SCRIPTURE
STUDIES
VOLUME SIX - THE NEW
CREATION
STUDY
IX
Das
Gericht der Neuen Schöpfung.
Jehova ist der große
Richter des Weltalls. — Alle Segnungen, Vergünstigungen
usw. sind von Jehova, durch den Sohn. — Die Neue Schöpfung zukünftige
Genossin und Miterbin Jesu Christi. —
„Mir ist gegeben alle Gewalt im
Himmel und auf Erden.“ —
Des Vaters Urteil über die Menschen ist schon gefällt. —
Das Gericht während des Millenniums ist ein solches der Gnade
und des Beistandes. —
Das schließlich endgültige Gericht wird
Gerechtigkeit sein ohne Gnade. —
Die Beurteilung der Neuen Schöpfung während
des Evangeliums-Zeitalters. —
Die Neue Schöpfung nach Maßgabe des
vollkommenen Gesetzes der Liebe beurteilt. —
Das herrliche Haupt
beaufsichtigt die ganze Körperschaft. —
„Mit welcherlei Gericht ihr
richtet, werdet ihr gerichtet werden.“ —
Das richtige Selbstgericht. —
„Der mich richtet, ist der Herr.“ —
Die Kirche hat gelegentlich ein
Urteil zu fällen. —
„Wenn dein Bruder an dir sündigt.“ —
„Vergib
siebenzig mal siebenmal.“ —
Verfehlungen gegen die Herauswahl. —
„Wir
müssen alle vor dem Richterstuhl Gottes geoffenbart werden.“
Wir haben in Band 1, Kap. 7, ausgeführt,
wie die ganze Menschheit des ewigen Lebens unwürdig erklärt wurde durch
den obersten Gerichtsherrn, Jehova, als ihr Stammvater Adam in der Prüfung
nicht bestand. „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen
und durch die (infolge der) Sünde (das Strafurteil) der Tod, und also ist
der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.“
(Röm. 5:12) Der Fall und die Verurteilung Adams besiegelten den Fall und
die Verurteilung aller seiner Nachkommen. Sein Schade, seine Sünde, seine
Schuld vererbten sich auf natürliche Weise auf seine Nachkommen und
nahmen immer mehr zu an Wucht und Umfang. Das Urteil über die Menschheit
war ein absolut gerechtes und ist darum unwiderruflich. Der große Richter
des Weltalls konnte nicht, nachdem er den Menschen von Rechts wegen ewigen
Lebens unwürdig erklärt hatte, sein eigenes Urteil aufheben, Unrecht für
Recht und Unwürdige würdig erklären, ewig zu leben. Aber er hatte
Mitleid mit uns, und in seinem gnadenvollen Plane, den er vor Grundlegung
der Welt entworfen, hatte er eine Erlösung (einen Rückkauf) des ganzen
Geschlechtes in Aussicht genommen und vorbereitet (Band 5), damit ein
jeder einzelne für sich auf die Probe gestellt werden könne. Dabei war
seinem geliebten Sohne, dessen Erlösungswerk die Aussöhnung des Menschen
mit Gott ermöglichte, die Rolle des Mittlers in dieser Vorkehrung für
die Segnung und Wiederherstellung unseres Geschlechtes zugedacht. Als die
Zeit, da diese Segnung und Wiederherstellung der Gehorsamen stattfinden
soll, haben wir seinerzeit das Tausendjahr-Zeitalter erkannt. Dasselbe ist
der Tag, an welchem die Welt gerichtet wird, an welchem einem jeden
Gelegenheit gegeben wird, nicht nur den Herrn zu erkennen und sich mit ihm
auszusöhnen, sondern auch durch aufrichtigen Gehorsam sich ewigen Lebens
würdig zu erweisen. Wie geschrieben steht: „Gott hat einen Tag gesetzt,
an welchem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann,
den er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben indem er
ihn auferweckt hat aus den Toten.(Band 1, Studie/Kap. 8) - Apg. 17:31
Ohne alle Frage ist Jehova selbst der
oberste Herrscher und Richter und sein Gesetz die höchste Richtschnur,
mit welcher alle Entscheidungen betreffs ewigen Lebens übereinstimmen müssen.
So redet der Apostel von „Gott, dem Richter aller“, und dass damit der
Vater gemeint ist, geht daraus hervor, dass er im gleichen Satze auf Jesum
als den Mittler Bezug nimmt. (Hebr. 12:23, 24) Wiederum lesen wir: „Jehova
wird sein Volk richten“, und: „Mein ist die Rache, ich will vergelten,
spricht der Herr.“ (Röm. 12:19; Hebr. 10:30) In diesen (aus Psalm 50:4
und 5. Mose 32:35, 36) zitierten Versen ist von Jehova die Rede;
gleicherweise in Röm. 2:16 und 3:6, wo es heißt: „Gott wird das
Verborgene der Menschen richten durch Jesum Christum.“ Jehova war der
Gesetzgeber und Richter von jeher und wird in dieser Stellung seiner
ganzen Schöpfung gegenüber verbleiben. Er wird seine Ehre keinem anderen
geben. (Jes. 42:8) Gleicherweise zeigt er uns durch die Schrift, dass er
der Hirte seines Volkes ist.
„Jehova ist mein Hirte, mir wird
nichts mangeln.“ (Psalm 23:1) Anderswo bezeichnet er sich selbst als den
Erlöser seines Volkes: „Alles Fleisch wird erkennen, dass ich, Jehova,
dein Heiland bin.“ (Jes. 49:26) Im höchsten Sinne des Wortes ist Jehova
selbst der Mittelpunkt seines ganzen Heilsplanes und aller seiner Teile.
Jede andere Ansicht von Gott ist mangelhaft.
Dennoch gefiel es dem Vater wohl, alle
Dinge durch den Sohn zu erschaffen (Joh. 1:1), den er zu seinem höchsten
Werkzeuge machte. Aller Segen, alle Gewalt, alle Gunst kommt zwar vom
Vater, aber durch den Sohn (zu uns), und da die Neue Schöpfung Miterbin
des Sohnes werden soll, wird auch sie teilhaben an dieser ihm übertragenen
Macht, zu richten, zu strafen und zu segnen. - Offb. 20:4
So vollständig ruht der himmlische
Vater von „all seinem Werk“ und braucht den Sohn als seinen
hochgeehrten Vertreter, dass unser teurer Erlöser seinerseits sagen
konnte: „Der Vater richtet niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem
Sohne gegeben.“ (Joh. 5:22) Unser Herr tat diese Äußerung, schon bevor
er das Werk, das sein Vater ihm zu tun aufgegeben, auf Golgatha vollendet
hatte. Er stellte sich dabei auf den Standpunkt des bereits vollendeten
Werkes; das konnte er, weil er von seiner Taufe an auf Probe stand, und
weil er seine Befähigung zum Richter durch Bestehen dieser Probe bis in
den Tod erweisen musste. Durch seinen Opfertod bewies er dann einerseits
seine Fähigkeit zu einem Hohepriester voller Treue und Barmherzigkeit;
andererseits verbürgte er durch sein Blut einen Neuen Bund für die
Menschheit und eröffnete den neuen Weg zum Leben und erhielt „die Schlüssel
des Todes und des Hades“, das Recht, zu den Gefangenen im großen Gefängnis
des Todes zu sagen: „Kommet hervor!“, zu segnen und wiederherzustellen,
wer immer auf seine Stimme hören wird. Genau genommen war dem Sohne alles
Gericht erst seit seiner Auferstehung übergeben; von da an war ihm
gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden (Matth. 28:18), und seine
erste Regierungstat war die Bestellung der Apostel als seine
Stellvertreter, mit dem Auftrage, das Werk der Sammlung der Glieder der
Brautklasse, der Kirche, der Herauswahl, der Glieder der Neuen Schöpfung,
zu beginnen.
