr auf das Zusammenscharren bedacht], und es ist nur zum Mangel (manchmal zum Geldmangel, und sicherlich stets zu geistlichem Mangel).“ – Spr. 11:24

Der Herr hat seinem Volke hinsichtlich seiner Opfergaben keine Vorschriften hinterlassen, sondern es dem Ermessen der ihm völlig Geweihten anheim gestellt, damit ihr Wandel, ihre Opfer und ihre Selbstverleugnung den Maßstab für ihre Weihung abgeben. So wird denn ein jeder von uns vor die Frage gestellt: „Wie viel von meiner Zeit, meinem Einflusse, meinem Gelde soll ich in den Dienst des Herrn stellen?“ Für einen völlig Geweihten gibt es auf diese Frage nur eine Antwort: er hat nichts mehr zu geben: er hat dem Herrn schon alles gegeben. Hat er etwas zurückbehalten, so hat er sich nicht völlig geweiht und ist daher auch nicht völlig vom Herrn angenommen worden.

„Ja, wie sollen wir denn dieses Opfer vollziehen?“ - Unseres Erachtens so, dass sich ein jeder hinfort als bloßer Verwalter seiner Zeit, seines Einflusses, seines Geldes betrachten und darauf bedacht sein soll, dies alles nach Kräften zur Ehre des Herrn zu verwenden. Und da er Zutritt zum Throne der Gnade hat, so kann er, wenn er je über die Verwendung seiner Talente im Zweifel ist, Gott um Weisheit bitten, der dem, der ihn darum bittet, seine Weisheit willig gibt und nichts vorenthält. Unter der Leitung der Weisheit von oben wird die täglich durch die Kenntnis der Wahrheit und die Erfüllung mit seinem Geiste wachsende Liebe zum Herrn mehr und mehr Zeit, mehr und mehr Einfluss, mehr und mehr andere Mittel zum Dienste an der Wahrheit verfügbar finden und nun darauf ausgehen, zu sehen, was er von persönlichen oder Familienpflichten und Rücksichten abkargen kann, um sein Opfer zu mehren.

Bekanntlich schrieb Gott den Juden vor, den Zehnten von aller Mehrung des Gutes (Getreide, Vieh, Geld usw.) zu heiligen Zwecken beiseite zu legen, als gehörte es dem Herrn. Aber das war eine Einrichtung für das „Haus der Knechte.“ Dem „Hause der Söhne“ hat Gott keine solche Vorschrift gegeben. Setzt das nun etwa voraus, dass er von den Söhnen weniger als von den Knechten erwartet? Gewisslich nicht; vielmehr wäre der Sohn, der sich für des Vaters Sache weniger als der Knecht interessieren würde, der Sohnschaft unwürdig und sicher, sie zu verlieren und durch einen anderen ersetzt zu werden, der mehr von dem wahren Geiste der Sohnschaft hätte. Im Hause der Söhne ist nicht der Zehnte, sondern alles dem Herrn geweiht und geopfert, und alles ist im Dienste des Herrn und seiner Sache zu verwenden, wo und wie die Gelegenheit dazu wahrgenommen wird. So haben wir stets zu handeln, unser Leben, unser alles im Dienste der Wahrheit darangebend. (Die Pflichten der Geweihten gegenüber ihren Familien, und wie diese mit ihrer gänzlichen Weihung an den Herrn in Zusammenhang stehen, werden in Studie 8 betrachtet.)

In Phil. 4:17 schreibt der Apostel zu dieser Frage: „Nicht dass ich die Gabe suche, sondern ich suche die Frucht, die überströmend sei für eure Rechnung.“ Er wusste, dass, so gewiss sie vom Heiligen Geiste gezeugt waren, dieser in ihnen die Früchte guter Werke und der Barmherzigkeit hervorbringen werde; je mehr gute Werke er nun gewahrte, um so mehr Beweise ihres Wachstums im Geiste hatte er, und dieses Wachstum war es, was er wünschte. Und so ist es auch heute noch. Der Herr belehrt uns, dass alles Gold und Silber und das Vieh auf „tausend Hügeln“ sein seien. Er bedarf weder unserer Bemühungen, noch unseres Geldes, aber weil es zu unserem Vorteile ist, weil es uns fördert, erlaubt er, dass sein Werk der Bemühungen aller derer, die wahrhaft Sein sind, und aller Hilfsmittel bedarf, welche anzuwenden die Seinen durch ihren Wunsch, ihn zu verherrlichen, getrieben werden.

Wie so voller Güte und Gnade ist doch diese Einrichtung! Wie viel Segen hat sie dem Volke Gottes schon eingebracht! Wir zweifeln nicht, dass es bis ans Ende unseres Laufes so bleiben wird, damit wir alle das Vorrecht haben möchten, unsere Talente (Gaben jeglicher Art) in den Dienst des Herrn zu stellen. So sind wir denn gewiss, dass, nach dem Beispiele der armen Witwe mit ihren zwei Scherflein, niemand zu arm ist, um dem Herrn den Wunsch seines Herzens kundzugeben. Des Herrn Maßstab scheint nach seinen eigenen Worten der zu sein, dass, wer im Geringsten treu ist, es auch im Großen sein wird, wer kleine Gelegenheiten zu benutzen weiß, auch große nicht unbenutzt lassen wird. Solchen wird er daher nicht nur die großen Gelegenheiten des zukünftigen Zeitalters verschaffen, sondern auch die gegenwärtigen mehren.

Unser Rat ist, soweit möglich (und wir glauben, dass es immer möglich ist), in allgemeinen Versammlungen der Herauswahl die Geldfrage gar nicht zu berühren und um so mehr die göttliche Gesinnung zu fördern. Wo diese reichlich vorhanden ist, wird sich ein jeder gedrungen fühlen, der Versammlung zu dienen, nicht nur durch einen Beitrag zu den laufenden Ausgaben (Miete oder dgl.), sondern auch durch Ausbreitung des Lichtes, dessen seine eigene Seele sich erfreut, über andere, die noch im Finstern sitzen. Unser Rat ist ferner, Draußenstehende zu diesen Zwecken nicht um Geld zu bitten; sollten solche aber dies anbieten, so sehen wir keinen Grund, es zurückzuweisen, Denn zum wenigsten wären solche Gaben ein Zeichen dafür, dass der Geber dem Werke freundlich gegenübersteht, und gewiss wird eine solche Gabe, sei es im jetzigen oder im zukünftigen Leben, Anerkennung und Lohn von Seiten dessen finden, der erklärt hat, dass selbst ein Becher kalten Wassers, der in seinem Namen einem seiner Jünger gereicht würde, nicht unbelohnt bleiben würde. - Matth. 10:42; Mark. 9:41

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