SCRIPTURE
STUDIES
VOLUME SIX - THE NEW
CREATION
STUDY
VII
Das
Gesetz der Neuen Schöpfung.
Der Erlass des Gesetzes
setzt die Fähigkeit voraus, es zu halten. — Das ursprüngliche göttliche
Gesetz. — Ein Gesetz des Lebens
konnte dem gefallenen Geschlechte nicht gegeben werden. —
Die Erlösung
ist nicht vom Gesetze, sondern aus Gnade. —
Der Gesetzesbund gehalten und
der Neue Bund besiegelt durch das eine Opfer Christi. —
Das Gesetz vom
Sinai war nur Israel nach dem Fleische gegeben. —
Das Gesetz des Neuen
Bundes. —
Das Gebot, unter welchem die Heiligen entwickelt werden. —
Die
Neue Schöpfung steht in ihren Beziehungen zu Gott und in ihrem Bundesverhältnis
allein und abgesondert da. —
Wachstum in der Wertschätzung des
vollkommenen Gesetzes. —
Das Laufen nach dem Ziele und das Festhalten bei
demselben. —
Die goldene Regel. —
Das vollkommene Gesetz der Freiheit.
Der Erlass eines Gesetzes durch eine
dazu berufene Behörde setzt voraus, dass diejenigen, für den Fall der Übertretungen
Maßregeln für das Gutmachen der Vergehen getroffen sind. Der Erlass
eines Gesetzes setzt immer die Möglichkeit voraus, dass es übertreten
werde, darum enthält ein Gesetz immer Strafbestimmungen. Da Adam, der im
Bilde Gottes erschaffen worden war, wegen Ungehorsams gegenüber dem göttlichen
Willen bestraft wurde, so schließen wir, dass ihm ein Gesetz gegeben
wurde, und dass dasselbe für ihn verständlich genug war, sonst wäre es
unbillig gewesen, ihn zu verurteilen. Wir werden ausdrücklich belehrt,
dass die Sünde in Eden in der Übertretung eines göttlichen Gebotes
bestand. Soll nun das Todesurteil, das gegen Adam ausgesprochen wurde, und
das sich auf seine ganze Nachkommenschaft vererbte, gerecht gewesen sein,
so muss Adam das Gesetz, unter dem er stand, völlig verstanden und
wissentlich übertreten haben, denn sonst wäre der Gesetzgeber im Unrecht.
Dass Adam völlig in der Lage war, das göttliche Gesetz zu halten und ihm
zu gehorchen, geht aus der Tatsache hervor, dass es keine Vorsehung für
die Aussöhnung jenes Gesetzes - keinen Mittler - gab, sondern als Folge
seiner Verletzung die volle Strafe auf Adam kam.
Der biblische Bericht sagt keineswegs,
dass der Schöpfer unseren ersten Eltern ein auf Stein oder anderswo
geschriebenes Gesetzbuch vorgelegt hätte. Da nun heutzutage eine
Verbriefung der Gesetze allgemein üblich und wegen unserer Schwachheiten
notwendig ist, so können sich manche nicht vorstellen, in welcher Weise
der vollkommene Adam im Besitze eines vollkommenen Gesetzes war und durch
seine Übertretung verurteilt wurde. Es ist irrig anzunehmen, dass Gesetze
einer schriftlichen Abfassung bedürfen. Die Schrift spricht von einer höheren
Art zu schreiben, nämlich in die Herzen. Das göttliche Gesetz war - und
es soll einst wieder sein, im neuen Zeitalter - dem vollkommenen Menschen
in der Weise ins Herz geschrieben, dass er bei seiner Erschaffung gänzlich
mit seinem Schöpfer übereinstimmte. Ebenso ist das göttliche Gesetz
Gott selbst und allen Engeln gleichsam ins Herz geschrieben. Solange
dieser Zustand bei den ersten Menschen herrschte, solange neigten sie auch
nicht zur Sünde, sondern vielmehr zur Gerechtigkeit. Sie waren gerecht,
umgeben von gerechten und vollkommenen Zuständen, sich ihrer
Verpflichtung zum Gehorsam dem Schöpfer gegenüber völlig bewusst, und
wussten genau, nicht nur ungefähr, was er geboten hatte. Sie hatten
mithin keine Entschuldigung für ihre Übertretung. Mitleid möchte wohl
nach Entschuldigungen suchen und darauf verweisen, dass es ihnen an
Erfahrung fehlte, dass sie nicht wussten, wie die Strafe sein würde; aber
dies verhinderte sie keineswegs, zu wissen, welches der richtige Wandel
war. Sie wussten, dass es recht sei, Gott zu gehorchen, und unrecht, ihm
ungehorsam zu sein; das wussten sie, auch wenn sie die schrecklichen
Folgen des Ungehorsams nicht kannten. Der Apostel sagt ausdrücklich, Adam
sei nicht betrogen worden; er beging seine erste Übertretung mit Wissen
und Willen und zog sich dadurch die vom Schöpfer angedrohte Todesstrafe
zu.
Sehen wir uns heute in der Welt um, so
gewahren wir, dass die Menschheit von ihrer Gottähnlichkeit, von der Fähigkeit,
zwischen Recht und Unrecht leicht und sicher zu unterscheiden, sehr viel
eingebüßt hat. Das einst den vollkommenen Menschen klar und deutlich ins
Herz geschriebene göttliche Gesetz ist während der 6000 Jahre der
Herrschaft der Sünde und des Todes gar sehr verwischt worden. Gott hat
zwar, vermittelst seiner Mitteilungen an einzelne Menschen, in manchen
Herzen sein Gesetz neu belebt, die verwischten Schriftzüge mehr oder
weniger vertieft; trotzdem traut unter denen, die in der zivilisierten
Christenheit am einflussreichsten sind, keiner seinem eigenen Urteile darüber,
was in dieser oder jener Frage Recht und Unrecht sei. Wir bedürfen mithin
immer der sicheren göttlichen Maßstäbe, zu denen wir unsere Zuflucht
nehmen, und an denen wir die Richtigkeit unserer Schätzungen von Recht
und Unrecht ermessen können, was uns gestattet, sie zu berichtigen, der göttlichen
Schätzung näher zu bringen. Spuren von Gewissen, von der Fähigkeit,
zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, finden wir freilich selbst
bei den heruntergekommensten Völkern; es sind dies armselige Überreste
von der ursprünglich den Menschen eigenen Gottähnlichkeit. Der Apostel
spricht von diesen Spuren, wenn er von den Nationen sagt, dass ihre
Gedanken einander bald anklagen, bald entschuldigen, und dass sie „das
Werk des Gesetzes geschrieben zeigen“ in ihren Herzen, - Überbleibsel
des ursprünglichen Gesetzes, Bruchstücke, die beweisen, dass das Gesetz
den Menschen einst angeboren war. - Röm. 2:15
Unter den menschlichen Gesetzen sind
einige für Verbrecher und andere für solche bestimmt, die keine
Verbrecher sind. Die letzteren sind im Besitze bürgerlicher Rechte; Leben,
Friede und Freiheit ist ihnen garantiert; erstere sind durch das Gesetz
der Freiheit beraubt und werden zuweilen als des Anspruches zum Leben
verlustig erklärt, d.h. zum Tode verurteilt.
So steht es auch mit dem göttlichen
Gesetze, unter dessen Herrschaft Adam einer Prüfung unterworfen war. Er
war im Vollbesitze seiner Rechte und Vorzüge, er hatte Leben, Frieden, Glück
und alles, was er zu seinem Unterhalte bedurfte. Dies war ihm verheißen,
solange er seinem Schöpfer den schuldigen Gehorsam leisten würde, indes
auf den Ungehorsam die Todesstrafe - „sterbend wirst du sterben“ -
gesetzt war, die er auf natürliche Weise auf seine Nachkommen vererben würde.
Vom Augenblicke seines Ungehorsams an war Adam ein Sträfling, der
bisherigen Lebensaussichten beraubt, von seiner Heimstätte in Eden und
vom Verkehr mit seinem Schöpfer abgeschnitten. Die unfertige Erde war
seine Strafanstalt, das Grab seine Gefängniszelle. Er stand hinfort nicht
mehr unter dem Gesetze des Lebens; die Strafbestimmungen desselben hatten
ihn vom Leben abgeschnitten, zum Tode verurteilt. Seine Kinder wurden
nicht mehr unter der Herrschaft des Gesetzes des Lebens geboren; sie
hatten keine Aussicht mehr, ewig zu leben; sie waren Sträflingskinder und
Gefangene. Die Sünde und der Tod waren, bildlich gesprochen, ihre Häscher
und Gefängniswärter.
Wenn aber auch das ursprüngliche
Gesetz nicht länger über sie herrschen konnte, sondern seine Strafe
gegen sie bereits ausgedrückt hatte, so unterstanden sie dennoch
gewissermaßen natürlichen Gesetzen. Sie konnten merken, dass jede
Vergewaltigung ihres Gewissens, jedes tiefere Eintauchen in das, was sie
als Sünde erkannten, ihnen weitere Erniedrigung und rascheren Tod zuzog,
und dass umgekehrt jede Bemühung, das Rechte zu tun, ihr Gefangenleben
erträglicher gestaltete, ohne freilich die Befreiung zu bringen.
Der Apostel gibt zu verstehen, dass es
Gott nicht möglich war, unserem gefallenen Geschlechte ein Gesetz des
Lebens zu geben. Die Menschen waren von Rechts wegen zum Tode verurteilt,
und solange das Todesurteil zu Recht bestand, konnte ihnen kein Gesetz
gegeben werden, dessen Befolgung ihnen Befreiung vom Tode eingetragen hätte.