Des
Vaters Urteil war längst gefällt; es lautete auf Tod gegen alle Angehörigen
des gefallenen Geschlechtes, und anders kann dieses Urteil nicht lauten,
da alle gesündigt haben und des Ruhmes ermangeln, den sie vor Gott haben
sollten. „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer“, und vor Gott kann
nur bestehen, was durchaus gerecht und vollkommen ist. Nach Gottes Plan
und Vorkehrung wurde unser Herr Jesus der Mittler, der Bürge, welcher die
Schuld des gefallenen Geschlechtes bezahlte, den Forderungen, welche die
Gerechtigkeit an dasselbe stellte, genügte, und dadurch der Sachwalter
desselben vor Gott wurde. Dies wird er bleiben, bis er seine Aufgabe als
Mittler zu Ende geführt, bis er alle diejenigen mit Gott wieder ausgesöhnt
hat, welche, nachdem sie zu einer völligen Erkenntnis des Schöpfers und
seiner gerechten Gesetze gebracht worden sind, mit denselben völlig in Übereinstimmung
zu stehen und ihnen entsprechen zu können wünschen. Ja noch mehr: Das
„ganze Gericht“, das ihm übergeben, umfasst auch die Vollstreckung
des Urteils gegen diejenigen, „welche die Erde [menschliche Gesellschaft]
verderben“, die böswilligen Sünder; alle, welche auf seine Stimme,
seine Befehle, seine Belehrungen nicht hören werden, wird er hinwegraffen
aus der Mitte des Volkes, wenn er alle Sünde und Widersetzlichkeit, alle
Feinde, den letzten (den Tod) inbegriffen, unterdrücken wird. - Apg.
3:23; 1. Kor. 15:25-28; Offb. 11:18; 2. Thess. 2:8;
Hebr. 2:14
Die Amtsgewalt des Herrn wird während
des Tausendjahr-Zeitalters zunächst die eines Mittlers sein. Er wird in
dieser Eigenschaft den Schwachheiten der Menschen Rechnung tragen, strafen
oder belohnen zum Zweck der Besserung, und sodann an Jehovas Statt, als
dessen Stellvertreter, am Schlusse des tausendjährigen Reiches den Würdigbefundenen
ewiges Leben als Lohn und den Unwürdigen ewige Vernichtung (den zweiten
Tod) als Strafe erteilen. Dieses letzte Gericht wird nach den Richtlinien
absoluter Gerechtigkeit ohne alle Nachsicht stattfinden. Was früher die
Nachsicht bezweckte, wird die tausendjährige Herrschaft Christi erreicht
haben, unter welcher jedem Gliede des gefallenen Geschlechtes von seinem
Erlöser Gnade und Hilfe angeboten wird.
Der Leib Christi (d.h. die Körperschaft
des Christus), die Herauswahl, wird Anteil haben an all den verschiedenen
Aufgaben des Hauptes, am Helfen und Bessern, Segnen und Strafen, Richten
und Regieren während des tausendjährigen Reiches der Gnade und Hilfe und
möglicherweise auch an der Zuerkennung und Vollstreckung des ewigen
Lohnes und der ewigen Strafe.
Bevor wir nun an die nähere
Betrachtung des Gerichtes an der Neuen Schöpfung während des dem
Tausendjahrreiche vorangehenden Evangeliums-Zeitalters herantreten, müssen
wir uns gründlich einprägen, dass alle Maßnahmen des Millenniums vom
Vater stammen und durch den Sohn und die Herauswahl vollstreckt werden.
Darum besteht kein Widerspruch zwischen der Erklärung, dass, wie Gott
unseren Herrn Jesus auferweckte durch seine eigene Macht, er auch uns
auferwecken werde, und den Aussagen Jesu: „Ich will ihn auferwecken am
letzten (siebenten) Tage (im siebenten Jahrtausend)“; - „Ich werde
wiederkommen und euch zu mir nehmen“; - „Ich bin die Auferstehung und
das Leben“. - 1. Kor. 6:14; Joh. 6:39; 14:3; 11:25
Das Gericht an der Neuen Schöpfung
(die Erprobung derselben) muss stattfinden, bevor das Tausendjahrreich in
Macht aufgerichtet ist, weil die Neue Schöpfung, Haupt und Leib, die
Regierungsherrschaft im Tausendjahrreich ausüben wird. Das Gericht an der
Herauswahl findet somit im Evangeliums-Zeitalter statt. Darum sagt der
Herr, dass sie nicht ins Gericht komme (mit der Welt, dass der tausendjährige
Gerichtstag der Welt nicht auch ihr Gerichtstag sein werde), sondern (schon)
aus dem Tode in das Leben hindurchgedrungen sei (vor der Welt), da sie aus
Glauben und durch Gehorsam gerechtfertigt worden sei. (Joh. 5:24) So ist
denn die gegenwärtige Zeit, das jetzige Leben, eines jeden Geweihten
Gerichtstag, an welchem er geprüft wird, ob er sich unter den Bedingungen
seiner Berufung und Weihung auch ewigen Lebens würdig zeige, wie der
Apostel sagt: „Das Gericht (griech.: „krima“, Entscheidung) muss
anfangen (zuerst stattfinden) beim Hause Gottes.“ (1. Petr. 4:17) Es
gibt der Neuen Schöpfung einen höheren Begriff von den Anforderungen
Gottes, von den Bedingungen, an welche ewiges Leben geknüpft ist, wenn
sie bedenkt, dass diejenigen, welche der Sünde den Rücken gekehrt und
sich in ihren Herzen der Erkenntnis und der Befolgung des göttlichen
Willens zugewandt haben, durch eine Prüfungszeit hindurchgehen müssen,
damit sie erprobt werden, damit sie einen Charakter heranbilden können,
an welchem der Herr Wohlgefallen finden kann.
Wer
richtet die Neue Schöpfung, und nach welchem Gesetze
oder
Maßstabe wird sie gerichtet?
Wir antworten: Unser himmlischer Vater
selbst richtet uns gemäß dem vollkommenen Gesetz der Liebe - wir sind
durch ihn gerecht gemacht („Gott ist es, welcher rechtfertigt“); unser
Weihegelübde wurde an ihn gerichtet; und alle Neuen Schöpfungen, das
Haupt sowohl als auch die Glieder, sind dem Vater als dem Richter
verantwortlich. Allein, das ändert nichts an der Tatsache, dass, wenn er
mit uns verkehrt und uns erlaubt, vor den Thron der himmlischen Gnade zu
treten, dies nur deshalb der Fall ist, weil er uns annehmbar gemacht hat
in dem Geliebten, unserem Herrn und Haupte, mit dessen Gerechtigkeit
allein angetan wir Zutritt und Gnade beim Vater finden können. Alle
Gewalt und Macht ist dem Sohne gegeben; er ist des Vaters Werkzeug oder
Vertreter; und obgleich wir direkt mit dem Vater verkehren, wird uns der
Zutritt zu ihm nur durch unseren Fürsprecher (1. Joh. 2:1) gewährt -
etwa wie einem Angeklagten durch seinen Verteidiger bei einem menschlichen
Gerichtshofe. Die Welt wird im Tausendjahr-Zeitalter weder Zutritt, noch
direkten Verkehr mit dem Vater haben durch einen Fürsprecher, sondern sie
wird im Gegenteil direkt mit dem Christus zu tun haben, bis dieser, am
Ende seines Reiches, die Wiederhergestellten oder Vollkommengemachten dem
Vater darstellen wird.
Die Neuen Schöpfungen sind alle vom
Vater gezeugt, sie sind seine, nicht Christi Kinder, und der Vater ist es,
der einen jeglichen Sohn züchtigt, den er annimmt. Auch werden wir
angewiesen, zum Vater zu beten, nachdem uns Jesus, unser Erlöser (Rückkäufer),
den Weg zu seinem Thron eröffnet hat. Darum bleiben die Worte unseres Erlösers
doch durchaus wahr: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Das
Verhältnis des Herrn Jesus zu der Herauswahl ist gleich dem des Hauptes
zum Leibe: Das Haupt kennt, beurteilt und bestimmt alle Bedürfnisse des
Leibes, es leitet ihn, schafft Schwierigkeiten aus dem Wege, gewährt
Erleichterung, Hilfe und Trost, stützt und stärkt ein jegliches Glied
und benutzt oft andere Glieder des Leibes zu solchen Hilfeleistungen.
Dennoch darf dieses ganze Werk, da es doch in des Vaters Namen und auf
seine Weisung hin geschieht, angesehen werden als vom Vater und durch den
Sohn. - 1. Kor. 8:6
So lesen wir denn auch in 1. Petr.