Bevor dem Menschengeschlechte solch ein Gesetz des Lebens gegeben werden
konnte, musste die Forderung des ersten Gesetzes erfüllt und die Strafe
desselben aufgehoben werden. Erst dann konnten andere Anordnungen
getroffen, konnte den Menschen für den Fall, dass sie bestimmte
Bedingungen erfüllten, ewiges Leben angeboten werden. Zuvor aber musste
die erste Übertretung gutgemacht und die durch dieselbe entstandene
Schuld bezahlt sein. Der Herr deutete sofort seine Absicht an, ein Lösegeld
für die Sünde bezahlen zu lassen und so an die Stelle der in Adam
verlorenen eine andere Gelegenheit, sich ewigen Lebens würdig zu erweisen,
zu setzen. Allein diese Verheißungen waren äußerst undeutlich; sie
reichten gerade hin, um auch nur den Anfang einer Hoffnung zu erwecken;
darum werden die Menschen, sofern sie Gefangene unter der Herrschaft der Sünde
und des Todes sind, als Gefangene auf Hoffnung bezeichnet.
Eine dieser Andeutungen lag in den
Worten des Herrn, welche das Todesurteil begleiteten, dass nämlich des
Weibes Same der Schlange den Kopf zertreten würde. (1. Mose 3:15) In
diesen dunklen, bildlichen Worten redete der Herr vom schließlichen
Sturze der Macht des Bösen, von einem Siege, bei welchem die
Menschenfamilie mitwirken, und der ihr zugute kommen würde. Dieser Same
des Weibes ist, wie wir alle wissen, Christus. Viertausend Jahre nach dem
Falle sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe (und dadurch ein
Glied des verurteilten Geschlechtes, ihm in allem gleich, ausgenommen die
Sünde), auf dass er durch die Gnade Gottes den Tod für jedermann
schmeckte, die Schuld an Stelle eines jeden Schuldigen bezahlte, dadurch
das Todesurteil aufhebe und für jeden Menschen einen Rechtszustand
herbeiführe, in welchem ein Gesetz des Lebens erlassen werden könnte,
dessen Einhalten ewiges Leben einbringen würde.
Doch bevor die Zeit kam, da Gott seinen
Sohn sandte und durch ihn die Erlösung des Geschlechtes von der
Todesstrafe bewirken ließ, hatte er besondere Beziehungen zu Abraham und
seinem Samen nach dem Fleische, dem Volke Israel. Zunächst verkündete er
Abraham, Isaak und Jakob, dass er sämtliche Geschlechter auf Erden segnen
werde. Solch eine Botschaft aus dem Munde des großen Richters, der einst
das Todesurteil gesprochen hatte, war höchst bedeutsam: entweder
bedeutete sie eine Rechtsverletzung durch einfache Aufhebung des Fluches,
der Strafe, oder sie bedeutete, dass der oberste Gerichtshof des Weltalls
ein Vorgehen kannte, welches ihm gestatten würde, gerecht zu bleiben und
dennoch Barmherzigkeit gegen diejenigen Angehörigen des Geschlechtes zu
üben, welche sich derselben würdig erweisen würden, indem sie sich mit
Gottes gerechten Anordnungen einverstanden erklären würden. Die
Patriarchen freuten sich über diese Verheißungen und ahnten mehr oder
weniger deutlich ein zukünftiges Leben durch eine Auferstehung aus den
Toten, welches nicht nur ihnen selbst und ihren Nachkommen, sondern schließlich
einem jeden Gliede des Geschlechtes zugute kommen würde.
Wegen dieser Verheißungen an Abraham
unterstellte der Herr das Volk Israel, Abrahams Nachkommen, dem Gesetze
vom Sinai. Dieses Gesetz war die Grundlage des mit ihm abgeschlossenen
Bundes. Durch das Halten dieses Gesetzes würde es alle Verheißungen
ererben. Dieses Gesetz war in allen seinen Teilen vollkommen, gerecht und
gut; aber da die Israeliten gefallen, unvollkommen waren, musste ihnen in
Moses ein Mittler bestellt und sodann zur jährlich wiederkehrenden
vorbildlichen Erlassung von Übertretungen Mittel und Wege gefunden werden,
damit von Geschlecht zu Geschlecht, von Jahr zu Jahr der Versuch, das
Gesetz zu halten, erneuert werden könne. Diese Vorkehrungen (die
Einsetzung des Mittlers und die vorbildlichen Opfer für die Sünde)
bezeugten, dass Gott von dem Volke, dem er das Gesetz und den Bund gab,
wusste, dass es nicht imstande sei, den Anforderungen absoluten Gehorsams
nachzukommen. Da tritt der Gegensatz zum Gesetze in Eden scharf hervor:
dort war kein Mittler bestellt und den Schwachheiten des Fleisches nicht
Rechnung getragen. Diese Tatsache allein beweist uns, dass der erste Adam
ein vollkommenes Bild seines Schöpfers und imstande war, dem Gesetze
Gottes vollkommenen Gehorsam zu leisten. In der Zwischenzeit war das
Geschlecht schon sehr gefallen, denn die Vorkehrungen des mosaischen
Gesetzes sind für gefallene, heruntergekommene Geschöpfe angemessen.
Über dies alles haben wir die Aussage
des Apostels, dass kein Jude, unser Herr Jesus allein ausgenommen, das
Gesetz je gehalten hat, und dass also Jesus allein der Belohnung hätte
teilhaftig werden können, die auf das Halten des Gesetzesbundes gesetzt
worden war. Die Worte des Apostels sind: „Aus Gesetzeswerken wird kein
Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden.“ Jenes Gesetz hatte mithin einen
doppelten Zweck: 1. zu zeigen, dass kein Glied des gefallenen Geschlechtes
imstande war, das göttliche Gesetz zu halten und vor Gott annehmbar zu
erscheinen; 2. zu zeigen, dass unser Herr Jesus vollkommen war, indem er
das Gesetz, welches kein unvollkommener Mensch halten konnte, erfüllte.
Indem er das Gesetz hielt, wurde er der einzige Erbe des Bundes mit
Abraham und als der zuvor verkündete Same Abrahams gekennzeichnet, in
welchem alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollten. Damit nahm
jener Bund, nachdem Christus Jesus ihn erfüllt hatte, insofern, als der
verheißene Same der Segnung in Betracht kam, ein Ende. Allein, wenn wir
nun die Bundesverheißung genauer ansehen, gewahren wir, dass sie, in
gewisser Beziehung wenigstens, gleichsam doppelt, d.h. einer doppelten Erfüllung
fähig war, dass sie neben dem irdischen einen geistigen Samen im Auge
hatte, wie es in der Verheißung angedeutet war: „Dein Same wird sein
wie die Sterne des Himmels und wie der Sand am Ufer des Meeres.“ - 1.
Mose 22:17
Unser Herr Jesus ist, nachdem er die
Bundesbedingungen erfüllte, vollständig frei in der Wahl der Mittel zur
Segnung der Geschlechter auf Erden; da er jedoch mit dem Plane Gottes
einverstanden ist, demselben gemäß bisher gehandelt hat und weiter
handeln wird, so wird es schließlich sein Wohlgefallen sein, einige
Israeliten nach dem Fleische, einige vom Samen Abrahams nach dem Fleische,
als seine irdischen Werkzeuge bei der Segnung der Menschen zu verwenden.
Darum ist der Bund mit Israel nach dem Fleische nicht gänzlich beseitigt;
vielmehr harrt nach der Aufrichtung des Reiches bei der zweiten Gegenwart
unseres Herrn dieses Volkes ein besonderer Segen. Des Apostels Aussagen über
diesen Punkt sind: „Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind
unbereubar.“ - „Hinsichtlich der Auswahl sind sie Geliebte, um der Väter
willen.“ - „durch eure (der Kirche) Begnadigung mögen auch sie unter
die Begnadigung kommen.“ - „Gott hat alle zusammen in den Unglauben
eingeschlossen, auf dass er alle begnadige.“ Der Befreier, der aus Zion
kommen soll, um die ganze Menschheit zu segnen, wird die Gottlosigkeit
zuerst von Jakob (Israel nach dem Fleisch) abwenden, damit es bei der
Segnung der Welt mitwirken könne. - Röm. 11:26-32
So gewahren wir denn, dass die Welt bis
zur ersten Gegenwart unseres Herrn keinem anderen Gesetze als dem
allgemeinen Naturgesetze, dem Gesetze unseres Sträflingszustandes,
unterstand, welches ihr wohl gestattete, ihre Mühsale erträglicher zu
gestalten, nicht aber, ihnen zu entrinnen, welches zwar gestattete, die
Folgen des Fluches hinauszuschieben und weniger fühlbar zu machen, nicht
aber dem Vollzuge des Todesurteils auszuweichen. Das einzige andere Gesetz,
das Gott gegeben hatte, war dem Volke Israel gegeben, und Mose erklärt
ausdrücklich, dass jenes Gesetz für andere Völker und Nationen keine
Geltung hatte, indem er sagte: „Nicht mit unseren Vätern hat Jehova
diesen Bund gemacht, sondern mit uns, die wir heute hier alle am Leben
sind.“ (5. Mose 5:3) Aber das Gesetz konnte Israel nicht gerecht machen,
Israel erwarb sich mithin die an die Erfüllung des Gesetzes geknüpften
Segnungen nicht; alle fehlten dagegen mit der einzigen Ausnahme des
Menschen Christus Jesus, unseres Herrn und Erlösers. Nun lasst uns
weitergehen und untersuchen, wie das Gesetz Gottes jetzt wirksam ist.
Unser Herr Jesus hielt, d.h. erfüllte
das göttliche Gesetz, wie es am Sinai zum Ausdrucke kam, durch seinen Tod.
Die Zusammenfassung des Gesetzes ist: „Du sollst Gott deinen Herrn
lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt, und ganzer Seele und aus
allen deinen Kräften, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Der Vater
im Himmel hatte es so geordnet, dass sein geliebter Sohn, nachdem er die
Herrlichkeit seiner geistigen Natur verlassen hatte und inmitten unter
unvollkommenen Menschen ein vollkommener Mensch geworden war, vor allem
des Vaters Willen schätzen lernte, demgemäss er der Erlöser und Rückkäufer
des Menschen werden sollte. Es wurde ihm dies nicht aufgezwungen. Er war
ganz frei, wenn er es gewollt hätte, sich selbst zu gefallen; aber
alsdann hätte er das Gesetz vom Sinai nicht erfüllt, welches von allen,
die ihm unterstellt sind, fordert, dass sie Gott aufs höchste lieben,
mehr als sich selbst, und der Wille Gottes ihnen so köstlich ist, dass
sie freudig ihren eigenen Willen, ja sich selbst, ihr Leben, darangeben,
um ihn zu erfüllen.
Dies liegt in der oben angeführten
Zusammenfassung des Gesetzes. Eine solche Liebe konnte nicht zögern,
Leben, Sein und Kraft freiwillig dem Plane Gottes zu opfern. Das tat
Jesus, der, nach des Apostels Worten, in seinen Gebärden als ein Mensch
erfunden und über den Plan Gottes völlig im Klaren, sich rückhaltlos
als Lösegeld für den Menschen hingab. Ja, er tat dies voller Freude, wie
geschrieben steht: „Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust;
und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens.“ (Psalm 40:8) Liebe zu den
Menschen, zu denen er durch seine Geburt in ein Verwandtschaftsverhältnis
getreten war, gehörte auch zur Gesetzeserfüllung; aber andere wie sich
selbst zu lieben, hätte nicht Selbsthingabe ihrerseits bedeutet. Solch
ein Opfer bedeutet größere Liebe für andere als für sich selbst; es
wurde aus Gehorsam gegenüber dem ersten Teile des Gesetzes gebracht. Das
gehörte alles zum Halten des Gesetzesbundes, unter welchem er geboren,
und an dessen Bestimmungen er gebunden war. Er konnte nicht Erbe der
Verheißung an Abraham werden, es sei denn durch solchen Gehorsam bis zum
Tode.
Allein durch seinen Tod wurde noch
etwas anderes als die Erfüllung des Gesetzes vollbracht, durch welche er
sich würdig erwies, der verheißene Same Abrahams zu werden, der die Welt
segnen soll. Dieses andere ist der Loskauf Adams und seines Geschlechtes
von dem über sie verhängten Todesurteile. Nach Gottes Anordnung geschah
beides zugleich, durch dasselbe Opfer; es sind aber doch zwei wohl zu
unterscheidende Dinge. Unser Herr hielt nicht nur den Gesetzesbund durch
seinen Gehorsam bis in den Tod, sondern durch diesen seinen Tod verbürgte
er außerdem einen neuen von Gott vorgesehenen Bund. Der Gesetzesbund
erwies des Herrn Würdigkeit, der Same Abrahams zu sein; der Neue Bund
aber bezieht sich auf die Menschen. Das ganze Geschlecht war dem
Todesurteile unterstellt und konnte nicht auf ewig gesegnet werden, es sei
denn zuvor den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprochen worden. Nicht
eher konnte jemand die Menschheit segnen oder berechtigt sein, es zu tun,
sie „zurückzuführen aus dem Lande des Feindes“, aus dem Tode, zu
neuem Leben; denn solange das Urteil zu Recht bestand, konnte Gott es
nicht unter Verletzung seines eigenen Gesetzes aufheben. Wie schön ist
doch die Verwaltung Gottes, der zufolge ein und dieselbe große Tat
einerseits den Erlöser auf seine Würdigkeit, der Wiederbringer und
Segner des Geschlechtes zu sein, prüfte und andererseits zugleich das Lösegeld
für Adam und seine Nachkommen, die seine Schuld geerbt, beschuf. Wir
verweisen diesbezüglich auf Band 5, Kap. 15, wo dieser Gegenstand schon
behandelt wurde.
Wir betrachten hier das göttliche
Gesetz. Wir haben gesehen, dass das Gesetz vom Sinai nur für den natürlichen
Samen Abrahams galt; dass der Rest der Welt ohne Gott, ohne Hoffnung, ohne
Anregung, ohne Ermutigung, ohne Verheißung, gänzlich fremd war. (Eph.
2:12) Wir haben gesehen, dass der Bund vom Sinai seinen Zweck erfüllt
hatte, als der Messias ihn erfüllte, die Probe bestand und sich dadurch
des daraufgesetzten Preises würdig erzeigte. Wir haben ferner gesehen,
dass durch das Blut Christi ein neuer Bund verbürgt (Hebr. 7:22) und
verbrieft wurde. Nun wollen wir noch untersuchen, ob dieser Neue Bund in
Kraft getreten ist oder nicht, und wenn so, ob ein neues Gesetz ihn
begleitet oder nicht, so wie das Gesetz vom Sinai den alten Bund
begleitete.
Da bemerken wir denn zuerst, dass, was
die Welt anbetrifft, der Neue Bund noch nicht in Kraft getreten ist; sie
steht ebenso außerhalb des Neuen Bundes, wie sie einst außerhalb des
alten Bundes stand. Er wird für die Welt erst wirksam werden, wenn
Christus sein Reich aufgerichtet hat. Alsdann werden die Juden, wie wir
oben gesehen haben, unter den ersten Menschen sein, welche vom Neuen Bunde
Nutzen haben werden.
Der Neue Bund wird nicht nur eine
Friedensbotschaft für die einst Verurteilten sein, indem diesen (in der
Auferstehung) verkündigt werden wird, dass der Erlöser ihre Schuld
bezahlt hat, dass alle, indem sie durch den Mittler zum Vater kommen, fähig
gemacht werden sollen, zu gehorchen (das Gesetz Gottes zu erfüllen), und
dass sie, wenn sie nun tatsächlich gehorchen, zu dem Zustande, der vor
der Verurteilung bestand, wiederhergestellt werden können, sondern er
wird außerdem eine Begnadigung des Volkes Israel bewirken, das nicht
unter dem Fluche im Paradiese allein, sondern noch unter einem
Richterspruche wegen Nichthaltens des Gesetzesbundes stand. Jedes (vernunftbegabte)
Geschöpf wird alsdann lernen, dass nicht nur ein Löse- oder Sühnegeld für
die Sünden der Vergangenheit beschafft worden ist, sondern dass mit ihnen
hinfort nach dem gehandelt werden wird, was sie tatsächlich sind, und
dass ihnen durch die Gesetze des Mittler-Königreiches Christi geholfen
werden wird, aus den gegenwärtigen Zuständen geistiger, moralischer und
physischer Gesunkenheit zur vollen menschlichen Vollkommenheit
aufgerichtet zu werden, in welcher sie fähig sein werden, die Prüfung
vor dem Allmächtigen zu bestehen und ihre Würdigkeit für ewiges Leben
unter den Gesetzen seines Königreiches zu beweisen. Dieser Neue Bund
schließt daher alle Gnade und Gunst Gottes in sich, die er während des
Millenniums-Zeitalters der ganzen Menschheit zuzuwenden gedenkt. Er ist
der Bund der Vergebung, Segnung und Widerherstellung aller derer, welche,
nachdem sie sehend und hörend gemacht worden sind, sich diese Gnade
Gottes in Christo Jesu zunutze machen werden.
Das
Gesetz des Neuen Bundes
Mit diesem Neuen Bunde wird auch ein
Gesetz verbunden sein. Es wird das gleiche Gesetz Gottes sein, welches
unabänderlich ist und nur zu verschiedenen Zeiten in verschiedener Weise
zum Ausdruck kommt. Es wird nach wie vor Gottes Missfallen an der Sünde
und Wohlgefallen an der Gerechtigkeit verkündigen. Diese Richtschnur ist
unverrückbar, sie wird während des Tausendjahr- Zeitalters allezeit
wahrnehmbar sein, und von jedem wird verlangt werden, dass er seinen
Wandel so genau wie möglich nach ihr richte. Wer sich bemühen wird,
diese Richtung einzuhalten, bei dem wird auf das ihm noch anhaftende Maß
Schwachheit Rücksicht genommen werden, welches unter den köstlichen
Wiederherstellungsbedingungen um so geringer werden wird, je mehr der
Gehorsam geübt wird; wie geschrieben steht: „Dies ist der Bund, den ich
mit dem Hause Israel machen werde nach jenen Tagen, spricht Jehova: Ich
werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz
schreiben; ... und ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nicht mehr
gedenken.“ - Hebr. 8:10; Jer. 31:33, 34
Hier haben wir das allmähliche Auslöschen
der vergangenen Sünden und Ungerechtigkeiten und die allmähliche
Wiederherstellung der das Gesetz Gottes enthaltenden Inschrift in den
Herzen derjenigen Menschen, die es wollen: zwei große Aufgaben des
Tausendjahrreiches, welches ja zur „Wiederherstellung aller Dinge
bestimmt ist, von welchen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten
von jeher geredet hat“, und welche an jenem großen Tage der Herrschaft
Christi Platz greifen soll. Da wird es aber auch geschehen, dass „jede
Seele, die auf jenen Propheten nicht hören (das Gesetz Gottes sich nicht
ins Herz schreiben lassen) wird, soll aus dem Volke ausgerottet
(vernichtet) werden.“ - Apg 3:19-21
Doch zurück zu unserem Gegenstande.