1:17: „Wenn ihr den als Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person
richtet“ - und (Joh. 15:1, 2): „Mein Vater ist der Weingärtner. Jede
Rebe in mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die
Frucht bringt, die reinigt er, auf dass sie mehr Frucht bringe.“ Dabei
wird aber voll anerkannt, dass alle diese Züchtigungen, Reinigungen usw.
durch das Haupt an uns vollzogen werden; denn der Apostel sagt wiederum:
„Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“
Damit belehrt er uns, dass wir nicht direkt in den Händen des lebendigen
Gottes sind, nicht unmittelbar mit seinem unbeugsamen Gesetze in Berührung
stehen. Wir sind vielmehr in Christo Jesu, gekleidet in sein Verdienst,
behandelt als Glieder seines Leibes, unter den gnädigen Vorkehrungen des
abrahamischen Bundes, auf uns anwendbar gemacht durch sein Blut.
Die
Oberaufsicht des herrlichen Hauptes über
den Leib
Wir können an der Liebe und Fürsorge
unseres herrlich gemachten Hauptes zu seiner Kirche - dem Leibe, der Braut
-, nicht zweifeln, auch wenn uns in diesem Stücke keine ausdrückliche
Erklärung gegeben worden wäre. Trotzdem gibt es eine solche Erklärung
in seiner letzten Botschaft an seine Getreuen; er zeigt ihnen, dass er es
ist, der die gegenbildlichen Leviten einschließlich der königlichen
Priesterschaft reinigt und läutert. Vernimm seine Worte zu den sieben
Versammlungen in Kleinasien, den Stellvertretern der sieben Perioden in
den Erfahrungen der einen Kirche:
„Gedenke nun, wovon du gefallen bist,
und tue Buße; wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter
aus seiner Stelle wegrücken ... Sei getreu bis zum Tode, und ich werde
dir die Krone des Lebens geben ... Ich habe ein weniges wider dich ... tue
nun Buße, wenn aber nicht, so komme ich dir bald und werde Krieg mit
ihnen führen mit dem Schwerte meines Mundes. Dem, der überwindet, dem
werde ich von dem verborgenen Manna geben ... Aber ich habe wider dich,
dass du das Weib Jesabel duldest; ich gab ihr Zeit, auf dass sie Buße täte,
... ich werfe dich in große Drangsal ... und ihre Kinder werde ich mit
Tod töten, und alle Versammlungen werden erkennen, dass ich es bin, der
Nieren und Herzen erforscht; und ich werde euch einem jeden nach euren
Werken geben ... Wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem
werde ich Gewalt über die Nationen geben ... Ich habe deine Werke nicht völlig
(vollkommen, vollgewichtig, d. Übers.) erfunden vor meinem Gott Wer überwindet
... dessen Namen werde ich nicht auslöschen aus dem Buche des Lebens ...
Dieses sagt, der den Schlüssel des David hat, der da öffnet, und niemand
wird schließen, und schließt, und niemand wird öffnen ... Siehe ich
werde machen, dass die aus der Synagoge Satans kommen werden und sich
niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.
Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich
bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis
kommen wird ... Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in
dem Tempel meines Gottes ... Weil du lau bist und weder kalt noch warm, so
werde ich dich ausspeien aus meinem Munde ... Ich rate dir, Gold von mir
zu kaufen, geläutert im Feuer, auf dass du reich werdest ... Ich überführe
und züchtige, so viele ich liebe; sei nun eifrig und tue Buße!“ - Offb.
2 und 3
Wir erinnern uns ferner an die beiden
Gleichnisse von den anvertrauten Pfunden und Talenten, in welchen der Herr
zeigt, dass er bei seiner Rückkehr seine Getreuen belohnen und denen
ewiges Leben geben wird, welche durch geduldiges Ausharren im Gutestun
Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit gesucht haben. Die anderen erwartet
Zorn am Tage des Zornes. Aus dem Gleichnis von den anvertrauten Pfunden
ist zu schließen, dass der Lohn je nach dem Grade der Treue verschieden
sein wird; mit den Feinden wird abgerechnet, nachdem die Treuen belohnt
worden sind. Wenn der Apostel beides, das Belohnen und Strafen, dem Vater
zuschreibt, so liegt hierin insofern kein Widerspruch, als eben der Vater
und der Sohn „eins“ sind und in voller Übereinstimmung wirken.
„Richtet
nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet; denn mit
welchem
Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden“
-
Matth. 7:1, 2 -
Die allein zuständigen Richter der
Herauswahl sind der Vater und der Sohn, der letztere in seiner Eigenschaft
als des Vaters Vertreter, dem alles Gericht übergeben ist. (Joh. 5:22,
27) Die Neuen Schöpfungen sind nicht zuständige Richter, die fähig wären,
eine über die andere zu richten, und zwar aus zwei Gründen: 1. weil nur
wenige das göttliche Gesetz der Liebe, das alles regiert, völlig
erfassen und beherrschen; 2. weil nur wenige auch ihr eigenes Herz gründlich
kennen. Manche beurteilen dasselbe zu mild, andere beurteilen es zu streng;
sie sollten daher in aller Bescheidenheit ablehnen, über die Herzen
anderer zu Gericht zu sitzen, deren Beweggründe sie möglicherweise gar
nicht kennen. Wegen dieser unserer Unfähigkeit zu richten, verbietet der
Herr unter seinen Nachfolgern alles Einzelrichten. Später, ja, wenn sie
durch die erste Auferstehung dazu befähigt worden sind, wird das Richten
eine ihrer Aufgaben im Königreiche sein. Wenn sie aber jetzt einander zu
richten fortfahren, droht ihnen der Herr, dass sie nicht mehr
Barmherzigkeit und Milde zu erwarten hätten, als sie selber an den Tag
legten. (Matth. 7:2; Luk. 6:38) Derselbe Gedanke findet einen sehr kräftigen
Ausdruck in der fünften Bitte des Vaterunsers: „Vergib uns unsere
Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben.“ - Matth. 6:12
Damit ist nicht gesagt, dass uns der
Herr nach bloßer Willkür, ungerecht, herzlos beurteilen wird, wie wir es
anderen gegenüber getan haben. Im Gegenteil: Gott handelt gerecht. Wir
sind „von Natur Kinder des Zornes“, „Gefäße, zubereitet zum
Verderben“; und wenn auch der Herr in seiner großen Gnade und
Barmherzigkeit beabsichtigt, uns zu segnen, von unseren Sünden und
Schwachheiten zu befreien, ja uns vollkommen (Matth. 5:48) zu machen durch
unseren Erlöser, so tut er dies alles nur unter der bestimmten Bedingung
und Voraussetzung, dass wir das Gesetz der Liebe als unser Gesetz
anerkennen und von Herzen mit demselben einverstanden sind. Gott
beabsichtigt und wünscht keineswegs, nicht Wiedergeborene, „Kinder des
Zornes“, in seine Familie aufzunehmen. Wer eine der Wohnungen (Daseinsformen)
in des Vaters Hause (Joh. 14:2) beziehen will, der muss zuerst aufgehört
haben, ein Kind des Zornes zu sein und muss ein Kind der Liebe werden; er
muss von Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt werden durch die
Gesinnung unseres Herrn, den Geist der Liebe. Wer denselben weiter zu
entwickeln ablehnt, wer im Widerspruch dazu fortfährt, Mitjünger lieblos
zu beurteilen, der beweist eben dadurch, dass er nicht zunimmt an
Erkenntnis und Gnade, dass er nicht von Herrlichkeit zu Herrlichkeit
verwandelt wird bis zur Ähnlichkeit mit dem Herrn, dass er nicht ein
wahrer Nachfolger des Herrn ist. Ein solcher kann nicht erwarten, dass ihm
mehr Erbarmen zuteil werde, als er selber zeigte bei seinem Versuche, des
Herrn Nachahmer zu sein. Der Grad seiner Ähnlichkeit mit dem Herrn kann
beobachtet werden an seiner Liebe, seinem Erbarmen für seine Mitjünger,
an seinem Edelsinn, wie er in Gedanken (Urteilen), Worten und Werken
zutage tritt.