Wir haben eben gesehen, wie das Gesetz des Neuen Bundes im
Tausendjahr-Zeitalter wirken wird, da er, der die Welt erkauft hat, seine
große Macht und Regierungsgewalt ausüben, die Welt wiederherstellen und
das Gesetz in die Menschenherzen schreiben wird. Was geschieht nun vorher,
wischen dem Wegtun des Gesetzesbundes durch die Erfüllung desselben durch
Jesum Christum und die Einführung des Neuen Bundes im
Tausendjahr-Zeitalter? Besteht da auch irgendein Bund, und ist ein Gesetz
mit demselben verknüpft? Ja, für das neue auserwählte Volk, dessen
Glieder der Herr während des Evangeliums-Zeitalters herauswählt. Um dies
zu erkennen, müssen wir uns der Worte des Apostels erinnern, dass das
Gesetz (vom Sinai) „der Übertretungen wegen hinzugefügt worden ist,
bis der Same käme, dem die Verheißung gemacht war.“ (Gal. 3:19) Es war
also ein Nachtrag zu einem früheren Bunde, und sehen wir rückwärts, so
gewahren wir diesen: es ist der Bund mit Abraham, der 430 Jahre Bestand
bevor die Gesetzgebung hinzugefügt wurde, und den das „430 Jahre danach
entstandene Gesetz nicht ungültig machen“ oder abschaffen konnte. -
Gal. 3:17
Als mithin unser Herr Jesus den
Gesetzesbund erfüllte, blieb der Bund mit Abraham in dem Umfange
bestehen, den er hatte, bevor das Gesetz hinzugefügt worden war. Dieser
Bund nun ist es, unter dem die Neue Schöpfung steht und zur Entwicklung
gebracht wird. Seine Verheißung lautet: „In deinem Samen sollen alle
Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ Der Apostel erklärt, dass der
Same, von dem die Rede ist, Christus sei - Christus Jesus, unser Herr, und
er fügt hinzu: „Wenn ihr aber Christi sein (wenn ihr Glieder seines
Leibes werdet), so seid ihr denn Abrahams Same und nach Verheißung
(Bundesbestimmung) Erben.“ (Gal. 3:16, 29)
Und wiederum erklärt der Apostel:
„Ihr aber, Brüder, seid, gleichwie Isaak, Kinder der Verheißung“,
d.h. eben in einem ganz anderen Sinne, als es die Juden unter dem Gesetze
waren. Der Apostel macht den Unterschied deutlich klar zwischen dem
geistlichen und fleischlichen Israel, indem er ausführt, dass die
Nachkommen Jakobs nach dem Fleische nicht der in der Verheißung gemeinte
Same Abrahams seien, sondern dass die Kinder des Glaubens als dieser Same
gerechnet werden. Er erklärt, dass Abraham ein Vorbild für Gott, Sara,
sein Weib, ein Vorbild des alten (abrahamischen) Bundes sei, aus dem einst
so viel Segen hervorgehen soll; wie aber Sara, bevor sie den verheißenen
Sohn gebar, eine Zeitlang verschlossen gewesen sei, so sei auch der von
ihr vorgeschattete Bund fast zweitausend Jahre unfruchtbar geblieben und
habe erst seine Erstlingsfrucht gebracht, als Jesus aus den Toten
auferstand. Damals wurde das Haupt des Samens Abrahams geboren, und schließlich
wird der ganze Leib des Christus, der gegenbildliche Isaak, durch die
„Auferstehung aus den Toten“ neu geboren und zur geistigen Natur
gebracht werden. Alsdann wird der Same gekommen sein, der Bund oder die
Verheißung wird erfüllt werden können, dass alle Geschlechter auf Erden
gesegnet werden sollen.
Während der Zeit nun, da der alte Bund
unfruchtbar war, wurde der jüdische oder sinaitische oder Gesetzesbund
hinzugefügt. Derselbe brachte Kinder hervor - einen Samen nach dem
Fleische, nicht nach der Verheißung, nicht geeignet, die ursprüngliche
Verheißung zu erfüllen. Diesen Gesetzesbund stellt, wie der Apostel ausführt,
Hagar dar, und Ismael, ihr Sohn, schattet die Juden unter dem Gesetze vor.
Wie nun Gott erklärt hat, dass der Sohn der Magd nicht mit dem Sohne der
Freien erben solle, so sollten die Juden unter dem Gesetzesbunde nicht
Erben der ursprünglichen, dem Abraham gegebenen Verheißung werden, welch
letztere auf den geistigen Samen übergehen würde. Dies ist alles im 4.
Kap. des Galaterbriefes bis ins einzelne klar dargelegt, in welchem der
Apostel sich bemüht, die Irrlehre zu widerlegen, dass die Glaubenden aus
den Nationen erst Juden werden und sich dem mosaischen Gesetze unterwerfen
müssten, bevor sie Erben der Verheißung an Abraham werden könnten.
Paulus zeigt, dass im Gegenteile alle,
die unter dem Gesetze sind, Sklaven seien, hingegen der geistige Same
Abrahams frei sein müsse, wie Isaak es war und Ismael es nicht war, dass
ein dem Gesetze nicht unterstellter Heide durch Unterwerfung unter den
Bund vom Sinai vom wahren (geistigen) Samen Abrahams sich abschneide und
ein gegenbildlicher Ismaelit werde. Wir lesen in Gal. 5:2-4: „Siehe,
ich, Paulus, sage euch, dass, wenn ihr beschnitten werdet, Christus euch
nichts nützen wird. Ich bezeuge aber wiederum jedem Menschen, der
beschnitten wird (und sein Vertrauen auf die Gesetzeserfüllung setzt - d.
Übers.), dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr seid
abgetrennt von dem Christus, so viele ihr im Gesetz gerechtfertigt werdet;
ihr seid aus der Gnade gefallen.“ Darum ermahnt der Apostel die Juden,
die durch den Tod Christi vom Joche des Gesetzesbundes frei geworden
waren, und die Nationen, die nie unter diesem Joche gestanden und Christum
und den Gnadenbund angenommen haben: „Für die Freiheit hat Christus uns
freigemacht; stehet nun fest und lasset euch nicht wiederum unter einem
Joche der Knechtschaft halten.“ - Gal. 5:1
So sehen wir denn, dass die Neue Schöpfung mit Jesu als ihrem Haupte
der verheißene, im Bunde mit Abraham gemeinte Same Abrahams ist, und dass
sie die von ihrem Haupte erkaufte Welt wiederherstellen soll. Es überrascht
uns keineswegs, dass im Vorbilde wie in den bildlichen Ausdrücken des
Herrn und seiner Apostel die Neue Schöpfung zuweilen als ein Mann von
vollem Wuchse dargestellt ist, dessen Haupt Jesum Christum und dessen
Glieder die Herauswahl darstellen. (Eph. 4:13; Kol. 1:18.) So „seid ihr,
Brüder, gleichwie Isaak, Kinder der Verheißung“ - Glieder des
gegenbildlichen Isaak, dessen Haupt Jesus ist. (Gal. 4:28) Unser Herr
stellt sich auch als Bräutigam dar, auf den die treue Kirche wartet, um
von ihm als Braut zur Hochzeit geführt zu werden. Und der Apostel braucht
dasselbe Bild, wenn er schreibt: „Ich habe euch einem Manne verlobt, um
euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen.“ (Offb. 21:2;
2. Kor. 11:2) Dieses Bild findet sich auch schon im Vorbilde, denn Abraham
sandte seinen Knecht Elieser (vorbildlich für den Heiligen Geist) aus, um
für Isaak eine Braut zu suchen. Rebekka nahm den Antrag freudig an und
wurde Isaak zugeführt und sein Weib, gerade wie wir zu Erben Gottes und
Miterben Christi Jesu, unseres Herrn, berufen werden, Miterben des unvergänglichen,
unbefleckten und unverwelklichen Erbes. Welches Vorbild wir auch
betrachten mögen, stets finden wir dieselbe Lehre: dass der Christus,
Haupt und Leib, (Bräutigam und Braut nach der Hochzeit) Erbe des
abrahamischen Bundes und der daran geknüpften Verheißungen ist.
Der Apostel erklärt, dass der Berg
Sinai und die Stadt Jerusalem Vorbilder des natürlichen Israels seien,
das verfehlte, zu der geistigen Verheißung zu gelangen. Der dieser
geistigen Verheißung würdige „Überrest“ wurde von Israel nach dem
Fleische getrennt und wurde ein Glied des wahren Israels Gottes, Miterbe
mit dem Auferstandenen an den himmlischen Dingen, welche Gott in
Bereitschaft hält für die, die ihn lieben. Dieser Überrest Israels und
die Herauswahl aus den Nationen, die ihm beigesellt worden ist, haben
andere, höhere Vorbilder als Sinai und Jerusalem; nämlich den Berg Zion
und das himmlische Jerusalem, dessen bildliche Beschreibung wir in
Offenbarung, Kap. 21, finden.
Nachdem uns so klar geworden ist, dass
die Neue Schöpfung im Plane und in den Vorkehrungen Gottes neben der Welt
und neben Israel nach dem Fleische eine Sonderstellung einnimmt, dass sie
mithin nicht dem sinaitischen oder Gesetzesbunde, sondern dem ursprünglichen
(abrahamischen) Bunde unterstellt ist, fragen wir nun: Welches Gesetz war
an den Bund mit Abraham geknüpft? Die Antwort auf diese Frage wird uns
auch sagen, unter welchem Gesetze die Neue Schöpfung steht. Der Apostel
gibt diese Antwort: „Ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter
Gnade.“ Was? Ist es möglich? Sind die Neuen Schöpfungen in Christo
Jesu keinen Geboten unterstellt? Sind die zehn Gebote nicht verbindlich für
sie? Diesem Einwande begegnen wir mit der Gegenfrage: „Bedurften Abraham
und Isaak der auf Stein eingegrabenen zehn Gebote? Waren sie ihnen
gegeben?“ Wenn nein, so sind sie auch der Neuen Schöpfung nicht
gegeben. Alle, die den Bund mit Abraham geerbt, und die als Glieder der
geistigen Klasse, des „Leibes Christi“, als „Neue Schöpfungen in
Christo Jesu“ in die Familie Gottes eintreten, sind frei von der
Verdammnis, frei von dem Gesetzesbunde.
Diese Neue Schöpfung steht in einem
ganz anderen Verhältnis zu Gott, seinem Gesetze usw. als alle anderen
Menschen. Ihres Glaubens wegen rechnet sie Gott, wie wir schon gesehen
haben, als gerecht. Diese ihnen auf Grund des Verdienstes Christi
zugerechnete Gerechtigkeit macht nicht nur die Übertretungen der
Vergangenheit gut, sondern deckt als gerechtmachendes Kleid der
Gerechtigkeit alle Mängel in Gedanken, Worten und Werken, die nicht
gewollt sind. Als Neue Schöpfungen sind sie alle - bildlich gesprochen -
in weiße Kleider gekleidet, in die Gerechtigkeit der Heiligen, in die
ihnen zugerechnete Gerechtigkeit ihres Erlösers und Hauptes. Diese Neuen
Schöpfungen werden auf Grund ihres Bekenntnisses der Liebe als Glieder
des Leibes Christi (der Familie Gottes) angenommen. Ihre Weihungserklärung
bedeutet, dass sie Gottes Güte und Gnade, die er im Tode seines Sohnes
geoffenbart hat, und die daraus hervorgehende Gerechtmachung aus Glauben
so hoch schätzen und den Geber aller dieser Gnaden so sehr lieben, dass
es für sie eine Freude ist, ihre Leiber gemäß der göttlichen
Aufmunterung als lebendige Opfer darzustellen.
Diese Weihung, diese Darangabe
irdischer Vorteile, Aussichten, Bestrebungen und Ziele wird nicht durch
Furcht, noch durch eine eigennützige, auf Lohn zählende Liebe
hervorgebracht, sondern durch reine Liebe, durch Wertschätzung der Liebe
Gottes, durch eine Gegenliebe, welche wünscht, sich Gott durch Teilnahme
an seinem ganzen wunderbaren Plane kundzugeben. Nach Annahme dieses
Bekenntnisses der Liebe und Hingabe durch den Herrn wird uns sein Geist
zuteil; solche werden als Söhne Gottes gerechnet, gezeugt vom Heiligen
Geiste. „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht
offenbar geworden, was wir sein werden (wie sehr wir werden verändert
werden, wenn wir den verheißenen geistigen Auferstehungsleib erhalten);
wir wissen (aber), dass, wenn er geoffenbart wird (Elberf. Randglosse),
wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist (und
dieser Gedanke befriedigt uns).“ - 1. Joh. 3:2
Hat der himmlische Vater seine Söhne
auf geistiger Stufe, die Engel, dem Gesetz vom Sinai unterstellt? Hat er
ihnen verboten, andere Götter zu verehren, sich Bildnisse von Gott zu
machen, zu stehlen, zu morden, falsches Zeugnis zu reden, sich gelüsten
zu lassen? Gewiss nicht, solch ein Gesetz hatten die Engel nicht nötig;
darum gab er es ihnen nicht. Warum sollte es denn den Neuen Schöpfungen
gegeben sein? Hat sie der himmlische Vater nicht als Söhne angenommen?
Hat er ihnen nicht von seinem Geiste (seiner heiligen Gesinnung) gegeben
und bedarf, wer in Ersetzung der eigenliebigen Gesinnung, des
Eigenwillens, den Heiligen Geist empfangen hat, bedarf ein solcher eines
solchen Gesetzes? Wir können begreifen, dass man Knechte einem Gesetze
unterstellt, dass sie möglicherweise nicht so von sich aus an der
allgemeinen Wohlfahrt teilnehmen, und vom Geiste ihres Herrn nicht ganz
erfüllt sein mögen; setzen wir aber einen vollkommenen Meister und
vollkommene Söhne, die des Geistes des Meisters voll sind, voraus, Söhne,
deren Freude es ist, des Meisters Willen zu tun, seine Mitarbeiter in all
seinem Gnadenwerk zu sein, wie könnte da eine Notwendigkeit für einen
solchen Vater bestehen, solchen Söhnen ein Gesetz zu geben?
„Moses zwar war treu in seinem ganzen
Hause als Diener“ (Hebr. 3:5) und dieses Haus der Knechte war unter
jenem Gesetz ganz am Platz; denn das mosaische Gesetz wurde „hinzugefügt
um der Übertretung willen, bis der verheißene Same käme“. Jesus im
Fleische strebte nicht nach hohen Dingen, sondern nahm Knechtsgestalt an,
unterstellte sich dem Gesetze, auf dass er nicht nur die Gerechtigkeit des
Gesetzes, sondern auch seine eigene Vollkommenheit im Fleische erwiese,
die ihm ermöglichte, die Welt zu erlösen. Erst als er aus den Toten
auferstanden, der Erstgeborene aus den Toten wurde, wurde er der
Erstgeborene unter vielen Brüdern, das Haupt der Neuen Schöpfung. Nach
dem Fleische stand er unter dem Gesetze, aber die Neue Schöpfung, der
auferstandene Herr, steht nicht unter dem Gesetze, und er ist es, welcher
das Haupt des neuen Hauses der Söhne geworden ist, „Christus aber als
Sohn über sein Haus (das der Söhne), dessen Haus wir sind, wenn wir
anders die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft
festhalten.“ (Hebr. 3:6) Und wenn wir auch als Neue Schöpfung noch im
Fleische sind, so sind wir doch nicht von dem Fleische und werden nicht
behandelt, als wenn wir Fleisch wären, nicht behandelt, wie die übrige
Welt behandelt wird, sondern als Neue Schöpfungen, welche eine Zeitlang
im Fleische wie in einem Zelte wohnen, erwartend die Sohnschaft, d.h. die
Befreiung der gesamten Körperschaft (des Leibes Christi), um unserem
herrlich gemachten Haupte gleich und beigesellt zu werden. „Ihr aber
seid (von Gott) nicht (angesehen als wäret ihr) im Fleische, sondern im
Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt.“ - Röm. 8:8, 9
Niemand kann dies klar erfassen, als
wer den Gegenstand von Gottes Standpunkt aus betrachtet. Wer dies aber
tut, für den ist es selbstverständlich, dass diesen Neuen Schöpfungen,
diesen vom Heiligen Geiste gezeugten Wesen der Gedanke gar nicht kommen
kann, andere Götter neben dem Einen zu haben, sich Bilder zu machen und
sie anzubeten, Gottes Namen zu missbrauchen, zu stehlen - denn das Geben
ist ihnen viel natürlicher als das Nehmen - und falsch Zeugnis zu reden.
Vielmehr treibt die Liebe, die in ihnen ist, sie an, die Schäden, nicht
nur bei den Brüdern, sondern bei der Welt überhaupt zu bedecken und zu
verbergen. Es kann ihnen auch gar nicht in den Sinn kommen, jemanden zu töten,
vielmehr möchten sie ihren Mitmenschen Leben geben, und wenn möglich
sogar in sehr reichlichem Maße; ja, ihre heilige Gesinnung treibt sie an,
ihr Leben für die Brüder zu opfern, gerade wie die gleiche heilige
Gesinnung den Anführer unserer Errettung veranlasste, sich selbst als Lösegeld
für alle zu geben.
Ist es nach diesem allem nicht klar,
dass Gott etwas Unpassendes getan haben würde, wenn er der Neuen Schöpfung,
dem Hause der Söhne, ein Gesetz gegeben hätte, gleich demjenigen, das er
dem Hause der Knechte gab? Von diesem Gesetze könnten die Glieder des
Hauses der Söhne gar nicht betroffen werden, sie hätten denn zuvor die
heilige Gesinnung verloren und aufgehört, Neue Schöpfungen zu sein;
denn, „wenn jemand Christi Geist (Gesinnung, Charakter) nicht hat, so
ist er nicht sein.“ - Röm. 8:9
Wie können nun aber diese Neuen Schöpfungen
ohne Gesetz und ohne gewisse Vorschriften sein? Durch die Liebe, die da
ist des Gesetzes Erfüllung. Gottes Gebote sind so umfassend, sie prüfen
so sehr Herzen und Nieren, dass ihnen gar nicht völlig nachgelebt werden
kann, als allein durch Liebe. Ein noch so genaues Beachten der Gebote kann
ohne den Beweggrund der Liebe zu Gott nicht als Erfüllung des Gesetzes
gelten. Die Liebe aber, die des Gesetzes Erfüllung ist, forscht allen
Anforderungen des göttlichen Gesetzes nach und sucht ihnen nach Kräften
zu entsprechen, nicht aus Zwang, sondern mit Freude.
Solche Liebe für Gott und seine
Gerechtigkeit bekundete die Neue Schöpfung bei der Weihung. Damals wurde
die Liebe ihr Gesetz; dieses Gesetz bleibt für sie verbindlich bis in den
Tod. Jede Übertretung dieses Gesetzes ist eine Verletzung der übernommenen
Vertragspflichten. Wie der Gehorsam gegenüber diesem Gesetze der Liebe,
soweit die Erkenntnis und die Kräfte reichen, Selbsthingabe und Überwindung
des Geistes dieser Welt, der Schwachheiten des Fleisches und des
Widerstandes des Feindes bedeutet, wobei die Gnade des Herrn für
unabsichtliche Verfehlungen aufkommt und solche Kämpfer zu Überwindern
macht, so bedeutet absichtlicher Ungehorsam, beabsichtigte und
fortgesetzte Übertretung des Gesetzes der Liebe den Verlust der
Sohnschaft, das Auslöschen des Heiligen Geistes, den Tod der Neuen Schöpfung,
den zweiten Tod.
Der Apostel redet in Römer 5 davon,
wie die Gnade für unsere Unvollkommenheiten aufkommt, und fährt dann
fort: „Sollten wir in der Sünde verharren, auf dass die Gnade überströme?
Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch
in derselben leben?“ (Röm. 6:1, 2) Durch unsere Annahme der Sündenvergebung
in Christo bekunden wir, dass wir der Sünde müde waren, dass unser Wille
der Sünde gestorben ist und ein neues Leben in Gerechtigkeit zu führen
begonnen hat. Leben wir Gott und seiner Gerechtigkeit in unserer
Eigenschaft als Neue Schöpfungen, so sind wir der Sünde gestorben; würden
wir aber wieder der Sünde lebendig, in dem Sinne, dass unser Wille, unser
Herz, unseres Liebe sich wieder der Sünde und der Ungerechtigkeit
zuwendeten, so bedeutet das, dass wir als Neue Schöpfung gestorben, dass
wir nicht mehr Glieder der Familie Gottes sind, als Neue Schöpfungen in
Christo Jesu, für welche das Alte vergangen und, soweit Wollen und Wünschen
in Betracht kommt, alles neu geworden ist.