O, möchten doch alle Geistgezeugten,
alle „Neuen Schöpfungen“ sich gegenwärtig halten, dass dieser Geist
des Richtens, der, ach, so verbreitet, ja, die dem Volke Gottes am hartnäckigsten
anklebende Sünde ist, einen Mangel an Liebe, an der Gesinnung Christi,
bedeutet, und deren vollständiges Fehlen verrät, wer nicht zu ihm gehört.
(Röm. 8:9) Wir sind überzeugt, dass, je rascher dies verstanden wird, um
so rascher auch die Verwandlung „von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“
fortschreitet, ohne welche wir schließlich nicht Glieder der Neuen Schöpfung
werden können.
Allein nur wenige von des Herrn Volk
sind sich bewusst, wie viel sie richten, und das mit einer Schärfe, die
sie vom Königreich ausschließen würde, wenn der Herr ihnen in
entsprechendem Maße vergelten würde. Wir hätten, da doch der Herr
verheißen, dass, mit welcherlei Gericht wir andere richten, wir selbst
gerichtet werden sollen, fürchten können, dass wir zu gütig, zu
barmherzig urteilen und den Grundsatz: „Denkt nichts Böses“ bis in
ein unbegrenztes Extrem befolgen würden. Davon ist leider das Gegenteil
der Fall. Die Neigungen unserer gefallenen Natur gehen sämtlich nach
entgegengesetzter Richtung. Mehr als 18 Jahrhunderte sind es her, seit der
Herr uns den gütigen Vorschlag machte, uns zu messen, mit welcherlei Maß
wir andere messen würden; aber wie wenige sind es, die, gestützt auf
diese Verheißung, auf viel Erbarmen Anspruch haben. Es wird nutzbringend
sein, uns selbst auf unsere Geneigtheit zum Richten hin zu prüfen. Lasst
es uns im Gebet tun.
Die gefallene oder fleischliche
Gesinnung ist selbstsüchtig, und je mehr sie sich selbst sucht, um so
weniger sucht sie, was für des anderen Wohl ist. Darum ist sie auch stets
bereit, uns selbst zu billigen und zu entschuldigen und andere zu
missbilligen und zu verdammen. Das ist uns so natürlich wie das Atmen,
und je gebildeter einer ist, um so mehr neigt er dazu. Er anerkennt höhere
Ideale, einen höheren Maßstab, vergleicht einen jeden damit und gewahrt
dann natürlich, dass es bei allen in einigen Stücken fehlt. Es ist ihm
ein Genuss, die Verirrungen und Schwachheiten der anderen aufzudecken,
wobei er seine eigenen Fehler übersieht. Ja, es kommt vor, dass ein
solcher heuchlerischerweise die Schwachheiten eines anderen zu dem Zweck
aufdeckt, um die Aufmerksamkeit von seinen eigenen Mängeln abzulenken und
den Eindruck zu machen, in dem Stücke sei er denn doch ein besserer
Mensch. Das ist, ohne Umschweife gesagt, die verächtlichste Neigung der
alten gefallenen Natur. Die neue, vom Geiste des Herrn, vom Heiligen
Geiste der Liebe, gezeugte Gesinnung liegt vom ersten Augenblick an im
Kampf mit dieser alten selbstsüchtigen Gesinnung; das Wort des Herrn, das
neue Gesetz der Liebe, die Goldene Regel, führt sie dazu, und je mehr wir
zunehmen an Erkenntnis und Gnade bei Gott, um so rücksichtsloser wird der
Kampf gegen die Selbstsucht. Anfangs sind alle „Neuen Schöpfungen“
nur Kindlein in Christo, welche nur nebelhafte Begriffe von dem neuen
Gesetze haben; wächst aber die „Neue Schöpfung“ nicht, und würdigt
sie nicht mehr und mehr das Gesetz der Liebe, so kann sie sicher sein, den
großen Preis zu verlieren.
Das Gesetz der Liebe sagt: Es ist schändlich,
die Schwachheiten und Unzulänglichkeiten von Brüdern oder anderen vor
der Welt aufzudecken; es ist schändlich, dass Mitleid und Erbarmen nicht
sofort ein Wort zu ihren Gunsten äußern, wenn es schon zu spät ist, sie
durch den Mantel der Liebe gänzlich zuzudecken. Unser edler, liebevoller
Meister hat uns in diesem Stücke eine gute Anleitung hinterlassen, indem
er auf die Aufforderung, eine Sünderin zu verurteilen, antwortete: „Wer
unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Wer
selbst fehlerfrei ist, wäre am Ende zu entschuldigen, wenn er auch ohne
vorheriges Geheiß des Herrn Übeltäter strafen oder brandmarken würde.
Aber der einzige fehlerfreie Mensch, den es je gab, unser Meister, hat ein
Herz so voller Liebe, dass er lieber übersah und verzieh, als strafte,
tadelte und an den Pranger stellte. So wird es auch zweifellos mit allen
Geistgezeugten sein: je ähnlicher sie ihm werden, um so weniger werden
sie um die göttliche Rache bitten, um so weniger werden sie strafen mit
der Zunge oder sonst wie, bis es sie der große Richter ausdrücklich tun
heißt. Für jetzt gilt vielmehr das Wort: „Richtet nichts vor der
Zeit“, und: „Mein ist die Rache, spricht der Herr.“
Schön hat der Apostel den Geist der
Liebe beschrieben, wenn er sagt: „Die Liebe ist langmütig, ist gütig
(dem Beleidiger gegenüber); die Liebe neidet nicht (den Erfolg anderer,
sucht nicht denselben zu schmälern oder in den Augen anderer
herabzusetzen]; die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf (und
trachtet daher niemals, den Glanz anderer zu mindern, damit der eigene
Glanz um so heller erscheine); sie gebärdet sich nicht unanständig (hat
keine maßlosen selbstsüchtigen Wünsche und wendet keine rücksichtslosen
Mittel an, um etwas zu erreichen); sie sucht nicht das Ihrige (d.h. sie
begehrt nicht die Ehre oder den Reichtum oder die Berühmtheit anderer,
sondern freut sich, dass sie damit gesegnet sind, und würde diesen Segen
lieber mehren als vermindern), sie lässt sich nicht erbittern (ist nicht
rachsüchtig, sondern voller Erbarmen in dem Gedanken an den großen
Schaden, den das ganze Geschlecht vom Falle Adams davongetragen), sie
denkt nichts Böses (nicht nur erfindet und erdenkt sie nichts Böses,
sondern in jedem Zweifelsfalle ist ihr die mildere Annahme natürlich, und
böse Vermutungen liegen ihr fern) (vergl. 1. Tim. 6:4), sie freut sich
nicht der Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit (ob
dem, was richtig, recht ist; darum freut es sie, edle Aussagen und Taten
bekannt zugeben, und vermeidet sie, unedle Worte und Werke aufzudecken);
sie deckt alles zu (mit dem Mantel des Mitgefühls, weil niemand und
nichts vollkommen ist und ein rücksichtsloses Nachschauen erträgt. Da
geht die Liebe voraus und hält ihren Mantel stets bereit), sie glaubt
alles (sie zieht die guten Absichten der anderen nicht in Zweifel), sie
hofft alles (indem sie dem Gedanken, dass jemand ganz schlecht sei, nach
Kräften und solange wie möglich wehrt), sie erduldet alles (sodass es
nicht möglich ist, ihrem Vergeben dem Reuigen gegenüber eine Grenze zu
stecken). Die Liebe vergeht nimmer (andere Gnadengaben mögen ihre Zwecke
erfüllen und alsdann vergehen, Liebe dauert ewig, darum ist sie größer
als Glaube und Hoffnung).“ - 1. Kor. 13:4-13
Wenn es nun schon gegen das Gesetz der
Liebe, gegen die Goldene Regel verstößt, Ungünstiges über jemanden
herumzubieten, sofern es wahr ist, was sollen wir erst von der schlechten,
lieblosen, verbrecherischen Gewohnheit von Weltleuten, Namenchristen, und
sogar von wahren Christen sagen, üble Nachrede zu üben, selbst wo man
etwas Ungünstiges nicht einmal sicher weiß. O, welche Schande, dass
einige von Gottes Volk des Herrn Ermahnung: „Redet Böses von
niemandem“ so missachten können, und dass solche, die nicht mehr
Neulinge im Gesetze der Liebe und kleine Kindlein in Christo sind, seine
Belehrung so sehr missverstehen können, dass, selbst ohne unzweifelhafte
Zeugnisse aus dem Munde von zwei oder drei Zeugen, und auch dann nur mit
Widerstreben, Böses von einem Bruder oder Nachbarn geglaubt, ja sogar
herumgeboten wird, dass üble Nachrede auf bloße Vermutung oder auf Hörensagen
hin geübt wird! - Titus 2:3
Wir
sollten uns selbst richten
„Wenn
wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet
(vom
Herrn bestraft oder zurechtgewiesen)“
-
1. Kor. 11:31 -
Die Befolgung der Goldenen Regel würde
allem „Schwatzen“ über andere und ihre Verhältnisse ein Ende machen.
Welcher Verleumder wünscht, dass er verleumdet wird? Wo ist der Schwätzer,
der wünscht, dass öffentlich oder im Vertrauen über seine
Angelegenheiten, Schwierigkeiten oder Schwachheiten gesprochen würde? Die
Welt hat nicht viel anderes zu besprechen als das; aber die Neuen Schöpfungen
tun besser, stumm zu bleiben, bis die Liebe und die Kenntnis des Planes
Gottes ihr den großen Besprechungsgegenstand nahe gebracht, von dem die
Engel sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und an den
Menschen ein Wohlgefallen.“ Dann werden die Worte ihres Mundes und die
Überlegungen ihres Herzens dem Herrn wohlannehmlich und für alle
diejenigen ein Segen sein, mit denen sie in Berührung kommen.
Der Apostel zeigt, wie groß der
Einfluss der Zunge ist. Sie kann freundliche Worte verbreiten, die niemals
vergehen, vielen Lebenden und durch deren Vermittlung noch vielen
Ungeborenen zum Segen gereichen. Oder aber, „voll tödlichen Giftes“,
kann sie den Samen giftiger Gedanken ausstreuen, welche den einen das
Leben verbittern, den anderen es erschweren und mühseliger machen. „Mit
ihr preisen wir den Herrn und den Vater, und mit ihr fluchen (schaden) wir
den Menschen ... Aus demselben Munde geht Preis und Fluch hervor. Dies,
meine Brüder, sollte nicht also sein. Die Quelle sprudelt doch nicht aus
derselben Öffnung das Süße und das Bittere?“ - Jak. 3:8-11
„Wes das Herz voll ist, des geht der
Mund über.“ Wenn wir also über andere und ihre Angelegenheiten
schwatzen, so beweist das, dass ein großer Teil (wenn nicht mehr) unserer
Herzen nicht voll der Liebe und Güte Gottes ist. Dieser Gedanke sollte
uns sofort vor den Thron der Gnade treten lassen und uns veranlassen,
unsere Herzen an dem Born seines Wortes von seinem Geiste zu füllen;
denn, wer hungert und dürstet nach seiner Gerechtigkeit, der wird satt
werden; der wird bekommen, wessen er bedarf. Wenn wir gar, was noch
schlimmer ist als bloß gedankenloses Schwatzen, üble Nachreden gerne hören
oder üben, dann steht es mit unseren Herzen noch schlecht; dann fließt
es über von Bitterkeit, Eifersucht, Bosheit, Hass und Hader -
Eigenschaften, von denen der Apostel sagt, sie seien Werke des Fleisches
und des Teufels. (Gal. 5:19-21) Wie gerne würden wir die „Neue Schöpfung“
in diesem Stücke aufrütteln und gründlich wach machen; denn, wer jenes
tut, wird sicherlich fallen und nicht in das ewige Königreich unseres
Herrn und Heilandes Jesu Christi eingehen können.
Unsere Zubereitung für sie Königswürde
führt uns gerade nach der entgegengesetzten Richtung, wie der Apostel
Petrus sagt. „Füget zu eurem Glauben das Ausharren, die Bruderliebe,
die Liebe, wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln,
aber reichlich wird euch dargereicht werden der Eingang in das ewige Königreich.“
(2. Petr. 1:5-10) Und der Apostel Jakobus sagt: „Wenn ihr aber bittern
Neid und Streitsucht in eurem Herzen habt, so rühmet euch nicht und lüget
nicht wider die Wahrheit. Dies ist nicht die Weisheit, die von oben
herabkommt, sondern eine irdische, sinnliche, teuflische.“ (Jak. 3:14,
15) Wer eine so bittere, an übler Nachrede sich erfreuende Gesinnung hat,
der hat gerade das Gegenteil von der Gesinnung Christi, von der heiligen
Gesinnung, von dem Geiste der Liebe: möge er weder sich selbst noch
andere täuschen; möge er nicht Finsternis für Licht, nicht den Geist
Satans für den Geist Christi ausgeben.
Im Anschluss an obige Worte erklärt
Jakobus, warum des Herrn Volk zu allen Zeiten in Verwirrung und Unruhe
geraten ist; dies kam her von den unreinen, den nur teilweise geheiligten
Herzen: „Wo Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und jede
schlechte Tat.“ (Jak. 3:16) Wenn dieses Unkraut der alten gefallenen
Natur ungehindert wuchern kann, wird es nicht nur schädlich sein, sondern
schließlich alle lieblichen, schönen Blüten und Gaben des Geistes verdrängen
und ersticken.
Richtiges
Selbstgericht
Von
unserem moralischen Wachstume als Neue Schöpfungen und von der richtigen
Beurteilung unserer selbst sprechend, schreibt der Apostel Paulus: „Da
wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst
reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die
Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.“ (2. Kor. 7:1) - „Lasset
einen Menschen sich selber prüfen“ - lasset ihn die Schwachheiten und
Fehler seiner gefallenen fleischlichen Natur merken und versuchen, zu
abzutun, die Werke des alten Menschen abzulegen, um erneuert zu werden,
verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, zu immer größerer Ähnlichkeit
mit Gottes geliebtem Sohne, der sowohl unser Vorbild als auch unser Herr
und Erlöser ist. Doch ermahnt der Apostel, dass wir nicht nur unser
Fleisch, soweit dies möglich, sondern auch unseren Geist, d.h. unsere
Gesinnung, reinigen sollen, dass der Heilige Geist dieselbe völlig
beherrsche und der Wille Gottes, wie er uns durch unseren Herrn Jesus
kundgemacht und vorgelebt wurde, einen jeglichen unserer Gedanken gefangen
nehme.
Der Versuch, unser Fleisch zu reinigen
und unsere Zunge zu zügeln, wird fruchtlos bleiben, wenn wir nicht acht
haben auf unser Herz, unsere Gesinnung, unseren Geist, wo unsere Gedanken
entstehen, von denen Worte und Handlungen nur die wahrnehmbaren
Kundgebungen sind. Diese zur Teilnahme am Königreiche notwendige
Reinigung kann nur durch Gebet und Ausharren gelingen; die Heiligkeit wird
in der Furcht des Herrn vollendet. (2. Kor. 7:1) Nicht dass wir hoffen könnten,
eine vollständige Reinigung unseres Fleisches zu erzielen. Das verlangt
der Herr auch nicht, sondern er fordert eine völlige Reinigung des
Willens, des Herzens, des Geistes, mit welcher eine möglichst vollständige
Reinigung des Fleisches und der Zunge verbunden ist. Wo er ein reines Herz
gewahrt, das ihm und seinem Gesetz der Liebe treu ergeben ist, da wird er,
wenn die Zeit gekommen ist, den dazu gehörigen Leib verleihen. „Glückselig,
die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ - Matth. 5:8; 1.
Joh. 3:2
Wie zutreffend sind hier die Worte des
Apostels (2. Thess. 3:5): „Der Herr aber richte eure Herzen zu der Liebe
Gottes“ - zu der Liebe, die da ist freundlich, milde, geduldig; die
alles erträgt, nicht mehr das Ihrige sucht; nicht aufgebläht, noch
neidisch ist, die nicht Böses redet oder denkt, sondern auf Gott vertraut
und gemäß der Goldenen Regel gütig und besonnen ist. Es ist nötig,
dass unsere Herzen zu dieser Liebe gerichtet werden; denn als Neue Schöpfungen
wandeln wir auf einem neuen Wege, nicht nach dem Fleische, sondern nach
dem Geiste. Und der Herr allein ist unser Führer und Leiter, wenn er auch
verschiedene seiner Glieder als seine Mundstücke gebrauchen mag. „Deine
Ohren werden eine Stimme hinter dir her hören (d.h. aus der
Vergangenheit, sagend): Dies ist der Weg, wandelt darauf!“ – Jes.