Wir müssen jedoch hier wohl zwischen
einem Fallen aus Schwachheit des Fleisches und einem absichtlichen
Abfallen von der Gnade unterscheiden, nachdem wir die Güte des Wortes
Gottes und die Kräfte des zukünftigen Zeitalters geschmeckt haben,
nachdem wir des Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind. Ein solcher
Abfall ist unheilbar. (Hebr. 6:4-6; 10:26) Ein Fallen des Fleisches
bedeutet nur, dass unsere irdischen Leiber von einem Fehler überrascht
worden sind, sei es aus ererbter Schwachheit, sei es infolge Betörung
durch den Widersacher; der Wille oder das Herz stimmt dabei gar nicht oder
nur teilweise zu. Natürlich ist solches Fallen zu bedauern, und es ist
unsere Pflicht, unser Möglichstes zu tun, um es zu verhüten. Aber durch
die Gnade Gottes werden solche Sünden zuweilen Mittel zur Entwicklung
eines Charakters. Wir lernen dadurch, nicht auf uns selbst zu trauen, auf
unsere eigene Kraft zu pochen, sondern dass der Sieg, welcher die Welt überwindet,
aus Glauben kommt. Wenn die Neue Schöpfung also bemerkt, dass ihr Fleisch
in einem gewissen Stücke gefehlt hat, so muss sie in dem betreffenden
Punkte in Zukunft auf der Hut sein und stärker werden im Herrn und in der
Macht seiner Stärke, auf dass sie in den betreffenden Fehler weniger
leicht hineinverfalle. So lernen wir als Neue Schöpfungen Schritt für
Schritt unser Vertrauen nicht auf unser Fleisch zu setzen, sondern auf den
Herrn zu sehen, von woher uns in jeder Zeit der Not Hilfe kommt, stets
eingedenk des Umstandes, dass wir noch Neue Schöpfungen sind, und dass,
solange wir durch Glauben unter dem Verdienste des Sühnopfers Christi
verbleiben und uns bemühen, durch Selbsthingabe die Forderungen unseres
Liebesbundes zu erfüllen, „der Vater selbst uns liebt“. Lasset uns
guten Mutes sein und bedenken, dass die Neue Schöpfung nicht sündigt,
dass Sünde nicht der Neuen Schöpfung, sondern dem schwachen Fleisch zur
Last gelegt wird; dass also, solange wir wider die Sünde ankämpfen,
niemand die Auserwählten Gottes verklagen kann, da Gott es ist, der
rechtfertigt, und weil Christus für uns gestorben ist. – Röm. 8:33, 34
Wachstum
in der Würdigung des vollkommenen Gesetzes
Wenn auch das Gesetz der Liebe die
Grundlage unseres Bundes (Vertrages) mit dem Herrn, unter welchem wir Neue
Schöpfungen wurden, war, so erkannten wir doch nicht gleich von Anbeginn
den ganzen Umfang dieses Gesetzes. Seit jenem Augenblicke sind wir
vielmehr zu Christo in die Schule gegangen. Dort haben wir gelernt, was
Liebe alles bedeutet, haben in der Erkenntnis zugenommen, sind in der
Gnade gewachsen und haben uns neben dem Glauben die mannigfachen
Eigenschaften der Liebe erworben, als da sind: Freundlichkeit, Geduld, brüderliche
Liebe usw. Wir werden in dieser Schule immer gründlicher daraufhin geprüft,
ob wir uns auch die Liebe angeeignet haben, und nur die, bei denen diese
Prüfung befriedigend ausfällt, die sich über vollkommene Liebe
ausweisen, Liebe, die sich selbst dahingibt, werden würdig erachtet
werden, Glieder der Neuen Schöpfung, des Leibes Christi, zu sein.
Das
Laufen nach dem Ziele und das Festhalten bei demselben
Der Apostel stellt in einem weiteren
Bilde unsere Erfahrungen als einen Wettlauf dar, in welchem wir jede Bürde
und die leicht umstrickende Sünde ablegen, jede Schwachheit des Fleisches
bekämpfen und jedes irdische Ziel aus den Augen verlieren sollen, auf
dass wir mit Ausharren den uns im Evangelium vorgezeichneten Wettlauf
laufen und zum Kampfpreise der himmlischen Berufung hingelangen und, wenn
wir alles getan haben, auch an dem erreichten Ziele der Vollkommenheit in
Christo feststehen. - Phil. 3:13, 14; Eph. 6:13; Hebr. 12:1
Das sind Anspielungen auf einen
Wettlauf in der Rennbahn, wo an verschiedenen Punkten vorbei und über
verschiedene Hindernisse und Schwierigkeiten hinweg gekämpft werden muss.
An einem solchen Wettlauf nehmen wir mit dem Wunsche teil, das letzte Ziel
(die vollkommene Liebe) zu erreichen, wissend, dass, wenn wir es nicht
erreichen, wir nicht Gottes geliebtem Sohne ähnlich werden und somit Gott
nicht im weitesten Sinne wohlgefallen, nicht Miterben Jesu im Königreiche
werden können. Der ganze Wettlauf von Anfang bis zu Ende ist Liebe. Wenn
wir in die Rennbahn eintreten, geschieht es durch das Tor dankbarer Liebe
zu Gott, der uns in Christo so sehr begnadigt hat, dass er uns unsere Sünden
vergab. Diese geschuldete Gegenliebe treibt uns, unsere Leiber als
lebendige Opfer darzustellen. Wir sagten uns, dass, wenn Gott soviel für
uns getan hat, wir schuldig sind, ihm zu zeigen, dass wir es zu schätzen
wissen. Wie Christus sein Leben für uns dahingegeben hat, so sind wir
schuldig unser Leben für die Brüder niederzulegen.
Diese Pflichtliebe ist durchaus am
Platze, aber sie ist nicht alles. Sie muss die Vorstufe zu einer höheren
Liebe sein. Wir sind erst am Anfange unseres Wettlaufes und sind nun
daran, nebst der Pflichtliebe noch der auf Würdigung gegründeten Liebe,
dem ersten Merkpunkte, zuzustreben. Dies tun wir, nachdem wir anfangen,
die Liebe Gottes höher zu schätzen, nachdem wir erkannt haben, dass
dieselbe keineswegs selbstsüchtig, sondern der Ausdruck seines erhabenen,
edlen Charakters ist. Wir gelangen dazu, ein wenig von der Gerechtigkeit,
Weisheit, Allmacht und Liebe Gottes zu würdigen, und nachdem wir sie
begriffen haben, fangen wir an, sie zu lieben, und üben alsdann
Gerechtigkeit, nicht nur weil dies unsere Pflicht ist, sondern weil wir
die Gerechtigkeit lieben.
Nun heißt es, dem zweiten Merkpunkte
zuzustreben, indem wir nicht nur die Gerechtigkeit lieben, sondern auch
die Sünde hassen, den Plan Gottes, welcher darauf ausgeht, die Flut der Sünde,
welche die Welt überschwemmt hat, zurückzuwerfen, billigen und wertschätzen
lernen. Dieses Einverständnis mit Gott macht uns lebendig, treibt uns an,
zugunsten der Gerechtigkeit und wider die Sünde zu handeln.
Nun wächst die Liebe weiter und drängt
uns dem dritten Merkpunkte entgegen, wo wir nicht mehr nur aus Pflicht
lieben, wo unsere Liebe zur Gerechtigkeit nicht nur den Charakter Gottes
liebt und alles Böse, das der Menschheit Schaden zufügt und dem Plane
und Charakter Gottes zuwiderläuft, hasst, sondern wo wir anfangen, Gottes
Denkungsart in der Weise zu teilen, dass wir nicht nur der Sünde
widerstehen, sondern Liebe und Zuneigung zu allen fassen, die den Pfad der
Gerechtigkeit und Heiligkeit zu wandeln suchen. Dies befähigt uns, die Brüder
in einem anderen Lichte als zuvor zu betrachten. Wir können nun in ihnen
die Neuen Schöpfungen sehen und einen Unterschied zwischen diesen und
ihren irdischen Leibern, deren Mängel uns ersichtlich sind, machen. Wir
lernen die Brüder als Neue Schöpfungen lieben und ihre verschiedenen
Schwächen, falschen Entscheidungen des Fleisches usw. mitempfinden. So
lauter wird unsere Liebe für sie, dass wir uns freuen, wenn wir unser
Leben täglich, stündlich in ihrem Dienst niederlegen und unsere
irdischen Interessen, Freuden oder Bequemlichkeiten darangeben, um unsere
Zeit, unseren Einfluss oder sonst etwas dazu verwenden zu können, ihnen
zu helfen oder zu dienen.
Aber der letzte Merkpunkt liegt immer
noch vor uns; erst dort wird der Preis unser. Was kann das für eine Liebe
sein? Was kann größer sein als die Liebe, die sich für die Brüder
opfert, in voller Ergebung in Gott und die Forderungen der Gerechtigkeit
und Liebe? Es ist die vom Herrn selbst geforderte Liebe zu unseren
Feinden. Als wir Feinde waren, von Gott geschieden durch unsere bösen
Werke, da liebte Gott die Welt so, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.
Das ist ein Merkpunkt der vollkommenen Liebe; wir dürfen nicht vor
demselben stillstehen. Wer vom Herrn angenommen und ein Glied der Neuen
Schöpfung in Herrlichkeit werden will, der muss diese Feindesliebe
erreichen.