30:21
„Ich
beurteile mich aber auch selbst nicht. Der mich aber
beurteilt,
ist der Herr“
Es gibt einige wenige in der Neuen Schöpfung,
wenn auch sehr wenige, die sich selbst unbarmherzig zu richten geneigt
sind. Ganz recht haben solche, wenn sie einen jeglichen Fehler, eine jede
Schwachheit an sich tadeln und den Wunsch haben, davon befreit zu werden;
aber unrecht haben sie, wenn sie vergessen, dass uns der Herr nicht nach
dem Fleische kennt und beurteilt, sondern nach dem Geiste, nach der
Absicht, dem Willen, dem Wunsche, der Bemühung. Sie achten zu sehr auf
des Pharisäers Worte: „Ich danke dir, dass ich nicht bin wie andere
Menschen“, und zu wenig auf die Worte des Herrn, der uns erklärt, auf
welchem Grunde wir angenommen werden können, und dass uns das Verdienst
des kostbaren Blutes Jesu von aller Sünde reinigt. Sie vergessen, dass,
wenn sie vollkommen wären oder vollkommen handeln könnten, sie eines
Retters, eines Fürsprechers nicht bedürften; sie vergessen, dass sie
durch Gnade errettet sind, nicht durch Werke des Fleisches.
Solche sollten auf sich selbst die
Worte des Apostels anwenden: „Mir aber ist es das Geringste, dass ich
von euch oder von einem menschlichen Tage (d.h. Gerichtshofe) beurteilt
werde; ich beurteile mich aber auch selbst nicht. Denn ich bin mir selbst
nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber
beurteilt, ist der Herr. So richtet nicht etwas vor der Zeit, bis der Herr
kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und
die Ratschläge (Überlegungen, Absichten) der Herzen offenbaren wird.“
- 1. Kor. 4:3-5
So setzen wir denn unser Vertrauen auf
den Herrn und nicht auf unser schwaches gefallenes Fleisch. Wir haben von
der Gnade und Barmherzigkeit Gottes gehört gegen alle, die auf ihn trauen
und nach dem Geiste der Liebe zu wandeln suchen, wenn sie auch nicht
imstande sind, den vollkommenen Anforderungen desselben völlig
nachzukommen. Unsere Hoffnung geht also nicht dahin, dem Fleische nach
vollkommen zu werden, sondern der Gesinnung, der Absicht nach. Wir hoffen,
dass unser Glaube und unser Eifer durch das Verdienst unseres Erlösers
den Mangel unseres Fleisches erstatten, den wir bedauern, und wogegen wir
täglich ankämpfen. Jedoch, liebt Gott uns auch, die wir von Natur Kinder
des Zornes sind, wie die anderen? Ist er für uns? Hilft er uns? Schreibt
er uns jede Bemühung und jede gute Absicht zugute, auch dann noch, wenn
unsere Bemühung teilweise oder gänzlich fehlschlägt? Ja, „der Vater
selbst liebt euch“ und: Wenn Gott uns so liebte, als wir noch Sünder
waren, dass er seinen eingeborenen Sohn zu unserer Erlösung hingab,
„wird er uns mit ihm nicht alles schenken“, wessen wir in unserem
Laufe nach dem Preise bedürfen, den uns sein Wort verheißt? Wenn er uns
liebte, da wir noch Sünder waren, so liebt er uns gewiss jetzt noch mehr
und zärtlicher, seit er uns in seine Familie aufgenommen hat und in
unseren Herzen den ernstlichen Wunsch sieht, seinen Willen zu tun. So
lasst uns denn voller Zuversicht sein und mit Freimut hintreten vor den
Thron der himmlischen Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und
Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe. - Hebr. 4:16
Hier muss aber einer Warnung Raum
gegeben werden. Wir alle haben Verhältnisse gekannt, in welchen an die
Stelle der Demut, des Mangels an Vertrauen, der Furcht und des Zweifels an
der Gnade Gottes, Selbstvertrauen, völlige Blindheit für die eigenen
Fehler und pharisäischer Dank dafür, dass wir besser seien als anderen,
trat. Das ist ein höchst bedauerlicher, und wenn er andauert,
hoffnungsloser Zustand. Glaube ist unentbehrlich; aber nicht der Glaube an
sich selbst, sondern der Glaube an Gott. Solche Abweichung vom rechten
Wege rührt meist von der Außerachtlassung des Gesetzes der Liebe, der
Goldenen Regel, her. Das Gegenteil der Liebe zu Gott, zu seinem
Heilsplane, zu den Brüdern der Neuen Schöpfung, das Gegenteil des
Erbarmens mit der Welt ist Selbstliebe, hohe Meinung von sich selbst,
Selbstverherrlichung. Lasst uns aber vor diesem Seitenpfade uns in acht
nehmen, der vom Herrn, seinem Geiste und seinem Königreiche hinwegführt.
Führer und Geführte laufen diese Gefahr. Es gibt solche, denen jede Befähigung
zum Belehren abgeht, die dabei gar „aufgeblasen werden in ihrer
fleischlichen Gesinnung“, hochmütig bei aller Unkenntnis; solche sind
„krank an Streitfragen und Wortgezanken, aus welchen entsteht: Neid,
Hader, Lästerungen, böse Verdächtigungen ... von solchen ziehe dich zurück.
Die Gottseligkeit aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn.“ - 1.
Tim. 6:4-6; 1. Joh. 3:9, 10
Die
Versammlung soll gelegentlich richten und urteilen
Wenn wir auch als Einzelwesen uns vor
dem Richten oder Verurteilen hüten und warten sollen, bis der Augenblick
des Herrn gekommen sein wird, um sein Urteil über ein jegliches Glied
seines Leibes kund zu machen, so gibt es doch Fälle, in welchen die
Versammlung als Körperschaft ein Urteil abzugeben verpflichtet ist. Der
Apostel erwähnt in 1. Kor. 5:1 einen besonders schweren Fall, der von dem
Schuldigen eingestanden und der ganzen Versammlung bekannt war, und macht
der letzteren einen ernstlichen Vorwurf daraus, dass sie mit dem
Schuldigen noch die Gemeinschaft aufrecht erhielt. In Ausübung seines
Apostelamtes schloss er ihn von der Versammlung aus, überlieferte ihn,
bildlich gesprochen, dem Satan zur Züchtigung, zum Verderben des
Fleisches (zum Ausbrennen der fleischlichen Gesinnung), auf dass der Geist
(die Neue Schöpfung) errettet werde am Tage des Herrn Jesu, am Tage der
Abrechnung am Ende des Zeitalters. - 1. Kor. 5:5
Einzig der Herr oder einer der zwölf
Apostel (deren letzterwählter Paulus, an Stelle von Judas Iskariot war),
hatten das Recht, an dem Schuldigen so zu handeln, wie auch nur das
Apostelamt Petrus das Recht gab, über Ananias und Sapphira das Urteil zu
fällen. (Apg. 5:1-11) Der Apostel erläutert dann seinen Standpunkt
eingehender, wenn er schreibt (1. Kor. 5:9): Ich habe euch in dem Briefe
geschrieben, nicht mit Hurern Umgang zu haben; nicht durchaus mit (von)
den Hurern dieser Welt (rede ich) oder den Habsüchtigen und Räubern und
Götzendienern, sonst müsstet ihr ja aus der Welt hinausgehen, (sondern)
wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Hurer ist, oder ein Habsüchtiger
oder ein Götzendiener ... mit einem solchen (ist, erachte ich) selbst
nicht (an einem Tische) zu essen. Der Apostel wollte, dass die Korinther
einen Unterschied zu machen vermöchten zwischen äußerlichen Beziehungen
zu Ungeweihten und Anerkennung solcher als Mitglieder der Neuen Schöpfung.
Die Herabsetzung der sittlichen Forderungen wäre dem Übertreter von
keinem Nutzen; es würde ihm viel eher zurecht helfen, zu sehen, dass
seine Unreinheit ihn vom Umgange mit des Herrn Volk ausschließt; und wenn
er tatsächlich vom Geiste Gottes gezeugt ist, wird er um so schneller
erkennen, wie es um ihn steht, sich die erhaltene Lehre zunutze machen und
von seinem bösen Wege umkehren. Im Falle des als Beispiel angeführten
Korinthers hatte sich die Versammlung einer sträflichen Nachsicht
schuldig gemacht und dadurch eine sittliche Schädigung ihrer Glieder überhaupt
riskiert, welche auf andere Versammlungen hätte ansteckend wirken können,
die von den in Korinth herrschenden Anschauungen gehört hätten. Was außerhalb
der Herauswahl geschehe, habe Paulus nicht zu richten, daselbst sei Gott
Richter, aber eine jede Versammlung solle sich die ansehen, die sie als Brüder
aufnehme. So sehr es Gottes Vorrecht sei, die Draußenstehenden zu
richten, so sei es Pflicht der Versammlung, offenbar verdorbene Personen
aus ihrer Mitte auszuschließen. - 1. Kor. 5
Diesen Gedanken, dass sich die
Versammlung in ihrem Urteile über die Welt und in ihren Beziehungen zu
den Brüdern ganz entschieden verhalten müsse, führt der Apostel im 6.
Kap. des 1. Korintherbriefes weiter. Dort tadelt er es, dass die Neigung
bestehe, Zwistigkeiten zwischen Brüdern vor die weltlichen Gerichte zu
ziehen, anstatt das Unrecht, wenn erträglich, geduldig zu ertragen, wenn
nicht erträglich, der Versammlung vorzulegen. Der Apostel ist der
Ansicht, dass, wenn Gott die Herauswahl dazu bestimmt habe, die Richter
der Welt zu werden, ihre Angehörigen jetzt schon ebenso gerecht und
ebenso fähig sein sollten, Recht zu finden, wie die weltlichen Gerichte.
In diesem Stücke sollte man auch dem Allergeringsten in der Versammlung
trauen dürfen. Ist denn in der Versammlung in Korinth wirklich keiner,
auf dessen Einsicht und Reinheit alle trauen und dessen Entscheidung
streitende Parteien anrufen könnten? „Warum lasset ihr euch nicht viel
lieber Unrecht tun?“ Warum ertragt ihr es nicht lieber geduldig, wenn
ihr glaubt, dass euch Unrecht widerfahren ist? Warum tröstet ihr euch
nicht lieber über erlittenen Schaden, anstatt den Streit weiterzuziehen
und euch vor den weltlichen Gerichten gegenseitig zu verklagen? Ja, ich
gewahre, dass ihr euch nicht nur sträubt, um des Friedens in der
Versammlung willen Unrecht zu erdulden, sondern dass sogar einige unter
euch sind, die selbst Unrecht tun und übervorteilen, und das Brüder!
Sucht ihr denn nicht als des Herrn Herauswahl zum Eingange in das Königreich
hinzugelangen oder vergesset ihr, dass Ungerechte das Königreich nicht
ererben werden? Irret euch nicht! weder Hurer, noch Götzendiener, noch
Ehebrecher, noch Weichlinge, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habsüchtige,
noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber, werden das Königreich
Gottes ererben. „Und solches sind euer etliche gewesen; aber ihr seid
abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden
in dem Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes.“ - 1.
Kor. 6:1-11
Diese Aufzählung von Verfehlungen,
welche vom Königreiche Gottes ausschließen, ist gegeben, damit die
Versammlung wisse, wen sie in ihrer Mitte nicht dulden solle. Auf alle
solche Fälle ist der Befehl anwendbar: „Tut den Bösen von euch selbst
hinaus“, wer es auch sein mag, der sich solcher Dinge schuldig macht.
„Wenn
dein Bruder an dir sündigt“
Steht nun dies aber nicht im
Widerspruch mit dem Gebote des Herrn: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht
gerichtet werdet?“ Müssen wir nicht zuerst den Übeltäter als solchen
erkennen und richten, und alsdann seine Übeltaten verkündigen, Böses
von ihm reden, damit die Versammlung als Ganzes den Übeltäter als
solchen erkennen und aus ihrer Mitte hinwegtun könne?
Durchaus nicht! Gottes Anordnungen
widersprechen sich nicht, sondern stehen vielmehr in schönster Übereinstimmung,
sobald sie richtig verstanden werden. Wenn zwei etwas wider einander
haben, und der erste hält sich für übervorteilt, so darf er den zweiten
nicht richten im Sinne von verdammen, sondern zu sich selber sagen: „Ich
glaube fest, recht zu haben, aber der andere kann auch fest glauben, dass
er recht hat, und dass mir nicht Unrecht geschehen ist.“ Abbruch der
Beziehungen wäre in diesem Falle einem Verdammen gleich zuachten. Der
erste mag etwa zu sich selbst sagen: „Die Sache ist unter Brüdern
belanglos; ich will sie fallen lassen und annehmen, der Bruder habe mir
nicht absichtlich unrecht tun wollen, und vielleicht steht nicht er,
sondern ich auf einem falschen Standpunkte.“
Kann er die Sache nicht so ansehen, so
darf er aber darum noch nicht richten. Er muss zum anderen gehen und ihm
erklären, wie ihm die Sache vorkommt, damit, wenn immer möglich, eine
freundliche, brüderliche Übereinkunft zustande kommt, etwa durch
gegenseitiges Nachgeben. Geht das nicht, so soll er zwei oder drei Brüder
unter den verständigsten Gliedern der Versammlung, die sein und des
anderen volles Vertrauen genießen und rechtfertigen, mit sich nehmen und
ihnen die Angelegenheit in Gegenwart des anderen vorlegen, mit dem
Vorsatze, ihren Rat anzunehmen. Dieses Verfahren sollte unter Brüdern,
die alle den Geist der Liebe haben und gerecht miteinander zu handeln wünschen,
zu einem befriedigenden Ergebnis führen, wie es sich unter Gliedern der
gesalbten Körperschaft gehört. Kommt aber die gesuchte Verständigung
auch jetzt noch nicht zustande, so soll noch kein Urteil gefällt werden;
denn nicht zwei oder drei, sondern einzig die Versammlung soll
„richten“.
Wenn nun die mitgebrachten Brüder dem
anderen recht und dem, der sie gerufen hat, unrecht geben, so sollte es
dabei sein Bewenden haben. Er kann unter solchen Umständen die
Angelegenheit nicht vor die Versammlung ziehen; das wäre starrsinnig und
eigenmächtig gehandelt. Hingegen sehen wir nicht, was ihn davon abhalten
sollte (wenn er sich nicht dabei beruhigen kann), drei andere verständige
und nicht voreingenommene Brüder zu seinem Gegner zu nehmen, um ihren Rat
und ihre Meinung zu hören.
Geben aber die ersten Zeugen dem recht,
der sie gerufen hat, und weigert sich der andere, das geschehende Unrecht
gutzumachen und die Sache ins Reine zu bringen, dann mag der Geschädigte
nach Ablauf einer billig bemessenen Wartezeit, in Übereinstimmung mit
seinen Zeugen, die Einberufung einer Versammlung fordern. Vor derselben
haben alsdann beide ihre Gesichtspunkte darzulegen; denn es muss auch
jetzt noch vorausgesetzt werden, dass sich der Beleidigte zur Versammlung
hält und bereit ist, ihren Rat oder ihre Entscheidung anzunehmen. Bei
einer solchen Versammlung haben natürlich nur die Gerechtfertigten und
Geweihten Zutritt und Stimme, die sich dessen voll bewusst sind, dass sie
den Rechtsspruch ihres Herrn und Hauptes finden und fällen sollen. Eine
solche Sitzung darf nicht der Ausgangspunkt von Parteiungen sein, sondern
hat vielmehr den Zweck, die Einheit der Versammlung im Bande des Friedens
zu erhalten. Die streitenden Parteien haben natürlich dabei nicht
abzustimmen; ferner sollte sich der Stimmabgabe enthalten, wer einen
anderen Wunsch in seinem Herzen fühlt, als den, des Herrn Urteilsspruch
zu finden. Die Entscheidung sollte womöglich mit Einstimmigkeit erfolgen,
wenn das auch eine Beschneidung der Wünsche auf der einen oder anderen
Seite notwendig machen sollte. Lasst die Gerechtigkeit stets mit
Barmherzigkeit vermischt sein, „indem du auf dich selbst siehst, dass
nicht auch du versucht werdest.“ - Gal. 6:1
Die Entscheidung der Versammlung sollte
von allen als endgültig angesehen werden, und wer sich derselben nicht fügen
und unterwerfen kann (in Fragen des Wandels, nicht des Gewissens), mit dem
mögen es die anderen wie mit einem Heiden oder Zöllner halten, bis er
aufhört, der Versammlung zu trotzen. Wenn letzteres der Fall ist, dann
soll ihm ohne weiteres vergeben und der Umgang mit ihm in früherer Weise
wieder aufgenommen werden. Der Zweck des Ausschlusses ist nicht, den
Schuldigen zu verstoßen; die Entziehung der Brudergunst soll seinem
Unrecht, nicht ihm selbst, gelten und ihm zur Rückkehr behilflich sein.