Jedoch nicht so sollen wir unsere
Feinde lieben, wie wir unsere Brüder lieben. Gott liebte seine Feinde
nicht in gleicher Weise wie seine Söhne, seine Freunde. Jesus selbst
liebte seine Feinde nicht, wie er seine Jünger liebte. Aber Gott liebte
seine Feinde so, dass er bereit war, für sie zu tun, was billigerweise für
sie getan werden konnte, und Jesus liebte seine Feinde so, dass er von
Herzen bereit war, ihnen Gutes zu tun - er erwidert ihren Hass nicht mit
Feindschaft, er trägt ihnen denselben nicht nach, sondern er ist bereit,
die Segnungen des Tausendjahrreiches über sie auszuschütten, sie alle
zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen, auf dass selbst die, welche ihn
durchstochen haben, zu ihm aufsehen und weinen werden, wenn Gott zur zuvor
bestimmten Zeit den Geist der Gnade und des Flehens über sie ausgießen
wird. (Sach. 12:10) Wir müssen jene Liebe für unsere Feinde haben, von
welcher der Herr in der Bergpredigt sagte: „Liebet eure Feinde, segnet,
die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die
euch beleidigen und verfolgen.“ (Matth. 5:44) Wir dürfen keine
Bitterkeit, kein Übelwollen, keine Rachegedanken in unseren Herzen wohnen
lassen; sie müssen vielmehr so voll Liebe sein, dass nicht einmal ein
Feind in ihnen einen bösen Gedanken wecken kann.
O, wie viel Langmut und brüderliche
Freundlichkeit setzt ein solcher Charakter voraus, den selbst ein Feind
nicht zu Bosheit, Hass und Streit anregen kann! Das ist der Merkpunkt, dem
wir als Neue Schöpfungen nachjagen müssen. Wir haben den Geist der Liebe
zu würdigen vorgegeben; wir haben vorgegeben, dass wir uns ihm geweiht
haben; wir haben unseren Wandel mit diesen Grundsätzen in Übereinstimmung
gebracht; jetzt will der Herr erproben, wie ernst es uns mit dem allem
gewesen ist, ob wir auch aufrichtig gewesen sind. Der Herr ist gütig und
gnädig genug, uns zu diesem Wettlauf Zeit zu lassen, diese Sinnesart allmählich
zu entwickeln. „Er kennt unser Gebilde, ist eingedenk, dass wir Staub
sind.“ (Psalm 103:14) Dennoch müssen wir den uns verordneten Wettlauf
zu Ende laufen, wenn wir als Mitglieder der Neuen Schöpfung Miterben mit
Gottes geliebtem Sohne werden wollen.
Unser Herr Jesus, der Anführer unseres
Heils, bedurfte dieses Wettlaufes nicht erst; er hatte es nicht nötig,
diese verschiedenen Stufen der Liebe zur Entwicklung zu bringen. Er war
vollkommen und besaß diese Eigenschaften von Anbeginn. Seine Prüfung
bestand darin, ob er unter widrigen Umständen bei dem Merkpunkte der
vollkommenen Liebe feststehen würde, ob er fortfahren würde, Gott und
seine Gerechtigkeit aufs höchste zu lieben, die Brüder zu lieben und
sein Leben in ihrem Dienste daranzugeben, seine Feinde zu lieben und sich
zu freuen, ihnen Gutes zu tun. Wir wissen, dass er diese Prüfung in allen
Stücken bestanden hat, dass er sein Leben hingab, nicht für seine
Freunde allein, sondern auch für seine Feinde, welche ihn als Kreuz
schlugen. So müssen auch wir bestehen. Wir müssen in unserer Gesinnung
den Merkpunkt dieser vollkommenen Liebe erreichen, ungeachtet dessen, dass
unser Fleisch nicht imstande ist, ihr vollkommenen Ausdruck zu verleihen.
Die einen mögen diesen Wettlauf rasch
durchlaufen, rasch an den verschiedenen Merkpunkten vorbeikommen und den
der vollkommenen Liebe erreichen. Andere haben weniger Eifer oder blicken
weniger aufmerksam auf den Anfänger unseres Glaubens; solche machen
weniger rasche Fortschritte und begnügen sich jahrelang mit Pflichtliebe
oder Liebe für den Charakter und die Gerechtigkeit Gottes. Derer, die
weiter kamen und die Liebe für die Brüder soweit entwickelt haben, dass
es sie freut, sich selbst zu verleugnen, wenn dadurch den Brüdern gedient
sein kann, derer sind nur wenige, und noch weniger sind derer, die die
vollkommene Liebe erreicht haben, die ihre Feinde so lieben, dass sie vor
dem bloßen Gedanken, ihnen durch Wort oder Tat Übles anzutun, zurückschrecken,
ja, dass sie sich freuen, ihre Feinde zu segnen. Wenn der Herr mit uns
solange Geduld gehabt hat, uns so reichlich Gelegenheit gegeben hat, ans
Ziel zu gelangen, dann sollten wir für dieses sein Erbarmen dankbar und
in unserem Ringen um den Preis um so eifriger sein, eingedenk, dass wir
nur wenig Zeit haben, und dass nur die vollkommene Liebe uns ermöglicht,
vom Vater als Neue Schöpfungen angenommen zu werden.
Wie unser Herr auf sein Feststehen an
dem Ziele der vollkommenen Liebe hin geprüft wurde, so wird auch ein
jeder von uns, nachdem wir es erreicht haben, geprüft werden. Wir dürfen
daher nicht erwarten, dieses Ziel erst bei unserem letzten Atemzuge zu
erreichen, nein, wir sollten es so schnell wie möglich zu erreichen
suchen. Gerade die Eile, mit der wir dem Ziele zustreben, wird für Gott
und für die Brüder den Maßstab abgeben, mit dem sie unsere Liebe und
unseren Eifer messen.
Des Apostels Worte: „Nachdem ihr
alles ausgerichtet habt, stehet!“ (Eph. 6:13) setzen voraus, dass,
nachdem wir am Merkpunkte der vollkommenen Liebe angelangt sind, wir an
Erprobungen derselben keinen Mangel leiden werden: unser Glaube, unser
Ausharren, unsere Liebe in allen Stücken werden auf die mannigfaltigsten
Proben gestellt werden. Diese Welt ist nicht derart, dass sie uns in der
rechten Richtung weiter helfen würde; Satan bleibt unser Widersacher und
wird uns viel Widerstand erwecken, um uns von dem erreichten Ziele zurückzutreiben.
Das ist unsere Erprobung. Wir müssen an allem, was wir erreicht haben,
festhalten. Wir müssen uns fest an das Ziel anklammern, und wenn es uns
unser irdisches Leben kosten sollte, das Niederlegen unseres Lebens im
Dienste Gottes, für die Brüder und im Gutestun allen Menschen gegenüber,
wie sich Gelegenheit bietet. „Treu ist, der euch ruft“; er hat uns
Unterstützung und Hilfe auf diesem unserem Wege verheißen und wird sie
uns zuteil werden lassen, sooft wir ihrer bedürfen. Seine Gnade genügt
uns. - 1. Thess. 5:24; 2. Kor. 12:9
Das Gesetz der Liebe ist, wie wir schon
gesehen haben, auch das Gesetz der Engel. Ihr Gehorsam gegen Gott und ihr
Einverständnis untereinander beruhen auf dieser Liebe. Und wenn der
Menschheit auch das Tausendjahrreich hindurch mannigfache Gebote gegeben
werden, um sie zur Vollkommenheit zurückzuführen, so können wir doch
dessen gewiss sein, dass diejenigen, welche am Ende dieses Reiches ewigen
Lebens würdig erachtet werden, über den bloßen Gehorsam den Geboten
gegenüber hinausgekommen sein werden. Das ursprüngliche Gesetz,
Gehorsam, und das Gesetz der Liebe, die ein Teil des göttlichen
Charakters ist, wird in ihre Herzen geschrieben sein. Die Söhne der
Wiederherstellung, diese Söhne Gottes menschlicher Ordnung, werden alle
diesen Geist der Liebe besitzen, ohne welchen es unmöglich ist, Gott zu
gefallen, denn er sucht Anbeter, die ihn im Geist und in der Wahrheit
anbeten. So sehen wir, dass, während Himmel und Erde ein Gesetz haben müssen,
dem nachgelebt werden muss, der geforderte Gehorsam so weit über alle
unsere irdischen und unvollkommenen Vorstellungen und Begriffe geht, dass
das einzige Wort „Liebe“ das ganze Gesetz ausdrückt, dem alle Söhne
Gottes (Neue Schöpfungen, Engel und Menschen) unterworfen sein werden.
Wie hoch erhaben und wunderbar ist doch der Charakter und Plan unseres
Gottes! Liebe ist die Erfüllung seines Gesetzes, und wir können uns kein
höheres Gesetz vorstellen.
Nachdem wir bis jetzt diesen Gegenstand
im allgemeinen behandelt haben, müssen wir noch darüber reden, dass die
Neue Schöpfung schon während ihres Wohnens im Fleische, und während sie
mehr oder weniger unter der Schwachheit und dem Widerstande desselben zu
leiden hat, ihr Verhalten zu den Brüdern und der Welt nach diesem Gesetz
der Liebe einrichten muss, nach dem neuen Gebot, das der Herr allen denen
gegeben hat, die seine Nachfolger werden. Dies soll geschehen in dem
Abschnitt:
Die
goldene Lebensregel
Gold
ist, wie wir schon sahen, das
Vorbild für Göttliches. Die goldene Lebensregel ist also die göttliche
Lebensregel, und diese ist, wie wir eben ausgeführt haben, Liebe. Das Höchste,
was der natürliche Mensch in der Richtung der Liebe erkennen kann, liegt
ausgedrückt in dem Verse:
„Was
du nicht willst, dass man dir tu’,
Das fug’ auch keinem andern zu.“
Das ist nur negative Güte. Im
Gegensatze dazu drückt sich die goldene Lebensregel, welche der Herr der
Neuen Schöpfung jetzt gibt, und welche von niemand anders als von der
Neuen Schöpfung völlig gewürdigt werden kann, positiv aus: „Alles
nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen.“
Das ist positive Güte, lebendige, werktätige Liebe. Wenn Glieder der
Neuen Schöpfung zuweilen verfehlen, dieser oder jener Vorschrift der
goldenen Lebensregel, des Gesetzes ihres Wandels, gemäß zu handeln, so
muss sie es, es sei denn, sei seien noch kleine Kindlein auf dem neuen
Wege, bitter gereuen. Ist dies so, liegt darin der Beweis, dass die
Verfehlung nicht absichtlich war, nicht aus dem Herzen kam, nicht ein
Abweichen der Neuen Schöpfung von ihrem Gesetze war, sondern ein
Nachgeben dem schwachen Fleische gegenüber, welches, mögen die Wünsche
und Absichten des Geistes noch so gut sein, strauchelt und uns zu Fall
bringt. Je mehr aber die neue Gesinnung Gott lebt und es sich angelegen
sein lässt, seinen Willen zu tun, um so rascher und eifriger wird sie bei
der Hand sein, um das „irdene Gefäß“, in welchem sie wohnt, zu überwachen.