Es mit einem Bruder wie mit einem Heiden oder einem Zöllner zu halten,
heißt nicht, ihn nach seinem Ausschlusse zu verleumden und schlecht zu
machen. Kinder Gottes sollen unter keinen Umständen böse Nachreden üben;
„redet Böses von niemandem“, hat auch hier seine Geltung. Wir sollen
von Sündern und Zöllnern nichts Böses aussagen, sie nicht scheel
ansehen, uns nicht weigern, mit ihnen geschäftliche Beziehungen zu haben;
nur in das besondere Verhältnis, in welchem Brüder der Neuen Schöpfung,
die den Heiligen Geist und dessen Liebe, Freude und Frieden besitzen,
zueinander stehen, sollen wir sie nicht treten lassen.
Einen von der Versammlung schuldig Erklärten,
der nicht sofort sein Unrecht zugegeben, sondern erst den Kopf aufgesetzt
hat und erst nachher reuig geworden ist, sollte man nicht zum Ältesten wählen,
es sei denn, er habe zuvor Anzeichen einer gründlichen Besserung gezeigt.
Denn, dass er sich so hatte gehen lassen, lässt befürchten, dass er bei
aller Gewissenhaftigkeit da, wo seine persönlichen Interessen in Frage ständen,
keinen sicheren Blick für das Rechte hätte. Den Rat dreier Brüder
missachtet und die Einberufung der Versammlung zur Entscheidung der Sache
notwendig gemacht zu haben, ist keine Empfehlung, auch dann noch nicht,
wenn er sich endlich gefügt und das Unrecht nach Kräften gut gemacht
hat.
Vergib
siebenzig mai sieben mal
Wenn aber der Beleidiger sein Unrecht
schon beim ersten Besuche des Beleidigten oder doch beim zweiten (vor
Zeugen) einsieht und gut zu machen sucht, dann sollte der Beleidigte
vergeben, und zwar von Herzen, ohne ihm erst noch eine Strafe aufzuerlegen
- eingedenk der Worte: „Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht
der Herr.“ Aber wie oft sollen wir dem Reuigen vergeben? Ist es genug
sieben mal? fragt Petrus. Der Herr antwortet auf diese Frage hier:
„Siebzig mal sieben!“ (Matth. 18:22) Wir sollen die Fehler der anderen
so oft vergeben, wie wir wollen, dass uns der Vater vergebe. Wenn wir eine
Neigung fühlen, einen Bruder wegen seiner Schwachheiten zu verachten,
lasst uns unserer eigenen Schwachheiten und daran gedenken, dass, wer
nicht Barmherzigkeit übt, auch nicht Barmherzigkeit erlangen wird. –
Jak. 2:13
Vergehungen
gegen die Versammiung
Wir haben oben (und ausführlicher im
6. Kap.) davon gesprochen, wie es gehalten werden soll, wenn sich einer
gegen den anderen verfehlt. In dem in 1. Kor. 5:1 erwähnten Falle liegt
nun keine Beleidigung gegen einen Bruder, sondern ein Verstoß gegen das
vor, was die ganze Versammlung hochhält. Was soll in solchen Fällen
geschehen?
Ist der Verstoß nicht allgemein
bekannt, so raten wir zum gleichen Verfahren wie bei persönlichen
Beleidigungen. Ist der Verstoß aber allgemein bekannt, so sollten es die
Ältesten für ihre Pflicht halten, den Schuldigen ohne vorausgegangene
Besuche vor die Versammlung zu laden, weil die Sache schon öffentlich und
mithin ein Verfahren nicht am Platze ist, welches verhüten soll, dass Ungünstiges
bekannt werde. Gleicherweise sollte es im Falle von übler Nachrede wider
Älteste gehalten werden, weil der Schuldige die beiden Gelegenheiten des
Besuches beim Ältesten, erst allein, dann mit zwei oder drei Zeugen,
verscherzt und die Sache selbst öffentlich gemacht hat, sodass ein
vertrauliches Gutmachen nicht mehr möglich ist. Der angegriffene Älteste
sollte in diesem Falle seine Mitältesten zusammenberufen, vor ihnen das
ihm nachgesagte Böse in Abrede stellen und verlangen, dass sich der
Schuldige vor der Versammlung wegen böser Nachrede und falschen
Zeugnisses verantworte, weil er gegen die vom Haupte gegebenen
Verhaltungsmaßregeln verstoßen und die Versammlung als Ganzes beleidigt
habe, die den betreffenden Ältesten dieser seiner Stellung würdig
erachtet hat. Der Verleumder sollte schuldig gesprochen, vor der
Versammlung getadelt und aufgefordert werden, sein Unrecht anzuerkennen.
Sobald aber dies geschehen ist, würde er ein Recht haben, gegen den Ältesten,
den er im Irrtum glaubt, in der Weise vorzugehen, wie er es zuerst hätte
tun sollen.
Wir
müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi
-
2. Korinther 5:10 -
Mit dem „Wir“ dieses Verses ist
zweifellos die Herauswahl (Neue Schöpfung) gemeint. Dieses Offenbarwerden
ist also nicht zu verwechseln mit dem in Matth. 25:31-46 vorausgesagten
Versammeltwerden aller Nationen vor dem Sohne des Menschen, wenn er
wiederkommen wird in seiner Herrlichkeit und inmitten seiner heiligen
Engel. Wenn einmal der Sohn des Menschen auf dem Throne seiner
Herrlichkeit sitzen wird, werden seine Getreuen (die Ekklesia, die Braut)
mit ihm Anteil haben an seinem Throne und seiner Herrlichkeit und an dem
tausendjährigen Gerichte der Nationen, auch derer, „die (noch) in den
Gräbern sind.“
Von dem Gericht der Herauswahl handeln
Matth. 25:14-30 und Luk. 19:12-26. Es findet am Ende des Zeitalters statt
und ist das erste Werk des zurückgekehrten Königs. Er rechnet zuerst mit
seinen Knechten ab, welchen er verschiedene Güter (Vermögen, Einfluss,
geistige Gaben, gute Gelegenheiten zum Wirken) anvertraut, und die in der
Verwertung derselben mehr oder weniger treu, ausdauernd und hingebend
gewesen sind. Mit diesen muss abgerechnet werden, damit jeder den
richtigen Lohn empfange, gesetzt werde über zwei oder fünf oder zehn Städte,
- „eingehe zu seines Herrn Freude.“ Der Lohn wird nicht für alle
gleich herrlich und gleich groß sein. Wie ein Stern sich von einem
anderen Stern durch seine Herrlichkeit unterscheidet, so wird es auch der
Fall sein bei denen, welche teilhaben werden an der ersten Auferstehung zu
Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit. - 1. Kor. 15:41
Treue, Liebe und Eifer werden bei der
Prüfung maßgebend sein. Wer Gaben hatte und sie in die Erde vergrub (zu
zeitlichem Gewinn oder Vermögen, für Verwandte, oder aus Trägheit gar
nicht anwandte), hat dadurch bewiesen, dass es ihm an der Liebe gebrach,
dass er gebotene Gelegenheiten nicht zu verwenden wusste. Ein solcher ist
der Königswürde nicht wert und wird nicht eingehen in seines Herrn
Freude, noch mit dem Herrn die Welt regieren und segnen dürfen.