Sie wird die Waffenrüstung Gottes anziehen, damit sie den guten Kampf
wider die Schwachheiten des Fleisches zu kämpfen vermag. Sie wird darauf
bestehen, dass ein begangener Fehler, in Wort oder Tat, mit hohem Zins
gutgemacht werde, und zwar so schnell wie möglich. So wird das „irdene
Gefäß“ beschämt und dadurch in seinem Widerstande gegen die neue
Gesinnung geschwächt.
Dieses Gesetz der Neuen Schöpfung ist
die Grundlage ihrer Beziehung zu Gott. „Du sollst Gott deinen Herrn
lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüte, von ganzem Wesen und mit
allen deinen Kräften.“ Da ist kein Raum mehr für Selbstliebe, es
befinde sich denn dieses Selbst mit Gott in völliger Übereinstimmung.
Dieses Gesetz ist ferner die Grundlage ihrer Beziehungen zu den Brüdern,
denn wie kann jemand Gott lieben, den er nicht sieht (außer mit dem Auge
des Glaubens), wenn er nicht die Brüder liebt, welche Gottes Sinnesart
haben, und welche er mit den natürlichen Augen sieht? (1. Joh. 4:20, 21)
Wenn er auf sein Verhalten den Brüdern gegenüber genau acht haben lernt,
für sie und an ihnen tut, was er möchte, dass sie für ihn und an ihm
tun möchten, so wird das in seinem Leben eine große Wandlung bedeuten.
Er wird gewahren, dass dies keineswegs das Gesetz war, nach welchem sich
ehedem sein Leben, sein Denken, Reden und Handeln richtete. Wie er wünscht,
dass die Brüder gütig an ihm handeln und freundlich zu ihm sprechen,
Geduld haben mit seinen Gebrechen und Schwachheiten, und den Mantel der
Liebe über die menschlichen Fehler decken, gerade so, merkt er, sollte er
es auch mit ihnen halten. Wie er wünscht, dass sie nicht Übles über ihn
aussagen, selbst wenn es der Wahrheit entspräche, so sollte er liebenswürdig
und freundlich zu ihnen sein und gegen niemand Böses aussagen, sondern
jedermann Gutes tun, insonderheit den Hausgenossen des Glaubens. Er wird
nicht mehr von anderen erwarten, als in ihrem Bereiche liegt zu tun,
gleichwie er wünscht, dass man auch von ihm nicht Unmögliches erwartet.
Nach denselben Grundsätzen wird sich auch sein Verhalten gegenüber der
Welt richten. Dies gibt allmählich dem Leben eine ganz neue Richtung, und
diese Wandlung vollzieht sich um so mehr, je mehr wir die Herrlichkeit des
Herrn anschauen. (2. Kor. 3:18), je stärker der Wunsch in uns wird,
Nachahmer der erhabenen göttlichen Sinnesart zu werden, deren Größe
eben im Verhalten dieser goldenen Lebensregel, diesem Gesetze der Liebe
gemäß, liegt.
Je mehr unsere vom Heiligen Geiste
gezeugte neue Gesinnung sich entwickelt, um so mehr werden unsere
Herzenseigenschaften „verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“;
und wenn wir so im Herzen und im Gemüte verwandelt werden (und soweit
dies möglich, auch äußerlich), werden wir reif, gemäß der göttlichen
Verheißung, für die große und endgültige Auferstehungs-Verwandlung,
wo, was in Schwachheit und Verweslichkeit gesät worden ist, auferstehen
wird in Kraft und Herrlichkeit, als Neue Schöpfung auf geistiger Stufe -
der Gesalbte (Christus) Gottes. Manche guten und wirksamen Ratschläge,
Ermahnungen und Anregungen werden uns von den Aposteln zuteil, und
verschiedene Brüder haben dieselben wiederholt, um uns nützlich zu sein;
allein das das Gesetz, das ganze Gesetz, dem die Neue Schöpfung von ihrem
Haupte unterworfen worden ist, ist das Gesetz der Liebe, die Goldene
Regel. Richtig verstanden, wird dieselbe bewirken, dass wir manche Dinge,
die wir bisher getan haben, nicht mehr tun, und manchen Dingen, die wir
bisher vernachlässigten, viel Beachtung schenken und Zeit und Kraft
widmen.
„Das
vollkommene Gesetz der Liebe“
Wenn jemand anfangs geneigt ist, zu
denken, der Herr habe der Neuen Schöpfung zuviel Freiheit gelassen, zu
wenig Regeln und Einschränkungen auferlegt, so ändert sich diese Ansicht
in dem Maße, wie die Länge und Breite, der Umfang dieses im Worte
„Liebe“ zusammengefassten Gesetzes Gottes erkannt wird. Der Apostel
nennt es (Jak. 1:25) „ein Gesetz der Freiheit“; aber Gott wendet
dasselbe nur bei den vom Heiligen Geiste gezeugten Neuen Schöpfungen an.
Auf andere findet dies Gesetz keine Anwendung. Andere sind entweder als
Knechte, welche noch nicht reif sind für „die Freiheit, mit der uns
Christus frei macht“, dem Gesetze Moses, oder aber als Fremde, die
keinen Gott und keine Hoffnung haben in dieser Welt, dem ursprünglichen
Gesetze, dem Todesurteile, unterstellt. Solche wissen nicht einmal etwas
von der Gnade Gottes, welche später der ganzen Welt helfen wird, jetzt
aber nur wenigen kundgemacht worden ist, während die große Masse vom
Widersacher verhindert wird, die Kunde von der Liebe und dem Heile Gottes
zu hören. Er verblendet den Sinn der Mehrheit der Menschheit und stopft
ihr die Ohren voll mit Lehren der Teufel usw. - 2. Kor. 4:4; 1. Tim. 4:1
Freiheit ist nicht für die Übelgesinnten.
Das bezeugt auch die menschliche Gesellschaft, wenn sie dieselben
einkerkert. So ist auch „das vollkommene Gesetz der Freiheit“ nicht für
Übelgesinnte, sondern nur für göttlich Gesinnte, für die Vollkommenen,
passend. Während des Tausendjahrreiches wird die Welt noch nicht unter
einem Gesetze der Liebe gelassen, sondern wird unter einem Gesetze des
Gehorsams gegenüber den Forderungen des Königreiches mit Gerechtigkeit
und Barmherzigkeit regiert werden. Erst am Ende jenes Reiches, wenn alle,
die willentlich Böses zu tun fortfahren, vom zweiten Tode dahingerafft
worden sind, wird das Menschengeschlecht, nachdem es sich als vollkommen
und die Anforderungen Gottes erfüllend ausgewiesen hat, unter das Gesetz
der Freiheit gestellt werden, unter die Goldene Regel - die Liebe. Solange
die Menschen aber „minderjährig“ sein werden, solange werden sie wie
Knechte behandelt werden. (Hebr. 13:17) Die Neue Schöpfung wird anders
behandelt, weil für sie „das Alte vergangen und alles neu geworden
ist.“ Sie hasst die Sünde und liebt die Gerechtigkeit und braucht ihre
Freiheit nicht zur Befriedigung, sondern zur Niederhaltung des Fleisches,
nicht um der Sünde zu frönen, sondern um irdische Interessen
daranzugeben, damit sie, vereint mit dem Herrn, die leicht umstrickende Sünde
ablegen und einst auch die Welt von der Sünde und ihrem Solde, dem Tode,
befreien helfen möge. Nur wer wiedergezeugt ist zu dieser neuen Sinnesart
der Gesinnung Gottes, nur wer Schüler geworden ist in der Schule Christi
und dort in seinen Fußstapfen wandeln lernt, nur der kann ohne Schaden
dem „Gesetz der Freiheit“ unterworfen werden. Wer aber alsdann den
Geist der Sohnschaft verliert, der hört auf, zu den Söhnen der Familie
Gottes zu gehören und steht nicht mehr unter dem „Gesetz der
Freiheit“.
Wer jetzt die Freiheit gebrauchen
lernt, mit der Christus uns frei macht, wer jetzt durch die Weihung unter
das vollkommene Gesetz der Liebe zu stehen kommt, wer sein Leben aus Liebe
für die Brüder und für die Wahrheit und Gerechtigkeit in deren Dienst
darangibt, wer in diesem Stücke treu bleibt bis in den Tod, der wird würdig
erachtet werden, als Gottes Werkzeug und Miterbe des Geliebten Anteil zu
erhalten an dem großen Werke der Segnung der Welt. Wie notwendig ist es
offenbar, dass diejenigen, welche die Lehrer, Helfer, Richter und
Herrscher der Welt, die Segner aller Geschlechter im Tausendjahrreiche
werden sollen, die Liebe in sich völlig auswachsen lassen und in
derselben erprobt werden, damit Gott sicher sein kann, dass er an ihnen
treue und barmherzige königliche Priester haben werde!